Breaking News: Nalle wieder da

Schweden atmet auf: die größte Vermisstensuche der letzten Wochen konnte mit einem Erfolg beendet werden. Der Vermisste ist wohlauf.

Der Tatort: die Hantverkargatan auf Kungsholmen, in violett markiert (Karte: OpenStretMap, CC-BY-SA)

Der Fall hat aus einem besonderem Grund weltweite Aufmerksamkeit erregt: der Vermisste war niemand anderes als der Teddybär der einjährigen Tyra Blomqvist. Sie hatte ihn irgendwo auf der Hantverkargatan im Stadtteil Kungsholmen verloren. Daraufhin hängten die Eltern Poster auf, um ihn wiederzufinden.

Soweit, so unspektakulär. Erst als ein Polizist den Vermisstenfall auf der Facebookseite der Stockholmer Polizei veröffentlichte, wurde daraus eine große Geschichte. Die Sache wurde viral und landete u.a. in der Huffington Post.

Die kleine Tyra hat ihren Teddybär zurück (Foto: Polisen Södermalm)

Natürlich gab es auch Kritik an der Polizei Södermalm. Hat man denn nichts besseres zu tun? Die Polizei konterte souverän: der betreffende Beamte habe die Anzeige in seiner Freizeit geschrieben, und wenn man mit so wenig Aufwand um die 40.000 Menschen erreicht, dann sei das doch eine gute Prioritätensetzung.

Gestern abend dann die erlösende Nachricht: der Teddybär ist wiedergefunden worden und wurde von der Polizei zurückgebracht. Die Suchleitung bedankt sich und wünscht allen Beteiligten einen schönen Sommer. Herrlich.

An der Geschichte erkennt man ohne Schwierigkeiten: in Schweden ist derzeit nicht viel los. Es ist Sommer und das ganze Land in Urlaub. Im Winter wäre wohl für so eine herzerwärmende Posse keine Zeit gewesen. Schade eigentlich.

Eine PR-Aktion zieht Kreise: Schwedens Twitter-Konto mit Skandälchen

Als ich vor knapp einem halben Jahr darauf hinwies, dass das Twitter-Konto @Sweden im wöchentlichen Wechsel von normalen Schweden mit Kurznachrichten beliefert wird, hätte ich angenommen, dass es schnell versandet.

Das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Will erster Nicht-Schwede werden, der im Twitter-Konto @Sweden schreibt: Stephen Colbert, amerikanischer Komiker (Bild: David Shankbone, Lizenz CC-BY-SA 3.0)

Derzeit hat der von mir sehr geschätzte amerikanische Komiker Stephen Colbert eine für ihn typische Aktion gestartet. Nachdem ein Laufband auf der Internationalen Raumstation nach ihm benannt wurde und fast eine ungarische Brücke, will er nun der erste Nicht-Schwede werden, der eine Woche lang für @Sweden twittern darf. Er wirbt auf der Homepage seiner Sendung damit, man solle an curatorapplication@visitsweden.com schreiben und erklären, wieso er denn unbedingt den Account haben müsse. Alternativ soll man den Hashtag #artificialSwedener twittern, und der Resonanz dort nach zu urteilen läuft das bestimmt nicht so schlecht.

Aber auch @Sweden selbst läuft sehr passabel – die New York Times brachte kürzlich ein großes Stück über die ersten Monate mit dem Account.

Natürlich ist das Ganze eine PR-Aktion, aber man muss den Machern schon lassen, dass sie den ausgewählten Schweden große Freiheiten lassen. Die Grenzen hat ohne Frage Sonja Abrahamsson ausgelotet, die mit etwas abwegigem Humor wie diesem Tweet

Before WW2 Hitler was one of the most beautiful names in the whole wide world. I know. Its as chocking as dolphin rapists.

Schweden auf ganz eigene Art vertritt. Man verfährt offenbar nach dem alten Prinzip „Any publicity is good publicity“.

Das kann man unkorrekt finden, albern oder auch amüsant. Eines kann man aber nicht: den Machern vorwerfen, sie würden sich mit Elch-und-Blondinen-Klischees und kreuzbraven Werbebotschaften anbiedern. Man scheut sich nicht, echte Schweden zu präsentieren. Und in Kürze vielleicht sogar unechte wie Stephen Colbert.

Finde ich irgendwie gut.

Fußballrechenspiele am Mittwoch: wieviele Punkte braucht man, um weiter zu kommen?

Es ist eine Art Fußballweisheit: bei den großen Turnieren ist man raus, wenn man zweimal verloren hat. Wenn man zweimal gewonnen hat, ist man weiter. Unter 4 Punkten kann man das Weiterkommen gleich vergessen.

Ich habe mich gefragt: ist das wirklich so?

Die Aufgabe ist überschaubar – es sind 6 Partien, die in einer Gruppe gespielt werden. Da es drei verschiedene Resultate gibt (Sieg 1. Mannschaft, Unentschieden, Sieg 2. Mannschaft), gibt es 6 hoch 3 Spielausgänge, also 729 Kombinationen.

Dabei gilt zu beachten, dass dies nur gilt, wenn man die vier Teams eindeutig festlegt. Rein kombinatorisch sind viele doppelt. Zur Erklärung: wenn man vier Teams A,B,C und D hat und alle Unentschieden spielen bis auf die Partie A gegen B, dann ist die Tabelle identisch mit dem Fall, dass alle Unentschieden spielen bis auf die Partie C gegen D. Man muss lediglich die Teamnamen tauschen und landet bei derselben Tabelle.
Letztlich gibt es 40 verschiedene Tabellen, d.h. 40 verschiedene Punktekombinationen.

