Die totale Amerikanisierung Schwedens

Nachdem ich mir ja schon gestern den Spaß gegönnt habe, deutsche Wahlen nach amerikanischem System zu entscheiden, heute das gleiche für Schweden. 391 Wahlmänner gibt es und somit reichen 146 zum Sieg. Hier hätte sich am Ausgang nichts geändert: Reinfeldt hätte 238 gewonnen, während Persson sich mit 153 hätte begnügen müssen. Das ist auch kein Wunder, denn die beiden größten Län sind derart bevölkerungsreich im Vergleich zum gesamten Land, dass diese beiden Län die Wahl fast alleine entscheiden könnten.

Ungeahnte Probleme

Auch wenn mich das Rauchverbot in den letzten Monaten sehr beschäftigt hat, so kann ich nicht verhehlen, dass es dazu auch schöne Glossen gibt. Wobei ich mir nicht sicher bin, welche Ansicht der Autor wirklich vertritt.
Sehr amüsant übrigens auch, dass auch Messen der Tabakindustrie mittlerweile von Rauchverboten beeinflusst werden.

Auch mit anderen Drogen ist nicht zu spassen: Kristina Axén Olin, Stockholms Bürgermeisterin (eigentlich nur Finanzbürgermeisterin, aber das Amt Bürgermeister hat die Stadt nicht), hat in einem Interview zugegeben, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter an Weihnachten 2005 in eine ziemliche Lebenskrise gestürzt war und es dann im letztjährigen Wahlkampf „zuviel Kopfwehtabletten und zuviel Alkohol“ geworden seien. Sie sei sogar bei den Anonymen Alkoholikern gewesen. Nun wird wild diskutiert, welche Sitten im Rathaus denn so vorherrschen. In meiner Zeit dort war das Leben auch sehr exzessiv. Es gab Kuchen und ich bekam fast einen Wasserschock – zum Glück ging es glimpflicher aus als in diesem tragischen Fall.

Polit-Ticker (5): Ganz kurz

Zurück aus Åland geht es mit dem Tagesgeschäft weiter.

Daher nur eine wahnsinnig spektakuläre Meldung heute: die Verantwortlichen für den grossen Spionageskandal im Wahlkampf werden nun angeklagt – insgesamt stehen 6 Leute auf der Liste. Der Prozess soll im Januar beginnen.

Sehr interessieren würde mich aber auch, was mit dem Folkpartiet-Stadtrat passiert ist, der in einem Pornokino festgenommen wurde.

Polit-Ticker (1): Billström abgesägt

Nordkorea hat doch keine zweite Atombombe getestet, was etwas Luft für andere Dinge gibt.

Nachdem sich die Folgen der Wahl schon vergangene Woche mit der Wahl Fredrik Reinfeldts zum neuen Statsminister (d.h. Ministerpräsident) manifestierte, scheint es bei meiner eigenen Partei auch hoch her zu gehen. Annika Billström, vor der Wahl noch Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin, wurde abgesägt. Stattdessen soll die ehemalige Ministerin Carin Jämtin Oppositionsbürgermeisterin werden. Wer sich bei dem Begriff fragt, was das sein soll, fragt sich zurecht – das Stockholmer System wirkt aus deutscher Sicht etwas eigen. Eigentlich gibt es nicht einmal einen Bürgermeister, sondern nur mehrere Amtsinhaber mit dem Titel Borgarråd (also ungefähr Bürgerrat), die wie Beigeordnete in einer deutschen Stadt bestimmte Aufgabenbereiche hat. Der wichtigste ist der Finansborgarråd, der dann am ehesten der Bürgermeister ist. Die Opposition hat je Fraktion einen sogenannten Oppositionsborgarråd. Der hat bei der Stadtregierung wohl nicht so viel zu melden, aber immerhin einen schönen Titel. Ist ja auch was.

Nun ist also Carin Jämtin die „heisseste Kandidatin“, wie dieser Ausschnitt aus Stockholm City zeigt – Machos werden entgegen, dass sie gar nicht so heiss wäre. Gegenkandidat ist übrigens mein vorübergehender mittsommerlicher Chef, der ehemalige Borgarråd für Kultur- und Arbeitsmarktsborgarråd Roger Mogert.

