Scheißtage


Die Schweizer Botschaft in Stockholm – über der schweizer Fahne (die in der Schweiz nämlich nicht Flagge heißt) weht eine Flagge mit dem Logo der Euro 2008.

Tja, wieso bloggt er denn nicht mehr?

In der letzten Zeit ist viel passiert, und da leidet das Bloggen schon ein bisschen.

  • Hauptgrund war freilich die Vorbereitung auf die Klausur in Quantenmechanik. Diese hatte gleich doppelte Wichtigkeit. Zum Einen war es die letzte Klausur, die mir noch zu meinem Master fehlte. Zum Anderen ist der Kurs auch notwendig für die Doktorandenstelle, die ich im Sommer antreten wollte. Leider ging das Unternehmen schief – während ich die beiden Klausuren zuvor bestanden hatte, davon eine sogar recht gut, verfehlte ich in diesem Fall das Ziel. Nun besteht meine einzige Hoffnung in einer mündlichen Prüfung, da ich natürlich sowohl Master als auch Doktorandenstelle gerne noch diesen Sommer erlangen würde.
  • Tags darauf trat ich meinen Sommerjob an, der dieses Jahr wiederum Busfahren ist. Die bisherigen Erlebnisse waren leider wenig erbaulich.
    • Ich hatte zunächst nur sogenannte geteilte Dienste. Bei diesen arbeitet man nur in der Rush Hour, also früh morgens und am späten Nachmittag. Zwischendrin sind mehrere Stunden Pause. Der Nachteil liegt auf der Hand: der Tag ist verloren, weil man von der mehrstündigen Pause wenig hat.
    • Es war für schwedische Verhältnisse extrem heiß, so an die 30 °C. Da macht das auch nicht übermäßig viel Spaß.
    • Hinzu kamen extreme Verkehrsverhältnisse in den ersten Tagen. Ich hatte mehrfach um die 20 Minuten Verspätung. Das lag auch am „Studentutskick“. Hier in Schweden mieten sich die Abiturienten nämlich LKWs, rüsten sie mit einer Musikanlage aus und ziehen Bier trinkend damit durch die Straßen. Es roch nicht nur stark nach Bier, sondern man sah auch, in welchem Zustand die Leute waren. Da ich im Schritttempo hinterhertuckerte, konnte ich live beobachten, wie eine schon schwer angeschlagene junge Dame ihren Magen vom LKW herunter entleerte.
    • Die ganze Logistik bringen solche Verkehrsereignisse auch aus dem Lot, denn so viele Busfahrer kann man nicht in Reserve haben, um das abzufangen.
    • So viele Busse auch nicht: ich kam morgens zur Arbeit und mir wurde gesagt, sie hätten keinen Bus für mich. Die Hitze hatte den Bussen ziemlich zugesetzt, und die Ausfälle übers Wochenende taten ihr übriges. Der Busparkplatz war in der Tat komplett leer. Nach zwei Stunden Warten wurde die Sache abgeblasen und ich wurde als Reserve eingesetzt. Später ging es dann normal weiter.
    • Bei einem der geteilten Dienste trat ich den zweiten Block mit einer enormen 10-sekündigen Verspätung an. Mein Vorgänger begrüßte mich schreiend mit den Worten „Danke, dass du gekommen bist.“ Das war natürlich ironisch gemeint. Dann setzte er fort mit „Der Bus kocht und muss in die Garage gefahren werden.“ Und weg war er. Kurz darauf kam er nochmal, brüllte mich an: „Der Bus kocht und muss zurückgefahren werden. Mach die Ohrstöpsel raus, dann hörst du auch was!“ Und wieder war er weg. Wirklich schlauer war ich jetzt auch nicht. Die Kollegen draußen waren auch recht irritiert. In der Tat war der Bus vollkommen überhitzt und das Kühlwasser lief heraus. Da der vorige Busfahrer mich nicht gerade umfassend informiert hatte und man in der Regel nicht einfach so irgendwohin mit einem kaputten Bus fährt, musste ich nochmal bei der Zentrale anfragen. Diese sagte mir, ich solle den Bus zur Garage fahren und einen neuen holen. Ich dürfe den Bus aber nur fahren, solange die Temperatur unter 100 °C liege. Also wartete ich, bis das der Fall war, startete und fuhr los. Nach ca. 150 Metern war die Temperatur wieder hoch und ich musste erneut warten. Letztendlich hielt ich dreimal und wartete jeweils gut 10 Minuten, bis ich weiterfahren konnte. Bei dem finalen Abschnitt zur Garage, einer abschüssigen Straße namens Kellgrensgatan, war kurioserweise