(K)eine Wahlempfehlung

Der Wahlkampf geht zu Ende. Im Gegensatz zum letzten Mal habe ich mich nicht aktiv eingeklinkt, wenn man einmal von meinen Berichten hier absieht.

Der Grund ist simpel: ich bin froh, das nationale Wahlrecht nicht zu haben, denn hätte ich es, wäre ich mir nicht sicher, was ich wählen soll. Meine Sympathien sind klar verteilt, aber so einfach ist es nicht. Es geht um Inhalte. Auch wenn die Opposition den kommenden Sonntag fast zur Schicksalswahl stilisiert: sie ist es nicht. Schweden hat in den letzten Jahren allerlei Bereiche privatisiert. Das stört manche, aber für das Funktionieren des Gemeinwesens muss der Staat weder einen Wodkahersteller, noch eine Apothekenkette oder das schwedische TÜV-Pendant in seinem Besitz haben. Man hat einige (unnötige) Geschenke an Reiche gemacht wie die Steuerreduzierung für Haushaltsdienste und die Steuerdeckelung auf Häuser. Und einige von allgemeinem Nutzen, die aber auch nicht zwingend nötig gewesen wären: ein Steuernachlass für Handwerkerarbeiten (zur Wirtschaftsankurbelung) und eine allgemeine Lohnsteuersenkung.

Gerade hier schaue ich skeptisch in beide Richtungen. Ein Pfeiler der Überlegenheit des schwedischen Steuersystems ist für mich dessen Einfachheit. Gerade diese untergräbt man aber weiter durch Gewährung von weiteren Steuerausnahmen für entsprechende Gruppen, wie sie beide Seiten in verschiedenen Varianten vorhaben. Solche Detailregelungen für irgendwelche Partikularinteressen haben das deutsche System zu dem unüberschaubaren Monstrum gemacht, das es heute ist. Nicht gut.

In anderen Bereichen ist der Fall klarer. So gefällt mir der Ansatz der Regierung, Schülern beim Abi etwas mehr abzuverlangen als nur höheres Grundschulniveau, ausgesprochen gut. In Verkehrs- und Umweltpolitik traue ich hingegen der Opposition mehr zu.

Alles in allem hat die Regierung ziemlich genau das gemacht, was sie vorher angekündigt hatte. Schweden hat es überlebt, und gar nicht mal schlecht. Egal welche Seite gewinnt: Schweden wird daran nicht zugrunde gehen.

Das haben auch die meisten Wähler verstanden. Für einen Regierungswechsel und eine echte Wechselstimmung braucht es im Grunde drei Dinge: zum Ersten eine unbeliebte Regierung, zum Zweiten eine attraktive Oppositionstruppe und zum Dritten richtungsweisende Themen. Alles drei ist nicht vorhanden, und so wundert es nicht, dass die Regierung in den Umfragen vorne liegt. Und ich mache keinen Hehl daraus: damit habe ich nicht das geringste Problem. Womit ich aber ein Problem hätte, wäre ein Einzug der rechtspopulistischen Schwedendemokraten und – noch schlimmer – ein Patt zwischen den Blöcken. In dem Fall könnte keine stabile Regierung gebildet werden. Eine sichere Mehrheit ist mir in jedem Fall zehnmal lieber als dieses Szenario.

In der regionalen und lokalen Wahl habe ich Wahlrecht und glücklicherweise weniger Bedenken. Dass ich mit Börge Hellström gerne einen Vertreter meines Wohnbezirks in den Gemeinderat schicken würde, habe ich hier schon kundgetan.

Aber auch regional werde ich Sozialdemokraten wählen. Warum? Weil mir die Nahverkehrsprojekte der Sozialdemokraten mehr zusagen als die der bürgerlichen Regierung – nicht viel, aber ein bisschen. Zudem ist mit einem Sieg der linken Parteien ohnehin nicht zu rechnen – es gilt also, sie zumindest stark zu machen. Die entscheidende Frage des regionalen Verkehrs, die Umgehungsstraße um Stockholm, wollen die linken Parteien zwar fahrlässigerweise einem Bürgerentscheid stellen, aber da dies eigentlich nicht in der regionalen Zuständigkeit liegt, wird das Projekt eher bei einem nationalen Regierungswechsel gestoppt werden als bei einem regionalen.

