Während unser alter Bundespräsident sich zwei Monate lang geweigert hat, das einzig Anständige zu tun, hatte ich Zeit, zu überlegen, wer dem Amt den Anstand zurückgibt, den es verdient.
Sicherlich gibt es viele gute Kandidaten – neben Joachim Gauck, der es aber wohl nicht noch einmal machen wird, wären da Klaus Töpfer und Norbert Lammert. Doch ich möchte einen weiteren Kandidaten in die Diskussion werfen, der meiner Ansicht nach genauso gut geeignet wäre und dazu über allerlei Qualitäten verfügt, die die anderen Kandidaten nicht oder nur eingeschränkt mitbringen: Ulrich Wickert.
Ulrich Wickert ist nicht nur bekannt und beliebt in Deutschland. Er hat als langjähriger Moderator der Tagesthemen Seriösität und Integrität gezeigt. Er kann das Amt angemessen ausüben. Als Diplomatensohn ist er mit den Gepflogenheiten internationaler Politik vertraut. Zudem war er über lange Jahre Korrespondent in den Metropolen der Welt. Er spricht nicht nur mehrere Sprachen hervorragend. Er kennt auch die Kulturen und ist überall auf der Welt zuhause.
Dazu kommt ein gewinnender Sinn für Humor und eine umfängliche Bildung. Er ist kein Politiker und dennoch politisch. Er ist vor allem überparteilich.
Darum möchte ich an dieser Stelle eine kleine Kampagne starten und hoffe auf etwas Unterstützung 🙂 .
Es gibt schon eine Facebook-Gruppe und eine Seite bei Google+.
Ich lese jeden Tag die Zeitung, habe aber manchmal das Gefühl, dass ich nicht so recht weiß, was in diesem Land eigentlich passiert. Am Samstag ist beispielsweise Håkan Juholt zurückgetreten. Den muss man nicht kennen, aber er war Parteivorsitzender der schwedischen Sozialdemokraten. Was auch schon das Problem aufzeigt. Nicht, dass er der Top-Sozi war, sondern dass ihn keiner kannte.
Vertrauen konnte er nämlich nicht aufbauen. Als er in das Amt kam, fragte man gemeinhin „Håkan wer?“. Nüchtern betrachtet war er der Vorsitzende von Rudis Resterampe: schlicht einer der wenigen, die nicht sofort mehr oder weniger dankend abgelehnt haben.
Am Samstag verlas er nun seine Rücktrittserklärung, in seinem Heimatort Oskarshamn in einem Einkaufszentrum neben einer Rolltreppe. Genauso würdig und glamorös wie seine Amtszeit.
Ich fragte mich, was denn nun eigentlich passiert war. Ich verstehe es bis heute nicht ganz. In den Tagen davor waren schon Rücktrittsandeutungen durch die Presse gegeistert. Nur warum es ausgerechnet jetzt zum Rücktritt kommen sollte, blieb unklar – im Gegensatz zu den deutschen Medien hat man es in Schweden nicht so mit Dossiers und Erklärstücken. Wer etwas verpasst hat, darf rätseln, wie das nun zustande kam.
Etwas Licht brachte für mich allenfalls diese Zusammenfassung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens SVT (für die des Schwedischen mächtigen):
Der Rücktritt ist eine Spätfolge einer Affäre aus dem Oktober 2011. Es kam heraus, dass Juholt das für auswärtige Reichstagsabgeordnete zustehende Mietgeld für die volle Miete einer Stockholmer Wohnung bezogen hat, obwohl er dort nicht allein lebte und die Miete somit geteilt hätte werden müssen. Zudem hatte er anscheinend davon gewusst, aber nicht darauf reagiert. Er ware nahe des Rücktritts, aber er machte den Wulff: entschuldigte sich und gelobte Besserung. Die Sache schien bald überstanden, auch wenn sich kleinere Ungeschicktheiten in seinen Äußerungen wiederholten.
Aus deutscher Sicht handelt es sich freilich um Lappalien, wenn man bedenkt, in welchem Maße sich der werte Herr Bundespräsident schon beschenken hat lassen und das alles für so gar nicht rücktrittswürdig hält. Falsche Wohnungsabrechnung und ein paar unglückliche Statements nehmen sich dagegen lächerlich aus.
