Das schönste Land in Deutschlands Gau’n

Badisches Wappen

Nicht nur, dass ich morgen einmal wieder meine badische Heimat wiedersehen werde. Nein, es sind geradezu glänzende Zeiten für Baden. Der KSC ist aufgestiegen, der SC Freiburg kann es eventuell noch. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig und die Sonne scheint.

Da kommen ein paar Schwaben und faseln etwas von einem „Aufbruch nach vorn“. Heldenhafte Mannheimer haben nämlich dagegen protestiert, dass nach dem Verkauf von Chrysler die Nachfolgegesellschaft nur noch „Daimler AG“ heißen soll. Als Badener kann man das nicht ohne weiteres hinnehmen – im Geiste der internationalen Zusammenarbeiten konnt man den Namen DaimlerChrysler ja noch akzeptieren, obwohl damit der Name Benz – geboren in Karlsruhe und aktiv in Mannheim – damit unter den Tisch fiel. Nun nach dem Auseinanderbrechen der Welt-AG sollte er wieder zurückkehren. Immerhin leben ja noch einige von denen, die den Namen Daimler-Benz als solide Marke kannten, auch wenn der Konzern schon damals ab und zu in Turbulenzen geriet.
Mal im Ernst: „Daimler AG“ ist eine seltsame Wortschöpfung ohne Not – als würde der Verzicht auf Rückkehr zum alten Namen andeuten, die Chrysler-Fusion sei kein Fehlschlag gewesen. Das verleugnen kann man ohnehin nicht. Zudem ist der Konzern eine baden-württembergische Institution, so dass beide Landesteile auch vertreten sein sollten – immerhin sind einige große Produktionsstätten in Baden. Das mag anderswo belustigend wirken, aber das zeugt eher von dem Unverständnis der baden-württembergischen Verhältnisse.
Die Identifikation mit dem Landesteil ist eine wichtige Komponente der badischen wie der württembergischen Seele. Geschadet hat es dem Land nicht, und ganz vergessen wird man es in Baden auch nicht, dass wir 1956 quasi feindlich übernommen wurden. Das macht das Verhältnis und die vermeintliche Unterschiedlichkeit nun einmal gerade so interessant.

Darum sage ich auch „Danke Mannheim!“ – auch ich hatte mich spontan an dem Namen gestört.

Übrigens: rund 88% der SPIEGEL-Leser sehen das auch so.

Reagiert

Mein Leserbrief an den SPIEGEL hat schnell ein Echo gefunden. Vielleicht war ich auch nicht der einzige, der geschrieben hat.

SPIEGEL - keine Reihen mehr

Nun also nur noch „angetreten“ – schon besser.

PS: Ich muss mir da natürlich auch ein bisschen an die eigene Nase fassen. Das Sundsvallvideo mit der Fahne hieß scherzhaft „Die Fahne hoch“ – allerdings bin ich ja auch kein Nachrichtenmagazin 🙂

Unklug

Die Website der Billigfluggesellschaft SkyEurope musste sich vor längerem etwas Spott gefallen lassen, weil sie die Texte dort etwas unüberlegt übersetzen hatte lassen: man hatte als Bezeichnung für den persönlichen Service das Wort „Sonderbehandlung“ gewählt. Ein Wort, dass leider zuvor von der SS für die Ermordung in der Gaskammer missbraucht worden war und damit für alle Zeiten unbenutzbar geworden ist.

Was sich die Herrschaften vom SPIEGEL hierbei gedacht haben, würde ich auch gerne mal wissen:

SPIEGEL - Reihen fest geschlossen

Einen Artikel über die Bundeswehr so zu bebildern ist ja in Ordnung, aber die Bildunterschrift „Die Reihen fest geschlossen“ ist mehr als unglücklich. Es gab da nämlich mal so ein Lied, das dann so weiterging: SA marschiert mit ruhigem, festen Schritt…
Dieses Lied ist in Deutschland sogar verboten – und daher disqualifiziert sich so eine Bildbetitlung automatisch.