Blickt man auf die Personen, dann ist der Fall relativ klar. Mona Sahlin hat allem Anschein nach nicht einmal in der eigenen Partei viel Rückhalt, und das ist ein erheblicher Grund dafür, dass ihr rot-grünes Bündnis nicht so recht in Fahrt kommt. Gut möglich, dass ihre Karriere nächste Woche schon beendet ist.

Spannung verspricht der Sonntagabend trotzdem – um 20 Uhr werden die Wahllokale geschlossen, und bei eventuell knappen Verhältnissen kann es lange dauern, bis man mehr weiß.

Einen tiefen Einblick und eine gute Analyse findet man hier von Albrecht Breitschuh, dem ARD-Korrespondent in Schweden.

Im Spiegel findet man diesen Artikel von Anna Reimann. Wieso man immer vom „liberalen“ Schweden spricht, ist mir ein Rätsel. Die Niederlande sind für meine Begriffe ein liberales Land. In Schweden konnte man bis vor einiger Zeit noch nicht einmal frei wählen, welchen Arzt man besucht. Sicherlich gibt es liberale Politikbereiche, z.B. die Einführung der Homo-Ehe, aber Schweden als Musterbeispiel von Liberalität zu sehen fällt mir schwer. Ein Fehler ist mir jedenfalls aufgefallen: die Angabe, dass die Sozialdemokraten zum ersten Mal seit 1917 nicht stärkste Partei werden, stimmt nicht so ganz. 1917 war das erste Mal, dass sie stärkste Partei wurden.

Die kleine Plakateschau (6): Die Vandalen kommen (von links)

Am Ende der Schau kommt das Ende der Plakate. Die Vandalen haben es über die Jahre nicht einfach – seit ihr Reich vor rund 1500 Jahren den Bach hinunterging, kreidet man ihnen allerlei Beschädigungen im öfentlichen Raum an.

In diesem Fall hier kann man die Schuldigen aber erahnen.

Nur eine Arbeiterpartei kann Jobs besorgen - Schwedens einzige Arbeiterpartei
Nur eine Arbeiterpartei kann Jobs besorgen - Schwedens einzige Arbeiterpartei

Die Hitlerbärte finden sich in der ganzen Stadt. Da muss jemand also viel Zeit aufgewendet haben. Außerdem wurden ausschließlich Plakate der bürgerlichen Koalition beschädigt.

Stockholms Finanzbürgermeister (und damit eigentlicher Bürgermeister) Sten Nordin

Solche Aufkleber finden sich auch vielerorts, und nicht wenige davon nennen auch Namen: Die Ungsocialisterna, also die Jugendorganisation „Jungsozialisten“, die aber in Schweden nicht etwa den Sozialdemokraten oder der Linkspartei zuzuordnen sind, sondern der weitaus linkeren und radikaleren Splittergruppe „Sozialistische Partei“, ihres Zeichens Mitglied der Vierten Internationale und trotzkistisch ausgerichtet.

Nun muss das eine mit dem anderen nichts zu tun haben – aber angesichts der Auswahl der beschädigten Plakate ist klar, was die Intention war. Hitlerbärte anzumalen zeugt in jedem Fall von wenig Demokratieverständnis. Es ist einfach nur Idiotie, anzunehmen, man könne damit auch nur eine einzige Stimme gewinnen. Mittlerweile wurden auch zahlreiche Plakate erneuert.

Es gibt aber auch ein bisschen intelligenteren Vadndalismus, z.B. den hier.

Kannst du dir einen rot-grünen Wahlsieg leisten? Absolut!

Nur folgende Anweisung sollte man nicht befolgen.

Wähle nicht!
Wähle nicht!

Die kleine Plakateschau (5): Moderaterna

Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn ich im Endspurt des Wahlkampfs bei meiner Rundschau über die Wahlplakate nicht auch noch bei der Hauptregierungspartei vorbeischauen würden: die Moderaterna.
Wer es nicht ahnen kann: das heißt „die Moderaten“. Moderat waren sie nicht immer, denn früher hieß Högerpartiet, also Rechtspartei (im Sinne der Richtung rechts). Nachdem sie anscheinend nachhaltig gescheitert sind, Schweden das Konservative schmackhaft zu machen, haben sie den Spieß umgedreht. Stattdessen stellen sie sich jetzt allen Ernstes als „Arbeiterpartei“ dar.