Wenn man das also außer Acht lässt und mit vier festgelegten Teams alle Varianten durchspielt, kommt man zu folgendem Ergebnis:

Die Punkte des Zweitplatzierten (blau: einfach durch alle Kombinationen berechnet, rot: reale Punktzahlen von EM- und WM-Gruppen hochgerechnet)

Für die roten Balken habe ich die Weltmeisterschaften seit 1998 und die Europameisterschaften seit 1996 ausgewertet. Nur bei diesen Wettbewerben musste man zwingend Gruppenzweiter werden, um weiterzukommen. Außerdem galt davor die Zweipunkteregel.

Das Ergebnis aus den 48 Gruppen, die es bislang in der Form gab:

  • Zweimal hatte der Zweitplatzierte 7 Punkte. Es ist aber nicht so, dass man sie gebraucht hätte, denn auch ein Blick in die reine Kombinatorik zeigt: das kommt nur zustande, wenn die zwei stärksten Teams gegeneinander Unentschieden spielen und die jeweils anderen beiden Teams besiegen. Für die anderen beiden Teams bleiben also nur noch die Punkte des Spiels gegeneinander übrig, wodurch der Drittplatzierte maximal 3 Punkte haben kann.
  • 13 mal hatte der Zweitplatzierte 6 Punkte
  • Ebenfalls 13 mal hatte der Zweitplatzierte 5 Punkte.
  • Ganze 19 mal reichten dem Zweitplatzierten 4 Punkte. In der Kombinatorik ist das aber noch eine relativ riskante Kombination: in 40% der Fälle scheidet jemand mit 4 Punkten aus, aber deutlich über die Hälfte nur wegen des Torverhältnisses.
  • Ein einziges Mal genügten sogar 3 Punkte. Das geht in der Tat nur, wenn jedes Team genau einmal gewinnt oder wenn ein Team besonders stark ist und die anderen sich gleichmäßig verteilen. Dieser Fall ergab sich für Chile bei der WM 1998. Vier der sechs Partien ging Unentschieden aus, so dass Chile dadurch weiter kam, dass sie gegen den Gruppenersten Italien nicht verloren.
  • Nie gab es einen Fall, dass ein Team mit nur 2 Punkten weiter kam. Doch er ist möglich: wenn ein Team alle anderen besiegt (d.h. 9 Punkte) und alle anderen Teams untereinander nur Unentschieden spielt, dann hat der Gruppensieger 9 Punkte und alle anderen 2 Punkte. Freilich ein sehr exotischer Fall.

Letztere beiden Punkte dürften die einzigen Überraschungen sein, aber sie haben natürlich nur begrenzte reale Relevanz, denn kein Team spielt auf Unentschieden, und die Teamstärken sind selten so gleichmäßig verteilt, dass jede Mannschaft nur einziges Mal gewinnt.

Das rigorose Durchrechnen bestätigt letztendlich Selbstverständlichkeiten: mit drei Siegen ist man in jedem Fall Gruppensieger, und unter zwei Unentschieden kommt man nicht weiter. Ob einem ein Sieg und zwei Niederlagen reichen, kann man sich auch leicht ausknobeln: Nein, es geht nicht.

Bleibt noch die Frage, ob man mit zwei Siegen auch nicht weiterkommen kann. Erstaunlicherweise lautet die Antwort Ja, und zwar genau dann, wenn eine Mannschaft alle Spiele verliert und die anderen drei es sich so aufteilen, dass jede am Schluss genau 6 Punkte hat. Rein theoretisch reichen also auch zwei Siege nicht.

In der Praxis ist das freilich wohl noch nie aufgetreten. Daher gilt: wer zweimal verliert, ist raus. Wer zweimal gewinnt, ist nicht garantiert, aber mit größter Wahrscheinlichkeit weiter.

In diesem Sinne: heute abend einfach gewinnen.

Update 23:01 Uhr: Doof, wenn man sich selbst widerspricht – der gestrichene Satz weiter oben behauptet das Gegenteil von dem, was in der Auflistung steht. Noch blöder, wenn genau so etwas ausgerechnet jetzt passieren kann. Ein einziger Sieg (und zwei Niederlagen) können in der Tat reichen, um weiterzukommen. Entweder, wenn es dauernd unentschieden gibt, oder – wie jetzt in der Gruppe B eintreten kann – wenn eine Mannschaft alle anderen schlägt und die anderen drei jeweils einen Sieg einfahren. Sollten Deutschland und die Niederlande am Sonntag gewinnen, dann sind Niederlande, Portugal und Dänemark punktgleich. Der direkte Vergleich taugt dann auch nicht, so dass nur das Torverhältnis herhalten kann. Da noch nicht viele Tore gefallen sind, kann es da schnell eng werden. Es bleibt spannend.

Ausgeflattrt

Flattr-Einkünfte pro Monat - zu Beginn noch erfolgversprechende Einnahmen, die aber danach nie wieder erreicht wurden.

Vor genau zwei Jahren platzierte ich die grün-orangenen Buttons des Anbieters Flattr auf meiner Seite.

Flattr ist ein Mikrobezahlsystem, bei dem man sehr einfach Inhalten im Netz etwas finanzielle Unterstützung zukommen lassen kann. Die Idee ist simpel: man zahlt pro Monat einen Betrag (mindestens 2 €). Sieht man z.B. in Blogs einen Artikel mit so einem Button, dann kann man diesen anklicken. Am Ende des Monats wird das Geld (abzüglich 10% Gebühr an Flattr) durch die Zahl der Klicks geteilt und an die Autoren bzw. Anbieter verteilt. Der Vorteil des Konzepts ist offenkundig, dass man nicht pro Artikel zahlt und somit die Kostenkontrolle behält. Es geht nicht darum, feste Beträge nach einem klassischen Konzept zu bezahlen, sondern die Anbieter zu unterstützen – ob viel oder wenig bleibt jedem selbst überlassen.