Die Umfragewerte gingen in den Keller, und ich nehme an, dass es letztendlich diese Zahlen sind, die zwei Landesverbände der Sozialdemokraten dazu bewegte, Juholts Rücktritt zu fordern. Am Samstag zog er die Reißleine und wurde damit der Parteivorsitzende mit der kürzesten Amtszeit.
Ob das für die Partei gut oder schlecht ist, wird sich noch zeigen. Ich tendiere zu ersterem. Juholt hat anscheinend von Anfang an nur diejenigen voll überzeugt, die sowieso alles gut finden, was die Partei entschieden hat. Bei denen, die man von den Moderaten wieder zurückholen müsste, hat er aber nur vorübergehend Sympathien geweckt.
Unter normalen Umständen ist die Regierung ein Jahr nach der Wahl am unbeliebtesten, weil sie unbequeme Maßnahmen und Klientelpolitik auf den Anfang der Legislaturperiode legt, während man Wohltaten kurz vor die Wahlen legt, um danach weitermachen zu dürfen. In Schweden ist es derzeit genau umgekehrt: bis auf die Grünen steht die Opposition so schlecht da wie nie.
Ich denke, die Sozialdemokraten haben immer noch nicht gelernt, mit der nach wie vor ungewohnten Oppositionsrolle umzugehen. Es kommt mir so vor, als wolle man die altbekannten Rezepte einfach solange neu aufsagen, bis die Schweden wieder darauf anspringen. Diese Regierung gefährdet das nicht, denn die Schweden haben keine Angst mehr vor den Bürgerlichen.
Ich habe gehofft, man würde dieses Mal nicht in typisch schwedischer Manier mit einer Wahlkommission auf Kandidatensuche gehen, sondern den Posten per Parteimitgliederabstimmung besetzen.
Danach sieht es leider wieder nicht aus. Aktuellen Berichten zufolge soll Anders Sundström gefragt worden sein. Dieser ist Chef der Versicherung Folksam und war zuvor mehrfach Minister und Reichstagsabgeordneter. Ich kenne ihn nicht aber wäre enttäuscht, wenn man erneut einfach irgendjemanden aus dem Hut zaubern würde. Um 15:15 Uhr soll es eine Pressekonferenz geben.
Andere heiß gehandelte Namen sind der ehemalige Juso-Chef Mikael Damberg, der aber erstmal abgelehnt hat, und die Generalsekretärin Carin Jämtin. Bislang nehmen sich die Kandidatenlisten im Vergleich zum letzten Mal kurz aus. Man muss wohl leider davon aus gehen, dass die ehemalige EU-Kommissarin Margot Wallström, die der ganzen Veranstaltung etwas Wiedererkennungswert und Grandezza geben könnt, wiederum nicht zur Verfügung steht.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Und hoffe, dass Bundespräsident Wulff doch noch den Juholt macht.
Update (15:28 Uhr): Die Pressekonferenz gab keine wirkliche Information außer, dass jetzt erst einmal beraten werden müsse. Am Freitag wird die Parteiführung zusammentreten. Sundström soll angeblich abgelehnt haben.
Update (15:43 Uhr): ein Punkt bei den letzten Querelen war auch, dass Juholt veranlasst haben soll, einen Posten aus dem oppositionellen Gegenvorschlag für den Staatshaushalt herauszustreichen. Dieser war dafür vorgesehen, die Qualität der Arbeitslosenversicherung wieder auf das Niveau zu bringen, das sie vor dem Antritt der Regierung Reinfeldt hatte. Sicherlich kein Riesenaufreger für die Allgemeinheit, aber natürlich ein Affront für weite Teile der Partei, denn das ist natürlich eine Herzensfrage für Sozialdemokraten – siehe auch diesen Artikel dazu (vielen Dank an Jan für den Hinweis).
Wie weite Teile der Nation lässt auch mich der Abgang von Bundespräsident Köhler nicht kalt. Und schon gar nicht die Wahl seines Nachfolgers.
