Ich habe soeben meine Bürgerpflicht erledigt und war wählen. Es war ausgesprochen viel los – ich dürfte 5 Minuten anstehen, und das wohlgemerkt im Bezirk mit der niedrigsten Wahlbeteiligung. Meine bessere Hälfte werde ich mit etwas Süßem bestechen, damit sie später auch noch ins nahegelegene Wahllokal geht.
Nun gilt es nur noch abzuwarten. Eine traditionelle Beschäftigung am Wahlabend ist die sogenannte „Valvaka“, übersetzt „Wahlwache“. In Deutschland würde man es bei den Parteien wohl Wahlparty nennen, was natürlich eine sehr beschönigende Bezeichnung sein kann. In Schweden ist die Wahlbeobachtung am Abend etwas umfänglicher – zumindest wurde ich zweimal von Freunden darauf angesprochen, ob wir nicht zusammen Wahl eine Valvaka machen sollen.
Leider geht dies aus zeitlichen Gründen, und ich werde heute abend keine großartige Live-Berichterstattung machen können. Meine Valvaka findet hinter dem Steuer eines Busses statt, wo ich bestenfalls twittern kann. Daher verweise ich die geneigten Leser gerne an Thomas, der heute abend an allen aktuellen Ereignissen dranbleiben wird.
Der Wahlkampf geht zu Ende. Im Gegensatz zum letzten Mal habe ich mich nicht aktiv eingeklinkt, wenn man einmal von meinen Berichten hier absieht.
Der Grund ist simpel: ich bin froh, das nationale Wahlrecht nicht zu haben, denn hätte ich es, wäre ich mir nicht sicher, was ich wählen soll. Meine Sympathien sind klar verteilt, aber so einfach ist es nicht. Es geht um Inhalte. Auch wenn die Opposition den kommenden Sonntag fast zur Schicksalswahl stilisiert: sie ist es nicht. Schweden hat in den letzten Jahren allerlei Bereiche privatisiert. Das stört manche, aber für das Funktionieren des Gemeinwesens muss der Staat weder einen Wodkahersteller, noch eine Apothekenkette oder das schwedische TÜV-Pendant in seinem Besitz haben. Man hat einige (unnötige) Geschenke an Reiche gemacht wie die Steuerreduzierung für Haushaltsdienste und die Steuerdeckelung auf Häuser. Und einige von allgemeinem Nutzen, die aber auch nicht zwingend nötig gewesen wären: ein Steuernachlass für Handwerkerarbeiten (zur Wirtschaftsankurbelung) und eine allgemeine Lohnsteuersenkung.
Gerade hier schaue ich skeptisch in beide Richtungen. Ein Pfeiler der Überlegenheit des schwedischen Steuersystems ist für mich dessen Einfachheit. Gerade diese untergräbt man aber weiter durch Gewährung von weiteren Steuerausnahmen für entsprechende Gruppen, wie sie beide Seiten in verschiedenen Varianten vorhaben. Solche Detailregelungen für irgendwelche Partikularinteressen haben das deutsche System zu dem unüberschaubaren Monstrum gemacht, das es heute ist. Nicht gut.
In anderen Bereichen ist der Fall klarer. So gefällt mir der Ansatz der Regierung, Schülern beim Abi etwas mehr abzuverlangen als nur höheres Grundschulniveau, ausgesprochen gut. In Verkehrs- und Umweltpolitik traue ich hingegen der Opposition mehr zu.
Alles in allem hat die Regierung ziemlich genau das gemacht, was sie vorher angekündigt hatte. Schweden hat es überlebt, und gar nicht mal schlecht. Egal welche Seite gewinnt: Schweden wird daran nicht zugrunde gehen.
Das haben auch die meisten Wähler verstanden. Für einen Regierungswechsel und eine echte Wechselstimmung braucht es im Grunde drei Dinge: zum Ersten eine unbeliebte Regierung, zum Zweiten eine attraktive Oppositionstruppe und zum Dritten richtungsweisende Themen. Alles drei ist nicht vorhanden, und so wundert es nicht, dass die Regierung in den Umfragen vorne liegt. Und ich mache keinen Hehl daraus: damit habe ich nicht das geringste Problem. Womit ich aber ein Problem hätte, wäre ein Einzug der rechtspopulistischen Schwedendemokraten und – noch schlimmer – ein Patt zwischen den Blöcken. In dem Fall könnte keine stabile Regierung gebildet werden. Eine sichere Mehrheit ist mir in jedem Fall zehnmal lieber als dieses Szenario.
In der regionalen und lokalen Wahl habe ich Wahlrecht und glücklicherweise weniger Bedenken. Dass ich mit Börge Hellström gerne einen Vertreter meines Wohnbezirks in den Gemeinderat schicken würde, habe ich hier schon kundgetan.