Das klang spannend, und ich dachte mir, dass ich da mitmache. Natürlich hatte ich nicht die Hoffnung, großartige Einnahmen zu machen. Es war eher interessant, zu sehen, ob etwas und wieviel hereinkommen würde. Es schien als Möglichkeit, die Finanzierung der Blogosphäre durch seine Nutzer zumindest teilweise möglich zumachen.

Heute beende ich diesen Versuch. Die Buttons werden in Kürze verschwinden. Ich halte das Konzept für mich für gescheitert. Ich habe auch Zweifel im Allgemeinen daran.

Eine kleine Bilanz: Verlust jeden Monat

In den 2 Jahren gab es keinen einzigen Monat, an dem ich mehr als 1,96 € eingenommen habe. Es war also nicht möglich, trotz reger Autorentätigkeit auch nur den Mindestbeitrag zu finanzieren. Die Schaubilder zeigen zudem, dass es kaum eine Korrelation zwischen Artikelfrequenz und Klicks gibt. Ob ich viel schreibe oder wenig, ist weitgehend egal.

Wieviel ich geschrieben habe und wieviele Beiträge mit mindestens einem Klick bedacht wurden: keine Korrelation erkennbar

Natürlich werden jetzt Spötter sagen, dass es an der Qualität der Artikel liegen könnte. Das mag sein. Ich maße mir kein Urteil über meine Texte an. Da ich aber einige derjenigen, die mir über Flattr etwas Geld haben zukommen lassen, kenne, liegt zumindest der Schluss nahe, dass einfach auch nie eine entsprechende Menge Flattr-Nutzer da war, um ein Bild abzugeben.

Zudem stelle ich bei mir selbst fest, dass ich kaum noch klicke. Ich ignoriere die Flattr-Buttons, und in einem Monat gingen die 2 € gar an wohltätige Zwecke, weil ich keinen einzigen Button gedrückt hatte. Mich würde nicht wundern, dass schon die Klickmüdigkeit alleine das System lansgam austrocknen lässt.

Klickfaulheit: nach gut einem Jahr hatte ich kein Interesse mehr, irgendetwas anzuklicken.

Die Nutzerbasis: viele Blogger, aber wenige Leser

Es stellt sich allgemein die Frage, wer überhaupt Flattr nutzt.

Ich habe jenseits der einschlägigen Blogosphärenleitmedien wenig bis gar nichts darüber gelesen. Es ist zwar nicht so, dass nichts passieren würde – vor einem Monat startete Flattr eine Kooperation mit Dailymotion, und dass Apple gegenüber Flattr einmal mehr seinen Kontrollzwang auslebt, macht es nur sympathischer. Aber auch eine gute und sympathische Idee muss funktionieren, um sich in der Realität zu behaupten.

Genau das scheint aber das Problem zu sein: Flattr hat seine Basis in Schweden, Deutschland und deren Nachbarländern, aber außer der Taz gibt es kein großes Medium in dem Raum, das den Dienst nutzt. Es fehlt wohl an der kritischen Masse, die erlaubt, auch Leute jenseits der Blogosphäre anzuziehen. Anscheinend gibt es im Flattr-Universum kaum Beiträge, die mehr als 100 Klicks erhalten. Die reinen Leser beteiligen sich offenkundig nur zu einem geringen Anteil.

Schwäche im Konzept

Warum sollten sie auch? Das Konzept hat hier seine größte Schwachstelle, wie ich finde.

Ich vermisse eine klare Linie, wohin die Reise gehen soll. Soll es ein reines Wohltätigkeitsmodell sein oder soll damit auch eine einfache Art der Finanzierung gefunden werden? Flattr ist irgendwo dazwischen, und vermutlich ist es genau das, was der Entwicklung Grenzen setzt.

Es ist wohl nicht die Absicht von Flattr, den Machern den Lebensunterhalt zu ermöglichen. Man kann mit Almosen keinen Staat machen, und das ist mit einem Bezahlsystem nicht anders. Für ein reines Wohltätigkeitsmodell braucht es die breiten Schichten, und ich habe nicht den Eindruck, dass die jemals erreicht worden sind. Ein großer Player im Markt wie Spiegel Online hätte aufspringen müssen, um die Öffentlichkeit zu schaffen. Das hätte sicher keine Wunder bewirkt, aber vielleicht die Konsumenten dazu bewegt, mit einzustiegen.

Der andere Aspekt ist ein vereinfachtes Bezahlsystem, das Flattr sein könnte, aber nur bedingt ist. Die pauschale Bezahlung vieler Medien als Alternative zum teuren Abschluss von zahlreichen Einzelabos wäre attraktiv. Das fördert den Konsum, ohne Schranken zu setzen, und könnte für passable Umsätze sorgen. Doch dazu müsste es den Anreiz geben, mit einem bezahlten Flattr-Konto auch einen geldwerten Vorteil zu haben, sprich auf irgendetwas exklusiven Zugriff zu erhalten. Danach sieht es aber nicht aus.