Eurovision

In Telefonaten mit Deutschland wurde mir in den letzten Tagen viel von der Osteuropa-Connection geklagt, die da den Eurovision Song Contest entschieden haben soll. Ich möchte diese Klagen nicht unterstützen – ein paar Gedanken zum Thema:

  • Das BILDblog bemerkt richtig, dass Serbien auch ohne Schützenhilfe aus dem Osten gewonnen hätte. Die Rechnung dort belegt das recht deutlich.
  • Die Liste bringt auch das Auswandererargument ins Wanken – so viele Ukrainer und Bulgaren wohnen nicht im Westen, dass es dafür reicht. In Sachen Türkei ist das Argument sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Deutschland gibt ja schon seit Jahren Spitzenpunktzahlen an die Türkei, egal wie gut oder schlecht das Lied ist. Allerdings muss man auch die Deutschen da in die Pflicht nehmen. Wenn 1,76 Millionen Türken das Votum der restlichen ca. 80 Millionen Einwohner Deutschlands überstimmen können, dann sind die letzteren selbst schuld.
  • Die TED-Demokratie ist eigentlich keine – sie ist stark verzerrt, aber in vieler Hinsicht auch ehrlicher als eine Jury. Eine solche wäre nämlich genauso fragwürdig, da über ihre Besetzung irgendwelche Rundfunkgranden entscheiden dürften. Auf die jetzige Art kommt man den Leuten doch schon etwas näher.
  • Wir sind eigentlich schon ein ziemlich arroganter Haufen – die Schweden wie die Deutschen. Wir interessieren uns im Normalfall nicht dafür, was in Osteuropa passiert, und wir gehen davon aus, dass die Künstler von dort von vorneherein schonmal unbekannt sein müssen. Roger Cicero war ja immerhin schonmal eine nationale Größe, aber eben nirgendwo sonst. Die Serbin Marija ŠERIFOVIĆ ist bei sich zuhause anscheinend eine echte Hausnummer und eben auch in den Nachbarländern bekannt. Für den ach so fürchterlichen Ukrainer gilt dasselbe. Wann haben wir das letzte Mal jemanden hingeschickt, den außerhalb Deutschland jemand kennt?
  • In Schweden hat man notorisch zu hohe Erwartungen, weil man für die nationale Vorauswahl so einen Riesenaufwand macht. In Deutschland hingegen zahlt man die Zeche und ist noch nicht einmal bereit, ein vernünftiges Auswahlverfahren zu schaffen – trotz vorhandener föderaler Strukturen und inspirierender Vorbilder á la Stefan Raabs Bundesvision Song Contest. Stattdessen jedes Jahr Party auf der Reeperbahn – auch dem NDR kann man durchaus Arroganz vorwerfen, die Veranstaltung norddeutsch zu besetzen und damit die zahlreichen anderen Zentren der Republik außer Acht zu lassen. Miese Resultate und geringes Interesse sind die Folge. Bei Guildo war das noch etwas anders. Außerdem schaue man sich doch mal nur die Ergebnisse der letzten 15 Jahre an:
    • 1995: Stone & Stone kriegen nur einen Punkt und fahren das mieseste Ergebnis überhaupt ein.
    • 1996: Leon mit Blauer Planet scheiterte an einer vorgeschalteten Zwischenrunde, weil der Titel zu schlecht war. Daraufhin hat man die Regel eingeführt, dass wir immer im Finale sind – und damit auch geschickt davon abgelenkt, dass man zuletzt einfach nur noch unbekannten Schrott ins Rennen geschickt hatte.
    • 1997: Deutschland schneidet mit „Zeit“ von Bianca Shomberg wiederum miserabel auf Platz 18 ab.
    • 1998: Ein Komplott aus Guildo Horn und Stefan Raab bricht in das wohlbehütete Paralleluniversium ESC ein und macht das Dauerabo von Ralf Siegel kaputt. Deutschland kriegt einen prächtigen 7. Platz und ganz Deutschland interessiert sich plötzlich wieder für den Wettbewerb. Die Veranstalter können natürlich nichts dafür – außer, dass sie Guildo Horn haben teilnehmen lassen.
    • 1999-2003: in schönem Wechsel gewinnen Siegel und seine Gegner. Die guten Ergebnisse halten sich, bis auch Europa genug von Siegel hat und Corinna May im Jahr 2002 mit einem 21. Platz nach Hause schickt. Zwar kommt Lou das Jahr darauf noch einmal ganz gut weg, aber beim NDR macht man sich Gedanken, wie man die Sache noch interessanter machen könnte.
    • 2004: Stefan Raab eilt zur Rettung und schickt Max Mutzke ins Rennen, der auch recht erfolgreich ist. Das neue Regelwerk, nachdem man Chartplatzierungen haben muss für die Teilnahme, scheint zu funktionieren.
    • 2005: Gracia hat manipuliert und gewinnt den nationalen Vorausscheid, aber erreicht beim ESC nur den 24. Platz
    • 2006-heute: Um jede Peinlichkeit und echte Einflussnahme auf den Teilnehmer zu vermeiden, wird das Regelwerk gestrafft. Der Erfolg bleibt trotzdem oder gerade deswegen aus. 2006 war es ganz schlimm – wenn man die Wahl zwischen Vicky Leandros, Thomas Anders und einer Kombo von Olli Dittrich hat, muss man ja wohl oder übel letztere nehmen.