Nur eine Arbeiterpartei kann Jobs besorgen

Wie beispielsweise auf diesem Plakat hier. Schweden hat keine sonderlich hohe Arbeitslosigkeit (wenn man mal von der Jugend absieht), aber irgendwie ist das zum Wahlkampfthema geworden. Die Masche mit der Arbeiterpartei wurde freilich schon vor vier Jahren in ähnlicher Form aufgefahren. Man fühlt sich an Jürgen Rüttgers erinnert.

Das Ziel ist nämlich das gleiche: den Sozialdemokraten, die die Arbeiterpartei sogar noch im Namen tragen, das Recht abzusprechen, diese Gruppe zu vertreten. Soziologisch ist das bestimmt interessant, denn den Arbeitern fühlen sich bestimmt viele „einfache Leute“ nahe, obwohl Schweden mittlerweile längste eine Nation von Dienstleistern geworden ist, wo der klassische Arbeiter bestimmt nicht mehr so oft vorkommt. Insofern ist das auch albern.

Umgehung Stockholm - Ja/Nein

Genau das trifft auch ein bisschen auf diesen Teil der Kampagne zu. Parteizugehörigkeiten werden in Schweden mit Kürzeln in Klammern bezeichnet. (S) für Sozialdemokraten, (M) für die Moderaterna. So ist die Symbolik klar, jedoch gibt es einen Knackpunkt: hier soll der Eindruck erweckt werden, es sei ein Stockholmer Thema. Ist es aber nicht – die Umgehungsstraße (Förbifart) um Stockholm liegt in der Zuständigkeit des Reichstags. Das ist die Gefahr bei so einer großen Wahl: was eigentlich in welche Schublade gehört, ist eigentlich egal, denn es entscheidet sich sowieso an einem Tag, und dass jemand verschiedene Parteien an einem Tag wählt, ist eher unwahrscheinlich.

Die blaue Gestaltung der Plakate weiter oben ist übrigens auch das Hauptmotiv. Diese gibt es in tausenden Varianten mit der jeweils lokal relevanten Version.

Macht Humlan für Teenager zugänglich und sicher

Dieses hier ist z.B. für die Innenstadt. Bei uns hier draußen versprechen sie die Unterstützung der wunderbaren Wirtschaft.

Gemeinsam machen wir Schweden zu einem Erfolgsland

Aber auch Gesichter gibt es zu sehen. Obiges Plakat dürfte das häufigste sein: Ministerpräsident Reinfeldt locker und leger. Bei dem Slogan stellt sich natürlich die Frage, wieso es in den letzten vier Jahren nicht gelungen ist, Schweden zu einem Erfolgsland zu machen.

Vielmehr frage ich mich, ob es System hat, dass viele der Fotos auf den Plakaten so aussehen wie ein Familienfoto: so, jetzt stell dich mal dahin. Das wirkt alles sehr improvisiert. Auf mich machen da die stilvollen sozialdemokratischen Plakate in Schwarz-Weiß mehr Eindruck. Diese sind größtenteils im Studio entstanden, und das sieht man auch. Neuerdings haben sie sogar Farbe – um Mona Sahlin herum stehen Jugendliche mit Boxhandschuhen in rot und weiß. Sehr seltsam, wenn man mich fragt.

Fazit? Schwer zu sagen – die moderate Kampagne versucht, Inhalte auf sehr, nun ja, plakative Weise zu verkaufen. Im Gegensatz zu manchen ihrer kleineren Koalitionsparteien haben sie sich hingegen für Inhalt entschieden. Im Stil können sie aber nicht voll überzeugen.

Die kleine Plakateschau (4): Kleineres Vieh macht auch Mist

Ein menschlicheres Schweden

Und der Preis für die dämlichste Kampagne geht an: die Christdemokraten.
Diese plakatieren, wie oben zu sehen, für ein „menschlicheres Schweden“, und der Vorsitzende konfrontiert, wie ebenso zu sehen, unerschrocken, wilde Tiere. Hinzu kommt, wie im folgenden zu sehen, eine Lehre darüber, welche Arten man in Schweden zu vorfindet:

Schwedische Arten

Drei der vier genannten Arten beschreiben rücksichtslose Egoisten, die vierte hingegen wohl einen, den die Christdemokraten als den wahren Menschen sehen. Diese einzig wahren Menschen sind anzunehmenderweise sie, bzw. kennen sie sich nach eigenem Bekunden am besten mit ihnen aus.

