Die kleine Plakateschau (2): Wahlwerbungspannen

Anzeige der rotgrünen Opposition (Quelle: metro.se)
Anzeige der rotgrünen Opposition (Quelle: metro.se)

Obige Anzeige wurde beim Kopieren ihres Texts beraubt. Das macht aber nichts, denn man hätte ihn sowieso kaum lesen können. Interessant ist vielmehr, dass dies vermutlich die aktualisierte Fassung des Motivs ist. In der Dagens Nyheter wurde nämlich kürzlich kritisiert, dass sich die vier Oppositionsführer – das sind die grafisch stark nachbearbeiteten und seltsam in der Gegend herumschauenden Menschen auf dem Bild (v.l.n.r. Lars Ohly von den Linken, Mona Sahlin von den Sozialdemokraten sowie Peter Eriksson und Maria Wetterstrand von den Grünen) – mit einem X2000, dem schwedischen Pendant des ICE, haben abbilden lassen, um für eine Zukunft mit Hochgeschwindigkeitszügen zu werben. Dumm nur, dass der X2000 schon sei 1990 im Verkehr ist und daher ungefähr so futuristisch daher kommt wie ein Opel Astra der ersten Generation. Nebenbei wurde die Produktion des X2000 schon 1998 eingestellt.

Mit Auslaufmodellen Zukunftswerbung machen geht natürlich nicht, und so sieht man nun in der Anzeige einen Zug, der vor lauter Zukunftsbegeisterung sofort losfahren möchte, und zwar mit mindestens 350 km/h.
Damit das aber auch jeder kapiert, hat man sicherheitshalber noch „High Speed“ in roten Buchstaben auf den Zug geschrieben. Damit sind natürlich jede Zweifel an der Zukunftsträchtigkeit und Geschwindigkeit ausgeräumt.

Aber auch die Opposition Regierung leistet sich Pannen. So hat sie dieses Plakat in Rinkeby aufgehängt, in dem das Ziel dargelegt wird, dass sich Schwedens beste Schule in Danderyd befinden soll. Was der verlinkte Beitrag andeutet, wenn auch nicht ausspricht: das Plakat hängt nicht im Stadtteil Rinkeby des piekfeinen und mit einem exorbitant hohen Einkommensniveau gesegneten Danderyd, sondern im gleichnamigen und weitaus bekannteren Stadtteil Stockholms. Dieser ist jedoch ein sozialer Brennpunkt und relativ arm.

Sollte das stimmen, wäre das natürlich ein peinlicher Fehler, wenn man den ganzen Migranten per Plakat verkündet, dass die beste Schule dort sein soll, wo sie vermutlich nie hinkommen werden. Viel zu verlieren haben die Moderaterna aber nicht: sie blieben 2006 klar unter 10%.

Von wem die Deutsche Bahn vielleicht etwas lernen könnte

Quelle: sxc.hu, Benutzer sagoland

Es ist herrlich, im Moment anzusehen, wie sich zwei ehemalige Staatsmonopolisten im Detail unterscheiden.

Auf der einen Seite ist die Deutsche Bahn (DB). Sie ist eines der unbeliebtesten Unternehmen des Landes. Da fielen im Winter schon massenhaft Züge wegen des ungewöhnlich kalten Wetters aus. Nun im Sommer streiken die Klimaanlagen des ICE. Kommt es mir nur so vor oder bringt es bei der Bahn wirklich keiner zustande, einfach zu sagen „Sorry, das ist dumm gelaufen. Unser Fehler und wir werden uns bessern.“ ? Stattdessen speisen sie Leute, die in einem Sauna-ICE mitfahren durfte, zunächst mit eineinhalb Reisegutscheinen ab und und zahlen dann widerwillig ein Schmerzensgeld.. Jetzt schieben sie die Schuld auf die Zughersteller ab.

Auf der anderen Seite ist die schwedische Bahn (SJ). Auch sie ist eines der unbeliebtesten Unternehmen des Landes. Auch ihr fielen im Winter massenhaft Züge wegen eingefrorener Weichen aus. Und kürzlich blieb ihnen ein Zug stehen, der dann prompt auch zur Sauna wurde. Und was sagen die Oberen bei SJ? Ulf Adelsohn, Vorstandsvorsitzender bei SJ, sagte z.B.:

So etwas darf nicht passieren.

