Bananen-Blues

7 Tage und kein Post – ist er etwa krank? Vor der Kanalküste in Seenot geraten? Von Kyrill auf die Schären geweht worden?

Nichts von alledem. Meine üblichen Themen haben mich in den letzten Tagen nicht inspirieren können, etwas hier zu schreiben. Dass Mona Sahlin beispielsweise neue Parteichefin der Sozialdemokraten wird, hat mich weder überrascht, und meine Meinung (wird eh nie Regierungschefin) hatte ich dazu schon kund getan. Auch dass die Regierung Reinfeldt ordentlich an Zustimmung verloren hat, ist auch kaum mehr als eine halbinteressante Zwischenstandsmeldung. Nicht mal zur eventuellen Freilassung von Mohnhaupt und Klar habe ich eine fundierte Meinung. Die Winterlethargie ist eingekehrt.

Zugegebenermassen war ein Beitrag schon fast fertig, als der Browser abstürzte. Die Unbillen, die man als Blogger auf sich nehmen muss, sind schon gigantisch.

Media Markt-Kampagne

„Hat Media Markt die grösste Auswahl? Ist der Ball und der Knödel rund?“ – Media Markt-Werbung war auch schonmal weniger klischeehaft und dämlich

Apropos Unbillen – das Wetter wird langsam winterlich. Ich sitze gerade in Kista und friere mir ein bisschen den Hintern ab. Draussen hat es lauschige -8 Grad, letzte Nacht sogar mal -10. Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Grund zum Beschweren habe ich eigentlich aber nicht, denn Stockholm ist momentan schön weiss.

Auch sonst ist es mit der Lethargie nicht so weit her. Ich mache schön meinen Relativitätstheoriekurs und schreibe meine Masterarbeit, letzteres aber deutlich weniger erfolgreich bislang, weil sich das Schreiben doch recht zäh gestaltet.

„Kulturell“ geht dafür einiges. Letzte Woche Mittwoch hatte ich Thilo von DASDING, der jetzt auch ein Semester in Stockholm verbringt, angekündigt, wir würden zur grossen Austauschstudentenparty ins Allhuset auf dem Uni-Gelände gehen. Letztendlich war er der einzige, der drin war. Alle anderen haben nach einer Stunde Wartezeit im strömenden Regen aufgegeben. Donnerstag dann haben wir uns MacBeth auf Schwedisch gegönnt. Nicht, dass wir viel verständen hätten, aber schlecht wars nicht.

Derzeit bin ich am munteren Planen für zukünftige Unternehmungen. Ein ursprünglich geplanter Trip ins winterliche Kiruna (derzeit so lauschige -25 Grad) kommt wohl nicht mehr zustande, dafür werden wir die 80er-Pop-Grössen von Alphaville auf einer Fahrt nach Åland im März begutachten. Im Mai geht es dann gleich wieder nach Deutschland.

Was im Sommer passieren wird, ist hingegen vollkommen offen. Ich schreibe schon Bewerbungen und strecke meine Fühler aus. Vom wissenschaftlichen Redakteur bis zum Busfahrer ist jedenfalls alles drin.

Und warum heisst dieser Artikel „Bananen-Blues“ – nun, die gelbe krumme Frucht ist derzeit mein Hauptnahrungsmittel. Auf diese Art bin ich schon rund 3,5 kg losgeworden, wonach ich aber leider immer noch stark im übergewichtigen Bereich liege. Trotzdem bin ich eisern und werde morgen auch wieder trainieren. New York, ich komme 🙂

Ungeahnte Probleme

Auch wenn mich das Rauchverbot in den letzten Monaten sehr beschäftigt hat, so kann ich nicht verhehlen, dass es dazu auch schöne Glossen gibt. Wobei ich mir nicht sicher bin, welche Ansicht der Autor wirklich vertritt.
Sehr amüsant übrigens auch, dass auch Messen der Tabakindustrie mittlerweile von Rauchverboten beeinflusst werden.

Auch mit anderen Drogen ist nicht zu spassen: Kristina Axén Olin, Stockholms Bürgermeisterin (eigentlich nur Finanzbürgermeisterin, aber das Amt Bürgermeister hat die Stadt nicht), hat in einem Interview zugegeben, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter an Weihnachten 2005 in eine ziemliche Lebenskrise gestürzt war und es dann im letztjährigen Wahlkampf „zuviel Kopfwehtabletten und zuviel Alkohol“ geworden seien. Sie sei sogar bei den Anonymen Alkoholikern gewesen. Nun wird wild diskutiert, welche Sitten im Rathaus denn so vorherrschen. In meiner Zeit dort war das Leben auch sehr exzessiv. Es gab Kuchen und ich bekam fast einen Wasserschock – zum Glück ging es glimpflicher aus als in diesem tragischen Fall.