„It’s the end of the world as we know it…

…and I feel fine“

REM – End of the World

Gestern morgen hatte man ja noch leise Hoffnungen. Mein erster schwedischer Urnengang war spannend – man darf die Briefe nicht selbst in die Urne werfen, und man muss sie zukleben. Das sind im Wesentlichen die Hauptunterschiede zu Deutschland.
Ich möchte nicht behaupten, ich hätte es schon vorher gewusst, aber eine leise Vorahnung hat mich den ganzen Tag begleitet. Eigentlich hatte ich schon die ganze Woche das Gefühl, dass das eigentlich nichts werden kann.

Wenn man auf einen knappen Sieg spekuliert, geht das immer schief. Das vermeintlich kontrollierbare tut letztendlich doch, was es will. Professor Murphy lässt grüssen.Dann kommt es so wie beim Autounfall, wo ein Meter fehlt, beim WM-Halbfinale, wo man doch nur noch zwei Minuten hätte aushalten müssen, oder bei Steve Irwin. Und letztendlich ist es nicht anders bei den schwedischen Sozialdemokraten, die wussten, dass sie dieses mal nicht die Trümpfe in der Hand und den schlechteren Spitzenkandidaten haben. 70 Jahre annähernde Dauerregierung sind letztendlich doch kein Garant.

So sind wir gestern abend mit gemischten Gefühlen zur offiziellen Wahlparty in Norra Latin, einer der Zentralen schwedischer Sozialdemokratie gegangen. Ich hatte zuvor sogar meine bescheidenen Krawattenbindkünste angestrengt, um auch etwas herausgeputzt zu erscheinen. Die Wahlparty war gross, das Fernsehen war da, und man konnte zwischen dem öffentlich-rechtlichen SVT und dem privaten TV4 entscheiden. Leider muss ich konstatieren, dass SVT zumindest anfangs die erheblich schlechtere Wahl war.

In einem Tiefpunkt der Medienpädagogik zeigten sie, wie man die Prognose nicht präsentieren sollte. Kurz hier der Ablauf:

  • 20 Uhr: der Balken der Linkspartei schnellt hoch. Es wird gejubelt, bis einen Moment später klar wird, dass es sich um das Ergebnis von 2002 handelt.
  • der Prognosebalken schnellt hoch, keiner jubelt. 2 Prozent minus für die Linkspartei – die werden uns nachher auch fehlen.
  • jeder wartet auf den nächsten Balken. Stattdessen wird zunächst ein Linksparteiler interviewt, der bitte jetzt kommentieren soll, dass seine Partei möglicherweise wahrscheinlich eventuell zwei Prozentpunkte eingebüsst hat. Idiotisch, zumal keiner die anderen Ergebnisse kennt. Auf der TV4-Seite des Gebäudes schlagen dagegen die Emotionen hoch. Ich hätte dort sein sollen.
  • Als nächstes die Sozis. Wieder Jubel – 39,9 % – aber wieder nur das Ergebnis von 2002.
  • Der Jubel verstummt, als die Prognose auftaucht – 34 %, ein Debakel.
  • Nach dem Schema geht das weiter. Nach 10 Minuten wissen wir endlich, was Sache ist.

Nun beginnt die eigentliche Zählerei. Hochrechnungen sind in Schweden auch noch genau das: Hochrechnungen. Man nimmt einfach die schon angekommenen Ergebnisse und rechnet sie hoch. Gut gemeint aber unrealistisch. Die Grossstädte sind traditionell eher konservativ. Dementsprechend führen wir auch bis kurz vor 23 Uhr. Wenigstens konnten wir so vorher noch jubeln.

Ich rede mit einigen Genossen, sehe Mädchen weinen. Sie tragen es mit Fassung, aber es scheint ein bisschen durch, dass sie im inneren nur bedingt darauf gefasst waren. Viele werden Tage, vielleicht sogar noch länger brauchen, um zu verstehen, dass auch im Sozi-Land Schweden eine rot geführte Regierung nicht gottgegeben ist. Dass die immer hoch gehaltene Demokratie heissen kann, ja sogar heissen muss, in die Opposition zu gehen. Ich frage mich leise, ob sie denn das können. Die SPD konnte es 1982 nicht. 16 Jahre Kohl waren die Folge.

Ich sehe es trotz allem mit einem gewissen Amüsement. Die SAP hat 9 % mehr als ihr stärkster Herausforderer bekommen und ist dennoch im Tal der Tränen. Aus deutscher Sicht eine groteske Situation. Als leidgeprüfter ehemaliger Einwohner von Baden-Württemberg kann ich da nur Schmunzeln.

