Vertrag unterzeichnet

Vielen Dank für die Glückwünsche zur ersten eigenen schwedischen Mietwohnung!

Mittlerweile ist der Vertrag unterzeichnet. Die Freude ist groß, denn die Wohnung ist wohl nicht schlecht (habe sie selbst noch nicht gesehen).

Einem Durchschnittsdeutschen mag es als grotesk erscheinen, dass jemand den Erhalt einer Mietwohnung, die er nicht einmal selbst gesehen hat, derart zelebriert.
Wenn man aber eine Weile in Stockholm gelebt hat, wird man das gut verstehen können. Wie ich in meinem Auswandererguide umfänglich beschreibe, soll das hiesige Wohnungssystem für mehr Gerechtigkeit sorgen. Daher werden Mietwohnungen zumeist per Warteschlange (Bostadskö) abgegeben. Wer am längsten wartet, kriegt die Wohnung. Das soll dafür sorgen, dass nicht immer der reichere zum Zuge kommt.
In der Realität begünstigt dies aber diejenigen, die vertragswidrig die Wohnung untervermieten, so dass diese Objekte auf dem Schwarzmarkt durchgereicht werden, anstatt den in der Warteschlange stehenden angeboten zu werden. Dazu verzerren die künstlich niedrige Mieten den Markt bei den Wartezeiten, die man haben muss, um eine Wohnung zu erhalten.

Derzeit ist es sehr schwer, eine Wohnung mit unseren Voraussetzungen zu erhalten. Man kann annehmen, dass die Finanzkrise und die damit einhergehenden härteren Kreditbedingungen den Zulauf zum Mietmarkt noch verstärken werden. Diese Leute haben oft viele Jahre passiv in der Warteschlange gestanden und nun genügend Wartezeit angehäuft, um freie Wahl zu haben.
Wir haben jedoch gerade einmal 2 Jahre Wartezeit, in vielen Warteschlangen sogar noch deutlich weniger. Das reicht derzeit gerade einmal für Listenplätze ab 40 aufwärts – aussichtslos.
Wir hatten uns schon frühzeitig darauf verlegt, nur noch in den Warteschlangen der umliegenden Kommunen zu suchen, denn jede Wohnung, die wir bei der Stockholmer Bostadskö kriegen würden, wäre die Wartezeit nicht wert, die wir dafür hergeben müssten.

In unserem Fall spielte das Glück eine erhebliche Rolle. Ich stand seit knapp 2 Jahren in Värmdö in der Warteschlange. Värmdö ist ein gutes Stück außerhalb, wunderschön auf den Schären gelegen. Drei Faktoren dürften Värmdö aber weniger attraktiv machen für die Wohnungssuchenden:

  1. Es gibt zwar eine Autobahn direkt nach Stockholm, aber der Nahverkehr hat die Schwäche, dass es keinerlei Schienenverkehr in die Kommune gibt. Man ist zwar normalerweise in 30 Minuten in der Stadt, aber wenn einmal Wetter oder Verkehrsverhältnisse nicht mitspielen, steckt man fest. Weiter entfernte Teile der Kommune sind zwar landschaftlich ein Traum und in vielen Fällen geradezu ein Schwedenklischee, aber die Fahrtzeiten in die Stadt steigen enorm an.
  2. Die Bostadskö kostet Geld, was nur in wenigen Kommunen des Län der Fall ist.
  3. Die Einkommenssteuern in Schweden sind vom Wohnort abhängig. Man zahlt in Stockholm rund 30%, in Värmdö sind es aber 33%, und das ist für Groß-Stockholm vergleichsweise viel.

Inwieweit dies alles eine Rolle spielt, kann ich nicht beurteilen. Ich erhielt jedoch eine Einladung zur Wohnungsbesichtigung, die meine Freundin wahrnahm. Anscheinend waren nur 4 Leute dazu erschienen, und so reduzierte sich das Feld potenzieller Mieter erheblich. Zwar ist ein Erscheinen keine Pflicht, aber in vielen Fällen wirkt sich dies positiv aus.
Ich war freilich auf Platz 4. Wir gingen daher nicht davon aus, zum Zuge kommen zu können. Drei Wochen später war die Wohnung immer noch nicht vermittelt. Auf Nachfrage teilte man mir vor knapp 2 Wochen mit, ich sei nun auf Platz 3.

