Mia und ihre Schwestern – Inga Lindström in Hochform

Also mal ernsthaft: für die Verhältnisse von Inga Lindström handelte es sich beim heutigen Herzschmerz-ZDF-Film um hochwertige Kost. Da werden echte Beziehungsprobleme erörtert, anstatt den alten einfach für den einzig richtigen in den Wind zu schießen. Und das, obwohl der Film von 2009 ist, als die Geschichten doch anscheinend noch viel seichter waren als ohnehin schon.

Ja, ich habe es mir einmal wieder angetan: Pseudo-Schwedin Inga Lindström schrieb ein Schmonzette, die in Pseudo-Schweden spielt. Der Film heißt „Mia und ihre Schwestern“ und ist angeblich „nach der gleichnamigen Erzählung“. Das ist natürlich Schmarrn, denn die „Erzählung“ existiert in erster Linie als Drehbuch. Dass daraus auch mal gedruckte Schmöker werden, ist ein Nebenprodukt.

Wie der Titel nahe legt, geht es um Mia und ihre ausgesprochen gut aussehenden zwei Schwestern. Diese haben auch eine Mutter, die passenderweise von Gaby Dohm gespielt wird. Die konnte auch schon früher die starke Mutter spielen, aber das war im Gegensatz hierzu große Fernsehunterhaltung (ich gestehe: da mag ich falsch liegen, denn meine Erinnerungen an die Schwarzwaldklinik sind doch sehr vage).

Jede der vier hat ein mehr oder weniger gravierendes Problem. Die Mutter hat sich im fortgeschrittenen Alter mit dem Klassikmusikproduzenten Franz verlobt, der es wagt, nicht aus Schweden zu kommen, sondern extrem subversiv bei der Konkurrenz in Oslo wohnt. Sie traut sich aber nicht so recht, das ihrer Familie zu sagen. Agneta ist wegen nicht weiter spezifizierten Symptomen bei einem Arzt. Gott allein weiß, wie sie es hinbekommen hat, am Telefon nicht abgewimmelt („Nehmen sie etwas Paracetamol und legen sie sich hin“) zu werden. Der Arzt hat ein unglaubwürdig schickes und großes Büro, das er in dem Fall dazu verwenden darf, Agneta mitzuteilen, dass sie schwanger ist. Das passt ihr so gar nicht, denn mit einem Kind hatte sie angesichts vermuteter Unfruchtbarkeit nicht mehr gerechnet. Sie möchte nicht alleinerziehend sein und der Vater ist verheiratet.

Anna ist die zweite Schwester. Sie ist mit dem unverschämt gut aussehenden Jan verheiratet, der so unschuldig neckisch um seine Schwägerinnen herumscharwenzelt, dass man Böses vermuten müsste, wenn er nicht so ein sympathischer Kerl wäre.

Und dann gibt es da noch Mia, die Fotografin ist und eigentlich schon immer in Jan verliebt. Was zu weiteren Komplikationen führt, da Anna ihren Mann kürzlich betrogen hat. Die beiden haben sich auseinander gelebt, und da kann man auch schon mal die Schwester anschauen, denkt sich Jan – bleibt schließlich in die Familie. Wirklich schlecht kommt dabei aber keiner weg, auch wenn das jetzt erstmal so klingt. Ein Wochenende bei der Mutter sortiert das alles schön.

Den Rest des Herzschmerzes erspare ich dem geneigten Leser: Agneta behält das Kind trotz der Probleme, Anna und Jan trennen sich wegen intensiver Auseinandergelebtheit, und Mia probiert es mit Jan. Die Mutter zieht ganz unverschämt vom Naturidyll in die böse böse Großstadt (in dem Fall ausnahmsweise Oslo), und Agneta will ihr Kind in dem Haus aufziehen. Der Eierkuchen muss dieses Mal wegbleiben, aber alle arrangieren sich am Ende.

Wie gesagt ist alles ganz in Ordnung, wenn man die Maßstäbe entsprechend ansetzt.

Man sehe mir meine Pedanterie nach, aber es ist wieder einmal witzig, wenn man als Einwohner der Region sieht, wie die Örtlichkeiten in vollkommen absurder Anordnung lustig aneinandergebastelt werden, wie schon bei der überschallschnellen Prinzessin geschehen. Das dürfte sogar dem aufmerksamen Stockholmtouristen auffallen.