Aber auch regional werde ich Sozialdemokraten wählen. Warum? Weil mir die Nahverkehrsprojekte der Sozialdemokraten mehr zusagen als die der bürgerlichen Regierung – nicht viel, aber ein bisschen. Zudem ist mit einem Sieg der linken Parteien ohnehin nicht zu rechnen – es gilt also, sie zumindest stark zu machen. Die entscheidende Frage des regionalen Verkehrs, die Umgehungsstraße um Stockholm, wollen die linken Parteien zwar fahrlässigerweise einem Bürgerentscheid stellen, aber da dies eigentlich nicht in der regionalen Zuständigkeit liegt, wird das Projekt eher bei einem nationalen Regierungswechsel gestoppt werden als bei einem regionalen.
Blickt man auf die Personen, dann ist der Fall relativ klar. Mona Sahlin hat allem Anschein nach nicht einmal in der eigenen Partei viel Rückhalt, und das ist ein erheblicher Grund dafür, dass ihr rot-grünes Bündnis nicht so recht in Fahrt kommt. Gut möglich, dass ihre Karriere nächste Woche schon beendet ist.
Spannung verspricht der Sonntagabend trotzdem – um 20 Uhr werden die Wahllokale geschlossen, und bei eventuell knappen Verhältnissen kann es lange dauern, bis man mehr weiß.
Im Spiegel findet man diesen Artikel von Anna Reimann. Wieso man immer vom „liberalen“ Schweden spricht, ist mir ein Rätsel. Die Niederlande sind für meine Begriffe ein liberales Land. In Schweden konnte man bis vor einiger Zeit noch nicht einmal frei wählen, welchen Arzt man besucht. Sicherlich gibt es liberale Politikbereiche, z.B. die Einführung der Homo-Ehe, aber Schweden als Musterbeispiel von Liberalität zu sehen fällt mir schwer. Ein Fehler ist mir jedenfalls aufgefallen: die Angabe, dass die Sozialdemokraten zum ersten Mal seit 1917 nicht stärkste Partei werden, stimmt nicht so ganz. 1917 war das erste Mal, dass sie stärkste Partei wurden.
Am Ende der Schau kommt das Ende der Plakate. Die Vandalen haben es über die Jahre nicht einfach – seit ihr Reich vor rund 1500 Jahren den Bach hinunterging, kreidet man ihnen allerlei Beschädigungen im öfentlichen Raum an.
In diesem Fall hier kann man die Schuldigen aber erahnen.
Die Hitlerbärte finden sich in der ganzen Stadt. Da muss jemand also viel Zeit aufgewendet haben. Außerdem wurden ausschließlich Plakate der bürgerlichen Koalition beschädigt.
Solche Aufkleber finden sich auch vielerorts, und nicht wenige davon nennen auch Namen: Die Ungsocialisterna, also die Jugendorganisation „Jungsozialisten“, die aber in Schweden nicht etwa den Sozialdemokraten oder der Linkspartei zuzuordnen sind, sondern der weitaus linkeren und radikaleren Splittergruppe „Sozialistische Partei“, ihres Zeichens Mitglied der Vierten Internationale und trotzkistisch ausgerichtet.
Nun muss das eine mit dem anderen nichts zu tun haben – aber angesichts der Auswahl der beschädigten Plakate ist klar, was die Intention war. Hitlerbärte anzumalen zeugt in jedem Fall von wenig Demokratieverständnis. Es ist einfach nur Idiotie, anzunehmen, man könne damit auch nur eine einzige Stimme gewinnen. Mittlerweile wurden auch zahlreiche Plakate erneuert.
Es gibt aber auch ein bisschen intelligenteren Vadndalismus, z.B. den hier.
Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn ich im Endspurt des Wahlkampfs bei meiner Rundschau über die Wahlplakate nicht auch noch bei der Hauptregierungspartei vorbeischauen würden: die Moderaterna.
Wer es nicht ahnen kann: das heißt „die Moderaten“. Moderat waren sie nicht immer, denn früher hieß Högerpartiet, also Rechtspartei (im Sinne der Richtung rechts). Nachdem sie anscheinend nachhaltig gescheitert sind, Schweden das Konservative schmackhaft zu machen, haben sie den Spieß umgedreht. Stattdessen stellen sie sich jetzt allen Ernstes als „Arbeiterpartei“ dar.
Wie beispielsweise auf diesem Plakat hier. Schweden hat keine sonderlich hohe Arbeitslosigkeit (wenn man mal von der Jugend absieht), aber irgendwie ist das zum Wahlkampfthema geworden. Die Masche mit der Arbeiterpartei wurde freilich schon vor vier Jahren in ähnlicher Form aufgefahren. Man fühlt sich an Jürgen Rüttgers erinnert.
Das Ziel ist nämlich das gleiche: den Sozialdemokraten, die die Arbeiterpartei sogar noch im Namen tragen, das Recht abzusprechen, diese Gruppe zu vertreten. Soziologisch ist das bestimmt interessant, denn den Arbeitern fühlen sich bestimmt viele „einfache Leute“ nahe, obwohl Schweden mittlerweile längste eine Nation von Dienstleistern geworden ist, wo der klassische Arbeiter bestimmt nicht mehr so oft vorkommt. Insofern ist das auch albern.
