Gesundheit

Wenn sich Schweden über etwas aufregen können, dann ist es Ungleichheit – die zwischen arm und reich, ganz besonders aber zwischen Mann und Frau.

Darüber kann man sich so sehr aufregen, dass man sich anscheinend nicht mehr über ein Gesundheitssystem, das Leute monatelang auf notwendige Behandlungen warten lässt, aufregen will. Ab und zu kommt es aber zu einem Aufbäumen. So wurde kürzlich bekannt, dass ein kleiner Junge in Stockholm gestorben ist, weil der Mutter am Telefon mehrfach gesagt wurde, die Bauchschmerzen seien nur eine normale Magen-Darm-Grippe, selbst als der Junge schon in sehr schlechtem Zustand war. Nach den anschließenden Untersuchungen handelt es sich um eine Kette von Fehlbeurteilungen, also menschlichem Versagen – allerdings gab auch eine der Krankenschwestern an, sie habe unter großem Zeitdruck gestanden. Mittlerweile ist herausgekommen, dass die Krankenschwestern, die bei einer privaten Telefonzentrale angestellt sind, einen Bonus dafür erhalten, wenn sie Gespräche in weniger als 3:48 Minuten abwickeln. So etwas sorgt immerhin für etwas Empörung, mehr aber auch nicht.

Ab und zu kommt aber beides zusammen. So wurde gestern bekannt, dass in Schweden die Qualität der Gesundheitsversorgung vom sozialen Status abhängig ist. Das sagt Lars-Erik Holm, und der muss es wissen, denn der ist Generaldirektor der schwedischen Gesundheitsbehörde Socialstyrelsen.

Der Anlass des ganzen ist der Jahresbericht des Socialstyrelsen, der tiefen Einblick in die hiesige Gesundheitsversorgung gibt:

  • Schon im Jahr 2006 waren 19 Prozent aller Ärzte Ausländer. Dass man einen Ärztemangel hat und dringend mehr von ihnen ausbilden sollte, scheint aber niemanden vordringlich zu interessieren.
  • In Stockholm gibt es 430 Ärzte pro 100.000 Einwohner, und damit weit mehr als die 350, die es im Landesschnitt sind. Ich frage mich da, wieso man trotzdem so lange warten muss.
  • Mit den Krankenhäusern sind die Schweden hochzufrieden. 90% sagten das – in Deutschland waren es nur 79%, und der EU-Durchschnitt liegt bei 71%.
  • Dafür ist die Verfügbarkeit von Allgemeinmedizinern umso schlechter. Gerade einmal 63% der Schweden sagen, sie hätten leichten Zugang zu einem Allgemeinarzt. Das ist der letzte Platz in der EU. Das einzige andere Land unter 70% ist Portugal. Österreich und Deutschland erreichen über 90%.
  • Im Sommer beträgt die Wartezeit auf Spezialistenbehandlungen in mehr als 40% der Fälle mehr als 90 Tage. Die Quote sinkt selbst in Herbst und Frühjahr nicht unter 25%.
  • Die Anti-Klamydiakampagnen kommen nicht von ungefähr, denn die Zahl der Fälle hat sich in den letzten 15 Jahren in der jungen Altersgruppe verdreifacht.

Der Bericht enthält sicher noch viel mehr interessantes.

Das Schlimme ist nur, dass sich alle auf die plakativen und tragischen Einzelfälle stürzen, aber die grundlegenden Probleme letzten Endes ungelöst bleiben.

What’s going on?

Mancher mag sich ja fragen, wieso so wenig hier passiert in letzter Zeit. Nun ja, es hat wohl damit zu tun, dass ich ab und zu auch mal was Vernünftiges mache 🙂

Trotzdem hier einige Dinge, die sich aktuell gerade so abspielen:

  • DASDING.de hat einen Relaunch gemacht, und dafür mussten ein paar Nächte dran glauben. Leider ist die Arbeit noch lange nicht fertig.
  • Trotz allem konnte ich mittlerweile die meisten meiner Praktikumsprotokolle einreichen, so dass nun „nur“ noch das Protokoll für den Reaktortrip nach Finnland übrig ist.
  • Die mittlerweile nahezu unendliche Geschichte meines Furunkels am Hintern geht weiter. Nachdem ich nun geschlagene zwei Monate auf einen ersten termin beim Chirurgen gewartet habe, darf ich nun noch einen Monat warten, bis das endlich operiert wird. In solchen Bereichen hat das schwedische Gesundheitssystem massive Schwächen, denn man hätte den Aufwand und die Kosten massiv reduziert, hätte man den Eingriff schon Ende November gemacht. Stattdessen lässt man die Leute warten und hat als Sicherheitsnetz die Notaufnahme, die dann wiederum allen möglichen Kleinkram behandeln muss, der normalerweise nicht in ihren Bereich fällt.
  • Heute Nacht ist Tsunami Tuesday, der größte Tag bei den amerikanischen Vorwahlen. Ich überlege schon jetzt, wie ich das mit meiner Vorlesung morgens um 8 vereinbaren kann.
  • Wenn wir schon bei weniger essentiellen Dingen des Lebens sind: seit einiger Zeit interessiere ich mich sehr für Genealogie. Mein Stammbaum bei verwandt.de hat mittlerweile 207 Mitglieder, vor allem dank meiner Mutter, die ein geradezu unglaubliches Wissen über die Verwandtschaft hat. Das in der Seite verankerte Social-Networking-Prinzip kann nämlich nur sehr bedingt fruchten, da natürlich nur Personen teilnehmen können, die noch leben. Daher geht der Stammbaum zwangsläufig sehr in die Breite, aber wenig in die Höhe. Soll heißen: Man kann zwar die Zusammenhänge zwischen den lebenden Verwandten sehr gut erstellen, wenn man sie etwas befragt, aber weiter als bis zu den Urgroßeltern wird man ohne eigene Recherchen nicht vorstoßen können. Der Weg dazu war mir anfangs nicht so klar. Nach etwas Recherchen habe ich nun begonnen, bei den Standesämtern anzufragen. Diese erfassen nämlich die Daten seit 1876, was mit etwas Glück sogar bis zur Generation der Ururgroßeltern reicht.

Doctor, Doctor, give me the news…

*Plopp* machte es, und mein linkes Ohr war zugefallen. Das war vor rund 10 Tagen.

Am Freitag dann wieder *Plopp* – mit etwas Beunruhigung beschloss, ich am Wochenende, dass es Zeit wäre, zum Doktor zu gehen. Eine Herausforderung für ganz harte, wie sich herausstellen konnte – nicht die potenzielle Krankheit, sondern der Arztbesuch.

In Schweden gibt es keine freie Arztwahl in dem Sinne wie in Deutschland. Es gibt sogenannte Vårdcentralen, die wie früher in der DDR eine zentrale Anlaufstelle sind. Es gab auch eine für mich, denn ich bin hier ja superoffiziell registriert. Nicht nur das, genaugenommen bin ich derzeit dreifach versichert: einmal hier beim Staat, einmal in Deutschland beim Staat, und einmal hier bei einer privaten Versicherung. Da kann eigentlich nichts schiefgehen beim Doktor.

Versuch 1: Weil mir am nähesten gelegen und auch am besten zu erreichen, fahre ich nach Mörby Centrum, wo gleich im Gebäude auch die Vårdcentralen ist. An der Rezeption sitzt eine Dame, die auch als Exorzist arbeiten könnte. Sie teilt mir schroff mit, dass ich in Danderyd wohnen muss, um dort behandelt werden zu können. Stockholm selbst ist nämlich eigentlich recht klein – die umgebenden Orte sind alle eigenständig, gehören aber zu Stockholms Län, einer Art größeren Landkreises. Administrativ wohne ich also am äußersten nördlichen Ende von Stockholm.

Versuch 2: Also bin ich zur Gärdet Vårdcentralen gegangen, etwas südlich von hier und hoffentlich die richtige. Nach etwas Herumirren habe ich es auch tatsächlich gefunden – sehr einladend untergebracht in einem Altersheim. Aber Fehlanzeige: nicht zuständig für mein Wohngebiet. Man kann nach einigem Hin und Her konnte man mir sagen, wohin ich muss.
Versuch 3: Narvavägens Husläkare sind die Hausärzte meiner Wahl. Ich habe einen Termin für heute bekommen – großartig.

In der Zwischenzeit fand ich heraus, dass meine Symptome hervorragend zu einem Hörsturz passen würden. Ich war ziemlich beunruhigt – Leute treten von Parteivorsitzen zurück deswegen.

Heute die Entwarnung – wohl eher nur eine Schwellung infolge einer Erkältung oder so. Da bin ich ja froh.

Frelich weniger froh bin ich über die Vorgänge in meiner Partei – aber das ist eine Geschichte für das nächste Mal.