Baby, don’t fear the blogger

The blogger is back – ja, ab heute bin ich hier in meinem kuschligen Büro mit abgestorbenem Minibaum und geniesse das beschissene Wetter. Beste Bedingungen also, Beiträge über alles mögliche zu schreiben.

Was in der Zwischenzeit geschah:

  • Anna Sjödin hat irgendwo nochmal Berufung eingelegt – gähn
  • Die U-Bahnen haben neue schöne Streckennetzpläne bekommen. Die enthalten zwar das gleiche wie die alten, aber dafür kann man sie auch dann lesen, wenn man nicht gerade 3 Zentimeter vor ihnen steht. Ich bin begeistert.
  • HLX war ausnahmsweise mal einigermassen pünktlich. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.
  • Carl Bildt, seines Zeichens Aussenminister Schwedens, muss sich einer Anhörung stellen. Darüber mehr zu einer anderen Zeit.
  • Alphaville spielt am 22.3. auf dem Schiff Cinderella. Ich ziehe stark in Betracht, auch mit an Bord zu gehen.
  • Ich bin noch viel dicker geworden seit Weihnachten. Deswegen nehme ich jetzt ab und trainiere wieder.

In diesem Sinne auf blogreiches Jahr…

Die grosse Politonovela

Tja, da war ich mal wieder etwas zu schnell.

Für neue Leser kurz einmal die Zusammenfassung: Anna Sjödin, ihres Zeichens Vorsitzende der schwedischen Jusos, war Anfang dieses Jahres in einer Stockholmer Disko. Am nächsten Morgen trat sie mit blauen Flecken im Gesicht vor die Presse und sagte, der Türsteher hätte sie zusammengeschlagen. Der wiederum sagte, Sjödin hätte ihn rassistisch beleidigt, wäre sturzbetrunken gewesen und hätte mit der Schlägerei angefangen. Sjödin verlor den Prozess in allen Anklagepunkten und muss nun um ihre politische Zukunft, die in ihrem Amt in der Regel recht rosig ist, bangen. Einen Rücktritt lehnt sie jedenfalls ab. Sie ging in Berufung, aber nahm eine Auszeit, um das weitere Verfahren abzuwarten. In der Zwischenzeit hat sie dann auch noch ihren Führerschein wegen Raserei verloren. Heute morgen wurde ihr Einspruch gegen das Urteil abgewiesen, und ihr Rücktritt wäre zu erwarten gewesen.

Doch sie gibt nicht auf. Auch wenn sie langsam aber sicher untragbar werden dürfte, spekuliert sie wohl auf ein Photo-Finish zu ihren Gunsten und darauf, dass das alle vergessen haben, bis die Sozis 2010, vielleicht (oder besser gesagt wahrscheinlich) erst 2014 wieder die Macht übernehmen. Also geht sie zum höchsten Gericht Schwedens. Mein Tipp für wettfreudige Zeitgenossen: ich würde auf den Türsteher setzen.

So bleibt mir diese grosse Politonovela in meinem Blog erhalten. Ich gehe allerdings nicht mehr von einem Happy-End für die Hauptdarstellerin aus.

Eine andere grosse Story ist die Suche nach einem Parteivorsitzenden. In Deutschland hat ja Franz Müntefering einmal gesagt, SPD-Vorsitzender sei das zweitschönste Amt nach dem Papst – zumindest, solange man keine Nervensäge wie Andrea Nahles im Nacken hat. Der Vorsitz der schwedischen Sozialdemokraten scheint weniger begehrt zu sein.

Drei heisse Kandidaten, im Sinne der allgegenwärtigen Gleichstellung hier alle weiblich, sind im Rennen:

  • Margot Wallström, EU-Kommissarin für Schweden in Brüssel
  • Carin Jämtin, Oppositionschefin im Stockholmer Stadtrat
  • Mona Sahlin, die schon alles mögliche war – jüngste Abgeordnete des Reichstags, Arbeitsministerin. Sie wäre 1995 fast Vorsitzende geworden, wenn sie nicht in der so genannten Tobleroneaffäre des Missbrauchs von Dienstkreditkarten und -wagen überführt worden wäre.