So wohnt Jan mit Frau und Kind im schicken, neuen und sehr umweltfreundlichen Hammarby Sjöstad, wo sie ihr Auto direkt am Wasser parken. Das kann man durchaus, vorausgesetzt, man ist bereit, ca. 150 € in der Woche für Knöllchen zu zahlen. Von dort aus geht es los zur Kanzlei der Eltern, und in der nächsten Szene fahren sie von Skeppsholmen herunter. Die Familienkutsche muss ein Amphibienfahrzeug sein.

Um das zu illustrieren:

Knifflige Aufgabe: man fahre von Hammarby Sjöstad (rechts unten) nach Blasieholmen und benutze hierzu die Brücke zu Skeppsholmen, und zwar in Richtung Blasieholmen. (Bild: OpenStreetMap, CC-BY-SA 2.5)

Anderes ist hingegen erstaunlich plausibel. So muss man, um zu dem Haus der Mutter zu kommen, erst Drottningholm passieren und dann eine Autofähre nehmen. Eine solche Fähre gibt es sogar, und sie fährt tatsächlich wie im Film behauptet um 8:30 Uhr – soviel Realitätsnähe ist vermutlich Zufall. Das Haus – die Bezeichnung Palast im schlanken 1,5 Mio. Euro-Preissegment trifft es wohl eher – muss daher eigentlich auf der Insel Adelsö stehen. Was hingegen gar nicht dazu passt, ist Mias Ausflug in den „Hafen“. Dieser scheint in Trosa zu sein, was 80 km entfernt ist.

Aber wer will denn über solchen Unsinn nachdenken, wenn Stadt und Land so schön sind?

Die synchronisierten Untreuen von Granlunda

Vielleicht liegt es an meiner nachweislichen handwerklichen Unfähigkeit, aber unter all den Tätigkeiten, die die Heimwerkerei umfasst, ist das eigenhändige Schleifen mit Sandpapier eine derjenigen, die ich am wenigsten mag. Das habe ich nicht mit Jonas Västervik gemein, denn dieser macht sich mit Begeisterung und Hingabe an das Abschleifen einer Stelle an einem alten reparaturbedürftigen Boot. Er ist nicht der einzige unglaubwürdige Charakter des Films.

Ich konnte es einmal wieder nicht lassen und habe mir den Film „Inga Lindström – der Erbe von Granlunda“ nebenbei zu Gemüte geführt, denn meine ganze Aufmerksamkeit wollte ich diesem Machwerk nicht widmen. Dass ich von der Filmreihe nicht viel halte, ist kein Geheimnis. Wenn man aber in der Region wohnt, in dem diese ganzen Schmachtfetzen spielen, dann ist es schon einmal interessant, zu sehen, was denn nun wieder verbrochen wurde. Außerdem: zuletzt war ein beängstigender Aufwärtstrend in der Qualität zu beobachten.

Das war aber wie gesagt zuletzt – „Der Erbe von Granlunda“ stammt aber aus dem Jahr 2008 und wurde als Sommerlückenfüller gezeigt. Dementsprechend kriegt man die alte Leier präsentiert: Jonas ist Tochter von Karin Västervik, ihres Zeichen Tierärztin, anscheinend einer der häufigsten Berufe in diesen Filmen. Diese wiederum ist mit dem Gutsverwalter Paul Eding liiert, der von der Fernsehfilm-Allzweckwaffe Michael Greiling verkörpert wird. Die beiden wollen zusammenziehen. Er sieht nicht schlecht aus, aber irgendwie ist die Kombination für das junge Glück doch etwas seltsam, denn zwischen Simone Heher, die Karin spielt, und Greiling liegt ein Altersunterschied von 24 Jahren.

Die Geschichte an sich ist Makulatur: der Besitzer des Guts, das Eding verwaltet, ist Magnus Hansson. Er hat sich vor vielen Jahren mit seiner Tochter verkracht, und als er stirbt, ist deswegen der Enkel Tomas wenig gewillt, den Hof zu behalten. Dann verliebt er sich aber in Karin, der er „zufällig“ zuvor in Stockholm das Leben gerettet hat. Zudem ist er auch noch ein Mitglied der fremden Spezies „Städter“, der natürlich nicht naturkompatibel ist.

Mir scheint, dieser Plot ist mit leichten Abwandlungen in nahezu jedem Inga-Lindström-Film zum Einsatz gekommen. Immer gibt es irgendwelche persönlichen Zerwürfnisse und das Dilemma eines der Protagonisten, sich zwischen zwei Kopulationspartner entscheiden zu müssen. Immer gibt es gerade zu absurde Zufälle, bei denen sich die Hauptfiguren wiedersehen. Immer ist das idyllische erstrebenswerte Landleben dem hektischen Stadtleben entgegengesetzt.

