Anna Sjödin verurteilt

Die Vorsitzende der schwedischen Jusos, Anna Sjödin, ist wegen ihres Kampfs mit einem Sicherheitsmann in einer Stockholmer Disko Anfang dieses Jahres in allen Anklagepunkten für schuldig befunden worden. Das wiegt schwer, denn die Anklage enthielt auch den Vorwurf rassistischer Beleidigungen gegen den Türsteher.

Sie muss nun 120 Tagessätze zu je 300 Kronen (32,50 €) bezahlen. Das wird ihr aber viel weniger weh tun als die politischen Konsequenzen. Die aufstrebende Jungpolitikerin ist damit nämlich so gut wie erledigt. Auf ihrem Posten wird sie sich jedenfalls kaum halten können.

Kurz eingeschoben: Bussgeldkatalog

Wie ich neulich dem deutschen Programm von Radio Schweden vernommen habe, kostet zu schnell fahren in Schweden schon ab dem ersten km/h satte 2000 kr (215 €). Unangeschnallt fahren schlägt immerhin mit 1500 kr (160 €) zu Buche, und eine rote Ampel überfährt man für 3000 kr (320 €) – alle Werte sehr ungefähr und aus meiner Erinnerung.
Nichtsdesotrotz: kein Wunder, dass die Schweden so korrekt sind, selbst wenn sie im Ausland als Diplomaten unterwegs sind und richtig die Sau heraus lassen könnten, weil sie ja nicht zahlen müssen. Hierzulande löhnt Falschparken nämlich rund 450 kr (50 €).

Hilfreich könnte aber auch ein Aufkleber sein.

Apropos teurer Spass: die Kulturministerin hat eine Pressekonferenz abgehalten und tritt – surprise, surprise – nicht ab. Sie wird aber nachzahlen. Die 20.000 kr (2.150 €) dürften ihr bei ihrem Gehalt nicht so sehr weh tun.

Rekordpreise für Verkehrsstösse kann man übrigens in Finnland zahlen. Dort wird nämlich die Bussgeldhöhe nach den Einkommensverhältnissen bestimmt, was einen Millionärssohn schon einmal 170.000 € gekostet hat.

Polit-Ticker (2): GEZ-Preller und Schwarzarbeiter

Sehr lustig ist allerdings, was sich so alles bei der neuen Regierung tut.

Zunächst haben wir da die neue Kulturministerin Cecilia Stegö Chilò (siehe Metro-Ausriss von heute auf dem Bild), die nun unter anderem für den Bereich Fernsehen zuständig ist und damit auch die Hoheit über das staatliche Fernsehen SVT hat. Auch in Schweden gibt es so etwas wie eine GEZ-Gebühr, allerdings nur für das Fernsehen, welches dafür wiederum werbefrei ist, aber leider beträchtliche Teile des Tages überhaupt nicht sendet.

Der Mann von Frau Chilò hat auch kürzlich ganz korrekt den Fernseher der beiden angemeldet – schliesslich sollte man für den eigenen Verein schon zahlen, meinten die offenbar wohl. Dummerweise kam nun heraus, dass sie die letzten 16 Jahre (!!!) auch schon einen Fernseher hatten, der aber nicht angemeldet war. Das bringt die Gute, die übrigens von der grössten Regierungspartei Moderaterna kommt, schon nach 5 Tagen im Amt doch etwas in Erklärungsnot. SVT forderte gleich mal ihren Rücktritt. Sie selbst war heute auch für grosse Medien wie Svenska Dagbladet nicht zu erreichen.

Handelsministerin Maria Borelius (Moderaterna) hat allerdings auch eine ordentliche Leiche im Keller. Bei ihr kam heraus, dass sie in den 1990er Jahren ein Kindermädchen schwarz angestellt hat. Und das, obwohl das Ehepaar Borelius in dem Jahrzehnt alles in allem 16 Millionen Kronen (nach heutiger Rechnung ca. 1,7 Mio. Euro), was ja schon eine ganze Menge ist und sicher für eine legale Beschäftigung ausgereicht hätte. Borelius war hingegen gleich zu einem Interview bereit und entschuldigte sich vielmals.

