Urlaubstipp für den ambitionierten Hobbybäcker

Die Urlaubszeit geht ihrem Ende zu. Heute morgen durfte ich zum ersten Mal seit Juni am Eingang der U-Bahn anstehen. Daher ist es eigentlich für diesen Urlaubstipp schon zu spät, aber vielleicht etwas für nächstes Jahr.

Schon manche Male habe ich es hier beklagt: was in Schweden nicht so recht passt, ist das Brot. Es ist süßlich, weich, viel zu luftig, und die Auswahl ist sehr begrenzt.

Daher zeigte ich auch gerne jene Sauerteigbrotkarte, die alle Verkaufsstellen für „besseres“ Brot aufzulisten versucht.

Manch einer bäckt aber gerne das Brot mit dem selbst gepflegten Sauerteig. Dem widerstrebt aber eines ganz massiv: der lange schwedische Sommerurlaub. Der Sauerteig kann ja schlecht mit nach Thailand. Bäcker Markus Lundqvist und die Bäckerei Urban Deli haben die Lösung gefunden: ein Sommerhotel für den Teig.

Sie übernehmen für 200 Kronen pro Woche den Teig und pflegen ihn aufs beste – da wird er mal richtig durchgeknetet, kann Cocktails trinken und am hoteleigenen Pool ausspannen. Der Urlaub 2012 ist also gerettet.

[Danke an Jan für den Tipp]

Das radioaktive Orchester

Manchmal erfährt man über 5 Ecken, was neben einem passiert. Die Kollegen von der KTH haben ein sehr interessantes Projekt gestartet: die Energien von Gamma-Zerfällen in Musik umwandeln. Der Musiker, mit dem sie das zusammen entwickelt haben, will daraus sogar echte Stücke machen.

Für den Moment gibt es aber schon einmal ein sehr schickes Präsentationsvideo (schwedisch mit englischen Untertiteln):

Und natürlich kann man auch selbst ein paar radioaktive Isotope nehmen und das Ganze klimpern lassen, nämlich auf der Webseite von The Radioactive Orchestra.

Eine lustige Sache, zumal Kooperationen zwischen Kunst und Naturwissenschaft nicht übermäßig oft vorkommen, und nebenbei auch der pädagogische Zweck verfolgt, zu erklären, dass es tatsächlich natürliche Radioaktivität gibt.

Bo Cederwall sitzt interessanterweise nur einen Korridor unter mir, und fast hätte ich einmal einen Kurs bei ihm gemacht. Vielleicht werde ich meinen Enkeln einmal erzählen müssen, dass ich einen Kurs bei einem der bedeutendsten Musiker des 21. Jahrhunderts geschmissen habe.

[via Geeks are Sexy]

Der Bus war es (wahrscheinlich) nicht

Gute 6 Wochen nachdem ein Bus bei Slussen auf einen belebten Platz gerast ist und einige Menschen verletzt hat, ist der technische Bericht der Polizei erschienen. Das ist jetzt zwar auch schon drei Tage her, aber ich wollte es noch nachreichen.

Der Befund ist recht simpel: keine relevanten Sicherheitsmängel konnten an dem 15 Jahre alten Bus gefunden werden. Meine leise Vermutung, dass es nicht der zunächst vielgescholtene und mit seinen 15 Jahren vermeintlich viel zu alte Bus war, sondern leider die Busfahrerin, ist damit erheblich wahrscheinlicher geworden.

Leider deswegen, weil man natürlich niemandem wünscht, so einen Fehler zu machen – immerhin hätte mir auch ein Fehler mit tragischen Konsequenzen jederzeit passieren können. Wenn aber Lenkung und Bremsen versagt haben sollen, der Bus jedoch einwandfrei war, dann kann es eigentlich nur menschliches Versagen gewesen sein.

Die synchronisierten Untreuen von Granlunda

Vielleicht liegt es an meiner nachweislichen handwerklichen Unfähigkeit, aber unter all den Tätigkeiten, die die Heimwerkerei umfasst, ist das eigenhändige Schleifen mit Sandpapier eine derjenigen, die ich am wenigsten mag. Das habe ich nicht mit Jonas Västervik gemein, denn dieser macht sich mit Begeisterung und Hingabe an das Abschleifen einer Stelle an einem alten reparaturbedürftigen Boot. Er ist nicht der einzige unglaubwürdige Charakter des Films.

Ich konnte es einmal wieder nicht lassen und habe mir den Film „Inga Lindström – der Erbe von Granlunda“ nebenbei zu Gemüte geführt, denn meine ganze Aufmerksamkeit wollte ich diesem Machwerk nicht widmen. Dass ich von der Filmreihe nicht viel halte, ist kein Geheimnis. Wenn man aber in der Region wohnt, in dem diese ganzen Schmachtfetzen spielen, dann ist es schon einmal interessant, zu sehen, was denn nun wieder verbrochen wurde. Außerdem: zuletzt war ein beängstigender Aufwärtstrend in der Qualität zu beobachten.