Letzteres bedient freilich das Bullerbü-Syndrom meisterhaft. Unter den Tisch gekehrt wird freilich, dass es wohl in ganz Europa keine Großstadt geben dürfte, bei der Natur und Stadtleben so nahe beieinander liegen. Stockholm ist nun wahrlich kein Moloch. Solche Zurechtbiegungen sind allerdings auch nichts neues bei diesen Filmen. Man muss immerhin zugeben: der Erbe von Granlunda ist wenig zum Fremdschämen, was man in dem Kontext schonmal als Auszeichnung sehen kann.

Interessant und bemerkenswert finde ich eine andere Sache. Das ZDF ist ein Sender mit Werbung für Granufink und Treppenlifte. Das Publikum ist betagt und wohl auch dementsprechend konservativ. Da verwundert es umso mehr, dass vollkommen wertungsfrei und unbekümmert in den Fernsehfilmen des Senders – nicht nur bei den Lindström-Streifen, wie mir scheint – das Fremdgehen präsentiert wird. Sei es nun die Prinzessin auf der Erbse, die ihren verlobten Prinzen auf der nächstbesten Insel mit einem Landschaftsgärtner betrügt, der Millionär, der sich in die Mutter seiner eigentlich zukünftigen Frau verknallt, oder eben Karin, die sich im Eiltempo verführen lässt. Sinnigerweise ist Tomas sogar Produkt einer solchen Affäre, denn Paul ist sein Vater. Es ist schon merkwürdig, dass Beziehungen so geringen Wert zu haben scheinen, obwohl es in den Filmen um nichts anderes als um die große Liebe geht. Die Filme enden daher auch meist mit dem mehr oder weniger unkomplizierten Zerbrechen der einen Liaison und dem Beginn einer anderen.

Abgesehen davon, dass in dem Film immer gutes Wetter ist und sich deswegen alle ständig draußen aufhalten, gibt es aber noch eine andere Merkwürdigkeit: zahlreiche kleine Rollen wurden nachträglich synchronisiert. Es ist wohl davon auszugehen, dass es sich um Schweden handelt. Das ist eigentlich das Bitterste an diesem Pseudo-Schweden-Kitsch: die Landschaft wird gerne genommen, aber ein Schwede darf in diesen Filmen nichtmal seine eigene Stimme hören.

Trosa

Der Sommer ist da – ich holte mir gestern beim Ausflug prompt einen Sonnenbrand. Ziel war Trosa, eine Stadt am Meer, knapp südlich der Region Stockholm in Sörmland, die sich den etwas seltsamen Slogan „Världens Ände“ („Das Ende der Welt“) angeeignet hat und sogar auf dem Ortsschild präsentiert. Es ist eine typische schwedische Stadt, wenn man Inga-Lindström-Tauglichkeit als Kriterium anlegt. Die Geschäfte sind freilich auf den Tourismus ausgerichtet. Einen Sonntagsausflug kann man aber auf alle Fälle einmal dorthin machen.

Ich mache mir Sorgen

Was ist nur mit Christiane Sadlo alias Inga Lindström los?

Dieser Streifen „Das dunkle Haus“, der da gerade im ZDF läuft, ist nicht halb so schmalztriefend und schwachsinnig wie gewohnt.

Zwar sind die Häuser mal wieder viel zu groß, die Landschaft mal wieder übermäßig schön, die Musik übermächtig und in den Details hapert es wie immermächtig. Selbstverständlich sind wieder allerlei Liebesverwirrungen dabei, und das Ganze wirkt wie ein Knobelspiel, bei dem man herausfinden muss, wer nun mit wem zusammenkommt und wer am Ende übrig bleibt. Aber: keine lächerlichen Namen, keine gravierenden Fehlbesetzungen, keine dummdreist zusammengeschusterte Rahmenhandlung, keine überzogenen Schmierentheaterzufälle. Die Story geht sogar über pure Banalität hinaus.

Das heiß zwar noch lange nicht, dass das alles glaubwürdig ist oder große Filmkunst – aber das muss es bei einem ZDF-Fernsehfilm auch nicht sein. Weder geht es darum, die Goldene Palme zu gewinnen, noch eine quasidokumentarische Darstellung Schwedens zu erreichen. Selten war der Konsum eines Inga-Lindström-Films so wenig von Fremdscham und Brechreiz begleitet.

Frau Sadlo, ich mache mir Sorgen. Geht es Ihnen gut?