Alles ist verschlissen. Wir haben unsere Systeme nicht ordentlich gewartet.

Heute morgen in der DN (leider nicht online) waren Zitate des Geschäftsführers Jan Forsberg zu lesen. Er sprach davon, dass man nun den Tiefpunkt erreicht habe.

Vielleicht wirkt es nur so, aber bei der Deutschen Bahn scheint man die gleiche PR-Beratungsfirma wie BP zu haben. Man glaubt, man sieht gut aus, wenn man die Schuld abschiebt und sich selbst ein bisschen bemitleidet. Bei SJ hingegen kann man immerhin so etwas wie Demut herauslesen. Dort scheinen einige begriffen zu haben, dass man als Dienstleister auch mal die Schuld auf sich nehmen muss, wenn man gar nichts dafür kann. Eine Lektion, die man bei der Bahn wohl noch lernen muss.

WSEAML Teil 3: Sundsvall (oder: Orte, die man eigentlich nie zu sehen beabsichtigte, aber trotzdem hinfährt, weil die Bahntickets so billig waren)

Kirche nahe dem Bahnhof - sehr einladend
Kirche nahe dem Bahnhof – sehr einladend, oder?

Sundsvall ist eine Stadt mit 49.000 Einwohnern. In Deutschland ist das gerade mal eine Kreisstadt, in Schweden aber je nach Region durchaus ein veritables Zentrum. Als Hafen- und Handelsstadt, zwischen dem dichter besiedelten Süden und dem so gut wie gar nicht besiedelten Norden gelegen, ist sie ein wichtiger Verkehrsknoten. Soviel zur beeindruckenden Einleitung.

Sundsvall Panorama

Ein Panorama von Sundsvall – links der Hafen, hinter dem Stadion die Steinstadt, in der Mitte die Kirche, im Hintergrund ein Skigebiet

Der einzige Grund, warum ich vor kurzem dort hingefahren bin, ist schlicht und ergreifend, dass es bei der schwedischen Bahn in einer Sonderaktion billige Zugtickets gab. Die großen, interessanten Ziele wie Malmö oder Göteborg waren natürlich gleich weg, so dass nur noch Sundsvall blieb.

Das Museum in Sundsvall

Touristisch hat die Stadt nicht viel zu bieten. Im Sundsvallmuseum gibt es vorwiegend regionale Kunst zu sehen, über deren Güte ich nicht zu urteilen vermag. Seltsam war allerdings die Toilette.

Blaues Licht auf der Toilette

Das ist kein Farbfehler – die Toilette hatte blaues Licht. Das ist natürlich eine Maßnahme gegen Heroinabhängige, da man Venen in blauem Licht nicht sehen kann. Aber ist die Stadtbibliotheks- und Stadtmuseumstoilette ein solcher Drogenumschlagplatz?

Gustav-Adolfs-Kirche in Sundsvall

Die Gustav-Adolfs-Kiche

Weitere touristische Highlights – wenn man es so nennen kann – sind die Gustav-Adolfs-Kirche und die sogenannte Stenstaden (Steinstadt). Was spektakulär klingt, ist einfach der Name für das Stadtzentrum, das nach einem verheerenden Brand im Jahr 1888 komplett neu geplant und aufgebaut wurde. Eine Gustav-Adolfs-Kirche ist übrigens auch nicht so wahnsinnig originell. In Stockholm gibt es auch eine nach diesem König benannte Kirche.

Das Panorama weiter oben ist von einem der Berge entstanden, die man mittels einer Treppe begehen kann. Oben befindet sich auch noch ein kleines Freilichtmuseum, wo ähnlich wie in Skansen Bauernhöfe u.ä. ausgestellt sind.

Die Touristeninformation war ebenfalls sehr interessant, insbesondere wegen der Tatsachen, dass sie (ungelogen) Postkarten mit einer Elchkotkapsel verkauften. So kann man offenbar Tourismus und ABM kombinieren – oder wer hebt sonst Elchkot auf?