    Alles in allem also ein höchst absurdes Spektakel, das uns da der NDR jedes Jahr präsentiert.

  • Manche meinen ja, die Musik wäre dieses Jahr schlecht gewesen. Das stimmt nicht. In den letzten Jahren haben die ganzen Balkanländer immer irgendwelche Volksmusikmenschen zum Wettbewerb geschickt. Will man ihnen jetzt etwa vorwerfen, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben und moderne Musik einbringen?
  • Wer jetzt über die Ostmafia schimpft, sollte sich auch mal die Frage stellen, wo denn die ganzen osteuropäischen Länder letztes Jahr waren. Die Antwort ist: sie waren fast alle dabei. Dennoch hat Lordi klar gewonnen.
  • Die einzige Wahrheit über diesen Wettbewerb ist: er ist unberechenbar. Die Abstimmungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Meinungsbilder aus den verschiedenen Ländern häufig gleichförmig sind. Ein Siegertitel zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er viele 12-Punkte-Wertungen geholt hat, sondern dadurch, dass er fast von überall Punkte bekommen hat. Um zu gewinnen, muss man also einen Titel haben, der in fast allen Ländern zumindest ein paar Punkte erhält. Der serbische Titel war so einer.

Trotz allem Mäkeln: der ESC bleibt eine außergewöhnliche europäische Institution, die jenseits der EU existiert und jedes Jahr hunderte von Millionen Zuschauer interessiert. Es gibt weltweit nichts vergleichbares – und es ist ohne Frage ein Stück gelebtes Europa.

Höchster Feiertag

Nach weniger inspirierenden letzten Tagen ist es hier etwas leer geworden.

Es darf allerdings eine Sache nicht unerwähnt bleiben. Heute ist der Tag, der für viele Schweden scheinbar so wichtig ist wie Weihnachten, zumindest aber soviel wie der Nationalfeiertag.

Wie dem auch sei – heute ist Eurovision Song Contest, oder wie man es hierzulande nennt: Schlager-EM.

Kein Land dürfte derart verrückt nach diesem Wettbewerb sein wie Schweden. Der Teilnehmer wird einer langwierigen Prozedur mit Hilfe von 4 Vorentscheiden, einer „zweiten Chance“, einem Finale sowie zahlreichen lokalen Jurys ermittelt. Dagegen wirkt das deutsche Finale mit gerade einmal drei Teilnehmern ziemlich bescheiden.

Heute ist er also, der große Abend. Zu meinem Erstaunen scheint es kein public viewing oder ähnliches zu geben. Auch die entsprechenden Veranstaltungsseiten schweigen sich doch ziemlich aus zu dem Thema. Es ist wie das schwedische Silvester wohl eher etwas für den Genuss zuhause.

Steffen und ich haben am Donnerstag auch das Halbfinale begutachtet. Unsere Favoriten, die Punkrockband „Anonymous“ aus Andorra, konnte sich leider nicht qualifizieren. So hoffen wir doch einmal für Schweden. Ich werde aus reinem Patriotismus für Deutschland stimmen, auch wenn ich starke Zweifel habe, dass Roger Cicero sich mit seinem Swing zwischen diesen ganzen schnellen Pop- und Rocknummern behaupten können wird.

Ein großes Fest wäre jedenfalls ein schwedischer Sieg – ich schätze, die Stadt würde dann nächstes Jahr wochenlang im Ausnahmezustand verbringen.

Politische Bedenken habe ich gegen einen weißrussischen Sieg – das Lied ist zwar echt nicht schlecht, aber dass die Veranstaltung nächstes Jahr in Lukaschenko-Land stattfinden soll, wäre schon etwas traurig.