Ob Rau, Schipanski, Herzog oder Schwan war mir eigentlich ziemlich Banane – die haben bzw. hätten alle passable Amtsinhaber abgegeben. Dieses Mal jedoch ist recht klar, dass der Favorit der schlechtere Kandidat ist. Ein 100%iger Parteimann soll es werden anstatt eines honorigen Bürgerrechtlers, der für alle Seiten wählbar wäre. Das dazu noch in Zeiten allgemeiner Parteienverdrossenheit.
Deswegen bin ich natürlich auch begeistert davon, dass sich im Netz eine Bewegung formiert, um vielleicht ein paar Wahlmänner zu bewegen.
Gestern hat der Landtag von Baden-Württemberg seine Wahlmänner für die Bundesversammlung gewählt. Es ist wieder einmal ein Armutszeugnis für die Internetarbeit von Fraktionen und Landtag, denn nur zwei der vier Fraktionen haben ihre Kandidatenlisten im Netz veröffentlicht. Der Landtag selbst hält es auch nicht für nötig, die Listen zu publizieren.
Also habe ich selbst gewühlt, und hier ist das, was ich bislang gefunden habe (werde ich fortlaufend aktualisieren):
Wem die Frage auch am Herzen liegt, kann ja gerne einen oder mehrere der Wahlmänner anschreiben und ihnen mitteilen, was er als einfacher Bürger gerne für einen Präsidenten hätte und warum.
Nachtrag 11:56 Uhr: Anscheinend wurden bislang nur die Kandidatenlisten aufgestellt. Die formelle Wahl wird erst morgen sein. Vielleicht werden dann auch noch die restlichen Kandidaten veröffentlicht. Nachtrag 20:52 Uhr: Mittlerweile haben auch CDU und Grüne ihre Listen veröffentlicht.
Vor wenigen Tagen las ich diesen Artikel hier, in dem Ärzte die SPD auf 15 Prozent drücken wollen. Gestern demonstrierten auch Ärzte in Gaggenau nahe meiner Heimat.
Es liegt ohne Frage in der Natur der Gesundheitspolitik, dass niemand mit ihr zufrieden ist. Das soll keine Verteidigung sein, denn in der Tat liegt einiges im Argen. Gerade in Diskussionen mit Leuten, die in Schweden den perfekten Sozialstaat sehen, erlebe ich aber immer wieder, dass ein Kritikpunkt am schwedischen System damit abgetan wird, dass es woanders (d.h. Deutschland) vermeintlich noch schlimmer sei. Viermonatige Wartezeiten, wie ich sie erlebt habe, sind dann anscheinend dadurch zu rechtfertigen, dass in Schweden der Fernseher im Krankenhaus kostenlos ist. Das Thema wird jedenfalls leidenschaftlich debattiert, denn wenn es um die eigene Gesundheit geht, fühlt man sich nie perfekt behandelt.
Vor allem hat mir jener Bericht aber bewusst gemacht, dass die Bundestagswahl 2009 doch tatsächlich am 27. September stattfindet. Ich werde selbstverständlich wählen, und wollte die entsprechenden bürokratischen Schritte unternehmen. Als Auslandsdeutscher wählt man nämlich nicht in der Botschaft oder dem Konsulat, sondern als Briefwähler. Sinnigerweise muss man dies in dem Wahlkreis, in dem man zuletzt gemeldet war. Ob man noch irgendeinen Bezug zu der Region hat, spielt keine Rolle. Eine der wenigen Voraussetzungen neben der deutschen Staatsbürgerschaft ist, dass man in seinem Leben mindestens 3 Monate in Deutschland gelebt hat.
Bei mir ist es zum Glück so, dass ich einen Bezug zu meinem letzten Meldeort habe, und so wähle ich gerne dort. Die bürokratische Hürde ist zum Glück nicht so hoch, auch wenn man wie immer ein Formular ausfüllen darf. Dieses erhält man auch bei der Botschaft, aber ein am Computer ausfüllbares PDF-Dokument ist definitiv praktischer.
In Kürze bin ich also hoffentlich Briefwähler.
Zeit, sich auf die Bundestagswahl vorzubereiten.