Ein Durchlauferhitzer ohne Wirkung – Flattr als Kreislaufsystem ohne Nutzen

Daher ist das System mehr ein Kreislauf: Blogger und andere internetaffine Menschen pumpen Geld in Flattr, das dann entweder bei den Alpha-Seiten landet oder von diesen solange wieder in Topf gegeben wird, bis die 10% Flattr-Gebühr sie aufgefressen haben. Auf diesen Seiten mag noch etwas herumkommen, aber für die ganzen Beta-Blogger (schlechten Wortspielwitz bitte selbst einfügen) oder in meinem Fall eher Omega-Blogger ist dann so wenig übrig, dass schon von Anfang nicht einmal der Mindestbetrag zusammenkommt. Vielen wird es so wie mir gegangen sein: man hat die Einnahmen nie abgehoben, sondern einfach in das Flattr-Konto überführt, um weiterhin Geld an andere verteilen zu können. Irgendwann ist aber auch das aufgebraucht.

Das soll kein Stück über die Undankbarkeit der Welt sein – auch größere Seiten wie Basic Thinking machen die Beobachtung, dass sich das Modell nicht trägt, auch wenn sie freilich auf einem viel höheren Niveau gestartet sind.

Das System hatte zwei Jahre Zeit, in einer Branche, in der Hype Programm ist, den Durchbruch zu schaffen. Es hat nicht geklappt. Stattdessen kann es jemandem wie mir als Hohn vorkommen, dass man als Inhalteanbieter sogar noch drauflegt.

Es mag einen gangbaren Weg für Flattr oder ein ähnliches System geben. Ich hoffe es sogar. Aber solange sich die Internetmenschen nur gegenseitig das Geld zuschieben, bis auch der letzte keinen Bock mehr hat, sein Konto zu füllen und die Buttons zu klicken, sehe ich keinen Sinn darin, dies weiter fortzuführen.

Die Freude an meinem Blog hat sich ohnehin nie aus irgendwelchem Geld gespeist, und so gebe ich auch nichts auf.

Ich möchte trotzdem all denen, die mich mit ein paar Groschen bedacht haben, danken!

Staring at the sun

Es war nicht gerade einfach, sich um 3:30 Uhr aus dem Bett zu quälen. Immerhin war der Morgen schön genug, um Hoffnungen zu haben. Ich packte die Kamera sowie meine Sonnenfinsternisbrille ein und machte mich auf den Weg.

Das Wetter war gerade gut genug, um hoffend zu bleiben, aber zu schlecht, um etwas zu sehen. Innen im Museum befindet sich ein kleiner Raum mit Bestuhlung und Projektor, in dem Vorträge gehalten werden können. Gezeigt wurden Liveaufnahmen verschiedener Teleskope rund um die Welt – vermutlich der Livestream der NASA. Da die meisten wohl zuerst erwarteten, es würde dort etwas stattfinden, füllte sich der Raum stetig.

Doch außer den Bildern gab es nichts zu sehen. Man konnte drinnen noch einen schnellen Blick in das Museum werfen, aber die Musik spielte draußen. Im Garten hielt jemand einen Vortrag zum Venustransit. Ich war positiv überrascht vom Zuspruch – insgesamt dürfte eine dreistellige Anzahl Besucher dort gewesen sein, die sich die Vorträge anhörten und selbst versuchten, den Transit zu sehen.

Der kleine Park mit Bänken und einer schönen Aussicht war perfekt geeignet für die Beobachtung. Einige hatten Fernrohre mit Filtern mitgebracht. Manche versuchten es mit geschwärzten Gläsern oder Fotofilm, was beides nicht zu empfehlen ist. Allerdings war die Gefahr überschaubar, denn die Sonnenscheibe war zumeist von Wolken verdeckt.

Ich setzte mich hin und wartete. Manche Partygänger der Nacht davor hatten auch ihren Weg dorthin gefunden. Es war eine interessante Menschenmenge, die sich da versammelt hatte. Ein Mann erzählte davon, dass er schon in alle möglichen Ecken der Welt gereist sei, um Sonnenfinsternisse zu beobachten. Unter anderem war er 1999 in Stuttgart, aber das Wetter war etwas zu schlecht.

Die Stimmung erinnerte mich genau an diesen 11. August 1999. Ich hatte meinen Sommerjob in einer Werkstatt für geistig Behinderte angetreten, aber an dem Tag wurde nicht viel gearbeitet. Wir alle – die Abteilungsleiter eingeschlossen – waren draußen und beobachteten das Ereignis. Ich hatte mein Teleskop aufgebaut und hoffte auf gute Sicht. Doch die wollte sich nicht so recht einstellen. Es blieb bewölkt, aber ausgerechnet bei der Totalität hatten wir einen klaren Moment und konnten die verdeckte Sonne sehen. SWR3 spielte „Staring at the sun“ von U2.

Ich genoss es heute morgen genauso, obwohl sich die Wolken nicht so recht verziehen wollten. Zwischendrin, als es einmal wieder gar nichts zu sehen gab, schaute ich nochmal nach drinnen. Ein Mitarbeiter erzählte etwas über das Museum. Der Saal mit dem Projektor war fast leer – dass es dort nicht mehr geben würde, hatte sich wohl herumgesprochen.

Die Wolken wurden immer dichter. Um 6 Uhr beschloss ich, wieder aufzubrechen.

Ob ich denn die Venus nun gesehen habe?

Ja, für wenige Minuten gaben die Wolken den Blick frei, und ganz rechts oben war ein kleiner scharfer Punkt. Und in meinem Kopf lief U2 – „I’m not the only one staring at the sun…“

Helga Lately

Die DN erwähnte dieses Video am Sonntag am Rande. Es ist ein Sketch aus Saturday Night Live (SNL) – wem das nichts sagt: die Sendung inspirierte einst RTL Samstag Nacht, ist aber erfolgreicher und v.a. langlebiger, denn sie läuft seit 37 Jahren.