Börks

Ich schaue mir gerade heldenmutig den am 5. Dezember im ZDF gelaufenen Film „Inga Lindström – Millionäre küsst man nicht“

Die ersten 10 Minuten enthielten: ein schnöseliger Millionär mit einem gescheiterten Unternehmer als Butler wird heute heiraten. Währenddessen hat die zukünftige Braut einen Streit mit ihrer Mutter, die eine alternativ angehauchte Malerin (mit schickem Häuschen, versteht sich) ist und den turbokapitalistischen Bald-Schwiegersohn noch gar nicht kennt, aber wenig von ihm hält. Die Braut ist auf dem Weg ins Brautmodengeschäft, als sie einen Mann mit Karohemd anfährt, der glücklicherweise unverletzt bleibt. Sie kennt ihn offenbar.

Den Rest der Geschichte (frei von der Leber weg geraten): sie verknallt sich in den Karomann, zweifelt an ihrem Neuehemann, und am Ende schnappt sich die beste Freundin der Braut, die gerade vorkam, den schicken Millionär. Ende.

Ich werde mal austesten, ob ich recht habe. Börks ist übrigens kein schwedisches Wort, könnte aber eines bei Inga Lindström und beschreibt den Laut, den ich machen möchte, wenn ich an das intellektuelle Niveau dieses Schunds denke.

Bester Satz:
1. „Tut mir leid, dass ich dich überfahren hab.“
2. „Was fällt ihnen ein, in meine Beziehung hereinzuplatzen?“

Unglaubwürdigste Szene: der ganze Film, aber v.a.:
1. Die Szene, als die Mutter der Braut den Bräutigam bei einem Geschäftstermin kennenlernt. Anscheinend weiß sie zwar, dass ihr Schwiegersohn in spe Tubrokapitalist ist, aber seinen Namen scheint sie nicht zu kennen.
2. Als die Braut zu ihrem Ex aufs Boot kommt und er ganz begeistert ist, nachdem er ihr kurz vorher gesagt hat, sie solle ihn in Ruhe lassen.

Unglaubwürdigster Charakter: Carin C. Tietze als die Mutter der Braut, der man beim besten Willen nicht abkaufen kann, dass sie eine linksalternative Künstlerin sein soll. Dazu sind aber auch ihre Dialoge zu platt.

Unwahrscheinlichste Szene: der Bräutigam trifft die Schwiegermutter zunächst, als er den vergessenen Brautstrauß abholen will, und dann wieder, als er nackt an einem verlassenen Strand schwimmen geht. Und später nochmal bei einem Geschäftstermin.

Bemerkenswerter Dialog:
Frau: „Sind sie…..“ (stockt)
Mann: „Ihrer Frage fehlt noch ein Adjektiv.“
Frau: „… verletzt.“
Gute Nacht Grammatik. Ich kaufe ein ä und will lösen: Prädikat wäre der richtige Begriff gewesen, von mir aus auch Verb.

Fazit: Anscheinend ist Frau Sadlo gerade auf dem Ende ihres Hochzeits-Trips und hat irgendwo was über Kunstgeschichte und die Ungerechtigkeit in der Welt gelesen. Die Geschichte ist natürlich (wie immer) vollkommen hanebüchen. Ich hatte teilweise recht, denn die Braut (Lina) kriegt natürlich den Karomann (Max), der dafür aber seine Verlobte in den Wind schießt. Die ist damit aber in dem Fall die einzige Unglückliche, denn die Mutter der Braut kommt mit dem Ex-Bräutigams-Millionär zusammen. Und die beste Freundin der Protagonistin ist nun doch mit einem anderen liiert. Das Ganze ist immerhin erträglicher als das letzte Mal, zumal die Geschichte soweit von Schweden losgelöst ist, was das Land zwar wieder mal zu einer Naturkulisse erniedrigt, aber immerhin die Zuschauer nicht permanent für blöd verkauft.

Inga Lindström – Die Prinzessin des Herzens oder wie man Zuschauern ein Nashorn als Elch verkauft

Eine der besten Szenen kommt gleich zu Anfang. Die Hauptfigur – eine Prinzessin, aber dazu später mehr – ist in Stockholm auf der Flucht vor Paparazzi. Sie rennt ihnen davon, und zwar ungefähr auf diesem Weg:


Visa Weg der „Prinzessin“ på en större karta

Neben der offenkundigen geographischen Unsinnigkeit der Szenen ist die Geschwindigkeit beeindruckend: ca. 5,4 km in 45 Filmsekunden – das macht 419 km/h im Schnitt. Eine beachtliche Leistung, das muss man schon sagen. Ich erinnere mich noch genau an den Drehtag, als ich den von der Prinzessin verursachten Überschnallknall vernahm.