Ich habe dieser Tag mit einer Freundin aus Juso-Tagen gesprochen, die seit kurzem im Vorstand der Linksjugend ist. Ich gehöre zwar zu denjenigen, die der Meinung sind, dass es links der SPD nicht nur eine Partei geben kann, sondern dass man mit dieser auch koalieren kann und sollte. Trotzdem ist mir Die Linke mit dem teilweise schon demagogischen Gebahren ihres Führungspersonals sowie den doch noch reichlich vorhandenen Betonkommunisten und Ostalgikern weder sympathisch noch erscheint sie mir direkt wählbar.
Besagte Freundin meinte, es käme weniger auf die Personen als auf die Programme an. Damit hat sie prinzipiell natürlich recht, auch wenn es nur zu oft so ist, dass Programme prächtig nebulös sind und die Mandatsträger letztendlich doch machen, was ihnen gerade richtig erscheint (sollen sie ja auch). Ich werde das aber zum Anlass nehmen, die Wahlprogramme durchzuschmökern.
Dazu werde ich mich aber bei den großen Parteien etwas gedulden müssen, denn das sind die Termine der Wahlparteitage:
CDU/CSU: keine Ahnung. Die CDU hat außer ihrem Tagesgeschäft anscheinend gar nichts zur Bundestagswahl auf ihrer Webseite, und die CSU nur wenige bescheidene Seiten ohne brauchbaren Inhalt. Auch sonst war meine Suche fruchtlos.
SPD: 14. Juni 2009 in Berlin – gefunden nicht auf der SPD-Website, aber immerhin hier
FDP: 15. bis 17. Mai in der Messe Hannover, siehe hier.
Bündnis ’90/Die Grünen: 8. bis 10. Mai im Velodrom Berlin, siehe hier.
Die Linke: 20. bis 21. Juni in Berlin, siehe hier – übrigens die einzige Partei, die auch schon einen Vorschlag fürs Wahlprogramm online zu haben scheint.
Manche Leute sind jedoch der Meinung, man sollte gar nicht wählen. Der Leiter des Washington-Büros des SPIEGEL, Gabor Steingart, hat gerade ein Buch mit dem Titel „Die Machtfrage. Ansichten eines Nichtwählers“ veröffentlicht. Darin legt er dar, wieso er dieses Mal nicht wählen wird. Er tat dies auch kürzlich in einer SWR1-Leute-Sendung (zum Anhören). Auch wenn ich seine Haltung nicht unterstütze, Politikern einen Denkzettel zu verpassen, den sie ohnehin nicht verstehen würden, so ist es doch einmal interessant, die Meinung eines Nichtwählers zu hören, der über die übliche Stammtischrhetorik hinaus geht. Bei echten Gegenvorschlägen bleibt er aber leider etwas kleinlaut, denn wenn man sagt, dass das bisherige System schlecht ist, sollte man zumindest überlegen, wie es verbessert werden könnte. Vielleicht tut er es in seinem Buch. In der Sendung war er in der Hinsicht recht abweisend.
In einem Punkt muss ich ihm aber rechtgeben: dass das deutsche Wahlrecht einige massive Schwächen hat. Zwar bin ich nach wie vor klarer Gegner von bundesweiten Referenden. Jedoch halte ich es für möglich, den Bundespräsidenten direkt zu wählen. Die größte Schwäche ist aber das Listenwahlrecht zum Deutschen Bundestag. Es kann nicht sein, dass Leute nur deswegen ein Mandat erhalten, weil sie von ihrer Partei in der Liste nach oben gesetzt wurden. Das bisherige Listenwahlrecht bringt den Wählerwillen in vielen Fällen wenig zum Ausdruck. Steingart brachte als Beispiel, dass Andrea Ypsilanti, obwohl sie in ihrem Wahlkreis fast 20% der Stimmen einbüßte, immer noch im hessischen Landtag sitzt. Dass die Wähler ihr hierfür ein Mandat gegeben haben sollen, ist da kaum nachzuvollziehen.
Nachdem der erste Ärger verraucht ist, wird es Zeit, die aktuelle Lage zu analysieren.
Ich habe nichts gegen Gesine Schwan – ganz im Gegenteil. Sie war 2004 schon eine fähige Kandidatin und ist es noch immer. Sie hat einen hochinteressanten Lebenslauf und ist eine Quereinsteigerin, was wiederum zwei Eigenschaften sind, die ich an Horst Köhler ebenso schätze.