Der NDR ist übrigens auch da und interviewt eines der weinenden Mädchen und deren beiden Freundinnen. Letztere sind eher gefasst. Er redet minutenlang mit ihnen. Ich zweifle stark daran, dass diese Aufnahmen viel hergeben. Ich frage den Reporter, wann der Beitrag läuft. Heute morgen – nehme ich mir auf.
Die Schweden haben ihre Regierung abgewählt. Ob mit Recht oder nicht, das ist nicht mehr das Thema. Nun heisst es analysieren, und Fragen stellen – auch unbequeme.

Wir haben auf allen Ebenen verloren. Nicht nur der Reichstag, auch der Landsting (eine Art grosser Kreistag) und vor allem der Stockholmer Stadtrat sind nicht mehr links dominiert. Es ist klar, dass die Leute uns nicht mehr wollen.

Woran lag das?

Der offensichtlichste Grund hat zwei Namen: Fredrik Reinfeldt und Göran Persson. Reinfeldt wird der neue Statsminister (Ministerpräsident) werden. Er ist alles, was Persson nicht ist: jung und dynamisch. Die Leute hatten die Schnauze voll von Persson, der sich zwischenzeitlich nicht gerade schlau angestellt hatte, aber auch einiges Pech hatte. 2003 verlor er seine Kronprinzessin Anna Lindh durch einen irren Mörder. 2004 kam der Tsunami, und Tausende Schweden sassen in den betroffenen Gebieten fest. Vor allem Laila Freivalds, die Nachfolgerin Lindhs als Aussenministerin, musste sich Vorwürfe gefallen lassen, halbherziges Krisenmanagement betrieben zu haben. Im Frühjahr 2006 trat sie dann endgültig zurück. Ihr Nachfolger Jan Eliasson wurde gestern 65 Jahre alt – ein Kronprinz kann er nicht sein, soll er nicht sein und will es wohl auch nicht werden. Auch sonst musste Persson einiges einstecken. Sein mondänes Anwesen ausserhalb Stockholms, das rund 2 Millionen Euro gekostet hatte, machte auf die Schweden, die immer ein sehr genaues Auge auf die Diäten der Politiker werfen, alles andere als einen guten Eindruck.

Persson ging aus diesen Unbillen nicht unbeschadet hervor. In den Beliebtheitswerten rangierte er zuletzt auf mittelmäßigen Plätzen, während Reinfeldt strahlte. Kein Wunder, dass man mit dem Plakatieren von Perssons Konterfei bis fast zum Ende wartete – und dann bekam er auch immer mindestens einen Minister zur Seite gestellt, damit er nicht ganz so verloren da steht. Der krönende Abschluss war der ein Versuch, sich den bürgerlichen Parteien anzubiedern – die Presse zerriss das als Hilferufe eines Ertrinkenden, und hatte wahrscheinlich nicht einmal unrecht damit. Dazu kam noch die Ankündigung, keine volle Legislaturperiode mehr machen zu wollen. „Ihr seid mich eh bald los“ – diese Wahlkampfbotschaft ist schlichtweg töricht.
Reinfeldt hatte so unnötig leichtes Spiel. Dass die Fernsehdebatten im Allgemeinen ausgeglichen gewertet wurden, konnte die Gesamtsituation nicht verdecken.
Die entscheidende Frage, die sich nun stellt, ist, wie sehr die Sozialdemokraten als Partei darunter gelitten haben. Dies war das niedrigste Wahlergebnis seit 1920 – deutet sich hier vielleicht ein strukturelles Problem an? Laut den Statistiken sind die Moderaten bei Gewerkschaftern komplett gescheitert – der Schachzug, sich als neue Arbeiterpartei darzustellen, ist also gescheitert. Woher kamen dann aber dann die Wähler? Verlieren wir vielleicht gewisse Bevölkerungsschichten als Stammklientel? Oder war es letztendlich „nur“ der Erdrutschsieg in Stockholm? Diese Probleme sind aus Deutschland zur Genüge bekannt – die CDU gewinnt nicht bei den Frauen und in den Städten, die SPD nicht bei den Bauern. Man wird sich damit auseinandersetzen müssen.
Nun hat die „Allianz“, wie sich der bürgerliche Block nennt, eine knappe aber klare Mehrheit. Die Allianz, das sind 4 Parteien, die in der Vergangenheit nicht immer dicke Kumpels waren. Nun arbeiten sie zusammen. Ob dieses Bündnis weit kommen wird, ist mehr als fraglich.
Was aber, wenn doch? Viele Sozialdemokraten mögen wohl nun denken, man müsse sich einfach vier Jahre in einer Höhle verkriechen und abwarten.
Das aber wäre ein fundamentaler Fehler. Die Partei muss sich personell und programmatisch erneuern, und das schnell genug, um in 4 Jahren wieder angreifen zu können.