Die Flucht gelingt, auch weil sie sich von einem herumstehenden Motorrad einen Helm nimmt. Der Besitzer des Gefährts kehrt aber zurück, ist ausgesprochen gutaussehend und die Prinzessin ist peinlich berührt.

Die meiste Zeit des Films ist es aber eher der Zuschauer, dem das Gezeigte die Schamesröte ins Gesicht treibt. Nicht wegen solcher sehr freien Interpretationen der Stockholmer Geografie wie oben dargestellt. Die Geschichte ist nämlich derart hanebüchen, dass es auch hartgesottenen Rosamunde-Pilcher-erprobten ZDF-Zuschauern reichlich obstrus vorkommen muss.

Weniger rasant, aber mindestens genauso unsinnig: die Handlung

Die Prinzessin heißt Christina, und ist nicht etwa Tochter eines Königs, sondern des Herzogs von Köping, einem Adelsspross aus einer Nebenlinie des Königshauses. Der ist mit Rufus Beck besetzt, der v.a. dank seiner Frisur ungefähr so gut in die Rolle eines schwedischen Aristrokraten passt wie Pete Doherty in die Rolle eines Entzugsklinikchefs. Christina wird in Kürze heiraten, und zwar den schnieken Henrik, seines Zeichens Prinz von Lappland. Und wenn der König von Lappland einmal abdankt oder den Löffel abgibt, dann wird sie Königin vom allseits bekannten Königreich Lappland mit all seinen Rentieren, Elchen, Wölfen, Bären und Rentieren – ach ne, die hatten wir ja schon. Ein Superdeal also, und der Herzog macht ihr deutlich, dass es ja wohl eine Sache des Pflichtbewusstseins sei, diese Ehe einzugehen.

Wenn da nicht Sven wäre, der wiederum Landschaftsarchitekt ist – das sind in dem Film Gärtner, die mit einem Bauplan herumstehen – und das Motorrad besitzt, an dem sich die Prinzessin eines Helms bemächtigt hat. Rein zufällig natürlich begegnen sich die beiden wieder bei der Eröffnung eines Golfclubs, die die Prinzessin durchführen soll. Sie hat ein bisschen Zeit und kommt beim Umherschlendern unter die Sprinkleranlage für den Rasen. Und wie man das eben so macht, bleibt man gleich im Wasser stehen und unterhält sich angeregt. Trocknen kann man schließlich später. Sven ist nämlich ein echter Gentleman und nimmt sie auf dem Motorrad mit zu sich nach Hause. Sein Haus ist – Achtung, jetzt wird es anarchisch – gelb und nicht rot, hat aber einen Kleiderschrank mit Klamotten seiner Schwester, woraus ihre Durchlaucht ein (trockenes) Kleid erhält. Sven ist nämlich Single und in Royal-Sachen ziemlich unbewandert. Deswegen ist ihm auch nicht ganz klar, wen er sich da ins Haus geholt hat. Seinen Schwestern – er hat zwei davon – aber schon, weswegen sie auch prompt einen Take-That-Gedächtniskreischer loslassen.

Es ist immer der Gärtner, pardon, Landschaftsarchitekt

Zur Familie von Sven gehört noch eine bezaubernde Nichte und ein Statist, der Fische durch die Gegend trägt und vermutlich der einzige echte Schwede in der Veranstaltung ist. Deswegen darf er sicherheitshalber nur ein paar Halbsätze sagen, und sogar die wurden auch noch synchronisiert. Die ganze Baggage lernt Christina kennen, als sie das Kleid zurückbringt. Natürlich findet sie Sven höchst charmant, und es kommt, wie es in solchen Filmen kommen muss: die beiden mögen sich ziemlich.

Dumm nur, dass die Gute ja schon kurz vor dem Traualtar steht. Dieser wiederum steht, wie man eingangs bei der Generalprobe sieht, sozusagen unter einem Partyzelt vor dem herzöglichen Landschloss. Der Herzog selbst ist übrigens Witwer und hat eine Affäre mit einer Klatschjournalistin, die den fast schon comichaften Namen Mona Misselholm trägt. Sie verlangt, dass er sich zu ihr bekennt, was er aber noch nicht so recht möchte. Das findet sie tendenziell eher nicht so gut. Es kommt zum Zerwürfnis. Was er nicht weiß: sie ist schwanger.

