Årsbästa
Gestern stand wieder der Hässelbyloppet an. Traditionell ein Höhepunkt des Jahres ist dieser 10-km-Lauf auf alle Fälle, denn er ist so flach, wie es in der Region Stockholm überhaupt geht, was zumindest Jahresbestzeiten garantiert – das stimmte bei mir bisher bei jeder Teilnahme. Er ist dieses Jahr wieder einmal gewaltig gewachsen, und von den 4000 Angemeldeten kamen 3043 ins Ziel. Ich konnte mit 55:51 eine recht erfreuliche Zeit hereinholen. Weit weg vom theoretischen Maximum, aber besser als erwartet. Das ist aber alles nichts gegen meine beiden Mitstreiter, die jeweils persönliche Bestzeiten herausholen konnten: Glückwunsch!
Wichtiger Ratschlag für künftige Nobelpreisträger
Als anerkanntes Serviceportal habe ich folgenden klugen Rat anzubieten. Wenn man ein international angesehener Wissenschaftler im entsprechenden Bereich und Alter ist, ein paar literarisch bedeutende Werke verfasst oder sich für den Weltfrieden eingesetzt hat, dann sollte man sein Telefon Anfang Oktober immer in der Nähe haben.
Ansonsten kommt nämlich vielleicht so etwas dabei heraus.
In eigener Sache: Werbe-Popups wieder weg
Leider waren in den letzten Woche Werbe-Popups hier zu sehen für alle diejenigen, die zum ersten Mal die Seite besuchen. Da hat mir mein uralter Statistik-Provider wohl etwas untergejubelt. Ab sofort ist die Seite wieder popup-frei und wird es auch bleiben.
Sandhamn
Ich wohne im letzten Vorposten östlich von Stockholm: Gustavsberg – ein Dorf eigentlich, aber mit allem ausgestattet, was eine Stadt braucht. Denn danach kommt nicht mehr viel. Je weiter man sich Richtung Meer bewegt, desto kleiner werden die Siedlungen. Am Ende der Straße liegt Stavsnäs. Nicht der östlichstes Punkt Schwedens, nicht einmal der östlichste Punkt der Region Stockholm. Aber östlich davon kommt nicht mehr viel. Dachte ich zumindest, denn Grinda, Finnhamn usw. sind Inseln, auf denen die Häuser verstreut liegen.
Ganz anders Sandhamn, das ich letzten Sonntag besucht habe. Die Insel, die anscheinend eigentlich Sandön heißt, war dereinst der letzte Hafen vor dem Meer und als solcher seit jeher wichtig. Heute ist daraus ein malerisches Dörfchen entstanden, das man auf einer Insel, die gerade mal 2,5 km lang ist, nicht erwartet. Es könnte aus einem Inga-Lindström-Film stammen. Es gibt eine Dorfbäckerei, einen Kiosk, ein Wärdshus (Restaurant mit Selbstbedienung), einen schon etwas heruntergekommenen Laden und vor allem das Hotel, wo man in der Nebensaison Wellness zu angeblich erträglichen Preisen bekommen kann. Hinter dem Dorf beginnt der Wald, und nur das Rauschen des Meeres von der anderen Seite erinnert daran, dass die Insel so klein ist.
Der Nobelpreis für Chemie und was kaum einem aufzufallen scheint
Dieses Jahr erhält zum ersten Mal seit 1964 eine Frau den Chemienobelpreis. Mit anderen Worten: zum ersten Mal seit 45 Jahren kam die Königliche Wissenschaftsakademie zum Schluss, dass eine Frau zu den Würdigsten gehört, diesen Preis zu erhalten. Das finden anscheinend aber nur die Jerusalem Post und die Washington Post so interessant, dass sie diesem Fakt ein paar Zeilen widmen. Die sonst an Geschlechtergleichheitsthemen interessierte schwedische Presse ergeht sich stattdessen zunächst einmal in Betrachtungen über das Alter der Preisträger. Erst in einem etwas versteckteren Artikel wird das Thema angesprochen, aber dann so:
Frage: Zwei Männer und eine Frau haben den Preis erhalten. Weshalb diese ständige Dominanz der Männer?
Antwort: Ganz im Gegenteil ist das ein voller Durchbruch für Frauen. Wir haben drei Frauen in den wissenschaftlichen Preisen dieses Jahr. Das ist ein Rekord – definitiv eine Trendwende.
Die Fragestellung suggeriert hier, dass ein Verhältnis 2:1 ein Normalzustand bei der Chemie sei, was natürlich nicht der Fall ist.
Ob man von einer Trendwende sprechen kann, sei auch dahingestellt. Bisher haben 16 Frauen den Preis erhalten. Auf Jahrzehnte verteilt sieht das so aus:
- 1900er: 1
- 1910er: 1
- 1920er: 0
- 1930er: 1
- 1940er: 1
- 1950er: 0
- 1960er: 2
- 1970er: 1
- 1980er: 3
- 1990er: 1
- 2000er: 5
Man hätte also schon vor 20 Jahren von einer Trendwende sprechen können, die dann nicht eintrat. Zudem sind in diesem Jahrzehnt 3 der 5 Preise dieses Jahr vergeben wurden. Das ist wohl mehr eine zufällige Häufung.