Genau das trifft auch ein bisschen auf diesen Teil der Kampagne zu. Parteizugehörigkeiten werden in Schweden mit Kürzeln in Klammern bezeichnet. (S) für Sozialdemokraten, (M) für die Moderaterna. So ist die Symbolik klar, jedoch gibt es einen Knackpunkt: hier soll der Eindruck erweckt werden, es sei ein Stockholmer Thema. Ist es aber nicht – die Umgehungsstraße (Förbifart) um Stockholm liegt in der Zuständigkeit des Reichstags. Das ist die Gefahr bei so einer großen Wahl: was eigentlich in welche Schublade gehört, ist eigentlich egal, denn es entscheidet sich sowieso an einem Tag, und dass jemand verschiedene Parteien an einem Tag wählt, ist eher unwahrscheinlich.
Die blaue Gestaltung der Plakate weiter oben ist übrigens auch das Hauptmotiv. Diese gibt es in tausenden Varianten mit der jeweils lokal relevanten Version.
Dieses hier ist z.B. für die Innenstadt. Bei uns hier draußen versprechen sie die Unterstützung der wunderbaren Wirtschaft.
Aber auch Gesichter gibt es zu sehen. Obiges Plakat dürfte das häufigste sein: Ministerpräsident Reinfeldt locker und leger. Bei dem Slogan stellt sich natürlich die Frage, wieso es in den letzten vier Jahren nicht gelungen ist, Schweden zu einem Erfolgsland zu machen.
Vielmehr frage ich mich, ob es System hat, dass viele der Fotos auf den Plakaten so aussehen wie ein Familienfoto: so, jetzt stell dich mal dahin. Das wirkt alles sehr improvisiert. Auf mich machen da die stilvollen sozialdemokratischen Plakate in Schwarz-Weiß mehr Eindruck. Diese sind größtenteils im Studio entstanden, und das sieht man auch. Neuerdings haben sie sogar Farbe – um Mona Sahlin herum stehen Jugendliche mit Boxhandschuhen in rot und weiß. Sehr seltsam, wenn man mich fragt.
Fazit? Schwer zu sagen – die moderate Kampagne versucht, Inhalte auf sehr, nun ja, plakative Weise zu verkaufen. Im Gegensatz zu manchen ihrer kleineren Koalitionsparteien haben sie sich hingegen für Inhalt entschieden. Im Stil können sie aber nicht voll überzeugen.
Und der Preis für die dämlichste Kampagne geht an: die Christdemokraten.
Diese plakatieren, wie oben zu sehen, für ein „menschlicheres Schweden“, und der Vorsitzende konfrontiert, wie ebenso zu sehen, unerschrocken, wilde Tiere. Hinzu kommt, wie im folgenden zu sehen, eine Lehre darüber, welche Arten man in Schweden zu vorfindet:
Drei der vier genannten Arten beschreiben rücksichtslose Egoisten, die vierte hingegen wohl einen, den die Christdemokraten als den wahren Menschen sehen. Diese einzig wahren Menschen sind anzunehmenderweise sie, bzw. kennen sie sich nach eigenem Bekunden am besten mit ihnen aus.
Nun denn, was will uns der Anzeigenmacher sagen? Vielleicht das: in Schweden gibt es massig wilde Tiere und egoistische Menschen, aber wir sind gegen sie. Oder so ähnlich. Die Kampagne ist einfach ein inhaltsfreier Käse. Neuerdings plakatieren sie, dass man auf der Homepage der Christdemokraten 13 Schritte zu einem menschlicheren Schweden finden könne. Verkürzt findet man sie wiederum auf anderen Plakaten. Einer ist: „Selbstgespartes ist auch Wohlfahrt“ – die Menschlichkeit besteht also darin, dass man sich am besten selbst um alles kümmert?
Die Plakate lassen einen nicht desinformiert, sondern einfach uninformiert und verwirrt zurück.
Lediglich der Kernbotschaft, ein menschlicheres Schweden schaffen zu wollen, kann man entnehmen, dass es hier darum geht, klassisch linke Themen zu besetzen. Also: die Linken behaupten, sie wären für ein sozialeres Schweden, aber das können wir in Wirklichkeit viel besser, schon weil sich unser Vorsitzender todesmutig einem wilden Tier entgegenstellen würde, auch wenn es nicht nur eine Fotomontage wäre.
Blicken wir mal zu anderen kleinen Parteien.
Das Zentrum fischt auch, aber bei den Grünen. Wie hier im Plakat zu sehen, versuchen sie sich als die grünen Konservativen darzustellen – was sie in gewisser Hinsicht auch sind. Dass sie das so hervorheben, soll wohl Grüne-Sympathisanten abwerben, die keine Lust auf Regierungswechsel haben. Wenigstens kann man den Plakaten attestieren, die Macher möchten so etwas wie Inhalt transportieren.