Persson hat heute seinen Rücktritt eingereicht, was aber ohnehin die übliche Formalie ist. Das Entscheidende: im März wird ein Sonderparteitag einen neuen Vorsitzenden wählen. Doch wer kommt in Frage?

Einer der in den Raum geworfenen Namen ist Wanja Lundby-Wedin. Sie ist die Vorsitzende von LO, einer Art schwedischem DGB. Der Verband steht der Partei äußerst nahe – soweit, dass sie sogar Hauptrednerin beim Kampagnenauftakt im Frühjahr war. Ob sie das Zeug dazu hat, bezweifle ich aber. Sie scheint mir keine Ikone zu sein.

In einer Webumfrage der Tageszeitung Dagens Nyheter führt derzeit die schwedische EU-Kommisarin Margot Wallström. Auch der recht junge nun Ex-Justizminister Thomas Bodström scheint laut dieser Umfrage passable Chancen zu haben.

Die Diskussion wird sicherlich die nächsten Wochen und Monate in Anspruch nehmen. Für mich als halb Außenstehender wird dies eine spannende Zeit werden und wahrscheinlich auch eine einzigartige Gelegenheit sein,diese ungewöhnliche politische Konstellation zu sehen. Das alles kann aber nicht verdecken, wie ernst das alles ist – die Zukunft der Partei und damit auch des Landes wird damit eng verknüpft sein.

In Da Ghetto (Hey, Ho)


Valstuga Hjulsta

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Der letzte Tag der Wahlkampagne, und meine Genossen machten ausgerechnet da Wahlkampf, wo wir ohnehin die meisten Stimmen abräumen: in Tensta.

Der Ort ist Suburbia vom Feinsten. Mittel bis sehr hässliche Gebäude gruppiert, die Straßen bevölkert von Leuten, die nicht gerade dem schwedischen Klischee in Sachen Aussehen entsprechen. Wer trotzdem blond ist, sieht zumindest arbeitslos aus.

Kurzum: Der Ausländeranteil ist gigantisch hoch, die Arbeitslosigkeit nicht gerade niedrig. Hier wählen uns die Menschen, weil sie sich von einer konservativen Regierung nicht gerade eine Verbesserung der Situation versprechen können.

Vielleicht ist es deshalb gerade da so wichtig, trotzdem Wahlkampf zu machen. Denn – ohne jetzt gehässig oder polemisch sein zu wollen – ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung dort ist sich der Bedeutung einer Wahl wohl nicht bewusst. Wenn wir dort viele erreichen, haben wir gleichzeitig eine große Ausbeute. Denn moderat wählen die bestimmt nicht.

Das Foto zeigt übrigens das „Zentrum“ von Hjulsta, Endstation der U-Bahn und wohl auch von so manchem, der hier wohnt. Links am Bildrand hat sich der Kurdenverein einquartiert.

Morgen wird in Schweden erstaunlicherweise weiter um Wähler gekämpft. Man verteilt Rosen und Stimmzettel – eine Besonderheit der Wahl hier nämlich ist, dass man Stimmzettel oft als eine Art Werbung zugeschickt bekommt, oder eben vor dem Wahllokal in die Hand gedrückt bekommt. Wähler exotischer Parteien können sich daher nicht einmal darauf verlassen, dass ein Stimmzettel für sie im Wahllokal ist. Nur Parteien, die schonmal einen gewissen Erfolg hatten, sind auch garantiert zu finden.

Dass Sozis Stimmzettel verteilen, ist aber etwas fragwürdig, denn zum Einen haben die Leute ihre Wahl schon beim Weg zum Wahllokal getroffen. Zum Anderen aber können sie die Stimmzettel ohnehin drinnen bekommen. Vielleicht werde ich mich morgen aber trotzdem noch beteiligen.

Morgen abend geht es auf jeden Fall auf die Wahlparty. Und um 20 Uhr wissen wir wirklich mehr.

(Wenig) Neues

Eigentlich sollte an dieser Stelle ein überragender Erlebnisbericht von meinen ersten Schwimmversuchen stehen, aber ich habe bisher noch nicht recht die Muse dazu gefunden.

Die Schwimmerei ist Teil meines Masterplans zur Erlangung überragender Fitness in diesem Winter. Außerdem will ich noch Saunagänge, mittellange Läufe (5-15 km) und etwas Fitnessstudio (es gibt eines hier im Lappis) einbauen.

