Die Urlaubszeit geht ihrem Ende zu. Heute morgen durfte ich zum ersten Mal seit Juni am Eingang der U-Bahn anstehen. Daher ist es eigentlich für diesen Urlaubstipp schon zu spät, aber vielleicht etwas für nächstes Jahr.
Schon manche Male habe ich es hier beklagt: was in Schweden nicht so recht passt, ist das Brot. Es ist süßlich, weich, viel zu luftig, und die Auswahl ist sehr begrenzt.
Manch einer bäckt aber gerne das Brot mit dem selbst gepflegten Sauerteig. Dem widerstrebt aber eines ganz massiv: der lange schwedische Sommerurlaub. Der Sauerteig kann ja schlecht mit nach Thailand. Bäcker Markus Lundqvist und die Bäckerei Urban Deli haben die Lösung gefunden: ein Sommerhotel für den Teig.
Sie übernehmen für 200 Kronen pro Woche den Teig und pflegen ihn aufs beste – da wird er mal richtig durchgeknetet, kann Cocktails trinken und am hoteleigenen Pool ausspannen. Der Urlaub 2012 ist also gerettet.
Eigentlich sollte man keine solchen Pauschalurteile machen, aber in dem Fall scheint eines geboten: Deutsche hassen schwedisches Brot.
Warum? Es ist weich wie Toastbrot und stets gesüßt. Da das Lebensmittelhandwerk im heutigen Schweden ein Schattendasein fristet, sind Supermärkte der Hauptlieferant für das beliebte Grundnahrungsmittel. Das Angebot dort besteht zu guten Teilen aus Kastenbroten, die schon geschnitten sind und somit gleich Toastform habe. Es gibt zwar verschiedene Sorten, die teilweise sogar Körner und solche exotischen Dinge beinhalten, aber an der Grundproblematik nichts ändern. Größere Supermarkte backen auch selbst, aber auch wenn diese anders aussehen – es ist meist Weißbrot, und selbst wenn nicht: viel zu weich, viel zu süß.
Im Grunde ist das die Klage jedes Auslandsdeutschen, denn das übliche Angebot in deutschen Bäckereien ist um einiges größer als in praktisch jedem anderen Land der Welt. Überall anders gibt es wenige Sorten Brot, flankiert von etwas Süßkram. An Brezeln oder ähnlich exotisches darf man gar nicht erst denken.
Was tut man also in der Backwarendiaspora? Eine Lösung ist selbst backen. Lidl hat beispielsweise ganz passable Backmischungen. Trotzdem ist das natürlich ein bescheidener Ersatz, weil selten so wie vom Profi und zudem aufwändig, besonders wenn man backtechnisch alle Register zieht und nicht nur die Backmischung nimmt.
Glücklicherweise gibt es auch in Schweden Sauerteigenthusiasten, die ihr Brot gerne weniger süß haben. Ein herausragendes Beisspiel ist Per Åström, der sich der Auffindung dieses Produkts verschrieben und dafür die Seite Surdegskartan.se (Sauerteigkarte) ins Leben gerufen hat.
Hier sind, komfortabel auf einer Google-Maps-Karte durchsuchbar, zahlreiche Bäckereien und Konditoreien aufgeführt. Natürlich gibt es auch Links, sofern vorhanden. Noch besser ist, dass man sogar Tipps einreichen kann, wo sich Sauerteigerzeugnisvertriebsstätten befinden. Das habe ich gleich getan, und so hat die Karte nun zwei neue Einträge.
Wie man an obigem Screenshot sehen kann, sind es gar nicht mal so wenige Bäckereien, zumindest in den drei Großstadtregionen. Als kleinen Tipp für die Stockholmer möchte ich zusätzlich noch etwas anmerken, was diese Karte nicht abdecken kann: das Brothaus Moberg verkauft sein Brot nicht nur in eigenen Filialen in Åkersberga und Stockholm, sondern auch in vielen Supermärkten der Region. Ein Blick in die Liste auf der Homepage kann also ein kleines unerwartetes Sauerteigparadies ganz in der Nähe auftun.
Mit etwas scharfer Polemik zum Verhältnis Deutsche-Schweden habe ich offenbar einen Nerv getroffen – zumindest, was die Ausführungen zum Buch von Sandra Eichinger angeht. Vielleicht hätte ich etwas mehr abwägen sollen beim Schreiben, denn wie man in den Kommentaren sieht, hat es nicht an Missverständnissen gemangelt. Vielleicht verstehe ich auch Frau Eichinger falsch und bewerte den von mir kritisierten (und mittlerweile leider nicht mehr frei verfügbaren) Abschnitt ihres Buches über.
Um zum Thema zu kommen: Linda war bei einem Treffen von vier schwedischen Frauen, die in Deutschland leben. Die Ausführungen dazu sind hochinteressant. Ich habe beim Lesen das Gefühl, dass man nur „Schweden“ mit „Deutsche“ und „Messmör“ mit „ungesüßtes Brot“ vertauschen müsste, und schon hätte man eine treffende Beschreibung von dem, was viele Deutsche in Schweden so umtreibt.
Hier ein Satz in Übersetzung, um das mal zu illustrieren:
Man nutzt alles aus, was in Deutschland besser ist als in Schweden, aber man klagt trotzdem darüber wieviel besser es doch in Schweden ist, und man verkehrt nur mit anderen Schweden.
Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass wir uns doch viel ähnlicher sind, als wir wahrhaben wollen.
Eine Sache, die fast alle Deutschen in Schweden vermissen, ist deutsches Brot. Schwedisches ist nämlich süß und irgendwie anders – nur wenige Teutonen können sich voll damit anfreunden. Eine echte deutsche Bäckerei wie die in Malmö gibt es in Stockholm zwar nicht, aber einige Stellen, wo man angeblich deutsches Brot kaufen kann. Von einer wurde mir schon mehrfach berichtet: die Delikatessläden in den Hötorgshallen. Heute war ich dann endlich einmal dort, um danach zu schauen. Ich war begeistert. In einer Metzgerei gab es Thüringer Bratwürste. An dem Brotstand gab es dann aber tatsächlich Brezeln, die sich als ziemlich authentisch herausstellten und auch mit denen von einigen Karlsruher Bäckereien konkurrieren könnten. Unter anderem gab es auch verschiedene Brotsorten aus Deutschland. Ich erwarb natürlich das „Schwarzwaldbröd“, das zwar etwas zu weich ist, aber ansonsten recht authentisch schmeckt. Ich probiere bei Gelegenheit auch einmal die anderen Sorten aus.
Weniger authentisch ist allerdings der Preis. 5 kr (ca. 60 Cent) für eine Brezel ist ja noch annehmbar, aber 25 kr (ca. 2,75 €) erscheint mir doch schon recht teuer.