Ihre indirekte Kritik an Horst Köhler, er untergrabe mit seiner Politikerschelte die Demokratie, kann ich aber nicht unterstützen. Seine zwei Amtsvorgänger haben sich auf Festtagsreden und Repräsentation zurückgezogen. Der Bundespräsident hat jedoch die höchste politische Legitimierung des Landes, und er sollte sie auch nutzen, um die Probleme jenseits des parteipolitischen Streits anzusprechen. Er soll den Mund aufmachen, wenn er es für richtig hält, und er sollte auch nicht blind jedes Gesetz unterschreiben, das ihm unter die Finger kommt. Das Einzige, was man Horst Köhler vorwerfen kann, ist, zu unregelmäßig kritisiert zu haben – am Anfang viel, seither wenig. Der Vorwurf, es sei „antidemokratisch“, Politiker zu rügen, ist Unsinn. Kritik soll und muss möglich sein. Die letzten Jahre zeichnen sich durch Stillstand aus, an dem die Große Koalition eine große Mitschuld trägt. Einen Bundespräsidenten zu haben, der in dieser Zeit ohne Ansehen der Partei Kritik übt, ist viel wert.
Gesine Schwan wäre also eine fähige Kandidatin, aber ich habe meine Zweifel, ob sie den Job ähnlich gut machen könnte wie Köhler. Der ist bekannt und beliebt. Nach dem doch eher farblosen Johannes Rau ist das sehr angenehm – ein Bundespräsident muss nämlich auch immer um seine Präsenz kämpfen.
Die Beliebtheit von Köhler ist auch der Grund, warum sich die Union und FDP demonstrativ hinter ihn stellen. Wäre es nach den Oberen der Union gegangen, hätte man ihn noch nicht einmal gelassen, denn zur Zeit seiner Wahl hatte man wohl nicht damit gerechnet, dass er auch mal gegen das eigene Lager schießen würde.
Womit wir bei der SPD wären. Die Kolumnisten, die die Kandidatur von Schwan feiern, sagen auch ganz klar, dass die SPD kopflos ist. Das stimmt, denn Becks Führungstruppe eiert schon seit Monaten ohne erkennbares Ziel herum. Dieser Partei fehlt derzeit anständiges Führungspersonal und insbesondere eine Vision. Die Basis, und damit meine ich nicht nur mich selbst, ist zunehmend unzufrieden, was die letzten Umfragen auch bestätigen. Was verspricht man sich davon, Schwan aufzustellen? Ohne Frage ist sie die Leitfigur, die man sich wünschen würde – nur leider kandidiert sie dafür für das falsche Amt. Zwar mag die Wahl eines Bundespräsidenten in der Vergangenheit ein Test dafür gewesen sein, mit welcher Partei man kann und mit welcher nicht – sobald die Wahl aber vorbei war, spielte das keine Rolle mehr. Wenn die SPD ein Bündnis Rot-Rot-Grün austesten wollte, wäre dies die richtige Gelegenheit. Aber genau das will sie ja erklärtermaßen nicht.
Die Wahl 2009 zu gewinnen ist damit auch nicht möglich, denn man kann nicht damit Werbung machen, eine Bundespräsidentin ins Amt gehievt zu haben – das verbietet sich wegen der Neutralität des Amtes. Ein Bundespräsident ist nun einmal kein Parteipolitiker. Zudem ist mehr als fraglich, ob dieser Schritt positiv aufgenommen werden wird.
Letztendlich bleibt es die Entscheidung einer Parteiführung ohne Orientierung. Ob Gesine Schwan letztendlich Bundespräsidentin wird oder nicht, wird für die SPD keine Rolle spielen. Das alles kann den derzeitigen Niedergang der Partei nicht aufhalten. Insofern war es eine dämliche Entscheidung, gegen einen populären Bundespräsidenten in die Schlach zu ziehen. Die SPD kann dabei nur verlieren.
Die Wahl 2009 mit solchen Spielchen zu gewinnen ist aussichtslos – und es zeigt einmal mehr, dass die SPD dringend einen Führungswechsel braucht.