auch noch Stau. Ich fragte nochmals in der Zentrale nach, ob das so eine gute Idee ist, mit überhitztem Motor bewusst in einen Stau zu fahren. Dort teilte man meine Bedenken nicht, und ich wartete einen guten Moment ab, um loszufahren. Trotzdem musste ich staubedingt wieder auf halbem Wege anhalten. Sicherheitshalber stellte ich den Motor ab. Und damit war es passiert. Beim nächsten Start ging der Motor gleich wieder aus. So stand ich also mitten auf einer stark befahrenen Straße und konnte überhaupt nicht mehr fahren. Die Zentrale versprach, mir einen Mechaniker zu schicken. Der kam 20 Minuten später, schaute kurz etwas nach, und da der Motor dann auch genügend Zeit gehabt hatte, abzukühlen, schafften wir es in einem Stück in die Garage. Nach kurzer Wartezeit stand auch ein Ersatzbus für mich bereit, so dass ich es sogar noch schaffte, ein paar Haltestellen planmäßig zu bedienen und den Bus dann an meine Ablösung zu übergeben. In dem Fall ist das auch nicht ganz so tragisch, weil es sich um die Linie 4 handelt, die tagsüber in einem bestimmten Takt wie eine U-Bahn fährt, so dass die Leute den Bus nicht auf die Minute erwarten und sich beim Ausfall eines Busses nur die Wartezeit etwas erhöht.
    • Die Krönung war aber gestern. Da stieg frühmorgens eine Frau zu, die der Ansicht war, drei Abschnitte auf der Stempelkarte reichten für eine Fahrt von Zone C in Zone A aus. Dem ist nicht so – man braucht vier. Das wollte sie mir aber nicht glauben, und da ich derjenige bin, der entscheidet, wessen Ticket gültig ist oder nicht, ließ ich es auf eine Konfrontation ankommen. Der Streit dauerte mehrere Minuten. Da wollte die andere Person, die eigentlich auch noch zusteigen wollte, auch nicht mehr mitfahren. Zwar habe ich die Geschichte alles andere als optimal gelöst, denn mit etwas ruhigerer Herangehensweise und guter Argumentation hätte ich sie auflaufen lassen können. Andererseits ist es auch lächerlich, einen Streit wegen eines Stempelabschnitts anzufangen. Allerdings nahm das schnell Züge an, die ich auch jetzt nicht akzeptieren kann und über die ich mich noch zwei Tage später aufrege. Plötzlich war es nämlich so, dass sie mir dann auch noch ihr Leid über SL klagte, und dass ich ja schlecht ausgebildet sei. Zuletzt wollte sie meinen Namen wissen. Irgendwann gab ich dummerweise nach und habe sie die drei Haltestellen gefahren, die sie wollte. Ich rief auch noch etwas hinterher, das zwar nicht beleidigend war, aber guter Stil ist freilich anders. Meine Vermutung ist, dass der Stempel, der sich schon auf ihrer Karte befand, fälschlich die Zone C trug, denn sie hatte ihre Reise angeblich in Åkersberga begonnen, das eigentlich in Zone B liegt – bei netten Fahrgästen bin ich bereit, dem Glauben zu schenke, aber bei nervigen Fahrgästen bin ich da knallharter Prinzipienreiter. Ich hasse es, mein Recht nicht zu bekommen, aber ich glaube, im Servicebereich muss man auch mit sowas leben. Mit renitenten Fahrgästen, die sich beharrlich weigern, überhaupt einen Fahrschein zu zeigen, komme ich mittlerweile ja ganz gut klar, aber den Fall, dass mir ein Fahrgast mit zwar zeitlich gültigem, aber eben in der aktuellen Zone unzureichenden Fahrschein blöd kommt, hatte ich bislang auch nicht. Auf der anderen Seite muss ich es auch so sehen: jeden Tag habe ich alles in allem wohl mehrere hundert Fahrgäste, bei denen ich teilweise sicher positiv in Erinnerung bleibe, weil ich helfe und auch noch warte, wenn ich es eigentlich gar nicht müsste. Da muss ich mit zwei oder drei unzufriedenen Fahrgästen pro Tag leben – das ergibt immer noch eine Zustimmung von gut 99 %. In dem Fall dürfte die Verärgerung über den Nahverkehr allerdings eine Weile anhalten.
    • Ich bin übrigens nicht der einzige, der es mit den Regeln auch mal genau nimmt. Heute lagen im Pausenlokal stolze 5 eingezogene Studenten- und Schülerkarten, die wie alle Frühlingshalbjahrkarten vorgestern abgelaufen sind.