Schauen wir kurz einmal zum Original:
Meiner Ansicht nach eine der besten Kampagnen: die Grünen werben wenig mit Personen, dafür recht viel mit Inhalten. Zentrale Inhalte sind Offenheit für Einwanderer, Ausbau regenerativer Energien und des Bahnnetzes. Die latente Europafeindlichkeit der Partei sowie andere wichtige Dinge scheinen aber zu fehlen.
Ein Schwenk zu den kleinen Kollegen in der Opposition:
Irgendwie langweilig und farblos ist für mich die Kampagne der Linkspartei. Auf manchen Plakaten ist Spitzenkandidat Lars Ohly zu sehen – der Rest wird dominiert von Bauklötzchen und Händen. Für mich irgendwie keine Hingucker, und so regt es mich auch kaum an, den Rest auf den Plakaten zu lesen. Wenn man es doch tut, erwarten einen die bei der Linkspartei zu erwartenden Inhalte – alles soll sozialer sein. Von mir aus, aber das wollen im Grunde ja alle (sagen sie zumindest). So bleibt nur eine konkrete Aussage in obigem Plakat: private Pflegedienste sollen keine Gewinne machen dürfen. Soweit werden aber vermutlich nicht viele lesen.
Es gibt da noch eine linke Partei, die sich einst abspaltete, um sich der Gleichstellung von Mann und Frau zu widmen. Die Feministische Initiative (FI) unter Führung von Gudrun Schyman, einst Vorsitzende der Linkspartei. Ich kann auch nach Jahren nicht umhin, diese Partei mit einiger Verwunderung zu betrachten. Immerhin haben sämtliche im Reichstag vertretenen Oppositionsparteien geradezu einen Gleichstellungsfimmel, Schweden ist in dem Bereich ohnehin führend, und ausgerechnet die bürgerliche Koalition hat die Homo-Ehe eingeführt.
Weniger verwunderlich ist, dass die Partei kaum Wähler anzieht. Ihre Medienpräsenz gründet sich auf dem einigermaßen prominenten Spitzenpersonal und offenkundig großzügigen Geldgebern. Plakate haben sie nämlich:
Die Themen sind klar: Männer sollten öfter zuhause bleiben in der Elternzeit, Einwanderer und Frauen sollen bessere Jobchancen bekommen und Frauen im Lohn gleichgestellt werden. Wie man das hinbekommt, steht da zwar nicht, aber das müssen Plakate auch nicht zwingend bieten. Nur ist es wohl so, dass diese Themen dem Wähler nicht auf den Nägeln brennen, weswegen FI praktisch chancenlos in diese Wahl geht.
Ähnlich ist es übrigens bei der Piratenpartei. Diese hat nur ein Thema, und das ist eines, das die Wähler nur bedingt interessiert. Dieser Beitrag von Alexander Budde im Deutschlandfunk trifft es. Ein Plakat von ihnen habe ich bislang von ihnen gesehen, was natürlich nicht gerade zu einer üppigen Präsenz beiträgt. Daher auch kein Foto davon.
Leider hat ausgerechnet eine Partei die besten Chancen, erstmalig in den Reichstag einzuziehen, die ich am wenigsten drin haben wollte: die rechtspopulistischen/-extremen Schwedendemokraten. Ich habe bislang kein Plakat von ihnen gesehen, was mich nicht im geringsten betrübt. Vermutlich haben sie dafür alles südlich von Småland von oben bis unten vollgeklebt. Ich hoffe, die Stimmung dreht sich noch, damit sie an der 4%-Hürde scheitern.
Noch 12 Tage bis zur Wahl. Mal sieht es so aus, als laufe alles auf einen Patt hinaus. Mal führt die Regierung leicht.
Die Opposition muss also etwas tun, insbesondere die Sozialdemokraten, die nicht einmal sicher sein können, dass sie stärkste Partei werden – das wäre alles in allem das schlechteste Ergebnis seit 1914.
Also wird kräftig geworben, u.a. mit obigem Plakat. Alles nicht gerade originell, aber immerhin wird versucht, so etwas wie Inhalt zu verkaufen. Der Wähler wird hiervon aber kaum etwas mitnehmen können.
Viel präsenter sind aber Plakate wie dieses, die mit dem Slogan „Jag kan inte vänta“ bzw. „Vi kan inte vänta“ („Ich kann nicht warten“ bzw. „Wir können nicht warten“) versehen sind und Bezug darauf nehmen, was nach Ansicht der Sozialdemokraten dringend getan werden müsste.
Ich bin mittlerweile recht sicher: Börge werde ich wählen – dies aber aus teilweise egoistischen Gründen. Ich wohne im sozial schwächsten Viertel von Värmdö, das 2006 nicht ganz zufällig die niedrigste Wahlbeteiligung der Kommune hatte. Lediglich 73% gingen hier vor vier Jahren zur Wahl, während der Gemeindedurchschnitt bei 85% lag. Gerade deswegen ist das Risiko, dass niemand aus unserer Ecke gewählt wird, höher, obwohl gerade hier etwas passieren sollte.