Nun denn, was will uns der Anzeigenmacher sagen? Vielleicht das: in Schweden gibt es massig wilde Tiere und egoistische Menschen, aber wir sind gegen sie. Oder so ähnlich. Die Kampagne ist einfach ein inhaltsfreier Käse. Neuerdings plakatieren sie, dass man auf der Homepage der Christdemokraten 13 Schritte zu einem menschlicheren Schweden finden könne. Verkürzt findet man sie wiederum auf anderen Plakaten. Einer ist: „Selbstgespartes ist auch Wohlfahrt“ – die Menschlichkeit besteht also darin, dass man sich am besten selbst um alles kümmert?

Die Plakate lassen einen nicht desinformiert, sondern einfach uninformiert und verwirrt zurück.

Lediglich der Kernbotschaft, ein menschlicheres Schweden schaffen zu wollen, kann man entnehmen, dass es hier darum geht, klassisch linke Themen zu besetzen. Also: die Linken behaupten, sie wären für ein sozialeres Schweden, aber das können wir in Wirklichkeit viel besser, schon weil sich unser Vorsitzender todesmutig einem wilden Tier entgegenstellen würde, auch wenn es nicht nur eine Fotomontage wäre.

Blicken wir mal zu anderen kleinen Parteien.

Allianzpartei - Zukunftsausgerichtet - Priorisiert die Umwelt

Das Zentrum fischt auch, aber bei den Grünen. Wie hier im Plakat zu sehen, versuchen sie sich als die grünen Konservativen darzustellen – was sie in gewisser Hinsicht auch sind. Dass sie das so hervorheben, soll wohl Grüne-Sympathisanten abwerben, die keine Lust auf Regierungswechsel haben. Wenigstens kann man den Plakaten attestieren, die Macher möchten so etwas wie Inhalt transportieren.

Schauen wir kurz einmal zum Original:

Modernisiert Schweden!

Meiner Ansicht nach eine der besten Kampagnen: die Grünen werben wenig mit Personen, dafür recht viel mit Inhalten. Zentrale Inhalte sind Offenheit für Einwanderer, Ausbau regenerativer Energien und des Bahnnetzes. Die latente Europafeindlichkeit der Partei sowie andere wichtige Dinge scheinen aber zu fehlen.

Ein Schwenk zu den kleinen Kollegen in der Opposition:

Haltet zusammen

Irgendwie langweilig und farblos ist für mich die Kampagne der Linkspartei. Auf manchen Plakaten ist Spitzenkandidat Lars Ohly zu sehen – der Rest wird dominiert von Bauklötzchen und Händen. Für mich irgendwie keine Hingucker, und so regt es mich auch kaum an, den Rest auf den Plakaten zu lesen. Wenn man es doch tut, erwarten einen die bei der Linkspartei zu erwartenden Inhalte – alles soll sozialer sein. Von mir aus, aber das wollen im Grunde ja alle (sagen sie zumindest). So bleibt nur eine konkrete Aussage in obigem Plakat: private Pflegedienste sollen keine Gewinne machen dürfen. Soweit werden aber vermutlich nicht viele lesen.

Es gibt da noch eine linke Partei, die sich einst abspaltete, um sich der Gleichstellung von Mann und Frau zu widmen. Die Feministische Initiative (FI) unter Führung von Gudrun Schyman, einst Vorsitzende der Linkspartei. Ich kann auch nach Jahren nicht umhin, diese Partei mit einiger Verwunderung zu betrachten. Immerhin haben sämtliche im Reichstag vertretenen Oppositionsparteien geradezu einen Gleichstellungsfimmel, Schweden ist in dem Bereich ohnehin führend, und ausgerechnet die bürgerliche Koalition hat die Homo-Ehe eingeführt.
Weniger verwunderlich ist, dass die Partei kaum Wähler anzieht. Ihre Medienpräsenz gründet sich auf dem einigermaßen prominenten Spitzenpersonal und offenkundig großzügigen Geldgebern. Plakate haben sie nämlich:

Wage am Wahltag, Feminist zu sein
Wage am Wahltag, Feminist zu sein

Die Themen sind klar: Männer sollten öfter zuhause bleiben in der Elternzeit, Einwanderer und Frauen sollen bessere Jobchancen bekommen und Frauen im Lohn gleichgestellt werden. Wie man das hinbekommt, steht da zwar nicht, aber das müssen Plakate auch nicht zwingend bieten. Nur ist es wohl so, dass diese Themen dem Wähler nicht auf den Nägeln brennen, weswegen FI praktisch chancenlos in diese Wahl geht.