Dann letzte Woche der Anruf: was ich denn beruflich machen würde, denn meine Einkommenssteuererklärung von letztem Jahr würde ja nicht viel aufweisen. Ich solle möglichst schnell Unterlagen einschicken, denn die Wohnung wäre schon zum 1. Dezember zu beziehen. Genau dies war wohl auch der Grund, wieso die beiden, die in der Liste vor mir standen, abgesagt hatten: das war denen zu kurzfristig.
Uns natürlich auch, denn das heißt, doppelt Miete zu bezahlen und zu einer Zeit umzuziehen, in der wir nicht an Langeweile leiden. Heute geht es für ein Wochenende nach Berlin, und ab 10. Dezember haben wir fast durchgehend Gäste bis Ende des Monats.
Aber es gab keine Alternativen, und wir wären dumm gewesen, nein zu sagen. Schon alleine die Tatsache, dass wir auf Platz 1 vorgerückt waren, ist ein kleines Wunder, und da durfte das keine Rolle spielen.

So ziehen wir nächste Woche mit viel Stress um – es verspricht ein erlebnisreicher Dezember zu werden.

Auswandererguide Teil V – Der Wohnungssuche vierter Teil: Andra Hand

Zum Thema Wohnungssuche habe ich mittlerweile das englischsprachige Stockholm Accommodation Wiki gestartet. Dieses soll Informationen besser sammeln und strukturieren, als es der Auswandererguide kann. Die Adresse: http://stockholmaccommodation.wikia.com

Lieber Leser, sie haben die rechtlich abgesicherte Zone von Bostadsrätt und Hyresrätt verlassen und befinden sich nun im Niemandsland. Hier weiß man nie genau, woran man ist, und es regiert der Kapitalismus. Es hat auch einen Namen: es heißt Andra Hand.

„Andra Hand“ bedeutet nichts anderes als „zweite Hand“. Gemeint sind Untervermietungen – konkret also die Anmietung einer Wohnung bei jemandem, der selbst nur Mieter oder Inhaber des Bostadsrätts ist. Man steht also nicht direkt mit dem Hauseigentümer – üblicherweise eine gemeinnützige Wohnungsgesellschaft – in Kontakt.

Wie es zu einer Untervermietung kommt, hat unterschiedliche Gründe. Denkbare Szenarien sind:

  • Der Mieter oder Bostadsrättsinhaber geht für eine Zeit lang ins Ausland oder andere Teile Schwedens.
  • Der Mieter oder Bostadsrättsinhaber steht vor einem größeren Umbruch im Leben (Zusammenzug mit dem Partner, Erwerb eines Hauses) und will sich nicht ohne „Sicherheitsnetz“ in die neue Situation begeben. Es gibt dafür sogar ein Wort: „provsambo„, was übersetzt ungefähr „Probezusammenwohnen“ heißt.
  • Wegen schwerer Krankheit eines Familienmitglieds will der Bewohner vorübergehend ausziehen, um den Verwandten pflegen zu können. Auch wenn man selbst krank wird oder aus Altersgründen umziehen muss, ist eine Untervermietung möglich.
  • Der Mieter, der oft jahrelange Wartezeiten aufbringen musste, um einen Mietvertrag zu ergattern, will die Wohnung nicht aufgeben, da sonst die Wartezeit unwiederbringlich verloren wäre. Stattdessen vermietet er die Wohnung unter, auch um sie später für eine eventuelle Eigennutzung zur Verfügung zu haben. Da es sich durchaus um jahrzehntelange Zustände handeln kann, ist sogar eine spätere Nutzung für die eigenen Kinder denkbar.
  • Ähnliche Motive dürften auch zahlreiche Inhaber eines Bostadsrätts antreiben. Da die Preise für Wohnungen permanent steigen, kann es sehr lohnend sein, einfach die weitere Preisentwicklung abzuwarten und dann zu verkaufen, wenn es sich lohnt. Die Mieter können derweil die anfallenden monatlichen Kosten tragen. Eventuell benötigt man ja auch die Wohnung vielleicht irgendwann selbst noch einmal.

Wer sich die beiden vorangegangenen Teile durchgelesen hat, weiß, dass nur die ersten drei Szenarien zulässig sind. Eine Untervermietung ist nämlich nur dann vertragskonform, wenn die Wohnungsgesellschaft zustimmt. Diese Zustimmung wird aber in der Regel nur erteilt, wenn es gute Gründe hierfür gibt und diese beinhalten, dass mit einer Rückkehr zu rechnen ist. So kann es auch zu einer mehrjährigen Untervermietung kommen. Irgendwann wird die Gesellschaft dann dazu drängen, entweder wieder einzuziehen oder den Zustand zu beenden. Dies bedeutet eine Kündigung des Mietvertrags oder der Verkauf des Bostadrätts, welcher ggf. auch zwangsweise eingeleitet werden kann.