Derweil geht es auf einer schönen Insel – vermutlich auf dem Mälaren – zwischen Christina und Sven heiß her. Wie das so in Filmen ist, war das bescheidene königliche Boot (ohne Ironie: es ist eine Nussschale) unzureichend betankt und die beiden stranden auf jenem Eiland, weswegen die Durchlauchte das Krankenhaus nicht einweihen kann, das ihre selige Mutter einst auf den Weg brachte. Das gibt mächtig Ärger, als sie zurückkommt: sie muss ohne Abendessen ins Bett, und Henrik zeigt zwar, dass er sie liebt, aber im Grunde doch ein ziemlicher Schnösel ist. Sven ist mächtig deprimiert und beschließt, nach Finnland zu gehen.

Irgendwann hat der Herzog auch noch einen Autounfall, aber das ist nur Vorgeplänkel für den großen Schlussakt: er entdeckt in Monas Handtasche ein Ultraschallfoto. Die Gute ist nämlich schwanger, und zwar in der 12. Woche. Das Kind auf dem Foto ist aber eher in der 36. Woche und macht vermutlich eine Woche nach Geburt seinen Schulabschluss. Aber zurück zum Herzog: der hat Schwierigkeiten, mit Gips am Bein auf die Knie zu gehen, tut es aber trotzdem, denn er will Mona heiraten. Das findet sie tendenziell eher gut und sagt ja. Sie will aber den Artikel über die Sache selbst schreiben. Vielleicht kann sie an dem Artikel weiterschreiben, den sie angefangen hatte, als sie von dem Autounfall erfuhr. Er begann so:

Danpå en, som en sen
Som mycktiga här sides synenetta

Was soviel heißt wie „Das halten wir beim Produktionsteam für Schwedisch.“.

Der nun milde gestimmte Herzog kann letzten Endes akzeptieren, dass Christina den werten Henrik doch nicht mehr heiraten will. Dieser ist ein bisschen geknickt und muss alleine auf dem Elch nach Hause reiten. Christina hingegen ist außerordentlich glücklich, aber Sven ja schon auf dem Weg nach Finnland. Die schnellste Prinzessin der Welt schafft es in bemerkenswerten 30 Minuten, vom Landschloss am Mälaren zum Viking-Line-Terminal auf Södermalm zu fahren, wo Sven sich scheinbar gerade auf das Schiff Mariella (Farbe: rot) begibt, um kurz darauf mit dem Schiff Cinderella (Farbe: weiß) wegzufahren. In Wirklichkeit sitzt er aber an einem Aussichtspunkt und denkt intensivst nach. Da kommt ihm Christina natürlich gerade recht. Friede, Freude, Eierkuchen.

Vergessen wir einmal den ganzen Schmalz dieser Geschichte. Selbst wenn man über die üblichen unplausiblen Darstellungen Schwedens in den Lindström-Filmen hinwegsieht, so erreicht dieses Machwerk eine neue Dimension. Da braucht man gar nicht so sehr ins Detail zu gehen.

Zuschauer für dumm verkaufen

Für Royal-Desinteressierte muss die Darstellung des Adels schon absurd erscheinen. Für Royal-Begeisterte ist es der blanke Hohn.
Nun ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Herzog auch eine Prinzessin hat. Aber nicht in Schweden. Die einzigen Herzöge, die dieses Land heute noch hat, sind die Kinder des Königs. Und selbst wenn es noch Herzöge gäbe, dann bestimmt keinen von Köping – wobei ich immerhin hoch anrechnen muss, dass Köping im Film korrekt als „Schöping“ ausgesprochen wird. Zudem sind Geographienamen in Adelsnamen in Schweden eher ungebräuchlich, soweit ich weiß. Erst recht abstrus wird es, wenn der Umgang mit der Prinzessin dargestellt wird. Der Umgang mit der aus irgendeiner Nebenlinie stammenden Adeligen schwankt zwischen Superstar und vollkommen unbekannt. Alle, die sie kennen, verfallen in eine Untertänigkeit, die man selbst in England nur bei der königlichen Familie selbst zeigen würde. Alle, die sie nicht kennen, sind überrascht, dass die anderen sie kennen. Als Sahnehäubchen macht sie auch noch einen auf Prinzessin auf der Erbse, die sich bei der ihr natürlich vollkommen unbekannten Tätigkeit des Kartoffelschälens nach 100 Millisekunden in die Finger schneidet.

Der Abschuss ist freilich der Prinz von Lappland. Musste es gleich ein Königssohn sein? Ich kann ja noch verstehen, dass man sich mit keinem existierenden Königshaus anlegen wollte, aber dass man ausgerechnet mit Lappland einen der dünnsten besiedelten Landstriche des Kontinents gewählt hat, der zudem auch noch teilweise zu Schweden selbst gehört, ist ein schlechter Witz.