Der Sketch zeigt eine fiktive schwedische Talkshow „Helga Lately“. Alle sprechen ein Pseudo-Schwedisch, das nur bedeutungsloses Kauderwelsch ist, welches wohl wie schwedisch klingen soll. Damit man irgendetwas versteht, werden zwischendrin englische Wörter eingebaut. Vereinzelt finden sich auch echte schwedische Phrasen.

Kein Leser wird bei dem Sketch schallend lachen. Manche werden Schweden sogar veralbert sehen.

Dem würde ich vorsorglich schon einmal entgegnen, dass es sich um eine Parodie auf die Talkshow Chelsea Lately handelt, die das Schwedenthema als Spielwiese verwendet, um die Eigenheiten des Originals auf die Schippe zu nehmen. Die ganze Aufmachung ist mit Chelsea Lately praktisch identisch. Wie fast jede Parodie funktioniert diese aber nur richtig, wenn man das Original kennt.

Die kleinen Freuden

Ich hatte es ja schon erwähnt: derzeit ist internationaler Markt am Sergels Torg. Es ist nicht das erste Mal, aber das deutsche Angebot ist dieses Mal das bislang umfassendste.

Neben dem obligatorischen Bratwurststand

Bratwurststand am Sergels Torg: Bratwurst, Krakauer oder Currwurst - zu haben für 50 Kronen

gab es einen Salamiverkaufstand, der auch Landjäger und Dosenwurst anbot. 10 Meter weiter dann der sehr dezente Brezelstand:

Man braucht sich nicht lange fragen, was es hier zu kaufen gibt

Der Name „Breznhütte“ ist Programm – es gab Brezeln in verschiedensten Varianten. Gespart hat man nicht in der Größe:

Riesenbrezel von der Breznhütte

Das ist schon ein ordentliches Gerät, das auch sehr gut schmeckt, wie ich eben im selbstlosen Test herausgefunden habe.

Am Stand daneben gleich der nächste Knaller: Strudel in verschiedenen Varianten, darunter natürlich der obligatorische Apfelstrudel. Feilgeboten wurde außerdem eine Art Kräuterbrotaufstrich und andere Dinge, die ich aber nicht näher unter die Lupe genommen habe. Das Personal war auch weitgehend authentisch importiert.

Die englischen Marmeladen, griechischen Oliven und niederländischen Pfannkuchen sahen auch lecker aus.

Das alles hat freilich seinen Preis: die Würste am Bratwurststand kosteten 50 Kronen (derzeit rund 5,50 €). Die Salami ging auch nicht deutlich darunter los, die einzelne Brezel kostete 40 Kronen (4,40 €), der halbe Strudel 120 Kronen (13,30 €). Aber hierzulande sind das Delikatessen, die man nicht alle Tage hat. Dementsprechend groß ist meine Freude über die Leckereien.

Unten auf dem Platz demonstrierten die Syrer für oder gegen irgendwas, dazwischen eine Menge kurdischer Flaggen. Im Allgemeinen wechseln sich die Kurden, die Tibeter und die Kubaner auf dem Platz beim Demonstrieren ab. Die Hartnäckigkeit ist bewundernswert, aber der Effekt darf bezweifelt werden.

Allgemein ist das Ambiente am Sergels Torg nicht das allerbeste. Ich frage mich, ob es in Stockholm keinen besseren Platz hierfür geben. Wie wäre es mit dem Stortorget oder Kornhamnstorg in Gamla Stan, dem Kungsträdgården, dem Norrmalmstorg oder dem Nybroplan? Ein Betonplatz wie der Sergels Torg, eng, laut und stark befahren, macht das Verweilen wenig angenehm. Da gäbe es doch sicher bessere Alternativen.

Begrüßung im Cosmonova: Schwedens einziges IMAX-Kino

Übrigens: über zwei Jahre lang lebte ich in unmittelbarer Nähe des einzigen schwedischen IMAX-Kinos ohne es zu besuchen. Dabei bin ich eigentlich IMAX-Fan und habe früher nie eine Gelegenheit ausgelassen.

Es ist das „Cosmonova“ und befindet sich im Naturhistoriska Riksmuseet, einem Naturkundemuseum bei der Universität. Der Besuch – sowohl im Museum als auch im Kino – lohnt sich. Im Museum war ich schon mehrfach, aber heute habe ich endlich auch das Kino besucht. Es lohnt sich natürlich.

Das letzte Mal in unserem Leben

Es kommt schon sehr dramatisch daher, aber es ist nicht übertrieben: am Mittwoch erwartet uns ein globales Ereignis ein, das keiner von uns jemals wieder erleben wird. Das ist jetzt etwas gestelzt, aber kommt hin, denn am 6. Juni findet ein Venustransit statt. Der nächste wird am 11. Dezember 2117 sein, und ich übertreibe wohl nicht, wenn ich sage: bis dahin sind wir alle tot.

Nun werden sich die meisten fragen: was ist ein Venustransit?
Das ist, wenn sich der Planet Venus vor die Sonne schiebt, also ein bisschen eine Sonnenfinsternis in klein. Dunkel wird es aber nicht, denn das Ganze sieht so aus:

Bild vom Venustransit des Jahres 1882

Es zieht also ein schwarzer Punkt über die Sonne, den man ohne entsprechende Gerätschaften natürlich nie bemerken würde. Das Bild ist übrigens vom vorletzten Transit, der im Jahr 1882 stattfand. Ja, der vorletzte – kaum ein regelmäßig wiederkehrendes und einfach zu beobachtendes Himmelsereignis ist so selten wie ein Venustransit. Während man fast jedes Jahr eine totale Mondfinsternis hat und man in den meisten Jahren irgendwo auf der Erde eine totale Sonnenfinsternis sehen kann, ist der Venustransit eine sehr exklusive Sache.