Hellström ist eine Person mit interessanter Biographie. Nach einer Kindheit mit sexuellem Missbrauch und einer gewalttätigen Jugend mit Drogen ist er heute Schriftsteller. Nicht gerade ein typischer Kandidat – sein Programm wirkt auch etwas hemdsärmelig. Aber: er sagt, dass er seit 14 Jahren in unserem Viertel wohnt und etwas ändern möchte. Dazu gehört unter anderem eine Verbesserung der Sicherheit und etwas Druck auf die kommunale Wohnungsgesellschaft, die ihren Job nicht sonderlich gut macht. Genau diese Themen betreffen auch mich. Am 19. August habe ich mich mit zwei Anliegen an meinen Vermieter gewandt. Auf Antwort warte ich bis heute.
Börge ist auf Listenplatz 19, die Sozialdemokraten haben derzeit aber nur 17 Sitze. Daran wird sich vermutlich auch nicht viel ändern in der nächsten Wahl, weswegen Hellström zwangsläufig sein Heil in einer Direktwahl suchen muss.
Daher werde ich ihm wohl meine Stimme geben. Wenn er es nicht schafft, dann erhalten immerhin die Sozialdemokraten in Värmdö eine Stimme. Die können sie gut gebrauchen, denn die bürgerlichen Parteien haben eine ziemlich solide Mehrheit.
Wie sieht es aber jenseits meiner kleinen Gemeinde aus?
Die Parallelen sind klar erkennbar – nur dass in den meisten Plakaten wie hier mehrere Menschen zu sehen sind. Meist sind es Kandidaten, hier jedoch anscheinend junge Unterstützer Sahlins. Auffällig ist, dass die Spitzenkandidatin nie alleine zu sehen ist. Das kann man als Bekenntnis zum Teamgeist interpretieren, aber ich sehe Parallelen zu 2006. Damals plakatierte man erst überhaupt keine Menschen. Dann zum Ende der Kampagne hin rückte man doch mit Plakaten heraus, die den damaligen Statsminister (Premierminister) Göran Persson zeigten. Auch der war nie alleine auf einem Plakat, und das war ziemlich eindeutig dem Umstand geschuldet, dass er als ausgesprochen unbeliebt galt.
Die Plakate sollten damals wohl sagen: seht, wir haben auch andere patente Leute. Was sie dieses Mal sagen soll, ist nicht so klar, aber angesichts der eher bescheidenen Umfragewerte Sahlins ist zu vermuten, dass ihr Konterfei alleine wohl eher als kontraproduktiv gilt.
Auch eine echte Wechselstimmung zu vernehmen fällt schwer. Etwas nachhelfen will hier der Gewerkschaftsbund LO, der früher sogar organisatorisch mit den Sozialdemokraten verbunden war und bis heute wenig überraschend die Partei unterstützt. Er tritt daher mit folgender Kampagne in Erscheinung.
Zunächst waren Bilder plakatiert mit auf den Kopf stehenden Regierungspolitikern, verbunden mit stark vereinfachten Aussagen über deren (nach LO-Sicht) falschen Politik und wenig schmeichelhaften Adjektiven.
Dann erschien diese Serie mit dem genau umgekehrten für die Oppositionspolitik.
Über Geschmack und Wirkung dieser Kampagne lässt sich streiten.
Obige Anzeige wurde beim Kopieren ihres Texts beraubt. Das macht aber nichts, denn man hätte ihn sowieso kaum lesen können. Interessant ist vielmehr, dass dies vermutlich die aktualisierte Fassung des Motivs ist. In der Dagens Nyheter wurde nämlich kürzlich kritisiert, dass sich die vier Oppositionsführer – das sind die grafisch stark nachbearbeiteten und seltsam in der Gegend herumschauenden Menschen auf dem Bild (v.l.n.r. Lars Ohly von den Linken, Mona Sahlin von den Sozialdemokraten sowie Peter Eriksson und Maria Wetterstrand von den Grünen) – mit einem X2000, dem schwedischen Pendant des ICE, haben abbilden lassen, um für eine Zukunft mit Hochgeschwindigkeitszügen zu werben. Dumm nur, dass der X2000 schon sei 1990 im Verkehr ist und daher ungefähr so futuristisch daher kommt wie ein Opel Astra der ersten Generation. Nebenbei wurde die Produktion des X2000 schon 1998 eingestellt.
Mit Auslaufmodellen Zukunftswerbung machen geht natürlich nicht, und so sieht man nun in der Anzeige einen Zug, der vor lauter Zukunftsbegeisterung sofort losfahren möchte, und zwar mit mindestens 350 km/h.
Damit das aber auch jeder kapiert, hat man sicherheitshalber noch „High Speed“ in roten Buchstaben auf den Zug geschrieben. Damit sind natürlich jede Zweifel an der Zukunftsträchtigkeit und Geschwindigkeit ausgeräumt.