Noch grotesker ist der zentrale Konflikt des Films: die Prinzessin fühlt sich aus Pflichtbewusstsein dazu genötigt, den Spitzenadligen Henrik zu heiraten und nicht den gewöhnlichen Bürgerlichen Sven. Und das wohl gemerkt in einem Jahr, in dem die schwedische Thronfolgerin ihren ehemaligen Fitnesstrainer heiratete!! Das hätte man sich nicht schlechter aussuchen können, zumal dieser Film offenkundig ein Trittbrettfahrer in Sachen Prinzessinnenhochzeit ist.

In diesem Film stimmt also so ziemlich gar nichts – mit dem feinen Unterschied, dass auch diejenigen, die wirklich glaubten, das Ganze habe etwas mit Schweden zu tun, sich gründlich verarscht vorkommen müssen.

Christiane Sadlo, wie Inga Lindström wirklich heißt, hätte besser von royalen Ambitionen die Finger gelassen. Das ewig gleiche Grundthema des idealisierten schwedischen Landlebens mit Holzhäusern und Picknick im Grünen gegenüber der vermeintlich hektischen Stadt, die immer Stockholm, aber nie Göteborg oder Malmö ist, hätte ohne diese an den Haaren herbeigezogenen Adligen erheblich besser funktioniert. Dass sie das Land Schweden verhöhnt, indem sie es zu einer Naturkulisse für Schmachtgeschichten degradiert und dabei ein Kunstprodukt ohne realen Bezug erzeugt, ist schlimm genug. Ihre Zuschauer aber für derart dumm zu halten, dass sie ihr diesen gequirlten Blödsinn abkaufen, ist armselig.

Söderköping und Ekenäs Slott

Es ist eine bedauerliche Tatsache, dass die Motivation, Schweden zu erkunden, bei mir seit meinem Umzug hierher erheblich abgenommen hat. Wenn man in Deutschland lebt, ist der Schwarzwald schließlich auch nicht so spannend.

Ab und zu kommt es aber doch vor. Letztes Wochenende warem wir in dem schmucken Städtchen Söderköping, das eine gute Kulisse für einen Film von Inga Lindström abgeben würde. Am Göta-Kanal gibt es dort auch das „Glassrestaurang Smultronstället„, das ausschließlich Eis auf der Karte stehen und nur von Mai bis Ende August geöffnet hat. Wir haben uns aber nur etwas mitgenommen, denn es ist so beliebt, dass man für einen Platz anstehen muss.

Im Umland der Stadt ist das alte gräfliche Schloss Ekenäs – auch einen Besuch wert, finde ich.

Auf der anderen Seite des Zauns

Ein Deutscher, der in Schweden lebt, schreibt natürlich über die Schweden, den Blick der Schweden auf Deutsche, den Blick der Deutschen auf Schweden und den Blick beider auf jeden und überhaupt und sowieso.

Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ich mich mit diesem Thema auseinandersetze.

Dennoch gibt es noch einige weitere interessante Fundstücke, die ich hier präsentieren möchte:.

  • Besonderen Eindruck hat irgendwie dieses Buch von Sandra Eichinger (inkl. umfänglicher Leseprobe) (hier auch mit Leseprobe der ersten Seiten) auf mich gemacht – besonders ja, aber deswegen nicht unbedingt gut.
    Ich habe mir das Buch nur anhand der Onlinequellen durchgeschmökert und wenig Lust, es käuflich zu erwerben. Der Ansatz dieses Werks erscheint mir nämlich höchst suspekt. Schon der Klappentext verrät, dass das Ganze „subjektiv geprägt“ ist, was gepaart mit dem Ansinnen, „untersuchen“ zu wollen, „welchen Realitäten sich der ausgewanderte Deutsche gegenüber sieht“, schon einmal die Frage aufwirft, ob eine subjektive Untersuchung irgendein objektives Ergebnis erbringen kann. Daran ist aber noch nichts schlimmes, zumal ich hier ja auch subjektiv gefärbt über dieses Land schreibe. Wo es anmaßend und bigott wird, ist, wenn im letzten Kapital „Rückwanderung nach Deutschland“ stellvertretend für „den Deutschen“ festgestellt werden muss, warum dieser zurückwandert – trotz des Fakts, dass Deutsche die sechstgrößte schwedische Einwanderergruppe sind. Geradezu entlarvend ist dieser Satz:

    Was soll man in einem Land, mit dessen Menschen man nicht wirklich vertraut wird, und für deren Verhalten man kein Verständnis entwickeln kann, da man selbst so anders ist?

    Ja, wie unverschämt doch alle sind, anders zu sein als wir, und dann noch so anders, dass wir sie gar nicht verstehen können. Wie kann ein Land so dreist sein, sich nicht voll auf deutsche Befindlichkeiten anzupassen?