    • Andere sind offenbar regelrecht auf die Jagd gegangen: eingezogene Schüler- und Studentenkarten

    Wirklich Spaß gemacht hat die bisherige Zeit also nicht – ich hoffe, das ändert sich noch.

  • Zudem bin ich von technischem Pech verfolgt:
    • Mein guter Fjällräven-Rucksack hat nach nur einem Jahr ein Riesenloch an der Seite, und ich finde zwar alle anderen Quittungen von diesem Einkaufstag, aber jene von dem Rucksack ausgerechnet nicht.
    • Am gleichen Tag fiel plötzlich mein Laptop im Akku-Betrieb aus. Anscheinend ist der Akku total im Eimer. Nur bin ich mir nicht sicher, ob es nun am Akku oder am Laptop liegt, da ich nur zwei unbrauchbare Akkus (der jetzige war eigentlich schon Ersatz) habe, mit denen ich das nicht testen kann. Nun habe ich Ersatz bestellt, aber es kann gut sein, dass ich nachher einen neuen Akku habe und der Laptop als solcher eine Macke hat, was natürlich sehr ärgerlich wäre.
    • Mit ComHem, unserem Anbieter für Kabelfernsehen, Internet und Telefon, haben wir ja schon seit langem Probleme. Wir hatten letzten Herbst sogar einen Techniker da, weil das Bild immer wieder stehenblieb. Der befand, dass das Störungen im Haus waren und gab uns ein Spezialkabel, das die Störungen weit genug zu reduzieren schien. Das Problem blieb aber einfach nur in vermindert Form bestehen. Vor kurzem war es so schlimm, dass manche Kanäle unansehbar waren. Die klassische Hotline-Krankheit, auch einem einigermaßen kompetenten Anrufer keinen Glauben zu schenken, kam hier natürlich auch wieder vor. Wir schickten den Receiver ein. Während dessen Abwesenheit fiel uns auf, dass man analog ziemlich guten Empfang hat. Als der Receiver zurückkam – natürlich ohne gefundenen Fehler – verkabelte ich daher so, dass man auch analog schauen kann, wenn digital mal wieder spinnt. Der Effekt war bemerkenswert: der digitale Empfang war plötzlich praktisch störungsfrei. Der Techniker sollte am Donnerstag kommen, aber wir wollten uns nicht der Peinlichkeit hingeben, dass der Empfang nun doch funktioniert. Also buchten wir den Techniker nach dem ganzen Theater wieder ab.
    • Mein treuer Weltempfänger, den ich mir nach der Konfirmation gekauft habe, wird in seiner Eigenschaft als Radiowecker langsam auch unzuverlässig. Zum Glück hatte ich das Handy als Ersatzwecker.
    • Meine Kopfhörer für den MP3-Player, momentan überlebenswichtig in dem Job, zeigen auch schon Zerfallserscheinungen.
  • Immerhin gab es auch ein paar positive Dinge: wir waren am letzten Wochenende auf unserer „Sommerresidenz“. Wir hatten eine Hütte auf der Insel Grinda gemietet. Das Wetter war herrlich, aber wegen der Trockenheit bestand leider Grillverbot.
  • Zu allerletzt: meine neverending Story mit der Fistel an meinem Hintern geht weiter. Heute habe ich eine neue Öffnung entdeckt. Es ist zum Kotzen.

Eigentlich kann es nur noch besser werden…

I will survive

Montagabend, 23:30 Uhr: Ich wasche mich mit „DesCutan“, einem desinfizierenden Waschmittel. Es besteht aus einem lustigen Schwamm, der aufgeht, wenn man Wasser hinzugibt. Ich fühle mich ziemlich keimfrei.