Alle wollen anscheinend Wallström und Jämtin. Erstere sagt schon seit Monaten beharrlich nein und will in Brüssel bleiben. Jämtin hat nun auch gesagt, dass sie ihre Zukunft in Stockholm sieht.

Ehrlich gesagt kommt mir das alles so vor, als wollten sie das Amt vielleicht schon, aber nicht in der derzeitigen Situation. Es könnte nämlich passieren, dass sie ihren Posten wegen irgendwelcher Komplikationen des Schlags oben genannter Tobleroneaffäre räumen müssen, bevor die Sozialdemokraten wieder an die Macht kommen. Man muss wohl auch wissen, wann man ins Spiel einsteigt.

Halb-Hallelujah

Es dauert natürlich doch wieder ein bisschen, bis der letzte Nobelstreich kommt.

Meine kleine Freude für das Scheitern der Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof in Sachen Tabakwerbungsverbot will ich aber nicht verhehlen. Selten hat eine Klage so offensichtlich lobbyistische Hintergründe gehabt wie in diesem Fall. Zwar war man dem Urteil zuvorgekommen und hat es schon im November umgesetzt. Trotzdem ein kleiner Erfolg. Leider betrifft es nur Medien, aber nicht Plakatwände. Es würde nicht schaden, wenn diese endlose Quelle von Lucky-Strike-Witzen letztendlich versiegen würde. Genauso könnte man übrigens gleich Werbung für alkoholische Getränke verbieten. Ich glaube jedenfalls nicht, dass das den Absatz deutlich gefährden würde.

Weniger begeisternd, zumindest für die Betroffene, dürfte die aktuelle Folge meiner grossen Anna-Sjödin-Story sein. Ja, auch hier dürfte es sich um die zumindest vorletzte Episode handeln. Das Hofgericht hat ihren Antrag auf Berufung abgelehnt. Damit ist die vorige Verurteilung rechtskräftig – und ihr Rücktritt eigentlich kaum noch zu verhindern. Um genauer zu sein, es ist eher eine Frage von Stunden denn von Tagen, bis sie ihren Hut nimmt.

Zum Abschluss eine kleine schwedische Sprachanekdote. Wenn Politiker Rede und Antwort stehen müssen, heisst dies anscheinend „Ställ politikerna mot väggen“, also „Stell die Politiker gegen die Wand“ – Politikverdrossenheit extrem.

Die Hoffnung stirbt zuletzt oder the long way to a Rauchverbot

Nun ist es also endgültig gescheitert, das bundeseinheitliche Rauchverbot für Restaurants – und zwar aus verfassungsrechtlichen Gründen. Mein mittlerweile schon zum Dauergesang gewordenes Klagelied von der Unfähigkeit der deutschen Politik zu im Grunde harmlosen, aber mutigen Versuchen stimme ich hier nicht noch einmal an.

Ein paar Denkansätze will ich aber dennoch nicht unterschlagen.