Das war aber wie gesagt zuletzt – „Der Erbe von Granlunda“ stammt aber aus dem Jahr 2008 und wurde als Sommerlückenfüller gezeigt. Dementsprechend kriegt man die alte Leier präsentiert: Jonas ist Tochter von Karin Västervik, ihres Zeichen Tierärztin, anscheinend einer der häufigsten Berufe in diesen Filmen. Diese wiederum ist mit dem Gutsverwalter Paul Eding liiert, der von der Fernsehfilm-Allzweckwaffe Michael Greiling verkörpert wird. Die beiden wollen zusammenziehen. Er sieht nicht schlecht aus, aber irgendwie ist die Kombination für das junge Glück doch etwas seltsam, denn zwischen Simone Heher, die Karin spielt, und Greiling liegt ein Altersunterschied von 24 Jahren.

Die Geschichte an sich ist Makulatur: der Besitzer des Guts, das Eding verwaltet, ist Magnus Hansson. Er hat sich vor vielen Jahren mit seiner Tochter verkracht, und als er stirbt, ist deswegen der Enkel Tomas wenig gewillt, den Hof zu behalten. Dann verliebt er sich aber in Karin, der er „zufällig“ zuvor in Stockholm das Leben gerettet hat. Zudem ist er auch noch ein Mitglied der fremden Spezies „Städter“, der natürlich nicht naturkompatibel ist.

Mir scheint, dieser Plot ist mit leichten Abwandlungen in nahezu jedem Inga-Lindström-Film zum Einsatz gekommen. Immer gibt es irgendwelche persönlichen Zerwürfnisse und das Dilemma eines der Protagonisten, sich zwischen zwei Kopulationspartner entscheiden zu müssen. Immer gibt es gerade zu absurde Zufälle, bei denen sich die Hauptfiguren wiedersehen. Immer ist das idyllische erstrebenswerte Landleben dem hektischen Stadtleben entgegengesetzt.

Letzteres bedient freilich das Bullerbü-Syndrom meisterhaft. Unter den Tisch gekehrt wird freilich, dass es wohl in ganz Europa keine Großstadt geben dürfte, bei der Natur und Stadtleben so nahe beieinander liegen. Stockholm ist nun wahrlich kein Moloch. Solche Zurechtbiegungen sind allerdings auch nichts neues bei diesen Filmen. Man muss immerhin zugeben: der Erbe von Granlunda ist wenig zum Fremdschämen, was man in dem Kontext schonmal als Auszeichnung sehen kann.

Interessant und bemerkenswert finde ich eine andere Sache. Das ZDF ist ein Sender mit Werbung für Granufink und Treppenlifte. Das Publikum ist betagt und wohl auch dementsprechend konservativ. Da verwundert es umso mehr, dass vollkommen wertungsfrei und unbekümmert in den Fernsehfilmen des Senders – nicht nur bei den Lindström-Streifen, wie mir scheint – das Fremdgehen präsentiert wird. Sei es nun die Prinzessin auf der Erbse, die ihren verlobten Prinzen auf der nächstbesten Insel mit einem Landschaftsgärtner betrügt, der Millionär, der sich in die Mutter seiner eigentlich zukünftigen Frau verknallt, oder eben Karin, die sich im Eiltempo verführen lässt. Sinnigerweise ist Tomas sogar Produkt einer solchen Affäre, denn Paul ist sein Vater. Es ist schon merkwürdig, dass Beziehungen so geringen Wert zu haben scheinen, obwohl es in den Filmen um nichts anderes als um die große Liebe geht. Die Filme enden daher auch meist mit dem mehr oder weniger unkomplizierten Zerbrechen der einen Liaison und dem Beginn einer anderen.

Abgesehen davon, dass in dem Film immer gutes Wetter ist und sich deswegen alle ständig draußen aufhalten, gibt es aber noch eine andere Merkwürdigkeit: zahlreiche kleine Rollen wurden nachträglich synchronisiert. Es ist wohl davon auszugehen, dass es sich um Schweden handelt. Das ist eigentlich das Bitterste an diesem Pseudo-Schweden-Kitsch: die Landschaft wird gerne genommen, aber ein Schwede darf in diesen Filmen nichtmal seine eigene Stimme hören.

Die Philanthropen vom Media Markt

Anzeige von Media Markt: tut uns leid um Onoff, aber wir wollen nichts böses.

Ich habe es nicht erwähnt, weil allerorten zu finden: Onoff, eine der größten schwedischen Heimelektronikketten, ist in Konkurs gegangen. Der Grund ist der harte Preisdruck, der durch die anderen beiden großen im Markt, Elgiganten und Media Markt, entstanden ist.