Zwar ist die Venus immer zwischen Sonne und Erde. Auch ist ihr Jahr kürzer als unseres, so dass sie öfters an uns vorbeizieht. Aber durch die Besonderheiten der beiden Planetenbahnen ergibt sich ein Vorbeiziehen der Venus vor der Sonnenscheibe äußerst selten. Pro 130 Jahre gibt es nur zwei, dazu noch sehr ungleich verteilt: es sind immer 8 Jahre zwischen zwei, während dann der nächste Transit erst in 105 oder 122 Jahren folgt.

Wer zurückrechnet, wird sich also denken können, dass der letzte im Jahr 2004 war. Der fand bei bestem Wetter und zu humanen Zeiten statt. Ich habe ihn damals mit meinem Teleskop begutachtet. Das ist aber nach fast 7 Jahren in Schweden leider immer noch in Deutschland, weswegen ich mir diese schicke Brille habe kommen lassen:

Meine schicke neue Brille - alltagsuntauglich, aber sehr hilfreich, wenn man mal in die Sonne schauen will.

Ich werde versuchen, den Transit auch dieses Mal nicht zu verpassen. Jedoch gibt es einen erschwerenden Umstand: er findet von 22:09 Uhr bis 4:49 Uhr statt. Die Sonne ist also anfangs nicht zu sehen. Ich finde, es ist trotzdem einen Versuch wert.

Einen Tipp für Stockholmer: das Observatoriemuseet, das Museum in der alten Sternwarte Stockholms, in der Nähe des Odenplan ist zwischen 4:30 Uhr und 6:30 Uhr geöffnet. Alle halbe Stunde werden Vorträge über den Venustransit gehalten. Man kann es auch als indirekte Projektion am Teleskop live miterleben, sofern das Wetter mitspielt. Eine Brille wie die obige kann vielleicht dazu dienen, zu entsprechender Zeit aus dem Fenster zu sehen. Der Eintritt ist frei. Am Abend davor ist um 18 Uhr ein Vortrag zum Thema, der 90 Kronen Eintritt kostet.

Es mag nach nicht viel aussehen, aber wenn man etwas an Astronomie interessiert ist oder die Ahnung hat, dass man ein solches Interesse im Lauf des restlichen Lebens entwickeln könnte, der sollte am 6. Juni sehr früh aufstehen und nach der Sonne schauen.

Es könnte nicht das letzte Mal sein. Es wird das letzte Mal sein.

Stockholm von oben

Wenn ich Bilder in Aussicht stelle, ist das im Allgemeinen kein Grund, freudig erregt zu sein. Dieses Mal ist nicht direkt eine Ausnahme, aber ich dachte mir, ich lasse endlich mal die Panoramen zur Geltung kommen. Wenn man unten auf die Panoramen klickt, öffnet sich das Bild in voller Größe in einem Fenster, wo man ähnlich einer Karte alle Details begutachten kann. Die Dateien sind richtig groß (bis zu 5 MB), aber die Bilder eben auch. Viel Spaß damit.

Die Bilder sind natürlich von letzter Woche, als wir im Rahmen einer Aktion der Zeitung Dagens Nyheter verschiedene hohe Gebäude in Stockholm besuchten, um von oben die Aussicht zu genießen.

Vom DN-Hochhaus in Richtung Osten, also Innenstadt, Altstadt und Södermalm:

Dasselbe in Richtung Westen – hier sieht man die Essinge-Inseln und Bromma:

Blick von Kastellholmen aus nach Norden, wo man eine schöne Aussicht auf die Attraktionen auf Djurgården (Skansen, Vasamuseet, Gröna Lund) hat:

Und dasselbe nochmal nach Süden Richtung Södermalm und Altstadt:

Ich wünschte, gestern wäre auch nur halb so gutes Wetter gewesen wie letzte Woche. Es stürmte und regnete den ganzen Tag, weswegen einem besonders die Läufer im Stockholm-Marathon leid tun konnten. Ein Spitzenläufer musste gar 4 Kilometer vor dem Ziel aufgeben, weil seine Körpertemperatur auf 32 Grad (!) gesunken war. Er kann wohl froh sein, dass er das überlebt hat.

Die Unterstützung am Rand hielt sich in Grenzen, weil bei dem Wetter natürlich niemand draußen sein wollte. Einen Glückwunsch an alle, die es trotz dieser Umstände überstanden haben.

Die Hello Everybody Show – ein Nachruf

Disclaimer: zahlreiche der Fotos, die ich hier zeige, sind nicht von mir gemacht, aber ich gehe mal von einer impliziten Zustimmung aller Beteiligten aus, zumal viele der Fotos schon vorher veröffentlicht wurden.

Ich bin traurig, irgendwie. Gestern habe ich erfahren, dass THSRadio, das Studentenradio meiner alten Universität KTH, Ende dieser Woche wohl für immer schließen wird.

Dies bedeutet auch das Ende von Hello Everybody, einer Show von internationalen Studenten, an der ich lange Zeit mitgewirkt habe und bei der ich zuletzt im Februar hinter dem Mikrofon stand.