  1. Das Verbot ist nun an verfassungsrechtlichen Bedenken gescheitert. Ich bin kein Jurist und gebe auch nicht vor, einer zu sein. Allerdings möchte ich doch mal die Frage in den Raum stellen, ob die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1949 wirklich im Sinn hatten, einen Staat zu schaffen, in dem die Länder eigentlich nur unwichtige Dinge regeln dürfen, aber gleichzeitig noch Grund genug sind, Gesetzesentwürfe mit kontroversem Inhalt ins Nirvana zu schicken. Ich denke da wie die Redaktion der SZ an das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG). Mich würde da auch wirklich einmal interessieren, wo genau die Zuständigkeit der Länder sein soll – ich sage nur „Bundesrecht bricht Landesrecht“ (Art. 31 GG), und wenn diese Vorschrift eigentlich nicht den Zweck hat, den ich hier meine, so macht mir die ganze Sache doch deutlich bewusst, dass Deutschland erheblich besser bedient wäre, wenn es einen stringenten Aufbau wie die USA hätte. Dort dürfen die Staaten alles regeln, was der Bund nicht regelt. Die Städte dürfen alles regeln, was der Staat nicht regelt. Wenn man diese Pyramide auf das deutsche System übertragen könnte, könnten sich Länder durch eigene Steuern um ihre Staatsfinanzen kümmern und auch unkonventionelle Wege probieren. Dieser Wettbewerb hätte auch seine kritischen Seiten, würde aber auf alle Fälle die festgefahrenen Strukturen deutlich flexibler machen. In jedem Fall muss man den sündhaft teuren Länderparlamenten endlich Mittel an die Hand geben, einige Wege zu gehen, ohne dabei gleichzeitig den Bund handlungsunfähig zu machen. Dies würde den Landtagen endlich eine echte Daseinsberechtigung geben. Denn, seien wir mal ehrlich: wenn Kleinigkeiten wie eine Verbraucherschutzrichtlinie und ein Rauchverbot an den föderalen Strukturen scheitern, dann ist es um dieses System nicht gut bestellt. Der Föderalismus steht nicht zur Disposition, denn er ist schon aus historischen Gründen eine absolute Notwendigkeit. Eine Frischzellenkur könnte er aber dringend vertragen.
  2. Groteskerweise gibt es sogar eine Mehrheit für ein Rauchverbot in Restaurants, und auch die Umfragewerte für striktere Lösungen sind nicht gerade vernichtend. Die Politiker können sich also nicht darauf berufen, in der Bevölkerung gäbe es keine Mehrheit für erste Schrittein diesem Bereich.
  3. Welche politischen Kräfte stecken wirklich dahinter? Das erzkonservative Bayern prescht nun vor und wollen Schritte zu einem Rauchverbot unternehmen. Der aus einem ganz anderen Flügel der Union kommende Peter Müller gibt hingegen hirnfreie Sätze wie „Ob in Restaurants oder Bars geraucht werden darf, sollen Besitzer und Kunden entscheiden“ von sich. Meine Hoffnung bleibt, dass die Weitergabe der Entscheidung an die Länder zu einer Vielfalt der Lösungen wie bei den Ladenschlusszeiten führen wird. Wünschenswert wäre beispielsweise eine Vorreiterrolle der Großstädte. Wenn Berlin und Hamburg, aber auch bevölkerungsreiche Länder wie Nordrhein-Westfalen ein absolutes Rauchverbot in der Öffentlichkeit einführten, hätte das Signalwirkung für das ganze Land, denn hier sind so viele wichtige kulturelle Zentren. Wenn man in Berlin in keiner Kneipe rauchen darf, in Stuttgart aber schon, dann werden bald die Unterschiede und vor allem die Vorteile sichtbar werden, die ein solches Verbot hat. Groteskerweise könnte dies aber wieder an die Grenzen der Verfassung gehen, denn die Lebensbedingungen sollen ja überall gleich sei – der Barkeeper im Raucherland riskiert dann täglich seine Gesundheit, der im rauchfreien Land nicht. Mich würde interessieren, wie da das Bundesverfassungsgericht entscheiden würde.
  4. Wo bleibt die EU? Bisher gibt sie nur mahnende Worte und Absichtserklärungen von sich. In unserem schönen bald 27 Länder umfassenden Staatenverbund kann man nicht nur überall arbeiten und leben. Es sind auch viele Dinge geregelt, die nach Ansicht vieler (um nicht zu sagen fast aller) gar nicht von der EU geregelt werden müssen. Die Form von Gurken beispielsweise oder die Beschaffenheit von Traktorsitzen. Eine EU-Richtlinie zum Rauchverbot in allen öffentlichen Plätzen würde dem ganzen Drama in Deutschland endlich ein Ende setzen. Und ganz nebenbei den Millionen Europäern helfen, die bisher noch nicht einmal ein Rauchverbot in ihrem Land in Aussicht haben.
  5. Die Hoffnung stirbt zuletzt – vor 20 Jahren hatten wir Kalten Krieg, in 20 Jahren bestimmt auch ein Rauchverbot

In diesem Sinne: ich geh jetzt keine rauchen.

Nicht aufregen (Update)

An meinem heutigen Geburtstag rege ich ich mich aus Prinzip nicht auf. Daher nur die Feststellung, dass Lobbyisten eines Tages das Ende der westlichen Welt sein werden.

Update: Vielleicht kann man den Herrschaften der CDU über abgeordnetenwatch.de mal fragen, wieso sie das Rauchverbot nun plötzlich kippen wollen. Eigentlich könnte man gleich bei der Tabaklobby nachfragen.

Übrigens: Aufregen darf sich auch der schwedisch Astronaut Christer Fuglesang nicht. Der sitzt nämlich noch am Boden nach einem Startabbruch.

Morgen dann endlich: tolle und weniger tolle Nobelfotos zum großen Nobelwochenende!

Verraucht

Der schlimmste Fall ist nicht gekommen: die von der Union vorgeschlagene idiotische Regelung zu Rauchverboten in öffentlichen Räumen hat sich nicht durchsetzen können.

