Raider heißt jetzt Twix

Alle paar Monate (oder noch öfter) spielt der schwedische Staat das Spiel „Behördchen wechsel dich“: bestehende Behörden werden aufgelöst, neue Behörden gegründet und Kompetenzen zwischen den bestehenden Behörden umverteilt.
Das ist durchaus nicht unwichtig. Die schwedischen Behörden sind nämlich nur an die Gesetze gebunden, aber an keine Weisungen eines Ministeriums. Wie diese Behörden strukturiert sind hat also viel damit zu tun, wie gut der Staatsapparat als Gesamtes funktioniert. Auch für den Bürger muss ersichtlich sein, wer für was zuständig ist und wie man am besten an die entsprechende Person herankommt. Das funktioniert nach meiner Erfahrung meist auch recht gut.

Bei derzeit 471 Behörden ist das ein sich permanent veränderndes System, ein interessantes wie seltsames Schauspiel. So wurden seit Beginn dieses Jahres 9 Behörden neu gegründet und 17 aufgelöst. Im Jahr 2008 waren es gar 26 neue und 22 aufgelöste. Insgesamt sinkt aber die Zahl der Behörden, wie es scheint.

Besonders augenfällig ist das Trafikverket, eine neue Verkehrsbehörde. In dem Bereich geht es nämlich Schlag auf Schlag. Erst Anfang 2009 war das Transportstyrelsen gegründet worden, das Aufgaben zweier gleichzeitig aufgelöster Behörden übernahm – darunter die des Järnvägsstyrelsen (Eisenbahnbehörde), welchem zuvor nur eine 4jährige Lebensdauer beschieden war. Das Transportstyrelsen kümmert sich nun u.a. um die Führerscheine, die zuvor im Bereich des Vägverket lagen. Dieses gibt es aber wiederum auch nicht mehr, denn trotz einer bis ins Jahr 1841 zurückgehenden Tradition wurde es wenig humorig am 1. April 2010 abgewickelt und ging zusammen mit dem 23 Jahre alten Banverket (noch eine Bahnbehörde) in besagtem Trafikverket auf.

Ob dabei wirklich etwas effizienter wird, ist für mich bei diesem munteren Spielchen kaum zu erkennen. Man kann es pragmatisch als permanente Weiterentwicklung des Staatswesens sehen. Vielleicht ist es aber wie damals bei einem bekannten Schokoriegel: Raider heißt jetzt Twix – sonst ändert sich nix.

Etwas skeptisch bin ich auch, was die Kosten dieser Umstruktierung angeht.

Der Trafikverketaufbau ist nämlich deswegen so augenfällig, weil innerhalb weniger Wochen praktisch sämtliche Schilder, die den blauen Schriftzug des Vägverket trugen, durch die neuen Schilder des Trafikverket getauscht. Man fühlt sich an die Wirtschaft erinnert, wo jeder Wechsel des Namens oder des Designs mit sich führt, jegliche Spuren der vormaligen Firmenstrukturen zu vernichten. So ist es auch hier. Es genügt nicht, zu sagen, dass es das Vägverket nicht mehr gibt, und beim Neudruck von Schildern den neuen Namen zu verwenden. Man muss gleich den Eindruck erwecken, es habe den Vorgänger nie gegeben.

Dass bei diesen ganzen Änderungen Mitarbeiter betroffen sind, umziehen müssen und die interne Infrastruktur für teures Geld umgebaut werden muss, steht dabei wohl auch außer Frage.

Es bleibt zu hoffen, dass die Kosten den Nutzen wirklich rechtfertigen.