Eine solche vertragskonforme vorübergehende Untervermietung ist für den Untermieter in spe also an bestimmte Bedingungen geknüpft, an denen auch der Vermieter nichts mehr ändern kann.

  • Die Mietzeit ist begrenzt, häufig auf ein Jahr oder weniger. Dieser Umstand macht vor allem junge Menschen in den Großstädten zu Nomaden, die mindestens einmal im Jahr umziehen müssen.
  • Die Wohnung ist unter Umständen schon möbliert, was eine individuelle Einrichtung kaum möglich macht. Man wird sich hierbei auch kaum heimisch fühlen. Der Vermieter darf für die Möbel auch einen Aufschlag auf die Miete erheben, der allerdings auf 10 bis 15 Prozent der Grundmiete beschränkt ist.
  • Diese Grundmiete darf ebenfalls nicht beliebig festgesetzt werden. Der Preis muss sich an vergleichbaren Mietwohnungen orientieren.

Unter dem Strich kommt also für den Bostadsrättinhaber ein Gewinn heraus, der sich allerdings in einem recht begrenzten Rahmen bewegt. Der Mieter auf der anderen Seite hat zumindest für einen gewissen Zeitraum eine einigermaßen gesicherte Unterkunft und bezahlt eine marktübliche Miete.

Bei einer vertragswidrigen Untervermietung, also ohne Zustimmung der Gesellschaft, kann es zur Kündigung des Mietvertrags bzw. dem Zwangsverkauf des Bostadsrätt kommen. Beides geschieht zwar mit Kündigungsfristen, macht die Situation des Untermieters nicht unbedingt leichter, da dieser dann ganz schnell etwas neues finden muss.

Wie man sich denken kann, findet diese Art der Vermietung unter etwas eigenwilligen Umständen statt:

  • Offiziell sind die Bewohner nur sogenannte Inneboende (vielleicht „darin wohnende“), d.h. sie leben in einer Art Wohngemeinschaft mit dem eigentlichen Bewohner – mit der Besonderheit, dass dieser in Wirklichkeit nie zuhause ist. Daher ist man nach außen hin auch nur einer von mehreren in der Wohnung, so dass die eigene Adresse lautet „Eigener Name, c/o Vermieter“. In vielen Andrahandswohnungen steht der Name des Untermieters erst gar nicht an der Tür, um noch unverdächtiger zu wirken.
  • Da wenn überhaupt nur ein formloser Mietvertrag besteht, ist man natürlich auf den guten Willen des Vemieters angewiesen. Will dieser seine Wohnung zurück, kann man dagegen kaum etwas tun.
  • Zwar wird der Vermieter etwas vorsichtig sein mit überzogenen Mietforderungen, da er sonst den Unmut des Mieters auf sich zieht, der ihn wiederum auffliegen lassen könnte. Jedoch wird ein Aufschlag immer drin sein. Die ganze Sache soll sich ja auch irgendwo lohnen.
  • Gerüchteweise kann man sich als Untermieter auch an die Wohngesellschaft wenden. Die würde einem dann einen richtigen Mietvertrag anbieten, um den Zustand der wenig erwünschten Untervermietung zu beenden. Ob da etwas dran ist und wo die Risiken sind, ist mir aber nicht bekannt.

Es ist also festzustellen, dass beide Formen der Untervermietung schon akzeptabel, aber mit Risiken behaftet sind und meist nur als mittelfristige Lösung herhalten können. Soweit ich es beurteilen kann, ist das auch genau die Nutzungsart, für die sie eingesetzt werden: um vorübergehend eine Wohnung zu haben, bis man irgendwann auf ein Hyres- oder Bostadsrätt umsteigen kann.

Bei der ganzen Sache sollte man aber auch erwähnen, dass die Wohnungsgesellschaften sich nicht sonderlich dafür einsetzen, Untervermietungen zu verhindern. Zwar gibt es schon Kontrollen, aber angesichts der Tatsache, dass in Schweden die Einwohnermeldedaten für jedermann öffentlich zugänglich sind, bleiben sie recht inaktiv. Hinzu kommt, dass die Webseiten der Kommunen sogar selbst auf bekannte Andra-Hand-Vermittlungen hinweisen, obwohl sie selbst nur zu gut wissen, dass viele Wohnungen dort gegen die Regeln der eigenen kommunalen Wohnungsbaugesellschaft vermietet werden.