Apropos Lauf: der Staffellauf mit den Genossen war recht erfolgreich. Zwar waren wir mit 2:08 Stunden natürlich viel langsamer als letztes Jahr, waren aber immerhin die zweitschnellste Sozi-Staffel – von drei, nur damit da keine falschen Rückschlüsse aufkommen.

Der Wahlkampf geht in die Endphase. Leijongate ist fast vergessen und andere dicke Skandale zeichnen sich auch nicht ab. Stattdessen wird mir mehr und mehr einer der Hauptgründe klar, warum die Regierungsmehrheit gefährdet scheint: Göran Persson. In den Beliebtheitsumfragen ist Persson nicht einmal unter den Top 5, weshalb es auch nicht verwundert, dass man bei den Sozis erst seit kurzem Personen auf den Wahlplakaten zeigt, und dann auch nur mit Ministern zusammen. Eine auf Persson zugeschnittene Kampagne brächte keine Vorteile. Nach 12 Jahren Persson haben die Leute keine rechte Lust mehr auf ihn, und das zeigt sich wohl oder übel auch beim Wahlverhalten. Meine Genossen sagen zwar, dass es vor vier Jahren genauso aussah und dann doch noch ein klarer Sieg herauskam. Aber damals hatte man noch Anna Lindh, eine Lichtgestalt und Ministerpräsidentin in spe. Die letzten Wahlduelle liefen trotzdem ganz gut für uns, wenn auch der Vorstoß Perssons Richtung Volkspartei und Zentrumspartei eher als unbeholfener Versuch gewertet wurde, sich an der Macht festzuklammern. Die beiden Parteien lehnten das natürlich prompt ab – ob das nur Wahlkampftaktik ist, wird sich nur dann zeigen, wenn der Sonntag sehr überraschend verläuft. Ansonsten heißt es Persson gegen Reinfeldt, links gegen bürgerlich, rot gegen blau. Und am Sonntagabend wissen wir mehr.

Rechtsradikale muss man hier glücklicherweise wenig fürchten. Die Sverigedemokraterna, auf den ersten Blick zumindest ein rechtspopulistischer Haufen im Stile der Republikaner, liegen zwar unter 4%, könnten aber wohl durch ein paar unglückliche Konstellationen mit einem Abgeordneten einziehen – das ist aber recht unwahrscheinlich. Sehr schön übrigens dieser Bericht. Wie man in die Parlamente reinkommt, haben die Nazis offenbar mittlerweile gelernt. Wie man aber auch wirklich was erreicht, nicht. Nach Muster 1933 kann es nicht funktionieren – seien wir froh drum.

Und nun zu etwas völlig Anderem: Meine unglaubliche Radiokarriere geht weiter. Heute abend moderiere ich ab 21 Uhr die Studentradio Top 20 – also die Charts der schwedischen Studentenradios. Zugegebenermaßen nicht übermäßig anspruchsvoll, aber eine neue Spielweise mit Potenzial.
Wer reinhören will: die Webseite von THSRadio.

Leijongate

Es gibt Skandale, die sehen erst gross aus und sind nachher nur heisse Luft, während es andere gibt, die immer grösser werden.

Ich habe mich jedenfalls gründlich getäuscht – dieser Folkpartiet-Skandal, von der U-Bahn-Zeitung Metro schon einmal passend Leijongate getauft, weitet sich jedenfalls immer weiter aus.

Mittlerweile sind nicht nur die Pressesprecher sowohl des liberalen Jugendverbandes LUF als auch der liberalen Folkpartiet selbst zurückgetreten, sondern auch der Parteisekretär Johan Jakobsson, weil der offenbar früher schon von der Geschichte wusste.

Aber auch der Stuhl des Parteivorsitzenden Leijonborg wackelt mächtig, weil er zwei Tage zurückhielt, wer noch in die Sache verstrickt ist.

Nun kam auch noch heraus, dass schon 1999 so etwas passiert war, und dass man die aktuellen Vorgänge ein halbes Jahr lang geheimhielt. Weiterhin wurde heute ein Reporter von Expressen rausgeworfen, weil er davon wusste.
Dass die Spione etwas wirklich wichtiges gesehen haben, bezweifle ich zwar immer noch, aber ohne Frage haben die Liberalen ihrer Sache einen Bärendienst erwiesen. Nach neuesten Umfragen ist die Partei klar unter die 10%-Marke gerutscht. Da war sie zwar schon mehrfach, aber die Talfahrt wird wohl noch etwas weitergehen. Da konservativer und linker Block nahezu gleichauf liegen, könnte dies möglicherweise letztendlich die Wahl zugunsten des linken Blocks drehen.