Aber auch die Opposition Regierung leistet sich Pannen. So hat sie dieses Plakat in Rinkeby aufgehängt, in dem das Ziel dargelegt wird, dass sich Schwedens beste Schule in Danderyd befinden soll. Was der verlinkte Beitrag andeutet, wenn auch nicht ausspricht: das Plakat hängt nicht im Stadtteil Rinkeby des piekfeinen und mit einem exorbitant hohen Einkommensniveau gesegneten Danderyd, sondern im gleichnamigen und weitaus bekannteren Stadtteil Stockholms. Dieser ist jedoch ein sozialer Brennpunkt und relativ arm.
Sollte das stimmen, wäre das natürlich ein peinlicher Fehler, wenn man den ganzen Migranten per Plakat verkündet, dass die beste Schule dort sein soll, wo sie vermutlich nie hinkommen werden. Viel zu verlieren haben die Moderaterna aber nicht: sie blieben 2006 klar unter 10%.
Die heiße Wahlkampfzeit bricht an, und ein untrügliches Zeichen hierfür ist das Sprießen der Plakate allerorten. Ab heute darf sogar schon gewählt werden, was die Wahl bequemer machen soll, aber mangels Briefwahlmöglichkeit auch den Zugang zur Urne sichern soll. Gezählt wird freilich erst am 19. September.
Bis dahin wird munter versprochen und vorgeschlagen. Besagte Plakate sind ein Ausdruck davon. Man unterstellt ihnen gerne (und zurecht), sie würden nur hohle Allgemeinplätze verbreiten. Dennoch habe ich einige fotografiert und werde sie hier zeigen, denn ich wage die These, dass sie trotzdem etwas über die Macher und deren Motive aussagen.
Dieses verunglückte Foto zeigt zwei U-Bahn-Plakate, die als Vorzeigeminister Jan Björklund (Bildung) und Nyamko Sabuni (Integration) zeigen. Er sagt „Die Zukunft beginnt im Klassenzimmer“, sie sagt „Die schwedische Sprache. Der Schlüssel zur Integration“. Das sind natürlich Sprüche, die man sich auch auf einen Topflappen häkeln könnte. Dass man ausgerechnet die beiden so prominent platziert, hat aber einen anderen Grund: sie sind prominent. Viele Minister hat die Partei nämlich nicht, und insbesondere Björklund als Parteichef zu präsentieren hat Bedeutung. Schließlich läuft gerade eine große Schulreform, und er hat sich als Advokat von härteren Anforderungen an die Schüler hervorgetan – was mir nebenbei bemerkt als erstrebenswert erscheint.
Auch sonst könnte man den Eindruck haben, die Folkparti fahre vor allem einen Personality-Wahlkampf:
Das ist aber nicht der Fall. Von den 20 Wahlplakaten zeigen nur 7 einen Politiker, darunter 3 Björklund.
Dieses Plakat gehört dabei aber noch zu den konkreteren. Die meisten gehen aber in die Richtung „mehr Jobs, mehr Firmen, mehr mehr – und Zukunft ist gut für uns alle“.
Zwei Dinge stechen aber aus meiner Sicht besonders hervor.
Zum Einen ist es Marit Paulsen, die sich mutig hinstellt und sagt
Dass eine Partei mit einem Bekenntnis zur Atomkraft Werbung macht, ist beachtlich. Woanders wäre das politischer Selbstmord, aber angesichts dessen, dass die Kernkraft mittlerweile wieder von einer Mehrheit der Schweden befürwortet wird und das liberale Wählerpotenzial, in dem Partei fischt, eher wenig grün ist, kann das vielleicht Stimmen ziehen. Man kann es vermutlich auch als Positionierung gegenüber den Moderaterna sehen, denn die Christdemokraten und das Zentrum dürften zu den eher kernkraftskeptischen Teilen der Regierung gerechnet werden.
Die andere auffällige Sache ist ein klares Bekenntnis zum Euro. Nichts neues, denn die Partei war schon immer eher eurofreundlich – aber er ist kein heißes Wahlkampfthema, und derzeit (noch) kein Thema, mit dem man viel gewinnen könnte.
Ich darf den Reichstag nicht mitwählen. Eine aktive Teilhabe an dieser Gesellschaft beinhaltet für mich aber trotzdem, mich mit den Parteien und ihren Zielen auseinanderzusetzen. Zudem darf ich schließlich in Kommune und Län mitentscheiden.
Es wird also Zeit, sich die Themen dieser Wahl anzuschauen und Position zu beziehen. Die Allzweckkeule hierfür ist natürlich der Wahl-O-Mat. Den gibt es in Schweden nicht zentral von einer Stelle, sondern von verschiedenen Anbietern. Was dazu anregt, alle einmal durchzumachen und zu vergleichen.
Der Test von Dagens Nyheter ist recht schlicht. Man hat zu jeder der 28 Thesen zwei ablehnende und zwei zustimmende Optionen. Außerdem kann man wählen, dass man keine Ansicht hierzu hat.
Hier bin ich also Sozialdemokrat, was mich fast etwas überrascht. Vor einiger Zeit habe ich diesen Test schonmal gemacht, und da stand ich bei der Linkspartei hoch im Kurs.