Hello Everybody hat ein simples Konzept: die Crew trifft sich im Studio und schlägt eine Stunde mit mehr oder weniger gehaltvollem Geschwätz tot. Regeln gab es wenige bis keine. Das hatte den unschlagbaren Vorteil großer kreativer Freiheiten, aber den Nachteil, dass man manchmal echt keine Ahnung hatte, was man nun bringen könnte. Lief es gut, hatte man einen tollen Gast, der angenehme Musik mitbrachte. Lief es schlecht, stand einer alleine im Studio, spielte Musik ohne Ende und erzählte irgendwas vom Pferd, damit nicht nur Musik lief. In solchen Phasen produzierte ich die Show sogar zuhause vor und warf sie einfach in den CD-Player.

Die schönsten Momente waren daher die, an denen man gemeinsam Spaß hatte. War die Crew in Stimmung, lief auch die Show. Die beste Crew war für mich natürlich die erste. Wir hatten alle keine Ahnung und alles war noch frisch. Bei dem Präsentationstag der Studentenvertretung im Spätsommer 2005 blieb ich am Stand des Radios hängen. Es verband mich schon eine gewisse Faszination mit dem Medium. Sinnigerweise hatte ich seit 2002 ja beim Südwestrundfunk beim Radiosender DASDING in der Internetredaktion gewirkt. Das war höchst spannend für mich, aber Mikrofonangst und orale Komplikationen ließen mich nicht im Traum darauf hoffen, einmal selbst Radio zu machen.

Einmal richtiges Radio machen

Es kam anders, zumindest ein bisschen. Am darauffolgenden Freitag stand ich im Studio bei Remi, einem französischen Austauschstudenten, der noch ein klein wenig vorher rekrutiert worden war. Ich bekam den Mund nicht auf, aber das legte sich bald. Wenige Wochen später waren wir mehr: Constantinos und Evangelos (genannt Vaggos) aus Griechenland, Francisco aus Venezuela und Mohammed aus dem Libanon stießen hinzu.

Anfangs bemühten wir uns noch, richtig gutes Radio zu machen. Immerhin waren wir auf 95,3 MHz im Süden und Zentrum Stockholms zu hören. Da wurden Themen vorbereitet, wir besorgten uns illustre Gäste, wählten Musik aus. Wir produzierten Jingles – durch Zufall fand ich Werbung aus den 1940er oder 1950er Jahren für das amerikanische Shampoo „Halo“. Die Musik hatte den Refrain „Halo Everybody, Halo“, was fast genauso klang wie „Hello Everybody“.

Der Slogan des Shampoos war „the shampoo that glorifies your hair“. Daraus wurde dann mit der Zeit immer wieder mal „the show that glorifies your hair“. Erfrischend absurd, das Ganze. Wer sich über den seltsamen Namen wundert: 2005 startete zwar Remi (und der Folge unsere erste Crew) die Sendung neu, aber es hatte wohl zumindest ein Jahr zuvor (wenn nicht schon früher) ein Team gegeben, das anscheinend jede Moderation mit „Hello Everybody!“ begann – so kam die Show zu ihrem Namen, den wir ohne nachzudenken übernahmen.
Mit der Zeit lief alles etwas aus dem Ruder. Eine Show starteten wir mit intensivem Alkoholkonsum, was damit endete, dass mehrere Teammitglieder ihre nackten Hintern in die Webcam hielten.

Die zunehmend enthemmte Attitüde hatte auch einen Grund. Hello Everybody lief Freitag abends von 22 bis 23 Uhr, also ziemlich genau dann, wenn niemand Radio hört, schon gar nicht irgendeinen Bürgerradiokanal mit schwacher Sendeleistung. Einmal boten wir Geld dafür, dass jemand in der Show anruft – vergeblich. Jenseits von erwarteten Anrufen blieb die Leitung tot. Zwar muss schon rein statistisch irgendjemand in einem Einzugsraum von über 400.000 Menschen zugehört haben, aber es fühlte sich so an, als würde man für eine Wand Radio machen.

Der Kampf mit der „Obrigkeit“

Bei der Programmleitung hatte man dafür wenig Verständnis. Die Zeit sei doch der perfekte Start vor dem Ausgehen am Abend. Da Stockholm aber nicht New York ist und um vier Uhr Sperrstunde hat, war das natürlich Quatsch. Allgemein konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Programmchef Eric, ein anscheinend bei der KTH angestellter Amerikaner, unsere Show und insbesondere mich nicht mochte. Wir kamen mit unseren Vorschlägen nicht weit. Aus der Station wurde ich ohnehin nie ganz schlau. Man betrieb Rocket, eine englischsprachige Rocksendung und Erics Lieblingsprojekt, als sei es ein eigener Sender – vielleicht war es das auch, denn die Strukturen waren da nicht wirklich klar. Rocket wird auch kommende Woche aktiv bleiben. Die restlichen Sendungen wurschtelten in ihrer Sendezeit vor sich hin. Die Werbebemühungen bestanden im Wesentlichen aus der Einrichtung einer MySpace-Seite. Es fehlte schlicht an Substanz für eine adäquate Bestückung der Sendestunden – umso seltsamer, dass man uns mit dem undankbarsten Sendeplatz versah.

Die erste Crew fast komplett: Francisco, Constantinos, Remi, Ich, Vaggos (v.l.n.r.)

Im Wesentlichen zusammengehalten wurde das von Catrin, die trotz ihres vor geraumer Zeit erfolgten Abschlusses an der KTH nicht wirklich um einen Einstieg ins Arbeitsleben bemüht war und stattdessen irgendwie den Laden ohne nennenswertes Budget mit seinem veralteten Equipment am Laufen hielt. Sie verstand da auch keinen Spaß, war wenig flexibel, fast schon peinlich naiv in Sachen Erfolg des ganzen. Jede Konversation endete in langen Vorträgen – aber man muss ihr Respekt dafür zollen, denn ohne sie wäre das Studio schon seit Jahren nur noch Schrott gewesen.