Ähnlich ist es übrigens bei der Piratenpartei. Diese hat nur ein Thema, und das ist eines, das die Wähler nur bedingt interessiert. Dieser Beitrag von Alexander Budde im Deutschlandfunk trifft es. Ein Plakat von ihnen habe ich bislang von ihnen gesehen, was natürlich nicht gerade zu einer üppigen Präsenz beiträgt. Daher auch kein Foto davon.

Leider hat ausgerechnet eine Partei die besten Chancen, erstmalig in den Reichstag einzuziehen, die ich am wenigsten drin haben wollte: die rechtspopulistischen/-extremen Schwedendemokraten. Ich habe bislang kein Plakat von ihnen gesehen, was mich nicht im geringsten betrübt. Vermutlich haben sie dafür alles südlich von Småland von oben bis unten vollgeklebt. Ich hoffe, die Stimmung dreht sich noch, damit sie an der 4%-Hürde scheitern.

SkyView auf dem Globen

Wieviele Berliner besuchen regelmäßig das Brandenburger Tor? Wieviele Londoner die Westminster Abbey?

Nicht allzuviele, möchte ich annehmen. Die Sehenswürdigkeiten nimmt man also Einwohner eines touristisch interessanten Ortes selten wahr. Es sei denn, es kommt Besuch.

Ein solcher war soeben hier, und als Geburtstagsgeschenk hatte ich mir gedacht, dass wir einmal mit dem Globen SkyView fahren. Das war nicht ganz ohne Eigennutz, denn auch ich habe dieses Gefährt bislang nur von weitem gesehen.

Es handelt sich um eine Seilbahn, die am Globen, einer kugelförmigen Veranstaltungshalle im Süden Stockholms, hochfährt. Das Gebäude selbst existiert schon seit 1989, aber erst seit 2009 gibt es auch die Bahn. Eigentlich ein naheliegender Standort, denn das Gebäude ist das größte Schwedens (laut Werbung), auch wenn sich das wohl eher auf das Volumen bezieht, denn der Fernsehturm Kaknästornet ist deutlich höher. Es handelt sich natürlich um eine geplante Touristenattraktion und wird auch dementsprechend vermarktet. Der angeschlossene Shop verkauft Shirts, Tassen und anderen Krimskrams.

Eine Fahrt kostet 130 kr, also gut 13 €. Man kann sich fragen, ob sich das lohnt, denn der ganze Spaß dauert gerade einmal 20 Minuten. Den ersten Teil dieser Zeit verbringt man in einem kleinen Kino, wo einem etwas über die Geschichte des Globen gezeigt wird. Am Ende des Films kommen „Sicherheitshinweise“, die man sich auch denken kann. Die Tür öffnet automatisch, und eine Ecke später ist man in der kugelförmigen Gondel.

Ich habe meine Gäste fairerweise darauf hingewiesen, dass eine der Kugeln vor einiger Zeit stehen blieb und alle Fahrgäste über ein Brett in die andere Kugel umsteigen mussten. Wir fuhren trotzdem, gemächlich und wieder runter.

Oben nahm ich, wie oben im Bild zu sehen, den großen Sehenswürdigkeitensichtbarkeitscheck vor. Einzige immer geöffnete Konkurrenz dürfte besagter Fernsehturm sein, und mit diesem teilt sich der Globen ein Manko: zentrumsnah sind beide nicht. Das Stadshuset ist denn auch die einzige große Sehenswürdigkeit Stockholms, die man vom SkyView sofort sieht. Wenn man etwas genauer hinsieht, erblickt man auch einige Dinge auf Djurgården, z.B. den Kirchturm in Skansen. Schwierig zu erkennen sind hingegen die zentralen Teile der Stadt. Die Türme der Altstadtkirchen konnte ich mit letzter Sicherheit erst nachträglich auf den Fotos identifizieren. Der Königspalast verschwindet fast völlig. Dagegen sieht man Södermalms Wahrzeichen wie die Sofia Kyrka recht gut.