Naturgemäß ist dieser Teil des Wohnungsmarkts erheblich versteckter, so dass meine Eindrücke hier täuschen können. Zum Einen werden viele Wohnungen an Bekannte und Verwandte vermietet. Wenn man eine Wohnung vermieten möchte, sucht man natürlich erst unter den Leuten, die man schon kennt. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass man einen vertrauenswürdigen Untermieter haben möchte. Ein weiterer Grund ist außerdem, dass man Mietgewinne als Einkommen angeben müsste, was viele natürlich nicht wollen.

Die Vermittlung findet heutzutage meist über das Internet statt. Hierzu gibt es einige Seiten, die mal mehr, mal weniger Erfolg versprechen. Hier eine Liste derer, die ich kenne – man möge mir bitte nachsehen, dass ich keine eigenen Erfahrungen mit solchen Portalen habe:

  • Blocket: Bis heute ist mir ein Rätsel, wieso dieses graphisch und bedienungsmäßig eher bescheiden daher kommende Portal so erfolgreich ist in Schweden, während Ebay bzw. dessen schwedischer Ableger tradera.com kaum populär sind. Es handelt sich im Wesentlichen um einen Anzeigenmarkt, der online steht. Unter anderen Dingen gibt es auch Wohnungen, die man mieten kann. Man merkt allerdings schon die Marktmacht, denn dort gibt es auch Wohnungen für 10000 kr im Monat. Diese Preise werden in der Bostadskö unter normalen Umständen nicht oder nur bei sehr großen Wohnungen erreicht. Ich kenne jemanden, der hierüber eine nette Wohnung gefunden hat.
  • Andrahand.se: Das offensichtlichste Portal – ich habe keinerlei Erfahrungswerte damit.
  • bovision.se: ein bei einigen kommunalen Websites verlinktes Portal.
  • hyralya.se
  • Hyrestorget
  • BoPunkten
  • Hemnet.se
  • BostadsPorten
  • Bostaddirekt: eine Webseite mit einer kleinen Besonderheit. Der Zugang zum System kostet Geld und gilt auch nur zeitlich beschränkt. Dies hat den Vorteil, dass Suchende und Anbieter ein relativ kleiner Club sind, die es aber auch alle ernst meinen. Man bezahlt 695 kr für einen Zugang für Stockholm bzw. 295 kr für den Rest des Landes. Ich kannte einmal einen Amerikaner, der auf diesem Wege schnell fündig wurde.
  • easyroommate.com: es handelt sich hierbei zwar in erster Linie um eine Zimmervermittlung, aber als ich dort angemeldet war, bekam ich relativ schnell ein paar Zimmerangebote. Man kann also schon von einer positiven Erfahrung sprechen.
  • Der Anzeigenmarkt der Stockholmer Universität: vor allem für Studenten, aber auch für viele andere interessant sind die dort angebotenen Untervermietungen.

Das sind höchstwahrscheinlich längst nicht alle Portale, die es gibt, aber zumindest einmal ein Anfang für Wohnungssuchende.

Eine Wohnform ist bislang hier noch nicht angesprochen worden: Eigenheime. Auch diese kann man mieten, aber nur vereinzelt. Soweit ich das sehen kann, ist das sogar legal, da man das Haus ja auch wirklich selbst besitzt. Auf dem Markt gibt es davon aber nicht übermäßig viele, und billig dürfte es auch nicht sein. Zudem dürfte die Zahl der unbefristet zu vermietenden Häuser recht gering sein. Ich kenne allerdings eine Gruppe Isländer, die einige Zeit ein tolles Haus gemietet hatten – allerdings sind Isländer, was die allgemeinen Kosten angeht, von Haus aus erheblich toleranter.

Zurück zu den Wohnungen. Andra Hand ist also etwas für jemanden:

  • der sich dem Stress aussetzen kann und will, bei jeder Annonce nach Möglichkeit der erste zu sein, der anruft und somit die besten Chancen hat.
  • der bereit ist, zu akzeptieren, dass er halb-anonym in der Wohnung lebt und sie eventuell nicht anders einrichten darf.
  • der bei Bedarf auch schnell die Wohnungssuche neu startet und umzieht.

Wer sich dem aussetzen möchte, kann hier fündig werden. Etwas beständiges wird man aber nur bei Bostadsrättern und Hyresrättern finden.

Ein Aspekt, der auch in vielen Andrahandsportalen abgedeckt wird, habe ich noch nicht angesprochen: bostadsbyte. Dazu gibt es mehr im nächsten Teil.