Er versucht viel mehr ins Detail zu gehen und erlaubt genauere Analysen. Bei jeder der 30 Thesen gibt es zwei zustimmende, zwei ablehnende und eine neutrale Stufe sowie die Möglichkeit, sich nicht zu äußern. Zum Schluss soll man die Parteichefs auf Skalen von 0 bis 10 bewerten – diese Erhebung wird aber getrennt ausgewertet.
Das Ergebnis wird, wie oben dargestellt, auf zwei Achsen gezeigt, so dass man die eigene politische Heimat etwas genauer verorten können sollte.
Wie man sieht, habe ich eine solche nicht. Für die Linken bin ich zu unsozial, für die Rechten zu progressiv. Aber auch hier stehe ich den Sozialdemokraten relativ nahe, wenn man einmal von den Piraten absieht.
Zusätzlich zu dieser Grafik kann man nach Themengebieten getrennt analysieren, welchen Parteien man am nähesten steht. Sogar weitere biographische Angaben kann man machen – darauf habe ich dann aber verzichtet.
Auch das unabhängige Politikportal makthavare.se hat wieder einen Test, der gleich prominent auf der Startseite platziert ist. Hier gibt es 26 Thesen, denen man entweder in zwei Stufen zustimmen kann oder sie genauso abgestuft ablehnen kann. Dazwischen gibt es die Option „Weiß nicht“. Nach jedem Thesenklick kann man angeben, wie wichtig einem dieses Thema ist. Auch hier 5 Optionen: zwei Stufen für wichtig, zwei für unwichtig und eine „Weiß nicht“.
Am Ende steht ein Prozentsatz. Laut dem stehe ich also den Grünen nahe, aber auch den Sozialdemokraten und der Feministischen Initiative. Letztere Partei ist für mich immer noch einigermaßen unergründlich. Ursprünglich war das ja eine Abspaltung der Linkspartei. Sie ist notorisch erfolglos, aber erhält nach wie vor nicht unerhebliche mediale Aufmerksamkeit. Weder die ganz linke noch die feministische Ecke ist mein angestammter Platz – trotzdem wurde mir die Partei schon mehrfach bei solchen Tests als zu mir passend ausgespuckt.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich auch nicht lumpen lassen und wartet mit dem Portal Valpejl.se (Wahlpeilung) auf. Neben vielen Details zu allen Kandidaten – u.a. wird aufgelistet, welcher Kandidat am besten verdient – bei dieser Wahl findet sich auch ein Test namens „kompassen“ (Übersetzung nicht notwendig).
Es gibt 50 Thesen zu begutachten. Zu jeder These kann man sagen, ob das ein guter Vorschlag oder ein schlechter Vorschlag ist – mit je 2 Stufen. Weiterhin kann man angeben, dass man nicht antworten möchte. Als Zusatz kann man bestimmte Fragen als Herzensfrage markieren, wenn einem dieses Thema besonders wichtig ist.
Wenn man fertig ist, sieht man ein Resultat wie das obige. Ich finde es betrüblich, dass ich soviel Übereinstimmung mit den Schwedendemokraten habe. Auch hier sind die Sozialdemokraten, Grünen und die Feministinnen gut im Rennen.
Der Clou an diesem Portal ist, dass alle Kandidaten dazu aufgerufen werden, sich auch zu äußern, so dass man individuell die Übereinstimmung überprüfen kann. Hier ist das Bild eindeutig:
So stark entfremdet kann ich also von meiner Partei nicht sein.
Offen gestanden erstaunen mich diese ganzen Ergebnisse ein bisschen – dass ich trotz einiger Abweichungen am Ende doch so einmütig den Sozialdemokraten am nähesten stehe, hätte ich nicht gedacht.
Die Frage bleibt wie bei jedem Wahl-O-Mat, ob das wirklich als Wahlhilfe taugt. Schließlich sollte man sich als Wähler mit den Inhalten auseinandersetzen.
Dementsprechend ist der Ansatz des Aftonbladet-Tests sehr löblich, dass er politische Meinung nicht nur als Prozentzahl ausdrücken will. So kann man immerhin einigermaßen ersehen, in welchen Bereichen man welchen Parteien nahe steht. Er zeigt als einziger, dass ich in vielen Dingen zwischen den Blöcken stehe. Bei den anderen Tests besteht hingegen die Gefahr, dass man blind die größte Übereinstimmung nimmt, obwohl eigentlich mit keiner der Parteien etwas gemein hat – das wäre aber natürlich auch der worst case.
Der Sommer geht langsam zu Ende und der Wahlkampf beginnt.
Bislang nimmt sich das alles noch recht brav aus, was auch nicht verwundert, denn das schwedische Sommerloch ist im Vergleich zum deutschen ein Krater.
Meine Hauszeitung Dagens Nyheter hatte in den letzten Wochen eine Serie über die Maßnahmen der bürgerlichen Regierung, die seit 2006 an der Macht ist. Der Eindruck daraus war, dass die meisten vorher versprochenen Maßnahmen auch durchgeführt wurden. Das wäre auch so meiner gewesen. Man kann dieser Regierung bestimmt einiges vorwerfen, aber man muss ihr lassen, dass sie ziemlich genau das gemacht hat, was vorher versprochen wurde. Und das Ganze – Frau Merkel aufgepasst! – weitgehend geräuschlos mit sage und schreibe vier Parteien in der Koalition.