Dagegen nimmt sich die Überraschung bei der Ernennung des Ex-Ministerpräsidenten Carl Bildt (Moderaterna) zum Aussenminister noch recht harmlos aus. Dass man ihn zurückholte, hatte einige gewundert, schon alleine, weil sich Reinfeldt und er nicht gerade grün sind.

Polit-Ticker (1): Billström abgesägt

Nordkorea hat doch keine zweite Atombombe getestet, was etwas Luft für andere Dinge gibt.

Nachdem sich die Folgen der Wahl schon vergangene Woche mit der Wahl Fredrik Reinfeldts zum neuen Statsminister (d.h. Ministerpräsident) manifestierte, scheint es bei meiner eigenen Partei auch hoch her zu gehen. Annika Billström, vor der Wahl noch Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin, wurde abgesägt. Stattdessen soll die ehemalige Ministerin Carin Jämtin Oppositionsbürgermeisterin werden. Wer sich bei dem Begriff fragt, was das sein soll, fragt sich zurecht – das Stockholmer System wirkt aus deutscher Sicht etwas eigen. Eigentlich gibt es nicht einmal einen Bürgermeister, sondern nur mehrere Amtsinhaber mit dem Titel Borgarråd (also ungefähr Bürgerrat), die wie Beigeordnete in einer deutschen Stadt bestimmte Aufgabenbereiche hat. Der wichtigste ist der Finansborgarråd, der dann am ehesten der Bürgermeister ist. Die Opposition hat je Fraktion einen sogenannten Oppositionsborgarråd. Der hat bei der Stadtregierung wohl nicht so viel zu melden, aber immerhin einen schönen Titel. Ist ja auch was.

Nun ist also Carin Jämtin die „heisseste Kandidatin“, wie dieser Ausschnitt aus Stockholm City zeigt – Machos werden entgegen, dass sie gar nicht so heiss wäre. Gegenkandidat ist übrigens mein vorübergehender mittsommerlicher Chef, der ehemalige Borgarråd für Kultur- und Arbeitsmarktsborgarråd Roger Mogert.

Alarm, Alarm

Bei den Ereignissen heute muss natürlich auch noch ein ernsthafter Kommentar zu Nordkorea her. Das Land ist neuerdings mein Lieblingsthema und steht ganz oben auf meiner Wunschurlaubsliste – nach den heutigen Ereignissen fragt sich allerdings, wie lange noch.

Wie immer bei Nordkorea weiss man nicht, was wahr ist und was Dichtung. Fest steht aber, dass dieses Mal etwas passiert ist. Ich sitze hier ja nahe an der Quelle, wenn man so will. FOI, meine Diplomarbeitsstelle, wird zwar nicht mittels der Detektoren, mit denen ich auch zu tun habe, feststellen können, dass etwas passiert ist, aber die seismische Messstelle Hagfors hat etwas gemessen:

FOI kann bestätigen, dass am 9. Oktober 2006 eine Sprengung mit einer Stärke von ungefähr einer Kilotonne in Nordkorea stattgefunden hat. Seismische Daten, unter anderem von der Station in Hagfors, registrierten eine Sprenungn um 1:35:28 GMT (3:35:27 MESZ). Die Stärke war ungefähr 4 auf der Richterskala […]
Die Explosionsstärke von einer oder wenigen Kilotonnen ist bemerkenswert niedrig für eine erste Probesprengung einer plutoniumbasierten Implosionsladung. Die typische Stärke för eine Ladung der ersten Generation ist eher in der Grössenordnung von einigen 10 Kilotonnen. Ein nordkoreanischer Atomtest mit der Stärke einer Kilotonne kann aber nicht von vorne herein als fehlgeschlagen angesehen werden.

Meine Chefin ist auf der Seite als Kontakt angegeben und hat daher auch viel zu tun heute.