Dienstagmorgen, 6:30 Uhr:
Ich trinke anweisungsgemäß nur ein Glas Wasser. Dann dusche ich mich nochmals mit „DesCutan“. Nachdem ich meinen lädierten Popo gründlichst abgeschrubbt habe, fällt mir ein, dass noch ein zweiter Durchgang fällig ist. Ich beschließe, die Rückseite des Schwamms zu verwenden.

8:30 Uhr: wir kommen im Krankenhaus an. Man weiß von meiner Operation nichts. Das ist schade, gerade jetzt, wo ich mich doch so schön geduscht habe.

8:40 Uhr: in der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, dass ich in einer anderen Abteilung operiert werde. Dort angekommen darf ich warten.

8:50 Uhr: Ich werde hineingerufen und erhalte ein sehr modisches Hemd, das ich exklusiv zur Operation tragen darf. Ansonsten darf ich allerdings nur noch meine Unterhosen tragen.

9:15 Uhr: Die Ärztin erscheint und fragt mich, ob ich denn brav alle Anweisungen beachtet habe. „Ja“, antworte ich mit einem großen Grinsen. Sie fragt mich, was ich denn habe. Das ist natürlich nicht allzu beruhigend. Sie fragt außerdem, ob ich schon einmal unter Vollnarkose gewesen sei. Ich sage ja, aber das sei schon sehr lange her, und frage etwas verduzt, ob ich denn eine Vollnarkose bekäme. „Ja“, sagt sie daraufhin, „das machen wir normalerweise so.“

9:20 Uhr: Ich habe die Nachricht noch nicht ganz verdaut, da setzt mir die Krankenschwester eine Kanüle an der linken Hand. Es tut weh und sie sitzt nicht gut. Der zweite Versuch passt. Nach einer Spülung erhalte ich direkt die erste Portion Drogen.

9:25 Uhr: Ein Happy Hippo und Doktor Bob aus der Muppet-Show kommen zu Besuch. Wir diskutieren angeregt über die Spargelernte des letzten Jahres.

10:00 Uhr: Ich warte immer noch. Ich solle mit leerer Blase in den OP, so dass ich brav aufs Klo gehe. Selten mit einer Kanüle an der Hand gepinkelt, aber was tut man nicht alles für den Weltfrieden. Da der Schrank mit meinen Sachen abgeschlossen ist, muss ich mir mit den ausliegenden Magazinen behelfen.

11:15 Uhr: Mir wurde gerade beim Lesen des Yacht-Magazins langweilig, da kommt die Nachricht, dass es jetzt losgehe. Ich helfe, mein Bett in den OP zu schieben. Mittlerweile wird mir klar, dass die Ärztin, die ich getroffen habe, die Anästhesistin war. Meinen echten Arzt habe ich noch nicht gesehen. Die OP-Schwestern stellen sich alle sehr nett vor. Die eine, die die Operation direkt betreuen soll, ist gekleidet, als wolle sie danach gleich noch ein Kernkraftwerk dekontaminieren. Ich kriege irgendein komisch schmeckendes Zeug zu trinken und man klebt mir einige Dioden für das EKG an. Ich darf mich hinliegen und ganz diskret die Unterhosen ausziehen. Im Grunde genommen ist das albern, die werden mich sowieso in Kürze nackt sehen. Ich scherze etwas mit den Schwestern („Ich habe heute eigentlich nichts mehr vor!“), da bekomme ich die Narkose, und es fühlt sich seltsam an. Es läuft Musik. Ich nehme mir vor, mir den Titel zu merken. Es ist jedenfalls nicht „Stairway to heaven“ oder „Knockin‘ on heaven’s door“, denn diese genießen einen allgemeinen Bann in allen OPs dieser Welt. Ich darf etwas durch eine Maske einatmen. Selten so guten Sauerstoff gehabt.

13:00 Uhr: Ich erwache in einem dunklen Raum. Eigentlich hatte ich erwartet, dass man langsam entgleiten würde wie im Film. Pustekuchen. Den Titel, der vor der Operation lief, habe ich auch vergessen. Ich frage die Schwester, ob denn überhaupt Musik da drin liefe – könnte ja auch nur Halluzination gewesen sein. Sie bejaht. Ich erzähle ihr irgendwelche wirren Dinge davon, dass ich das Gefühl gehabt hätte, einen Podcast über meinen MP3-Player zu hören. Sie akzeptiert das direkt – vermutlich ist sie in Sachen Patienten, die nach der Narkose Blödsinn verzapfen, außerordentlich erfahren.