McDonald’s Sundsvall

Eingangstür des McDonald’s in Sundsvall – normalerweise verwendet die Burgerkette auch in Schweden den Slogan „I’m lovin‘ it“, aber hier ist er nicht nur auf Schwedisch übersetzt, sondern sogar im Dialekt von Sundsvall geschrieben. In Rikssvenska (Reichsschwedisch) müsste es „Jag tycker om det“ heißen – der Schriftzug dürfte erahnen lassen, wieso der Dialekt von Nordschweden nicht leicht zu verstehen ist.

Zum Abschluss ein wahnsinnig spannendes Video aus der Fußgängerzone. Gebannt verfolgten wir, wie zwei Männer von einem Hotelbalkon mit einer Fahne hantierten.

Dabei war nicht so ganz klar, ob sie die Fahne ab- oder aufhängen wollen. Da sie sich etwas ungeschickt anstellten, dauerte es auch seine Zeit, bis eine Richtung zu erkennen war.

Nach gut 20 Minuten hatten sie es dann endlich geschafft – die Fahne hing.

Wie man unschwer erkennen, ist ein Sundsvalltrip wahnsinnig spannend. Zumindest, wenn man für weniger als 20 € hinfährt.

Reiseblog…

Nach eineinhalb Monaten schreit dieses Weblog nach Belebung. Ich sitze in einem X2000, dem schwedischen ICE, und bin auf dem Weg nach Linköping (schwedische Aussprache: Linschöping). Das nicht von ungefähr, denn als eingefleischter Sozialdemokrat lasse ich es mir natürlich nicht nehmen, beim Kongress von S-Studenter, dem sozialdemokratischen Studentenverbund, dabei zu sein. Bis heute nacht um 3 sollen Anträge behandelt werden – klingt nach einer Menge Spaß. Ich bin Ersättare, also wörtlich übersetzt Ersetzer – auf deutsch passt wohl das etwas sperrige Wort Ersatzdelegierter am besten. Groteskerweise habe ich mich spontan in die Gruppe zur Behandlung der Fragen der Gleichstellung zwischen Frau und Mann angeschlossen – ein etwas heikles Feld, denn Prostitution und Pornografie kommen nach Auffassung vieler Sozis hier vom Teufel höchstpersönlich. Zur Prostitution habe ich mich vor kurzem hier ja geäußert – dankenswerterweise wird beim Kongress nicht noch einmal das Thema WM aufgegriffen.

Das würde mir heute auch mächtig die Stimmung vermiesen, denn es ist WM-Tag. Seit Tagen bewegen ich mich auf einer Woge nationalen Hochgefühls, habe Taschentücher beim Anschauen von „Das Wunder von Bern“, „Die Helden von Bern“ und „Das Wunder von Bern – die wahre Geschichte“ vollgeheult, habe nach 11 Monaten im Lande meine ansatzweise muffigen Deutschland-T-Shirts ausgelüftet und auch angezogen. So sitze ich hier: DFB-Cap, Deutschland-Schal, Germany-T-Shirt und Deutschland-Socken. Lediglich die Fahne ist im Schrank geblieben. Nichts kann einen Zweifel daran lassen, dass ich Klinsis Gurkentruppe von Herzen unterstütze.

Marc fragte, ob das nicht ein bisschen zuviel sei – nein, ist es nicht. Garantiert nicht. Ganz bestimmt nicht. Ich riskiere hier gerne, mich in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen, denn wann darf ein Deutscher so offen Patriotismus zeigen wie an diesem Tag, der uns ein seit ein Monates herbeiersehntes, aber auch von der Werbung über alle Maßen penetrant beworbenes Ereignis bringen wird? Ich erhoffe mir vor allem eines: einen Schub – den nämlich, den Deutschland schon lange gebraucht hat, den weder schöne Ruckreden noch eine ambitionierte Kampagne wie „Du bist Deutschland“ hervorrufen konnte. Aber Fußball kann Berge versetzen – zumindest, wenn sie auf deutschem Territorium liegen. Am 4. Juli 1954 wurde Nachkriegsdeutschland geboren, 1974 wurde Helmut Schmidt Kanzler, 1990 brachte uns die Wiedervereinigung.

Und wenn am 9. Juli Michael Ballack die FIFA-Trophy entgegennehmen sollte, dürfte es zumindest für einen kleinen Schubs reichen.

Es kann beginnen…

Wegen nicht vorhandenem Internetzgang verspätet um 14:10 Uhr eingetragen.