Mein persönliche Einschätzung ist zwar, dass sich nicht allzu viel ändern wird, ausser dass Nordkorea nun auch seine letzten Freund endgültig verlieren wird und damit noch mehr in die Isolation gehen wird als sowieso schon. Eine einfache Lösung für diesen Konflikt wird es ohnehin nicht geben. Es bleibt abzuwarten, was der Sicherheitsrat heute beschliesst. Allerdings sind die Folgen für die Nordkoreaner fatal, die weiterhin im Glauben gehalten werden, die USA würden sie in Kürze angreifen – die Amerikaner sind neben den Japanern nämlich in der nordkoreanischen Propaganda Sündenbock für alles und jeden. Die zaghafte Öffnung des Landes vor einigen Jahren ist in jedem Fall zum Stillstand gekommen, denn die Sonderwirtschaftszonen nach chinesischem Vorbild zum Aufbau der Wirtschaft werden bei der derzeitigen Situation keine Investoren anlocken. Sollte es zu einer neuerlichen Hungersnot kommen, würde dies massiv Menschenleben kosten, weil das keinerlei Reserven für solche Fälle hat.
Propagandistisch hat es Nordkorea allerdings in einer Hinsicht etwas gebracht: die staatliche Nachrichtenagentur KCNA dürfte bis vor kurzem bei den meisten Redaktionen der westlichen Welt eher als Realsatire gegolten haben. Das wird sich nun zumindest vorübergehend ändern.

Update: Wer sich nicht so recht vorstellen kann sicher ist, ob man denn vor Nordkoreanern Angst haben muss:

Manfred Schneider KPA-Vorsitzender
Manfred Schneider – Vorsitzender der „Korean Friendship Association in Deutschland“

Seltsam: IDGR eingestellt

Ich gehöre definitiv nicht zur Netz-Antifa, die stumpfer rechtsextremer Propaganda nicht viel weniger stumpfe linksextreme Propaganda entgegensetzt. Interessehalber informiere ich mich aber öfters zum Thema. Dazu ist oft der „Informationsdienst gegen Rechtsextremismus“, kurz IDGR, sehr gut. Nachdem heute dieser Artikel ja sehr prominent auf SPIEGEL Online war, wollte ich mich über den Macher dieser Möchtegernnachrichten aus dem Führerhauptquartier informieren. Beim IDGR war jedoch nur ein kurzer Text auf der Seite, in dem die Projektleiterin Margret Chatwin erklärte:

IDGR geht vom Netz

Liebe Besucher der IDGR-Webseiten,

nach vielen Jahren aufreibender Arbeit habe ich am heutigen Tage dieses Projekt eingestellt und die Seiten vom Netz genommen. Als ich damit begann, […], waren dazu so gut wie keine Online-Informationen verfügbar. Das hat sich seither so grundlegend geändert, dass ein solches […] Projekt nicht mehr die Notwendigkeit […] wie noch vor wenigen Jahren hat.

Ich danke allen Lesern für ihre langjährige Treue. […]

Unter anderem erwähnt sie in dem Text auch ihre Freude über Neonaziaussteiger.

Die ganze Sache kommt mir reichlich seltsam vor – ein Hackerangriff von Nazis vielleicht? Dazu ist der Text aber zu gut geschrieben – eine derartige Subtilität kann man von Nazis normalerweise nicht erwarten.
Auf der anderen Seite ist es sehr seltsam, dass sich ein solches großes Projekt 10 Tage nach den gewaltigen Stimmgewinnen der NPD in Meck-Pomm Mecklenburg-Vorpommern und Berlin so mir nichts dir nichts ersatzlos verabschiedet – insbesondere die Entfernung der Informationen mutet komisch an, denn eine derart umfängliche Faktensammlung kann auch die Wikipedia nicht bieten. Es bleibt abzuwarten, was daraus noch wird.

Harte Worte

Auch wenn heute hier schon eine Menge steht, kann ich mir natürlich nicht verkneifen, eine der kuriosesten politischen Possen des Jahres 2006 hier in Schweden kurz zu kommentieren.