13:15 Uhr: Mein Blutdruck (140/77 oder so) ist ganz ok. Ich werde in mein Zimmer geschoben und meine Freundin darf zu mir kommen. Ich hänge an einem Tropf, der so langsam leer läuft.

13:30 Uhr: Ich fühle mich etwas schwach. Die Schwester bietet an, etwas zum Essen zu bringen. Ich warte noch etwas ab.

13:50 Uhr:
Es geht mir besser, und ich esse etwas. Lecker Käsestulle und Tee. Ich verzichte darauf, Schampus zu bestellen. Ich bin immer noch etwas blass, aber es wird besser.

14:20 Uhr: Tropf sei Dank muss ich auf die Toilette. Meine Freundin kommt diskreterweise als Tropfhalterin mit. Beim Aufstehen spüre ich erstmals Schmerzen in meinen Beinen. Meine Vermutungen gehen dahin, dass so ein OP-Tisch nicht gerade bequem ist. Ansonsten tut mir aber nichts weh, was man als positives Zeichen deuten könnte.

15:30 Uhr: Mein Arzt kommt. Er ist jung, sympathisch und fragt mich, ob ich denn schwedisch könne. Dann erklärt er mir die Details. Wenn alles gut geht, ist die Sache in 2 Wochen vorbei. Da die Wunde sauber ist, konnte sie nämlich genäht werden, was den Prozess beschleunigt. Allerdings muss die Wunde trocken bleiben – ansonsten müssen die Fäden raus.

15:50 Uhr: Die Kanüle wird abgezogen. Ich verlasse das Krankenhaus. Eine begeisterte Menschenmenge erwartet mich am Ausgang. Ich fühle mich sehr fit, beschließe aber, heute nicht mehr joggen zu gehen.

16:30 Uhr: Ich bin zuhause. Beherzt sinke ich in einen Stuhl. Entweder habe ich wirklich keine Schmerzen oder die Drogen wirken noch hervorragend.

23:30 Uhr: Ich gehe zu Bett.

Mittwochmorgen, 7:00 Uhr: Ich stehe auf. Mir tut alles weh, vor allem der Nacken. Der OP-Tisch muss meinen Knochen doch mehr angetan haben, als ich zunächst vermutete. Auf der Toilette sehe ich plötzlich Blut. Es tropft auch noch etwas weiter und beunruhigt mich, denn sollte es so bleiben, würde mir die fadenlose Heilung blühen, die erheblich länger dauert.

10:00 Uhr: Ich gehe zu meinem Hausarzt. Zwar wurde es mir nicht ausdrücklich angeraten, aber ich lasse lieber dort den Pflasterwechsel machen, denn nach 4 Monaten Wartezeit gehe ich keine Risiken mehr ein. Ich warte eine geschlagene Stunde im Stehen. Wir beschließen, noch einen Tag abzuwarten.

16:00 Uhr: Ich schlafe. Den ganzen Tag über fühle ich mich schlapp.

Donnerstagmorgen, 7:00 Uhr: Die Nackenschmerzen sind besser. Dafür tut mein Hintern weh. Eine Hose mit Gürtel tragen ist unangenehm bis schmerzhaft. Sitzen geht auch nur mit Einschränkungen. Schuhe binden ist nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich.

10:30 Uhr: Beim Hausarzt ist leider nicht eindeutig feststellbar, wieviel Flüssigkeit aus der Wunde kommt. Ich war nämlich zuvor duschen, und der Verband hat sich bis oben hin vollgesogen. Die untere Wunde sieht sehr gut aus, aber die obere ist leicht gerötet. Man gibt mir lustige Damenbinden mit für eventuellen weiteren Ausfluss. Es ist bemerkenswert, wie weit die Peinlichkeitsschwelle ansteigt, wenn man einmal vier Monate lang eine Fistel am Hintern hat (dieser Beitrag ist der Beweis).