Die jetzige Lösung verspricht zumindest eine Reduktion. Auch unnötige Bürokratie wird vermieden, denn nach den Meldungen im September hätten Kneipenwirte bangen müssen, ob ihre Räumlichkeiten mehr oder weniger als 75 Quadratmeter umfassen – Schildbürgerstreiche mit künstlichen Verkleinerungen (eine hübsch dekorierte Holzwand löst das Problem) werden also ausbleiben.

So wird man künftig glücklicherweise zumindest Essen gehen können, ohne von Rauch belästigt zu werden. Immerhin.

Dennoch ist es zu wenig, viel zu wenig. Wenn man sich die mutigen Entscheidungen anschaut, die in ganz Europa getroffen wurden, ist es geradezu erbärmlich. Regierungen unterschiedlichster Richtungen konnten sich dazu durchringen, was in Deutschland offenbar so schwierig scheint. Auch der Raucheranteil des Landes spielte keine Rolle – die Franzosen und Italiener, bei denen Rauchen wohl fast schon ein nationales Kulturgut ist, haben es ebenso durchgesetzt wie die vergleichsweise raucharmen Schweden. Das Echo ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, positiv. Kneipen erleben keinen Gewinneinbruch, selbst Raucher sind mit der Regelung zufrieden und sehen das Rauchverbot in Umfragen positiv.

Der Hintergrund dieser Mittellösung ist klar: die Tabaklobby hat wieder mächtig davon gejammert, dass damit der Wirtschaft erheblichen Schaden entstünde und – damit kriegt man heutzutage letztendlich alle – Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Schon war der hehre Ansatz vom absoluten Rauchverbot gekippt. Letztendlich ist es nicht mehr als die Demonstration der Unfähigkeit der deutschen Politik, Reformen anzugehen. Statt Mut zu beweisen und Dinge zu versuchen, will man niemandem auf die Füsse treten. Heraus kommt etwas, das mittlerweile genauso zum Schipfwort geworden ist wie Reform: ein Kompromiss. Das bedeutet in Deutschland nicht nur, dass man sich für etwas entschieden hat, mit dem alle leben können. Zusätzlich beinhaltet es, dass man sich für etwas entschieden hat, das keiner gut findet. Nebenbei zementiert es die eigene Bewegungsunfähigkeit zur endgültigen Erstarrung.

Fakt ist jedenfalls, dass die Akzeptanz des Rauchens als ein jedem offenstehendes Genussmittel eine Lüge vor sich selbst ist. Würde man die Zahl derjenigen ermitteln, die die im Vergleich zu Zigarillos und Zigarren doch recht minderwertigen Zigaretten nur aus dem Motiv heraus rauchen, dass es angeblich gut schmecke, so würde man auf einen verschwinden geringen Anteil kommen. Nikotin gehört zu den am schnellsten süchtig machenden Substanzen – manche sehen es in der Hinsicht sogar noch vor Heroin. Dass man täglich eine Schachtel aus Genuss raucht, ist Blödsinn, und die Raucher wissen das eigentlich auch. Die allermeisten rauchen aus Bequemlichkeit oder Unfähigkeit weiter.

Vielleicht sollte man sich in Bundestag und Bundesrat einmal vergegenwärtigen, dass man auch die Aufgabe hat, Gesellschaftspolitik zu machen. D.h. man hat eine Vision davon, wie die Gesellschaft von morgen aussehen soll. Und dass in diesem Morgen möglichst wenige Menschen nikotinsüchtig sein sollten, versteht sich eigentlich von selbst.

Immerhin beginnt ein langsames Umdenken. Ab nächstem Jahr kann man endlich nicht mehr ohne Altersnachweis auf der Strasse Zigaretten kaufen. Und wenn sich dann Raucher endlich einmal davonstehlen müssen, um in Raucherecken ihrer Sucht nachzugehen, anstatt dass sich die Nichtraucher permanent der Ignoranz mancher ihrer Mitmenschen aussetzen müssen, ist zumindest ein erster Schritt getan.

Wer hat Angst vorm…

Der moderne Mensch sieht sich nur noch wenigen Bedrohungen ausgesetzt – die Rationalität hat Einzug gehalten, so dass Vulkanausbrüche nicht mehr notwendigerweise der Zorn der Götter sind. In der Schifffahrt muss man nicht mehr befürchten, vom Rand der scheibenförmigen Erde zu fallen, und man hat sogar akzeptiert, dass der Aderlass und starke Stromströße deutlich weniger gesund sind, als man früher annahm. Eigentlich sind alle Risikofaktoren auf rein vernunftbegabte Abschätzungen heruntergebrochen worden.