Kurz die Geschichte: Anna Sjödin, die Vorsitzende von sozialdemokratischen Jugendverband SSU, war im Januar im Stockholmer Club „Crazy Horse“. Tags darauf präsentierte sie sich mit reichlich blauen Flecken im Gesicht aufeiner Pressekonferenz. Klar war nur, dass es zu Handgreiflichkeiten gekommen war. Sjödin behauptete, der Sicherheitsmann Babak Jamei, der dort arbeitet, hätte sie geschlagen. Dieser wiederum sagte jedoch aus, sie hätte ihn beleidigt und wäre auf ihn losgegangen. Anzeigen wurden gestellt – der Prozess wurde aber zu Sjödins Glück nicht vor der Wahl anberaumt. Das Brisante: es sollen auch rassistische Beleidigungen gefallen sein, was natürlich der Todesstoss für Sjödin wäre. In der Zwischenzeit wurden Kameras am Eingang verschiedener Clubs angebracht – prophylaktisch, obwohl man noch gar nicht weiss, was denn passietr ist.
Nun steht sie aber vor Gericht, angeklagt der Tätlichlichkeiten gegen eine Amtsperson (Security am Eingang ist hier offiziell registriert), gewaltsamer Widerstand, eigenmächtiges Vorgehen (in Deutschland wohl Störung der öffentlichen Ordnung)
und Beleidigung vorgeworfen.

Jamei gab heute nun zum Protokoll, sie hätte ihn „Svartskalle“ (wörtlich „Schwarzschädel“) genannt und sei mächtig betrunken gewesen, als er sie hinauswerfen wollte. Sie habe ihn direkt ins Gesicht geschlagen. „Solche Einwanderer wie dich wollen wir nicht in diesem Land“, habe sie gesagt. Als er dies später Kollegen erzählte, sei ihm klar geworden, dass diese Aussagen ja gesetzeswidrig seien.

Sjödin hingegen bestreitet all dies. Laut ihr sei der Abend toll gewesen, bis Jamei angefangen hätte, mit einer Freundin von ihr zu streiten. Jamei habe Sjödin „Hure“ und „Fotze“ genannt. Als sie ihre Tasche holen wollte, habe er sie mit einem Knüppel niedergeschlagen.

Es bleibt abzuwarten, was die anderen Zeugen zu sagen haben.

Das Interesse an dem Prozess ist jedenfalls gewaltig – der Saal war heute voll besetzt. Es könnte zu einem Highlight des Herbsts werden, wenn es nichts Neues vom Spionskandal der Folkparti gibt und die neue Regierung keine Fehler macht. Apropos Folkparti: dort tut sich auch wieder etwas. Der Pressechef gab mittlerweile bekannt, dass man ihn mit einem Job ködern wollte, damit er seinen Mund hält.

Zum Kotzen

Nein, nicht meine liebe Erkältung, die nun anscheinend ihren letzten Zügen liegt, belastet meinen Magen.

Vielmehr ist es die politisch bescheidenste Meldung seit der Wahlniederlage hier. Das Rauchverbot in Deutschland ist massiv am kippen. Ich will hier kein Plädoyer beginnen – die Argumente sind hinlänglich bekannt. Es stimmt mich einfach traurig, dass man selbst bei so kleinen, aber sinnvollen Dingen vor Lobbyisten einknickt und nicht mehr in der Lage ist, eine anständige Lösung hinzubekommen.

So war es mit der vollkommen absurden Klage gegen das Tabakwerbeverbot, so ist es nun mit dem Rauchverbot. Dass man bei einer Gesundheitsreform vielleicht mehr Druck bekommt, ist ja noch nachzuvollziehen. Aber eine derartige Kapitulation vor der Tabaklobby, die wohl die einzige Interessentin an einer Nichteinführung eines solchen Verbotes sein kann, ist ein Armutszeugnis für die deutsche Politik.

Offenkundig muss man erst in Brüssel ein solches Verbot beschließen. Und dann ist eine Klage aus Berlin wohl auch schon sicher…

Es bleibt einem auch nichts erspart




Media Markt Sverige

Originally uploaded by HansBaer.

Die Wahl ist verloren, der ungarische Ministerpräsident lügt, dass sich die Balken biegen, ich bin meine Erkältung immer noch nicht los – kann es noch schlimmer kommen?

Ja, Media Markt kommt nach Schweden.

Es gibt bisher ja nur ElGiganten, Siba und OnOff, die die Leute mit überhöhten Preisen bescheißen.