Freitag:
Sitzen ist immer noch schwierig, aber zumindest der Verband kann auf ein wasserdichtes Pflaster reduziert werden. Ich gehe trotzdem wie ein alter Mann und sitze in seltsamen Verrenkungen. Wenn es zwischenzeitlich gar nicht geht, muss die liebe Pharmaindustrie etwas nachhelfen. Insgesamt bin ich aber recht zufrieden und zuversichtlich, dass ich in zwei bis drei Wochen meine Fäden los bin und damit letztendlich auch dieses unsägliche Problem…

Neues vom Elend

Für Nicht-Eingeweihte muss es erklärt werden: seit irgendwann im Herbst letzten Jahres habe ich einen Sinus pilonidalis oder – verständlicher gesagt – eine Fistel am Hintern. Als diese sich Im November mit etwas Blut und Eiter bemerkbar machte, ging ich sofort zur Närakuten, einer Art Notdienst und Hausarztersatz für Kleinigkeiten. Der Arzt hieß Mohammed und diagnostizierte das Problem erfolgreich. Das war aber auch so ziemlich das einzige, was erfolgreich war.
Die angestrebte Therapie, das Ding einfach ausheilen zu lassen, schlug nämlich fehl, und als das nach gut drei Wochen regelmäßiger Verbandswechsel durch Krankenschwestern klar wurde, sagte die herbeigerufene Ärztin, das müsse auf alle Fälle operiert werden. Also wurde ich überwiesen – da war schon fast Mitte Dezember.
Ich rief beim Krankenhaus an, dass man mir doch bitte keinen Termin in der Zeit geben solle, in der ich in Deutschland bin. Die lakonische Antwort darauf war, dass ich vorher ohnehin keinen bekommen hätte.

Am 4. Februar schließlich, also mehr als 2 Monate nach Beginn der Behandlung, schaute sich dann endlich ein Chirurg die Sache an. Und – welch eine Überraschung – es ist eine typische Fistel!

Heute, also über zwei Wochen später, habe ich nun meinen Operationstermin erfahren: 20. März, also rund 4 Monate nach Beginn der Behandlung.

Das schwedische Gesundheitssystem fällt bei mir nach und nach durch – hätte man die Operation schon Ende November durchgeführt, hätte ich mir vier Monate lang den täglichen Pflasterwechsel und viele Gänge zu meiner Vårdcentralen erspart. Unterm Strich war so der Personal- und Materialaufwand für das Gesundheitssystem erheblich höher.

Mir bleibt nur zu hoffen, dass sich an diesem Zustand bald etwas ändert – und die Sache für mich persönlich am 20. März endgültig erledigt ist.

What’s going on?

Mancher mag sich ja fragen, wieso so wenig hier passiert in letzter Zeit. Nun ja, es hat wohl damit zu tun, dass ich ab und zu auch mal was Vernünftiges mache 🙂

Trotzdem hier einige Dinge, die sich aktuell gerade so abspielen:

  • DASDING.de hat einen Relaunch gemacht, und dafür mussten ein paar Nächte dran glauben. Leider ist die Arbeit noch lange nicht fertig.
  • Trotz allem konnte ich mittlerweile die meisten meiner Praktikumsprotokolle einreichen, so dass nun „nur“ noch das Protokoll für den Reaktortrip nach Finnland übrig ist.
  • Die mittlerweile nahezu unendliche Geschichte meines Furunkels am Hintern geht weiter. Nachdem ich nun geschlagene zwei Monate auf einen ersten termin beim Chirurgen gewartet habe, darf ich nun noch einen Monat warten, bis das endlich operiert wird. In solchen Bereichen hat das schwedische Gesundheitssystem massive Schwächen, denn man hätte den Aufwand und die Kosten massiv reduziert, hätte man den Eingriff schon Ende November gemacht. Stattdessen lässt man die Leute warten und hat als Sicherheitsnetz die Notaufnahme, die dann wiederum allen möglichen Kleinkram behandeln muss, der normalerweise nicht in ihren Bereich fällt.
  • Heute Nacht ist Tsunami Tuesday, der größte Tag bei den amerikanischen Vorwahlen. Ich überlege schon jetzt, wie ich das mit meiner Vorlesung morgens um 8 vereinbaren kann.
  • Wenn wir schon bei weniger essentiellen Dingen des Lebens sind: seit einiger Zeit interessiere ich mich sehr für Genealogie. Mein Stammbaum bei verwandt.de hat mittlerweile 207 Mitglieder, vor allem dank meiner Mutter, die ein geradezu unglaubliches Wissen über die Verwandtschaft hat. Das in der Seite verankerte Social-Networking-Prinzip kann nämlich nur sehr bedingt fruchten, da natürlich nur Personen teilnehmen können, die noch leben. Daher geht der Stammbaum zwangsläufig sehr in die Breite, aber wenig in die Höhe. Soll heißen: Man kann zwar die Zusammenhänge zwischen den lebenden Verwandten sehr gut erstellen, wenn man sie etwas befragt, aber weiter als bis zu den Urgroßeltern wird man ohne eigene Recherchen nicht vorstoßen können. Der Weg dazu war mir anfangs nicht so klar. Nach etwas Recherchen habe ich nun begonnen, bei den Standesämtern anzufragen. Diese erfassen nämlich die Daten seit 1876, was mit etwas Glück sogar bis zur Generation der Ururgroßeltern reicht.