Kampagne von Dagens Nyheter (4)


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Originally uploaded by HansBaer.

Vor lauter aufregender Vorgänge gestern habe ich natürlich kein weiteres Bild posten können. Nun, hier ist es – das vierte und letzte der Kampagne. Es gehört definitiv zu meinen Favoriten.

Der Skandal gestern wurde gegen Abend von einem viel wichtigeren hinweggefegt. Der schwedische Nationaltrainer Lars Lagerbäck hat todesmutig unmittelbar vor dem EU-Qualifikationsspiel gegen Angstgegner Liechtenstein drei Superstars, nämlich Zlatan Ibrahimovic, Olof Mellberg und Christian Wilhelmsson nach Hause geschickt, weil sie anscheinend für etwas Unruhe in der Mannschaft sorgen. Die ersteren beiden haben mittlerweile verlauten lassen, dass sie zwar die Entscheidung für unbegründet halten, sie aber akzeptieren. Sie wissen wohl selbst nur zu gut, dass sie ansonsten Nationalmannschaft bis auf weiteres abschreiben könnten.

Die Spionagegeschichte plätschert nun vor sich hin. Mittlerweile hat Göran Persson sich entrüstet gezeigt. Der Chef der Folkpartiet, Lars Leijonberg, präsentiert sich als reuiger Sünder. Es sollen nun noch mehr Leute verhört werden. Kommentatoren sprechen davon, dass der Wahlkampf jetzt schmutzig geworden sei. Warum das angeblich so sein soll, ist mir allerdings schleierhaft. Bislang sind die Parteien in ihrer Werbung kaum auf Konfrontation und Diffamierungen aus. Das kennt man aus anderen Ländern durchaus ganz anders.

Die Folkpartiet tut dennoch alles, um Stimmen zu verlieren. Direkt hinter der Schlagzeile findet sich heute beim Svenska Dagbladet ein Bericht über ein Vorkommnis, das am Wochenende in Solna (direkt nördlich von Stockholm) passiert sein soll. Ein Pornokino habe die Polizei verständigt, weil ein Mann, der mutmasslich eine Pistole in der Tasche hatte, dort etwas Theater veranstaltete. Es stellte sich heraus, dass er betrunken war, und er wurde prompt von der Polizei zur Ausnüchterung einkassiert. Das Pikante ist, dass es ein Stadtrat der Folkpartiet war. Im Interview mit Svenska Dagbladet erklärte er, er sei noch nie in so einem Laden gewesen. Er sei „bei der falschen Gelegenheit am falschen Ort gelandet“ – was das nun heissen soll, möge man sich bitte selbst zusammenreimen. Ich glaube jedenfalls, dass das in der Tasche keine Pistole war…

Skandal, Skandal (Update)

Es scheint sich doch mehr zu tun als zunächst zu erwarten war.Immerhin war es der Pressechef von LUF, der da herumspioniert hat.
Die Sozialdemokraten (SAP) haben mittlerweile Strafanzeige gestellt. Der Vorsitzende der Folkpartiet (fp), Lars Leijonborg, hat sich auch gleich mal bei Göran Persson gemeldet.
Anscheinend kam der Hinweis letztlich von der fp selbst, weil da jemand die „schmutzigen Methoden“ nicht mittragen wollte. Aber auch bei der SAP scheint man schon etwas vermutet zu haben.

Mittlerweile sollen es schon 3 Zugänge sein, die geknackt worden waren. 78 Zugriffe wurden registriert im Zeitraum zwischen Januar und März dieses Jahres.

Mich würde natürlich nach wie vor interessieren, wie die denn an die Zugänge gekommen sind, und ob die Infos wirklich so brisant waren.
Aber dass es jetzt politische Wellen gibt, ist nur allzu verständlich und auch gerechtfertigt. Man stelle sich nur vor, der Juso-Vorsitzende hätte auf Angies Computer herumgeschnüffelt. Experten meinen offenbar, die ganze Aktion beeinflusse zumindest unsichere Wähler. Ein DN-Kommentator vermutet gar, die SAP hätte das aus taktischen Gründen erst jetzt auffliegen lassen.
Die Moderaterna sind offenkundig schlau genug, ihren Mund zu halten. Zumindest hört man von allen anderen Parteien momentan nichts in den Nachrichten.