Zum aktuellen Beschluss meiner Parteiführung, Gesine Schwan aufzustellen, fällt mir fast nichts mehr ein, weil ich damit beschäftigt bin, mein soeben verzehrtes Mittagessen bei mir zu halten. Wieso stellt man eine Mitbewerberin gegen einen beliebten Bundespräsidenten auf, der sich bislang in löblicher Weise damit hervortat, von den Festtagsreden abzuweichen und auch aktiv die Politik zu kritisieren? Warum verstösst man gegen die Regel, keinen Gegenkandidaten zu amtierenden Präsidenten zu stellen? Soll Gesine Schwan, als Person sicherlich fähig und vielerorts hochgeschätzt, etwa die Steigbügelhalterin für einen Kanzler Beck sein? Der SPD-Vorstand scheint im kollektiven Delirium zu sein…
Bitte nicht so genau auf die Überschrift achten – sie hat wenig mit dem Text zu tun.
Eigentlich suchte ich nur einen albernen Titel für einen Post über etwas Verlorenes – hier wird derzeit nämlich allerhand verloren. Kürzlich stellte man in der Regierung fest, dass die E-Mails aus der Zeit der Tsunami-Katastrophe 2004 fehlten. So kann wohl vorerst keiner mehr das dürftige Krisenmanagement damals nachvollziehen. Jetzt ist auch noch ein Video der Estonia verschwunden. Wenn die Archivare so weitermachen, freuen wir uns sicher bald über das Verschwinden von Zeugnissen über Tschernobyl, die Kuba-Krise und Stalingrad.
Verloren hat man auch den Überblick im Karolinska-Krankenhaus in Huddinge, etwas südlich von Stockholm. Dort hat man schon zum dritten Mal in diesem Jahr Leichen vertauscht und somit versehentlich den falschen Toten verbrannt. Das ist natürlich bitter und vor allem äusserst peinlich. Sollte ich in absehbarer Zeit ein Testament aufsetzen, wird es eine Klausel enthalten, dass ich nicht dorthin gebracht werden will.
Gefunden wurde hingegen etwas ganz anderes – eine Waffe, und zwar genau die, mit der Olof Palme ermordet worden sein könnte. Die Zeitung Expressen hatte einen Tipp bekommen, dass die Pistole in einem See bei Mockfjärd liegt. Den Ort muss man nicht kennen, schätze ich. Man hatte wohl schon bei den ursprünglichen Ermittlungen nach dem Palme-Mord festgestellt, dass die Zusammensetzung der Kugeln, die Palme töteten, der entsprach, die die Kugeln hatten, die 1983 bei einem Postraub abgefeuert worden waren. Die Waffe sieht auch nicht mehr so wahnsinnig gut aus und es ist daher fraglich, ob überhaupt irgendwelche Schlüsse daraus gezogen werden können. Am meisten begeistert ist Expressen ohnehin davon, dass in der Pistole noch scharfe Kugeln sind. Ich stelle mir natürlich einfach die Frage, was wahrscheinlicher ist: dass jemand erst einen Postraub durchführt, dann die Waffe bis 1986 aufbewahrt, Palme erschiesst und die Waffe anschliessend ausgerechnet in der Nähe des Postraubtatorts entsorgt, wo man sie ohnehin suchen würde, oder dass jemand nach dem Postraub die Waffe in den See geworfen hat und Palme 3 Jahre später von jemand ganz anderem mit einer sehr ähnlichen Pistole und dem selben Kugeltyp umgebracht wurde? Ich bin zwar kein Ballistiker und vielleicht kann man die zweite Variante sicher ausschliessen – aber mal ehrlich: sonderlich logisch klingt die erste Variante nicht. Aber was ist am Palme-Mord schon logisch?
Zu grossen Diskussionen führt ein Vorschlag der Göteborger Reichstagsabgeordneten, man solle doch Frauenparkplätze einführen. Zu obigem verlinkten Artikel sind fast nur negative Stimmen zu hören (wenn man mal von meinem Eintrag absieht). So wie ich die Schweden kenne, würde man das natürlich hochoffiziell einführen und Nichtbeachtung mit mindestens 200 € Strafe belegen. Die Idee, dass man die Leute einfach darauf hinweisen kann, dass es Menschen gibt, die ein erhöhtes Sicherheitsrisiko oder andere Unannehmlichkeiten in einem Parkhaus hinnehmen müssen und man ihnen daher auf gewissen Parkplätzen den Vortritt lässt, scheint wohl eher befremdlich zu sein. Naja, man muss allerdings auch anmerken, dass in Deutschland auch jedes noch so unsinnige Schild kaum angezweifelt und meist auch befolgt wird – man hatte bei uns also leichtes Spiel.