Was sonst noch so geschah

Spätherbstbilder

Ein grauer Schleier legt sich über die Stadt. Die Sonne geht nicht mehr auf, es ist kalt und dunkel. Vor zwei Wochen fror ich an einem Laternenpfahl fest und konnte mich erst jetzt, als die Temperaturen kurz einmal für 10 Minuten über 0°C stiegen, befreien.

Nun ja, das letztere stimmt natürlich nicht. In den letzten zwei Wochen ist wenig passiert, aber das Gefühl, der Tag ist schon vorbei bevor er überhaupt begonnen hat, steigert sich. Heute ist der Sonnenuntergang um 15:11 Uhr, und der kürzeste Tag des Jahres ist immerhin noch einen Monat weg.

Dennoch bin ich recht aktiv, oder zumindest bemühe ich mich. In bestem Multitasking springe ich zwischen meinen ganzen Tätigkeiten hin und her.

Eine dieser Tätigkeiten, das Laufen, musste ich jedoch unerwartet einstellen. Vergangenen Freitag musste ich feststellen, dass ich einen Sinus Pilonidalis habe. Der Fachmann spricht von einer „Fistel“ oder auch einem „Furunkel am Hintern“. Es schmerzt nicht, aber lustig ist anders. Angesichts der etwas unvorteilhaften Platzierung ist es in diesem Fall auch nicht opportun, bei sinnlosen Partygesprächen ominös etwas von einer Kriegsverletzung zu erzählen. Genausowenig schmeichelhaft war die pampersartige Kompresse, die ich in den ersten Tagen tragen durfte. Nun, nach knapp einer Woche, ist die Sache weitgehend abgeheilt und nur noch ein kleines Pflaster würde von der nahezu tödlichen Verletzung künden – wenn ich sie denn jemandem zeigen würde.

Fast fataler ist jedoch, dass ich Anitibiotika nehmen muss. Nach leidvollen Erfahrungen im Vorjahr weiß ich, dass körperliche Anstrengung in diesem Zustand überhaupt gar keine gute Idee ist. Meine 2:40 Stunden im Halbmarathon künden davon.

Also trainiere ich derzeit nicht. Wirklich bitter wurde es aber erst, als ich las, wer sich unter den unzähligen Menschen befindet, die den New York City Marathon schneller gelaufen sind als ich. Eine Krücke wie Elton, die ihre Kröten damit verdient, sinnfreie Unterhaltung für halbdemente Menschen zu produzieren, schaffte es trotz einer bescheidenen 10-km-Zeit in gerade einmal 5:30 Stunden. 43 Minuten schneller als ich. Hoffentlich ist die Pillenpackung bald leer.

Dennoch geht es auf anderen Gebieten weiter. Meine Kurse laufen einigermaßen, aber auch für DASDING und einen anderen Auftraggeber habe ich etwas zustande gebracht.
Ein Grund, warum es hier etwas still wurde, ist, dass ich auch die lange verzögerte zweite Staffel meines Auswandererguides an den Start bringen will. Mittlerweile habe ich die Folge zum Sozialsystem aufgespalten, so dass das Auto erst in Teil 14 drankommen wird. Dazu aber mehr, wenn es aktuell wird.