Aber es gibt Ausnahmen.
Eben beispielsweise durfte ich in epischer Breite im Podcast vernehmen, welche bösen Viren von überall her auf uns einschwirren und vor was man gefälligst Angst haben sollte.

Viel schlimmer ist es aber bei Radioaktivität. Eine vermeintlich seltene Strahlung, die man nicht sieht, spürt, hört oder schmeckt, scheint perfekt zu sein, um irrationalste Ängste hervorzurufen. Kürzlich fuhren wir ja mit einem Mietwagen nach Gävle. Ich habe mich gefragt, wie der Mann am Schalter der Tankstelle reagiert hätte, wenn er gewusst hätte, dass wir radioaktive Quellen dabei haben. Zumindest zögerlich, schätze ich. Es ist genau die Art Angst, die 1986 zu absurdesten Reaktionen auf die Katastrophe von Tschernobyl geführt.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die aktuelle Berichterstattung über den Fall Litwinenko diese Ängste nur anheizt. Überall lauert die Gefahr, ist die Botschaft – schließlich kann man sich radioaktive Stoffe problemlos besorgen.
Was dabei gerne übersehen wird, ist, dass wir ohnehin die ganze Zeit von Strahlung umgeben sind. Salz mit Kalium ist radioaktiv. Aus allen Wänden verströmt der Beton Radon, ein Edelgas, das hierdurch allgegenwärtig ist, wenn auch in geringen Konzentrationen. Die Zerfallsprodukte können sich in der Lunge ablagern und dort ab und zu einmal Krebs erzeugen. Bevor jetzt jemand aufschreckt: das ist die sogenannte natürliche Radioaktivität – die war schon immer da, und wird auch immer da sein. Dass sie auch schaden kann, ist eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Laut Wikipedia sind 10% aller Lungenkrebsfälle durch Radon verursacht – also 4.000 im Jahr in Deutschland. Es sterben allerdings 6.000 Menschen jedes Jahr in Verkehrsunfällen. Der einfache Schluss: es ist gefährlicher, Auto zu fahren, als Radon einzuatmen. Solche plakativen Beispiele sollen nur verdeutlichen: Radioaktivität erhöht in den allermeisten Fällen nur das Risiko.

Dem sind sich die meisten Menschen natürlich nicht bewusst, und das ist auch nur zu gut verständlich. Doch ich stelle mir schon die Frage, ob durch die Medien irrationale Ängste nicht zunehmen.

Momentan ist es Polonium, das zum ultimativen Teufelszeug gemacht wird. Dass so gut wie jedes Schwermetall hochgiftig ist, fällt hier unter den Tisch. Zudem ist es auch nicht der einzige Alpha-Strahler. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlen nach deren Gefährlichkeit benannt sind, ist es nämlich so, dass gerade die Alpha-Strahlung zwar sehr kurze Reichweiten hat, dafür aber auf dieser sehr viel Energie abgibt und damit Körperzellen schnell schädigt. Auch unterschlagen wird dabei, dass auch andere Polonium-Isotope als Teil der natürlichen Radioaktivität in der Luft sind – und sie sind alle radioaktiv.

Polonium wird also nicht unbedingt der Nachfolger von Zyankali als Lieblingsmordinstrument für Schwiegermütter werden. Wenn man es sich leisten kann, könnte zum Beispiel auch Plutonium nehmen – der Iran bietet demnächst sicher günstig welches an 🙂

Litwinenko ist wahrscheinlich schlicht daran gestorben, dass er erhebliche Mengen des Metalls im Körper hatte und sowohl an den Vergiftungs- als auch an den Strahlungsschäden gestorben ist. Gerade letztere entstehen übrigens um ein Vielfaches stärker, wenn die Quelle im Körperinnern ist. Dort ist nämlich auch das Gewebe für solche Einwirkungen schlechter gerüstet.

Das Ende der Litanei: ich würde mir wünschen, dass ich solche Sätze nicht mehr lesen muss, weil die Leute bei radioaktivem Material nervös werden:

An Bord der beiden Maschinen nur „sehr niedrige“ radioaktive Spuren entdeckt worden, teilte British Airways mit. Das Risiko für Unbeteiligte sei „gering“.

PS: Scotland Yard hat übrigens auf den Maschinen nicht nachgesehen, um Bürger vom Killermaterial Po-210 zu schützen. Das war schlicht und einfach Spurensicherung.