Korrekturen

Blogs sind ja dafür bekannt, dass sie von zu schnell gefällten Urteilen nur so strotzen. Meines ist keine Ausnahme. Rainer hat einige Punkte zu dem Beitrag über Kriminalität angeführt, die ich nicht ausreichend berücksichtigt habe. Schweden ist zwar vergleichsweise sicher, aber dass es praktisch überhaupt kein Verbrechen gäbe, ist wiederum auch falsch. Die Mordraten beispielsweise sind höher, und auch erschreckend viele Vergewaltigungen geschehen. Zudem gibt es natürlich auch eine starke Konzentration auf den Stockholmer Raum.
Bei meiner Medienkritik will ich dennoch bleiben – meiner Ansicht nach wird über die falschen Dinge in einer nicht angemessenen Breite berichtet. Die Ursachen werden nur allzugerne verschwiegen.

Eine Korrektur der ganz anderen Art zum gestrigen SpringCross. Dort hatte mir das vorläufige Ergebnis zunächst bescheinigt, ich hätte 38:04 Minuten für die 6 Kilometer gebraucht. Dabei hatte ich selbst 37:01 gemessen. 37:04 weist das Ergebnis nun aus, was mich auf den 195. Platz von insgesamt 252 in dieser Kategorie bringt.

Sehr witzig ist auch, dass sich der Teamname „Keesves“, den wir einmal für das Team zur Badischen Meile 2005 gewählt hatten, hartnäckig bei allen vom Löparkansliet veranstalteten Läufen hält, auch wenn ich ihn nicht angegeben habe.

Ballongblåsning

Ich habe gerade mein T-Shirt „Kein Herz für Walker„, das ich im SPIEGEL Shop bestellt hatte, in meiner Postagentur abgeholt – sehr nett, aber um richtig reinzupassen, muss ich noch etwas abnehmen.

Besagte Postagentur ist hauptberuflich aber ein ICA Supermarkt, und da die Kette wohl gerade 90 Jahre alt wird, versucht man, einen Weltrekord im Ballongblåsning aufzustellen, um damit ins Guinness Buch der Rekorde zu kommen. Der schöne Begriff Ballongblåsning beschreibt übrigens nichts anderes als Luftballons aufzublasen. Ich bin auf das Ergebnis gespannt.

Weit weniger spektakulär ist ein anderes Ergebnis, nämlich das meines Laufs bei SpringCross, einem Cross-Country-Lauf bei mir um die Ecke. Sehr harte 6 km mit schmalen Wegen, starken Steigungen und damit allerlei potenziellen Bänderrissen musste man absolvieren – gegen Ende des Laufs lag schon einer neben der Bahn und war ziemlich bleich. Nach einer Runde war ich froh, dass ich nicht die erweiterte Variante mit 12 km, d.h. 2 Runden, genommen habe. Thilo hat das übrigens gemacht und war ziemlich fertig – so fertig, dass er den Laufsport als Gesamtes verfluchte. Ich hoffe, er ändert seine Meinung bis zum nächsten Lauf.

Mein Ergebnis war übrigens schätzungsweise 37:03 Minuten. Für eine Medaille hätte man die 12 km unter 60 Minuten laufen müssen – bei meiner derzeitigen Fitness kaum realistisch.

Paranoia

Ein Thema, das mich in den letzten Tagen etwas beschäftigt hat, ist die Kriminalität. Anlass war Thomas‘ Blogeintrag und der zugehörige Artikel in der ZEIT (sehr empfehlenswert übrigens).

Es geht um eines der sichersten Länder Europas, in dem die Menschen irrationalerweise Angst vor Verbrechen haben: Schweden. Die Sache hat mich deswegen so beschäftigt, weil selbst jemandem wie mir, der nur einen sehr oberflächlichen Einblick in die schwedische Gesellschaft hat, die Effekte nicht entgehen.