Aber: welcher Tourist fährt schon wegen des Skatteskrapan oder der Götgatan auf einen Aussichtspunkt?

Mich würde einmal interessieren, wie sich der Turm des Stadshuset im Vergleich schlagen würde.

Sandbergen, die Perle Schwedens

Seit Sonntag suchen irgendwelche Leute nach „Sandbergen“ und ähnlichem, was sie anscheinend zu meiner Seite führt. Offenkundig wollen sie wissen, wo dieser Ort liegt, den die Schwedin Inga Lindström in ihrem Herzschmerzkracher „Der Zauber von Sandbergen“, der am Sonntag im ZDF lief, zum Schauplatz der Handlung macht.

Was sie nicht wissen: weder ist Inga Lindström echt noch ist die dahinter stehende Autorin Schweden, noch hat das Gezeigte sonderlich viel mit Schweden zu tun.

Gibt es Sandbergen überhaupt?

Ja, es gibt ein Sandbergen in Schweden, und es liegt genau hier. Wer das sagenhafte Örtchen besuchen will, muss sich also ein Boot besorgen, denn Sandbergen ist ein Teil des mittelschwedischen Sees Hjälmaren in der Nähe von Eskilstuna.

Die kleine Plakateschau (3): Börge for President

Nach unten: der Geldbeutel regiert; nach oben: Pflege nach Bedarf; Du wählst - wir können nicht warten

Noch 12 Tage bis zur Wahl. Mal sieht es so aus, als laufe alles auf einen Patt hinaus. Mal führt die Regierung leicht.

Die Opposition muss also etwas tun, insbesondere die Sozialdemokraten, die nicht einmal sicher sein können, dass sie stärkste Partei werden – das wäre alles in allem das schlechteste Ergebnis seit 1914.

Also wird kräftig geworben, u.a. mit obigem Plakat. Alles nicht gerade originell, aber immerhin wird versucht, so etwas wie Inhalt zu verkaufen. Der Wähler wird hiervon aber kaum etwas mitnehmen können.

Börge Hellströms Wahlplakat: Ich kann nicht warten - niemand soll im Stich gelassen werden

Viel präsenter sind aber Plakate wie dieses, die mit dem Slogan „Jag kan inte vänta“ bzw. „Vi kan inte vänta“ („Ich kann nicht warten“ bzw. „Wir können nicht warten“) versehen sind und Bezug darauf nehmen, was nach Ansicht der Sozialdemokraten dringend getan werden müsste.

Ich bin mittlerweile recht sicher: Börge werde ich wählen – dies aber aus teilweise egoistischen Gründen. Ich wohne im sozial schwächsten Viertel von Värmdö, das 2006 nicht ganz zufällig die niedrigste Wahlbeteiligung der Kommune hatte. Lediglich 73% gingen hier vor vier Jahren zur Wahl, während der Gemeindedurchschnitt bei 85% lag. Gerade deswegen ist das Risiko, dass niemand aus unserer Ecke gewählt wird, höher, obwohl gerade hier etwas passieren sollte.

Hellström ist eine Person mit interessanter Biographie. Nach einer Kindheit mit sexuellem Missbrauch und einer gewalttätigen Jugend mit Drogen ist er heute Schriftsteller. Nicht gerade ein typischer Kandidat – sein Programm wirkt auch etwas hemdsärmelig. Aber: er sagt, dass er seit 14 Jahren in unserem Viertel wohnt und etwas ändern möchte. Dazu gehört unter anderem eine Verbesserung der Sicherheit und etwas Druck auf die kommunale Wohnungsgesellschaft, die ihren Job nicht sonderlich gut macht. Genau diese Themen betreffen auch mich. Am 19. August habe ich mich mit zwei Anliegen an meinen Vermieter gewandt. Auf Antwort warte ich bis heute.

Börge ist auf Listenplatz 19, die Sozialdemokraten haben derzeit aber nur 17 Sitze. Daran wird sich vermutlich auch nicht viel ändern in der nächsten Wahl, weswegen Hellström zwangsläufig sein Heil in einer Direktwahl suchen muss.

Daher werde ich ihm wohl meine Stimme geben. Wenn er es nicht schafft, dann erhalten immerhin die Sozialdemokraten in Värmdö eine Stimme. Die können sie gut gebrauchen, denn die bürgerlichen Parteien haben eine ziemlich solide Mehrheit.