Das hat mich etwas überrascht, denn Onoff war relativ günstig und hatte eine gute Auswahl, was man z.B. von Siba nicht behaupten kann. Media Markt ist freilich der Buhmann bei der Geschichte, denn erst sie mit ihrer dümmlichen Werbeoffensive haben den Markt umgekrempelt.

Überraschenderweise fühlen sie sich bemüßigt, sich zu rechtfertigen. Heute morgen war obige Anzeige in der Zeitung.

Vor kurzem hat Onoff mitgeteilt, dass man die Firma in Konkurs gehen lässt. Als ein wichtiger Grund wird die harte Konkurrenz in der Heimelektronikbranche angegenen, die erheblich härter geworden ist, seit Media Markt nach Schweden gekommen ist und die Preise […] nach unten gezwungen hat. Das Ergebnis ist, dass Schweden heute zu den billigsten Ländern in Europa im Einkauf von Heimelektronik gehört. Das ist zum Vorteil der Verbraucher […]. Wir bedauern jedoch, dass Onoff in Konkurs gehen musste und wollen helfen, die Folgen für Kunden und Angestellte so gering wie möglich zu halten.

Media Markt kann Ihnen mit Garantiefällen helfen. Auch wenn Sie bei Onoff gekauft haben.

[…] Wir bieten eine kostenlose Abwicklung von Garantiefällen durch unser Servicesystem an, so dass Sie den Hersteller nicht selbst aufsuchen müssen. […]

Wir wachsen rasend schnell. Vielleicht wollen Sie bei uns arbeiten?

Seit Media Markt im Jahr 2006 nach Schweden kam, sind wir in fünf Jahren von 0 auf 20 Filialen gewachsen. Bis Ende des Jahres werden wir 4 weitere Filialen in Schweden eröffnen. Wir werden natürlich fähige und nette Menschen […] brauchen. Arbeiten Sie heute bei Onoff und gefällt es Ihnen in dieser dynamischen Branche […], dann sollten Sie vielleicht von Sich hören lassen. Schicken Sie gerne Ihre Bewerbung über mediamarkt.se.

Gut zu wissen

Media Markt hat ein größeres Sortiment und etwas mehr Personal als in der Branche üblich […] Wir möchten den Kunden geben, was sie brauchen und wünschen, nicht was wir loswerden wollen. Ein überzeugter Kunde kommt wieder, ein überredeter Kunde tut das nicht.

Media Markt

Die Botschaft höre ich wohl, alleine fehlt mir ein bisschen der Glaube. Eine Firma, die agressives und den Intellekt beleidigendes Marketing zu ihrer Unternehmensphilosophie gemacht hat, kann sich nachher nicht als Unschuldslamm hinstellen. Eine internationale Kette wie Media Markt kann in einem Land jahrelang ohne Risiko für das Gesamtunternehmen an der Dumping-Grenze wirtschaften. Es ging von Anfang an darum, mit möglichst viel Krawall die Leute anzulocken und sich einen fetten Marktanteil abzugreifen, bis die kleineren Marktteilnehmer die Segel streichen und nur noch ein Oligopol übrig ist.

Man kann einem Löwen nicht vorhalten, dass er Zebras frisst. Aber deswegen muss man ihm noch lange abkaufen, dass das alles ein Versehen ist und er alle lieb hat.

Schussfahrt

Momentan sitze ich in einem Labor in Frankreich. Die Messung läuft, aber zu großen Taten fühle ich mich nicht in der Lage. Bevor es jedoch zu lange auf Halde liegt, will ich ein paar Fotos vom Wochenende loswerden.

Sie sind von der Red Bull Lådbilsrally, also dem Red-Bull-Seifenkistenrennen. Die Veranstaltung ist ein bisschen wie das dazugehörige Getränk: vollkommen unnötig und der Gesundheit nicht zuträglich.

Aber trotzdem irgendwie lustig. Interessant ist, dass es nur für die ersten drei Preise gab und trotzdem 45 Teams für eine derartige Kommerzveranstaltung anreisten. Noch überraschender war, dass die Konstruktionen zumeist nur sehr bedingt tauglich waren und die Teilnehmer immer wieder denselben Fehler machten: nach einem steilen Anfang und einer sehr engen Kurve galt es, eine lange Gerade mit nur wenig Gefälle zu überstehen. Bei der Kurve trennte sich die Spreu vom Weizen, und wer das überlebt hatte, schaffte es auch noch passabel bis zur halben Strecke. Bei der zweiten Hälfte brachen aber die meisten massiv ein.

Zwar ging auch die kreative Gestaltung und Ausführung in die Wertung ein, aber damit macht man eben eine Minute Rückstand auch nicht mehr gut. Letzten Endes gewannen die „Men in Black“, die beinahe die schnellsten waren, aber dann bei der Kreativität punkteten.