Interessiert übrigens auch, dass unser Bundespräsident angeblich gelegentlich handgreiflich wird: Danke, Stern, für diese unpassende und irritierende Überschrift.
Die Organisation Economist Intelligence Unit hat eine interessante Studie zusammengestellt. Beurteilt wurden 167 Länder danach, wie demokratisch sie sind. Die Skala ging dabei von 1 bis 10. Insgesamt gab es 60 Indikatoren.
In den deutschen Medien hat diese interessante Beurteilung offenbar noch keinen Niederschlag gefunden. Daher hier einige Infos daraus. Eingeteilt wurden die Länder in vier Kategorien:
full democracies (vollwertige Demokratien, 28 Länder)
flawed democracies (Demokratien mit Defiziten)
hybrid regimes (Mischregimes)
authoritarian regime (Autoritäre Regimes)
Hier einige Rankingplätze:
Platz 1: Schweden (darüber kam ich jetzt auch darauf) räumt mit 9,88 voll ab und liegt damit auch noch knapp vor den anderen skandinavischen Ländern
Platz 2: Island
Platz 3: Die Niederlande
Platz 4: Norwegen
Platz 5: Dänemark
Platz 17: USA – damit auch noch eine vollwertige Demokratie
Platz 18: Tschechien
Platz 22: Griechenland
Platz 23: Grossbritannien – interessant, dass die Briten gegenüber den Amerikanern schlechter abschneiden, obwohl ihr Parteiensystem deutlich mehr diversifiziert ist. Anscheinend spielte die Parteienstruktur keine allzu grosse Rolle
Platz 27: Slowenien
Platz 34: Italien – und damit eine Demokratie mit Defiziten. Das Land wurde kürzlich auch von The Economist als „der kranke Mann Europas bezeichnet“.
Platz 38: Ungarn – mit einem Score von 7,53 auch nur eine Demokratie mit Defiziten
Platz 110: Armenien mit einer Score von 4,33 – den gleichen Wert haben auch Usbekistan, Kenia und Singapur. Es gilt damit als Mischregime. In der Gruppe der Mischregime landeten übrigens auch Russland (wenig überraschend), Georgien (schon etwas mehr überraschend) und die Türkei (sehr überraschend). Vor allem letzteres lässt ein bisschen Zweifel an der Beurteilung der Situation. Die Türkei ist eine klare Demokratie, wenn auch mit erheblichen Defiziten.
Platz 129: Aserbaidschan – damit schon klar im Bereich autoritärer Regimes
Platz 167: die rote Laterne kriegt Nordkorea – ich beschäftige mich ja seit einiger Zeit mit dem Land und habe ja auch schon darüber geschrieben. Ich bin sicher, dass die Pyongyang Chronicles die ganze Analyse als von den „Faschisten“ in den USA gefälscht abtun würden. Die berichten nämlich heute über die Wahlen am 1. Dezember und dass Nordkorea ja die einzige wirkliche Demokratie sei. Ob die die Studie gelesen haben?
Deutschland konnte ich leider nicht finden.
Es ist gerade kurz nach 13 Uhr und die Abendsonne scheint herein – ja, die Abendsonne. Eine schnelle Messung ergab, dass der Schatten meines 22 cm-Lineals ungefähr einen Meter lang ist. Dies ergibt einen Sonnenstand von ca. 13 Grad – und viel höher steigt sie im Moment auch nicht mehr.
Zu guter Letzt eine Erklärung des Bildes oben – es ist einfach eine Demonstration davon, wie unsere deutsche Sprache auf andere Sprachen wirkt. Im Englischen finden sich so schöne Worte wie „Angst“ und „Blitzkrieg“. Die Schweden haben den „Besserwisser“ übernommen. Es handelt sich übrigens um eine Anzeige eines Kreditgebers für Wohnungskäufer usw.