Einen Skandal hatte der Wahlkampf aber auch schon. Arbeitsmarktsminister Sven Otto Littorin hat hingeworfen – zunächst hieß es, aus persönlichen Gründen, was auch nicht überraschend war, da er sich gerade in einem Sorgerechtsstreit befidnet. Dann kam aber ans Licht, dass ihm vorgeworfen werde, er habe die Dienste einer Prostituierten in Anspruch genommen. Freier machen sich in Schweden aber strafbar. Also war dies der Auslöser, der ihn zum Rückzug bewegte. Premierminister Fredrik Reinfeldt gab zunächst vor, davon nichts gewusst zu haben, musste dann aber einräumen, dass es doch so gewesen sein. Das kostete Vertrauen.
Auf den zweiten Blick war die ganze Affäre aber auch ein Skandal der Zeitung Aftonbladet. Deren Reporter hat mit der besagten Dame ihre Kontaktlisten durchgesehen, wo eine Nummer auftauchte, die zu besagtem Zeitpunkt einmal Littorin gehört haben soll. Das war es dann aber schon. Es gibt keine weiteren Beweise, keine weiteren Ermittlungen. Erst ließ Aftonbladet vermelden, man wisse etwas, aber wolle lieber nicht zuviel sagen, um es dann kurz darauf doch zu tun. Es folgten journalistisch und ethisch fragwürdige Winkelzüge. Die Prostituierte bleibt bislang anonym, und so steht Wort gegen Wort. Littorin gab dann der DN ein (schriftliches) Exklusivinterview, das Aftonbladet wohl gerne gehabt hätte, aber nicht bekam. Das alles sei ein Alptraum. Er sei zu Unrecht angeklagt und könne sich nicht wehren.
Aftonbladet hat vorgeführt, wie man mit zunächst gestreuten Gerüchten gefolgt von unbewiesenen Behauptungen einen Minister vernichten kann, ohne dass hierfür irgendein rechtsstaatliches Organ einen Finger rühren muss. Denn das vermeintliche Verbrechen soll sich vor vier Jahren zugetragen haben und ist mittlerweile verjährt. Zu einem Verfahren ist es daher nur in einer Hinsicht gekommen: die Justizkanzlerin überprüfte Anzeigen gegen Aftonbladet, die von einige Privatpersonen eingereicht worden waren, und lehnte sie ab.
So ist die Angelegenheit eingeschlafen – und das ist auch ganz gut so, denn rechtsstaatlich nicht überprüfbare, auf dünnem Beweismaterial aufgebaute Vorwürfe gegen einen Minister haben mit der Arbeit der Regierung nichts zu tun. Und genau diese soll bei einer Wahl bewertet werden.
Für die Sozialdemokraten ist das eine ernste Lage. In dem obigen Diagramm sind sie mit 30,6% verzeichnet. Die Moderaterna sollen demnach 32,6% erhalten. Andere Umfragen sehen nicht viel anders aus. Wenn das Ergebnis der Wahl wirklich so ausfallen wird, dann verlieren die Sozialdemokraten nicht einfach noch eine Wahl. Der Nimbus der Staatspartei, die Schweden über Jahrzehnte so geprägt hat wie keine andere, wäre dahin. Es wäre das erste Mal seit September 1914, dass eine andere Partei mehr Stimmen erhält als die Sozialdemokraten, und das schwächste Wahlergebnis seit März 1914. Da ist schon fraglich, ob sich Mona Sahlin als Parteichefin wird halten können. Mein Eindruck ist, dass sie als Person nicht allzu großes Vertrauen genießt.
Über die Ursachen vermag ich nur zu spekulieren. Die letzten vier Jahre mit bürgerlicher Regierung taugen anscheinend nicht zur Abschreckung. Das verwundert nicht: Schweden hat die Krise ganz passabel gemeistert, soziale Kahlschläge sind ausgeblieben, und die Privatisierung verschiedener Bereiche wie z.B. dem Apothekenwesen scheint nicht an den Sympathien zu nagen. Ehemalige politische Harakiri-Themen wie die Fortführung der Kernkraft haben auch keine Sprengkraft mehr.
Der linken Seite scheint mir hier ein Konzept zu fehlen, das den Regierungsbonus überwinden kann.
Interessanterweise könnte es trotz allem nicht für eine Mehrheit der bürgerlichen Allianz reichen. Die rechtsradikalen Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten), die sich rechtskonservativ-bieder wie dereinst in Deutschland die Republikaner geben, werden mit einiger Wahrscheinlichkeit die Vier-Prozent-Hürde meistern und dann möglicherweise einen Patt auslösen. Es steht zu befürchten, dass sie dann doch in die Regierungsarbeit eingebunden werden. Eine wenig ansprechende Aussicht.