Auch ich blieb dabei, auch wenn die Luft etwas raus war. Wir machten unser eigenes Ding, befolgten die Regeln, wo wir es für sinnvoll hielten – die Werbung in der Mitte der Stunde brachte schließlich ein wenig Geld für den Sender – und ignorierten sie, wo wir es nicht einsahen – insbesondere die Regel, 6 Titel aus der hauseigenen Rotation spielen zu müssen, befolgten wir nur, wenn wir es verpennt hatten, unsere eigenen CDs zu brennen.

Sommer für Sommer: Rekrutieren für das Überleben der Show

Es gelang, im Sommer 2006 einige neue Leute zu rekrutieren. Diejenigen, die blieben, bildeten weiter das Rückgrat der Sendung. Ich machte mehrere Sendungen mit Freunden aus Deutschland, die auch beim SWR arbeiteten und in Stockholm waren. Um mich selbst etwas weiter zu entwickeln, übernahm ich die „Top 20“, die internen Charts der schwedischen Studentenradios, die in der Stunde vor Hello Everybody liefen. Auch das hatte erstaunlich nachhaltige Wirkung: die Crew von Hello Everybody übernahm bis noch in dieses Jahr hinein zeitweise die Top 20.

Für die Sendung zu rekrutieren war nicht einfach, was nicht zuletzt daran lag, dass ich gnadenlos ehrlich war, was Qualität des Programms und Hörerzahlen anging. Von den vielen Interessenten, die kamen, blieben aber immer ein paar. Der Sommer 2008 war außergewöhnlich erfolgreich. Ganz unverhofft hieß es plötzlich, wir könnten die Stunde am Samstag von 20 bis 21 Uhr haben. Wir hatten so viele neue Teammitglieder, dass wir über einige Zeit zwei Sendeplätze füllen konnten. Nach einem Jahr war aber Schluss: Eric zweifelte daran, ob wir weiterhin auch den Samstagstermin haben sollten. Nachdem er die Sendung angeblich angehört hatte, zog er uns den Stecker und uns blieb nur Freitag. Mir kam es wie eine billige Ausrede vor.

Geschenk für die Show: Justin

Im Sommer 2008 stieß auch Justin, ein aus Taiwan stammender Student, zu uns. Er sollte die Show nach und nach übernehmen, als ich mich zunehmend demotiviert und durch den Busfahrerjob auch anderweitig eingespannt langsam zurückzog. Für die Show war er ein Glücksfall. Nicht weil daraus plötzlich eine durchorganisierte durchweg hörenswerte Sendung geworden wäre. Er schaffte es auf bewundernswerte Weise, die Show mit wenigen Neurekrutierungen über Jahre am Laufen zu erhalten.

Eine der letzten Crews: u.a. zu sehen sind Anna und Ali, die über lange Zeit blieben

Das Ende

Ich machte irgendwann im Jahr 2009 eine letzte Sendung und verfolgte deren Geschicke nur noch sporadisch. Am Herzen lag sie mir aber immer irgendwie. Als ich dieses Frühjahr an Freitagabenden einen Kraulschwimmkurs hatte, nutzte ich die Gelegenheit, wieder einmal vorbeizuschauen. Ich war einmal Gast zum Thema „Laufen“ und machte sogar noch einmal eigene Shows. Die letzte war der Versuch, ein Revival zu machen: Constantinos und Mohammed kamen ins Studio. Vaggos musste krankheitsbedingt wegbleiben, und auch bei Remi klappte es leider nicht mit der geplanten Liveschalte per Skype.

Dennoch: ein würdiger Abschluss.

Wir waren ein letztes Mal im Studio vereint, bedienten ungelenk und eingerostet die Regler. Irgendwie passend, dass nicht lange danach die Show auch ihr Ende finden würde. Ich hatte gedacht, dass einen schönen Tages auch der letzte verbliebene Student von dannen ziehen und die Show nach einem Sommer einfach nicht zurückkehren würde.

Doch letzten Endes wurde sie nicht Opfer der widrigen Umstände. Nicht der Exodus der Crew beendete die Show, nicht die unbequemen Rahmenbedingungen von oben. Die Show überlebte den Sender, nicht umgekehrt. Auf der Facebook-Seite heißt es zwar, die Zukunft des Studios sei noch unklar, aber meines Wissen will die Studentenvereinigung ihre Räume zurück, und die Alternative wäre eine Abkehr von UKW und ein noch kleineres Studio.

Die Hello Everybody Show geht nach mindestens 8 Jahren On Air in die ewigen Jagdgründe des Äthers. 33 Jahre THSRadio gehen wohl gleichzeitig zu Ende, fast die Hälfte davon unter dem jetzigen Programmchef. Für die Show ist es der denkbar würdigste Radiosendungstod.

Danke, Hello Everybody, für tolle Jahre, in denen sogar ich einmal „richtiges“ Radio machen durfte. Danke für tolle Leute, für schönen Erlebnisse und spannende Gäste. Ich möchte nichts davon missen.

Die Hello Everybody Show geht diesen Freitag um 22 Uhr zum letzten Mal auf Sendung. Wer es anhören möchte, kann dies in Stockholm auf 95.3 MHz tun. Im Internet kann man es auf thsradio.se oder narradio.se hören. Ich selbst werde voraussichtlich bestenfalls per Telefon dabei sein.