    Das Fragezeichen im Titel scheint in Wirklichkeit ein Ausrufezeichen zu sein.
    Das Buch mag in einigen Teilen gut recherchiert sein, aber es ist mitnichten eine „Untersuchung“. Da werden Einzeläußerungen mit Nebensächlichkeiten versponnen, was den Verdacht, es handele sich um mehr als nur Meinung, schon ziemlich zerstreut.
    Es ist eine Abrechnung mit einem Land, in dem man nicht klargekommen ist und dem man deswegen die Schuld am eigenen Scheitern gibt. Die Verbitterung hat offenkundig ausgereicht, ein Buch zu schreiben und es auf eigene Kosten im Selbstverlag herauszubringen.

    Der geneigte Leser kann sich das Machwerk ja einmal ansehen – weite Teile sind schließlich online – und sich eine Meinung bilden. Ich würde sie gerne in den Kommentaren lesen.

  • Zaunseitenwechsel: diesen schon etwas älteren Blogeintrag zu den Inga-Lindström-Filmen habe ich gefunden. Ein Schwede äußert seine Gedanken zu einem der Filme – sehr interessant, aber man muss leider schwedisch können.

    Hier aber ein paar Highlights:

    Die Fotografie und die Ästhetik sind die eines Reklamefilms.[…] In jedem Fall wartet man die ganze Zeit darauf, dass jemand die stilvolle Umgebung […] kommentiert. […] Unsere Heldin […] betreibt ein Käsegeschäft in Stockholm, wo sie Besuch von einem Mann […] bekommt, der erzählt, dass er Elchwurst herstellt und sich fragt, ob die Heldin nicht vielleicht interessiert ist, diese in ihr Sortiment zu nehmen. […] Sie essen in einem Fischrestaurant […] und sind sich einig, für ein paar Urlaubstage in der Nähe ein Haus zu mieten […]. Sie fahren um die Ecke, um zu dem Haus zu kommen und finden sich direkt in den Schären von Söderköping, wo es ihnen gefällt. […] Es erweist sich natürlich, dass der Elchwurstfabrikant einen Garten mit einem kleinen Elchgehege hat. Ich glaube, man sieht mich mehr als vier Elche darin […] Wenn sie den Käse exklusiv nennen, ist das eine Untertreibung. […] Lasst uns übrigens eine Sache klar machen, bevor wir das ganze deutsche Volk zu Idioten erkären: soweit ich das verstehe, ist es keine Unmöglichkeit, Käse aus Elchmilch zu machen.

    Ich musste einige Male lachen beim Lesen.

  • Kurz über den Zaun gesprungen: angeblich scheint es in Schweden weit verbreitet zu sein, dass die Deutschen „allgemein, immer und überall“ von den „dummen Schweden“ sprechen. Wie dieses Blog darlegt, basiert das aber nur auf einer Satire aus dem Jahr 1864. Mir ist dies bislang aber noch nie untergekommen.
  • Und nochmal drüber: Linda Karlsson lebt seit 2001 in Deutschland und bloggt auf schwedisch über ihr leben dort. Inga Lindström hat sie auch schon in einem Beitrag behandelt. Auf alle Fälle einen Blick wert.

Nachtrag

Die angesprochene Kobra-Sendung gibt es auch im Netz zum Anschauen: hier. Man braucht allerdings einen Real Player.

Interessant sind einige Aussagen und Fakten:

  • In Deutschland gibt es 200 Schulen, die nach Astrid Lindgren benannt sind, in Schweden nur eine.
  • Über 10 Plätze in Deutschland sind nach Olof Palme benannt, in Schweden jedoch nur 2.
  • Der „Scenograf“ (keine Ahnung, was das auf deutsch ist) der Lindström-Filme gibt unumwunden zu, dass sie hier ein deutsches Produkt verkaufen und dass die Schweden allesamt dargestellt werden, als hätten sie mindestens zwei Pferde und ein wunderschönes Haus.
  • Ein weiterer Macher sagt, dass man das in Schweden macht, weil es das Bedürfnis nach heiler Welt befriedigt und das Image Schwedens durchweg gut sei in Deutschland. Dazu gibt die Landschaft mehr her als in Dänemark. Außerdem habe man schon versucht, solche Filme in Italien spielen zu lassen, aber es sei vollkommen unglaubwürdig gewesen, dass die Rollen von deutschen Schauspielern gespielt werden. Kommentar dazu vom Sprecher aus dem Off: „Mit Schweden kann man es wohl machen.“