Da ist zum Einen der Väktare-Wahn – ein Väktare ist direkt übersetzt ein Wächter. In Deutschland kennt man sie auch. Sie bewachen manche Firmen und natürlich Geldtransporte. In Schweden bewachen sie alles. Manchmal meint man, vor jeder Klotür stünde ein solcher Väktare. Jede Kneipe beschäftigt mindestens einen Sicherheitsmann, jede Firma sowieso – letztere natürlich noch in Verbindung mit Sicherheitskarten und Türcodes. Mag es hier noch verständlich erscheinen, so gerät es spätestens im privaten Bereich ins Absurde. Bei einem Spaziergang durch die Schärenstadt Vaxholm fällt einem auf, dass jede Gartenhütte den Aufkleber einer namhaften Sicherheitsfirma hat. Mein Wohnheim hat ebenfalls solche Aufkleber. Einen Sicherheitsmann habe ich hier zwar noch nie gesehen, aber prophylaktisch sollen alle potenziellen Missetäter wissen, dass man hier besser nicht einbricht. Nächtens sind Sicherheitsleute sowohl auf dem SU-Campus als auch auf dem KTH-Campus unterwegs – in Karlsruhe habe ich so etwas nie gesehen.
Es ist zwar beruhigend, dass man in Urlaub fahren kann, ohne dass gleich eingebrochen wird. Dennoch stelle ich mir die Frage, ob Sicherheit hier nicht mit einem zu hohen Preis erkauft wird. Das meine ich wörtlich, denn mir geht es nicht um Datenschutz und Privatsphäre, sondern um das liebe Geld. Der Arbeitsmarkt für Sicherheitsleute ist derart groß, dass es ein Sicherheitsgymnasium gibt, wo die Schüler auf dem Weg zum Abitur zu Sicherheitsfachleuten ausgebildet werden. Dass man im Gymnasium gleich eine Berufsausbildung macht, ist in Schweden normal. Dennoch steht dies beispielhaft dafür, dass ein beträchtlicher Teil derjenigen, die weder sehr niedrig noch sehr hoch ausgebildet sind, in diesem Markt Anstellung finden. Firmen wie Falck Security oder Securitas profitieren sicherlich davon. Was zahlt also der gemeine Bürger für seine Sicherheit? Ich habe keine Ahnung, aber es dürfte ein nennenswerter Beitrag sein.

Andere Effekte der Angst vor Verbrechen sind neben der häufigen Werbung für die Polizeiausbildung auch, dass die Politik Kapital daraus schlägt. Ich erinnere mich mit Grauen an Wahlplakete der Moderaterna, die mehr Straßenbeleuchtung und Polizei für Östermalm – nicht gerade ein Zentrum des Verbrechens – ankündigten. Und die Leute wählten sie nicht zuletzt deswegen.

An den leicht paranoiden Zügen dieses Zustands ist aber vor allem die Presse schuld. Der ZEIT-Artikel beschreibt mit dem Haga-Mann (ein Massenmörder und Vergewaltiger) und der dazugehörigen Berichterstattung ein besonders krasses Beispiel. Aber auch der Alltag wird kontinuierlich mit Verbrechensmeldungen geflutet. Letzten Sommer schrieb City entrüstet, dass es im Schnitt pro Tag 40 Taschendiebstähle in der U-Bahn gäbe. Ohne andere Zahlen zu haben, kann ich beruhigt behaupten, dass die Berliner Polizei ein Fass aufmachen würde, wenn sie einmal einen Tag mit nur 40 Taschendiebstählen hätte. Busfahrer dürfen mittlerweile keine Fahrkarten mehr verkaufen, weil es einige Überfälle gab. Ein aktuelles Beispiel: in Södertälje wurden gestern nacht Polizeifahrzeuge von Jugendlichen mit Steinen beworfen, eine Scheibe ging kaputt. In den Morgennachrichten war dies die erste (!!) Meldung, und auch die nationalen Zeitungen haben sie an prominenter Stelle platziert. Man stelle sich vor, das gleiche wäre in Bochum oder Leipzig passiert – Seite 5 ganz unten, gleich neben der Meldung, dass in China ein Sack Reis umgefallen ist. In den Außenbezirken Londons, in den Banlieus in Paris, in manchen Bezirken von Berlin passiert ähnliches täglich. Sicherlich ist das schlimm, aber muss es deswegen gleich ein großes Medienecho geben? Selbst bei Kapitalverbrechen muss man die Frage stellen, ob denn gleich jeder Mord und jede Vergewaltigung ein nationales Thema darstellt.

Mir kommt es vor, als berichte man im permanenten Sommerloch. Die Ereignislosigkeit gebietet, jedes Ereignis zu publizieren. Jede Lappalie wird zur großen Tragödie, jedes Verbrechen ein Angriff auf die gesamte Gesellschaft.

Ein trauriger Zustand eigentlich – wenn dieses Land nicht so sicher wäre, müsste man sich glatt Sorgen machen.