Gedanken zum Tage

  • Etwas kurios ist dieser Artikel von Liza Marklund, der aus einem Merian-Heft stammt und bei SPIEGEL Online veröffentlicht wurde. Das ist schon deswegen so, weil Liza Marklund in letzter Zeit viel Kritik dafür bekommen hat, dass ein von ihr geschriebener dokumentarischer Roman wohl doch nicht ganz so faktentreu wahr, obwohl der Untertitel „eine wahre Geschichte“ dies andeuten sollte. Marklund schreibt über ihr Stockholm, also anscheinend jenes für alle, die soviel Geld haben, dass der Preis keine Rolle mehr zu spielen scheint. Zu denen gehört sie offenkundig, und so ist ihre Beschreibung von Stockholm zwar irgendwo passend, aber auch ansatzweise snobistisch. Es ist nicht verwunderlich, dass sie nur einen Steinwurf vom Mälaren entfernt wohnt und ihr Büro in der Altstadt hat. Die Vorstädte erwähnt sie vor allem im Zusammenhang mit dem Arlanda Express, einem reichlich teuren Direktzug vom Flughafen in die Stadt. Von Betriebsunfällen spricht sie, wenn sie über diese hässlichen Betonburgen erzählt. Und sie hat recht. Aber man hat gut reden, wenn man in so privilegierter Lage wohnt, und unweit des Stureplan, der offiziellen Sammelstelle für unbezahlbare Nobelboutiquen, seine Klamotten einkauft. Kurios ist auch eine Bildunterschrift. Dort heißt es

    Starke Schwedenkrone: Der Kurswert Stockholms bei Touristen, die hier von Skeppsholmsbron nach Gamla Stan hinüberschauen können, ist genauso hoch

    Interessant, Anspielungen auf einen starken Kronenkurs zu machen, während die Krone gerade in der schwächsten Phase überhaupt ist und im letzten halben Jahr über 10% gegenüber dem Euro nachgegeben hat – vom Dollar erst gar nicht zu reden. Das ist fast schon ein Fall für die Spiegelkritik

  • Letzte Woche Mittwoch war mein Rekord leider vorbei. In den genau 1269 Tagen seit meiner Ankunft in Schweden hatte ich es geschafft, einen eisbedingten Sturz zu vermeiden. Ich bin gerutscht, aber nie gestürzt. Nun eben doch – der Weg vom Schwimmbad zur U-Bahn war spiegelglatt. Ich begann sofort einen neuen persönlichen Rekordversuch. Die 1269 Tage werden erst am 13. Juli 2012 vorbei sein. Drückt mir die Daumen!
  • Ich habe es endlich angegangen, mein Auto nach Schweden umzumelden. Das Verfahren ist unglaublich schnell. Vom Antrag am 13. Januar vergingen gerade einmal 6 Tage bis zur fertigen Bearbeitung. Gestern hatte ich dann den Termin bei Bilprovningen (schwedischer TÜV), bei dem die Identität des Autos und den einwandfreien technischen Zustand des Gefährts bescheinigt wurde. Die zukünftige Autonummer bekam ich gleich mit. Ab dem Moment war ich also aktenkundig, und das Auto ist als „stillgelegt“ verzeichnet. Eine Versicherung zu buchen ist leider nicht so leicht, denn importierte Autos fehlen im Computer, so dass man nicht eben online nachschauen kann, was das denn kosten würde. Ich habe verschiedene Angebote eingeholt, die zwischen 210 € und 350 € pro Jahr schwanken. Da habe ich natürlich bei den 210 zugeschlagen. Derweil fertigt die neue Behörde Transportstyrelsen die Schilder. Sobald ich den neuen Fahrzeugbrief/-schein habe, kann ich das Auto in den Verkehr bringen, indem ich es einfach online anmelde und die Steuer entrichte. Manchmal ist die schwedische Bürokratie echt beeindruckend: vom Antrag bis zum ersten Tag im Verkehr sind es drei Wochen, wenn man sich etwas beeilt.
  • Interessant ist auch, dass ich dank der Steuersenkung der Regierung nun trotz Umzugs in eine höher besteuerte Kommune mehr Gehalt bekomme – glaube ich zumindest, denn ich weiß noch nicht, ob mein Umzug schon in die Berechnung mit einfließt.