Dass aus dem geringen Frauenanteil gerne geschlossen wird, Frauen würden benachteiligt, ist rein spekulativ. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dass dies sich ändern muss. Nobels Vorgabe ist nun einmal, dass nur der Würdigste den Preis erhalten soll. Eine Geschlechterquote würde genauso wie eine Nationenquote diesem Ideal widersprechen. Die Akademie kann man für ihren Gleichmut diesbezüglich nur bewundern. Sie bildet mit der bevorzugten Auszeichnung amerikanischer Männer demographisch den Zustand der Wissenschaft vor einigen Jahrzehnten ab. Daher sind Forderungen an die Vergabegremien letzlich an den falschen Adressaten gerichtet. Stattdessen sind Wissenschaft und Gesellschaft heute gefordert, an diesem Zustand etwas zu ändern, damit in einigen Jahrzehnten eine Vergabe an eine Frau keine Besonderheit mehr darstellt.
Nachtrag:auch die Süddeutsche Zeitung erwähnt es am Rande, aber ansonsten ist der Bericht lausig recherchiert. Weder hat Dorothy Crowfoot Hodgkin ihren Preis 1965 erhalten noch wurden deutsche Forscher zuletzt 1988 ausgezeichnet. 1964 und 2007 wären die richtigen Zahlen gewesen.
Warum das mit dem Sozialismus nix wurde
Demokratieimitation
Franz Walter schrieb zur Krise der SPD nun nach der Wahl:
Die Anführer der SPD haben grundsätzlich ihren fatalen, ja entwertenden Umgang mit den eigenen Mitgliedern, Multiplikatoren, Anhängern zu überdenken. […] Entscheidungen werden oben in putschistischer Manier getroffen oder in feudaler Machart dekretiert. Schröder kürte 2004 Müntefering nach Gutsherrenart zu seinem Nachfolger im Parteivorsitz. Eine kleine Clique putschte 2008 den gewählten Anführer Beck weg. Der dadurch zum Kanzlerkandidaten lancierte Politikadministrator Steinmeier wiederum hievte Müntefering per Telefonanruf ein weiteres Mal an die Spitze der Partei. Das in dieser traditionsreichen Partei, die als erste politische Formation überhaupt die Demokratie schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Strukturprinzip des innerorganisatorischen Aufbaus eingeführt hatte, die demokratische Willensbildung so gleichgültig übergangen wird, gehört zu den traurigsten Deformationen in der Ära Schröder-Müntefering-Steinmeier.
Ich wünschte, die SPD-Oberen hätten sich das zu Herzen genommen. Stattdessen kommt das hier heraus: der Parteivorstand bestimmt schlägt vor, dass Sigmar Gabriel Vorsitzender und Andrea Nahles Generalsekretärin werden. Die Delegierten des Parteitags haben das dann gefälligst abzunicken, um die Geschlossenheit der Partei nicht zu gefährden. De facto wählt sich die Führungsriege selbst.
Innerparteiliche Demokratie ist in Deutschland nicht nur in der SPD eine ziemlich armselige Veranstaltung. Wie wäre es mal mit einer Urwahl, Genossen? Warum müssen das irgendwelche doppelt und dreifach indirekt gewählten Delegierte entscheiden?
Herbst
Heute morgen sah ich die ersten freigekratzten Scheiben. Vor wenigen Tagen konnte ich noch kurze Hosen tragen. Dies ist nun auch vorbei. Viele Bäume sind noch grün, aber eine Tendenz Richtung braun ist nicht mehr zu verleugnen.
Der Herbst ist da, ein goldener zwar, aber schon bald wird hier die Nacht dominieren.
Passend dazu habe ich das Herbstdesign für die Seite aktiviert.
Indiana Seitz und der Durchfall des Todes
Heute bin ich ganz hin- und hergerissen zwischen:
- einem bitterbösen Kommentar zur schlechten Wahlbeteiligung bei der wichtigsten Wahl des Jahres, der Kirchenwahl in Schweden. Dort waren nämlich nur 11,8% bei der Wahl.
- einem gewohnt überlangen Beitrag zur gestrigen Wahl. Da waren auch nur rund 60% mehr.
- und einem Gesundheitsepos über meinen Aufenthalt in Frankreich im klassischen Stile meiner Fistel-Dialoge. Siehe Überschrift.
Ich entscheide mich gegen alle drei und sage einfach nur ja:
- zu Heribert Prantl in der Süddeutschen
- zu Johnny Haeusler in Spreeblick, insbesondere für die treffende Analyse der Kommunikationsschwierigkeiten der Parteien mit der Jugend
- zu André Vetter in Basic Thinking, insbesondere für die unausgesprochene Anmerkung, dass dieses Mal die Partei der Nichtwähler erstmals und hoffentlich letztmals die stärkste ist.
- zu Frank Lübberding in WEISSGARNIX, insbesondere wegen der drastischen Forderung nach personeller Erneuerung in der SPD
- zu Franz Walter in SPON, der nicht nur exotische Fremdwörter mag, sondern auch ein paar konstruktive Vorschläge diskutiert.
Auf eine Wiederholung dieses Experiments verzichte ich ebenfalls, denn das Ergebnis hätte vermutlich so ausgesehen.
Gefühlter Zustand der Republik nach gestern abend (Farbe: FDP)
Nach 4 Jahren des Jammerns und des Zeterns sehen wir uns wieder, Potsdamer Platz, 18 Uhr – bringt eure Colts mit. So long (reitet in die Abendsonne)