WSEAML Teil 3: Sundsvall (oder: Orte, die man eigentlich nie zu sehen beabsichtigte, aber trotzdem hinfährt, weil die Bahntickets so billig waren)

Kirche nahe dem Bahnhof - sehr einladend
Kirche nahe dem Bahnhof – sehr einladend, oder?

Sundsvall ist eine Stadt mit 49.000 Einwohnern. In Deutschland ist das gerade mal eine Kreisstadt, in Schweden aber je nach Region durchaus ein veritables Zentrum. Als Hafen- und Handelsstadt, zwischen dem dichter besiedelten Süden und dem so gut wie gar nicht besiedelten Norden gelegen, ist sie ein wichtiger Verkehrsknoten. Soviel zur beeindruckenden Einleitung.

Sundsvall Panorama

Ein Panorama von Sundsvall – links der Hafen, hinter dem Stadion die Steinstadt, in der Mitte die Kirche, im Hintergrund ein Skigebiet

Der einzige Grund, warum ich vor kurzem dort hingefahren bin, ist schlicht und ergreifend, dass es bei der schwedischen Bahn in einer Sonderaktion billige Zugtickets gab. Die großen, interessanten Ziele wie Malmö oder Göteborg waren natürlich gleich weg, so dass nur noch Sundsvall blieb.

Das Museum in Sundsvall

Touristisch hat die Stadt nicht viel zu bieten. Im Sundsvallmuseum gibt es vorwiegend regionale Kunst zu sehen, über deren Güte ich nicht zu urteilen vermag. Seltsam war allerdings die Toilette.

Blaues Licht auf der Toilette

Das ist kein Farbfehler – die Toilette hatte blaues Licht. Das ist natürlich eine Maßnahme gegen Heroinabhängige, da man Venen in blauem Licht nicht sehen kann. Aber ist die Stadtbibliotheks- und Stadtmuseumstoilette ein solcher Drogenumschlagplatz?

Gustav-Adolfs-Kirche in Sundsvall

Die Gustav-Adolfs-Kiche

Weitere touristische Highlights – wenn man es so nennen kann – sind die Gustav-Adolfs-Kirche und die sogenannte Stenstaden (Steinstadt). Was spektakulär klingt, ist einfach der Name für das Stadtzentrum, das nach einem verheerenden Brand im Jahr 1888 komplett neu geplant und aufgebaut wurde. Eine Gustav-Adolfs-Kirche ist übrigens auch nicht so wahnsinnig originell. In Stockholm gibt es auch eine nach diesem König benannte Kirche.

Das Panorama weiter oben ist von einem der Berge entstanden, die man mittels einer Treppe begehen kann. Oben befindet sich auch noch ein kleines Freilichtmuseum, wo ähnlich wie in Skansen Bauernhöfe u.ä. ausgestellt sind.

Die Touristeninformation war ebenfalls sehr interessant, insbesondere wegen der Tatsachen, dass sie (ungelogen) Postkarten mit einer Elchkotkapsel verkauften. So kann man offenbar Tourismus und ABM kombinieren – oder wer hebt sonst Elchkot auf?

McDonald’s Sundsvall

Eingangstür des McDonald’s in Sundsvall – normalerweise verwendet die Burgerkette auch in Schweden den Slogan „I’m lovin‘ it“, aber hier ist er nicht nur auf Schwedisch übersetzt, sondern sogar im Dialekt von Sundsvall geschrieben. In Rikssvenska (Reichsschwedisch) müsste es „Jag tycker om det“ heißen – der Schriftzug dürfte erahnen lassen, wieso der Dialekt von Nordschweden nicht leicht zu verstehen ist.

Zum Abschluss ein wahnsinnig spannendes Video aus der Fußgängerzone. Gebannt verfolgten wir, wie zwei Männer von einem Hotelbalkon mit einer Fahne hantierten.

Dabei war nicht so ganz klar, ob sie die Fahne ab- oder aufhängen wollen. Da sie sich etwas ungeschickt anstellten, dauerte es auch seine Zeit, bis eine Richtung zu erkennen war.

Nach gut 20 Minuten hatten sie es dann endlich geschafft – die Fahne hing.

Wie man unschwer erkennen, ist ein Sundsvalltrip wahnsinnig spannend. Zumindest, wenn man für weniger als 20 € hinfährt.