Wie sieht es aber jenseits meiner kleinen Gemeinde aus?

Wir können nicht warten: Mona Sahlin mit jungen Unterstützern

Die Parallelen sind klar erkennbar – nur dass in den meisten Plakaten wie hier mehrere Menschen zu sehen sind. Meist sind es Kandidaten, hier jedoch anscheinend junge Unterstützer Sahlins. Auffällig ist, dass die Spitzenkandidatin nie alleine zu sehen ist. Das kann man als Bekenntnis zum Teamgeist interpretieren, aber ich sehe Parallelen zu 2006. Damals plakatierte man erst überhaupt keine Menschen. Dann zum Ende der Kampagne hin rückte man doch mit Plakaten heraus, die den damaligen Statsminister (Premierminister) Göran Persson zeigten. Auch der war nie alleine auf einem Plakat, und das war ziemlich eindeutig dem Umstand geschuldet, dass er als ausgesprochen unbeliebt galt.

Die Plakate sollten damals wohl sagen: seht, wir haben auch andere patente Leute. Was sie dieses Mal sagen soll, ist nicht so klar, aber angesichts der eher bescheidenen Umfragewerte Sahlins ist zu vermuten, dass ihr Konterfei alleine wohl eher als kontraproduktiv gilt.

Auch eine echte Wechselstimmung zu vernehmen fällt schwer. Etwas nachhelfen will hier der Gewerkschaftsbund LO, der früher sogar organisatorisch mit den Sozialdemokraten verbunden war und bis heute wenig überraschend die Partei unterstützt. Er tritt daher mit folgender Kampagne in Erscheinung.

Maud Olofsson, Vorsitzende der Zentrumspartei, auf einem Plakat von LO
Maud Olofsson, Vorsitzende der Zentrumspartei, auf einem Plakat von LO

Zunächst waren Bilder plakatiert mit auf den Kopf stehenden Regierungspolitikern, verbunden mit stark vereinfachten Aussagen über deren (nach LO-Sicht) falschen Politik und wenig schmeichelhaften Adjektiven.

Dann erschien diese Serie mit dem genau umgekehrten für die Oppositionspolitik.

Pro-Oppositionsplakat von LO
Pro-Oppositionsplakat von LO

Über Geschmack und Wirkung dieser Kampagne lässt sich streiten.

Wahlkampfthema: Jugendarbeitslosigkeit in Schweden

Jugendarbeitslosigkeit in der EU, Eurozone, Dänemark, Finnland, Schweden und Deutschland
Jugendarbeitslosigkeit in der EU, Eurozone, Dänemark, Finnland, Schweden und Deutschland

Einige der zentralen Fragen dieser Wahl ist die Jugendarbeitslosigkeit. Ich sehe von ihr im Alltag natürlich nichts, weswegen ich einmal die Zahlen von Eurostat herausgesucht haben – siehe Grafik. Das Bild ist natürlich erschreckend, wenn man den Vergleich mit Dänemark oder Deutschland bemüht. Auch gegenüber der EU als Gesamtes sehen die schwedischen Zahlen wenig erbaulich aus. Hinzu kommt, dass die Jahrgänge erheblich größer sind – die Zahl der 19-jährigen ist seit 2002 um rund 30% gestiegen.

Die bürgerliche Regierung hat in den letzten Jahren verschiedene Programme dazu aufgesetzt, darunter sogenannte Einstiegsjobs für junge Einwanderer, deren Anstellung zu erheblichen Teilen subventioniert wurde. Außerdem gibt es ein Förderprogramm, das vollmundig eine Jobgarantie verspricht. Sonderlich gefruchtet scheint das nicht zu haben, wenn man sich die Zahlen oben anschaut. Die Regierung schlägt deswegen vor, junge Erwachsene, die kein Abitur gemacht haben, also ohne Abschluss von der Schule gingen, eine höhere finanzielle Förderung zur Weiterführung ihrer Ausbildung zukommen zu lassen. Außerdem will sie eine sogenannte Lehrlingsprobeanstellung einführen, bei der junge Erwachsene für ein geringeres Gehalt eine Anstellung bekommen können sollen.

Die Sozialdemokraten und Gewerkschaften gefällt vor allem letzterer Vorschlag nicht. Die rot-grüne Opposition wirft der Regierung hier vor, sie hätte durch Kürzungen im Bereich der Erwachsenenbildung die Situation verschlimmert. Sie schlägt vor, die Jobgarantie mit einem Programm „Jobstart für Junge“ zu ersetzen, bei dem mir aber die Unterschiede im Detail zu liegen scheinen. Für das Ausbildungsproblem will sie ein eigenes Ausbildungsprogramm ins Leben rufen, bei dem die jungen Arbeitslosen, die aktiv an ihrer Weiterbildung haben, mehr Geld erhalten. Auch hier scheinen die Unterschiede eher im Detail zu liegen. Die übrigen Maßnahmen schlagen in die gleiche Kerbe: finanzielle Anreize und Weiterbildungsförderung.

So weit voneinander weg scheint mir das alles nicht zu liegen. Allerdings bin ich nicht so tief in der Materie drin, dass ich das mit endgültiger Gewissheit sagen könnte. Wer hier eine bessere Einsicht hat, kann gerne in den Kommentaren etwas dazu sagen.

Glücklicherweise trommelt sich keine auf die Brust, denn versagt haben anscheinend beide Seiten: die Sozialdemokraten mit dem Unvermögen, den Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit zu bremsen, die Regierung mit den vergeblichen Versuchen, sie nennenswert zu senken.

Einen interessanten Beitrag aus dem frühen Sommer habe ich beim Schweizer Radio gefunden. Hier kann man sich einmal aus einem anderen Blickwinkel einen Überblick verschaffen. Lediglich eine Sache scheint mittlerweile veraltet: leider sind die rechtspopulistischen Schwedendemokraten nicht so chancenlos wie dort dargestellt.

Die kleine Plakateschau (2): Wahlwerbungspannen

Anzeige der rotgrünen Opposition (Quelle: metro.se)
Anzeige der rotgrünen Opposition (Quelle: metro.se)

Obige Anzeige wurde beim Kopieren ihres Texts beraubt. Das macht aber nichts, denn man hätte ihn sowieso kaum lesen können. Interessant ist vielmehr, dass dies vermutlich die aktualisierte Fassung des Motivs ist. In der Dagens Nyheter wurde nämlich kürzlich kritisiert, dass sich die vier Oppositionsführer – das sind die grafisch stark nachbearbeiteten und seltsam in der Gegend herumschauenden Menschen auf dem Bild (v.l.n.r. Lars Ohly von den Linken, Mona Sahlin von den Sozialdemokraten sowie Peter Eriksson und Maria Wetterstrand von den Grünen) – mit einem X2000, dem schwedischen Pendant des ICE, haben abbilden lassen, um für eine Zukunft mit Hochgeschwindigkeitszügen zu werben. Dumm nur, dass der X2000 schon sei 1990 im Verkehr ist und daher ungefähr so futuristisch daher kommt wie ein Opel Astra der ersten Generation. Nebenbei wurde die Produktion des X2000 schon 1998 eingestellt.

Mit Auslaufmodellen Zukunftswerbung machen geht natürlich nicht, und so sieht man nun in der Anzeige einen Zug, der vor lauter Zukunftsbegeisterung sofort losfahren möchte, und zwar mit mindestens 350 km/h.
Damit das aber auch jeder kapiert, hat man sicherheitshalber noch „High Speed“ in roten Buchstaben auf den Zug geschrieben. Damit sind natürlich jede Zweifel an der Zukunftsträchtigkeit und Geschwindigkeit ausgeräumt.

Aber auch die Opposition Regierung leistet sich Pannen. So hat sie dieses Plakat in Rinkeby aufgehängt, in dem das Ziel dargelegt wird, dass sich Schwedens beste Schule in Danderyd befinden soll. Was der verlinkte Beitrag andeutet, wenn auch nicht ausspricht: das Plakat hängt nicht im Stadtteil Rinkeby des piekfeinen und mit einem exorbitant hohen Einkommensniveau gesegneten Danderyd, sondern im gleichnamigen und weitaus bekannteren Stadtteil Stockholms. Dieser ist jedoch ein sozialer Brennpunkt und relativ arm.

Sollte das stimmen, wäre das natürlich ein peinlicher Fehler, wenn man den ganzen Migranten per Plakat verkündet, dass die beste Schule dort sein soll, wo sie vermutlich nie hinkommen werden. Viel zu verlieren haben die Moderaterna aber nicht: sie blieben 2006 klar unter 10%.