Die USA sind Schweden sein Mexiko

Amerikas bestes Nachrichtenmagazin, The Daily Show, kennt sich mit Schweden aus, wie wir in der Vergangenheit schon erfahren durften. Nun zieht eine IKEA-Fabrik in den USA den Unmut auf sich. Korrespondent Jason Jones hat sich an das Thema herangewagt und kommt zu interessanten Feststellungen:

Die Nummer Tausend und ein neues Projekt zur Wohnungssuche in Stockholm

Eigentlich sollte Beitrag Nr. 1000 einer über den dahinsiechenden Automobilhersteller SAAB werden, der nun nach einer vorläufigen Rettung vor 1,5 Jahren mittlerweile finanziell derart schlecht da steht, dass sogar Griechenland im Vergleich ganz gut aussieht. Da es aber noch Hoffnung gibt und den Arbeitern in Trollhättan zu wünschen ist, dass es doch noch klappt, verzichte ich auf derart Abgesänge und begehe den Tausendsten mit einem ambitionierten Projekt:

Das Stockholm Accommodation Wiki

Es wäre falsch, zu sagen, es wäre eine Geburt aus dieser Webseite heraus. Vielmehr wurde mir neulich bei einer Sitzung der Doktoranden wieder einmal vor Augen geführt, dass die Probleme bei der Wohnungssuche oft direkt an einen Informationsmangel gekoppelt sind. Viele verzweifelte Ankömmlinge müssen sich immer wieder neu ihre Informationen zusammenklauben. Der Auswandererguide soll hier zwar etwas Abhilfe schaffen, und er ist auch nicht schlecht besucht, aber die langen Texte sind schwere Kost. Die wenigsten kämpfen sich dort komplett durch. Es kann trotzdem niemals alles abgedeckt werden und auch die Aktualität ist ein Problem.

Daher diese Wikigründung auf englisch in der Hoffnung, eine breitere Schicht anzusprechen und eine Dynamik zu erzeugen, die Informationslücken füllt. Neben einer Erklärung des Systems und zahlreichen Links soll letzten Endes auch jede Wohngegend in der Region etwas charakterisiert werden, damit man weiß, was man sich darunter vorzustellen hat. Das kann einer alleine niemals leisten, und das Wiki soll genau dieses Dilemma beheben und eine wertvolle Hilfe für alle, die nach Stockholm wollen, sein.

Ein Unterschied zum Auswandererguide ist übrigens auch, dass jeder Anspruch, ganz Schweden zu berücksichtigen, über Bord ging. Das Wiki ist ausschließlich für die Region Stockholm gedacht.

In diesem Sinne: ich hoffe auf Mitarbeit und begebe mich in die zweiten Tausend.

Deutschland-Kanada und ein ganz außergewöhnliches Public Viewing

Nachdem das Goethe-Institut letztes Jahr eine Serie von Public-Viewings in seinen Räumen in der Stockholmer Innenstadt abhielt, hatte ich gehofft, dieses Jahr würde es wieder so etwas geben. Tut es, und zwar etwas anderes als erwartet. Nachdem die deutsche Botschaft letztes Jahr schon engagiert involviert war, ließ man es dieses Mal richtig krachen und veranstaltete ein Fest auf dem Botschaftsgelände.

Rustikales Essen war angekündigt – aber hallo!

Man musste sich voranmelden, wodurch einige leider nicht mehr mitkommen konnten. Die Warteschlange war wegen der Identitätskontrolle und anschließendem Sicherheitscheck auch recht lang, aber es ging zügig.
Das Fest konnte sich mehr als sehen lassen. Man hatte ein Zelt und Festbänke aufgebaut. Wer keinen Platz mehr bekam, konnte sich auf die Wiese setzen. Die Leinwand war nicht irgendeine weiße Fläche, die mit dem Beamer bestrahlt wurde, sondern eine selbstleuchtende, wie sie bei Großveranstaltungen eingesetzt wird.
Das kostenlose (!) kulinarische Angebot bestand aus Würsten, Kartoffelsalat, Salat und echten Laugenbrezeln (wow!). Dazu gab es Bier und nichtalkoholische Getränke. Bei der Auswahl und den Preisen konnte man auch mehr als nur darüber hinwegsehen, dass aus nicht ganz ersichtlichen Gründen die Warteschlange kaum in Bewegung geriet.
Dass das alles nichts kostete und dass es sogar Bier gab, ist wohl etwas den rechtlichen Umständen geschuldet. Auf dem Botschaftsgelände gilt schließlich kein schwedisches Recht, so dass man Alkohol auch einfach so im Freien ausschenken kann, und weil die Botschaft keine Steuern bezahlt, wäre ein Verkauf wohl schwierig abzurechnen gewesen. Einen Dank ans Auswärtige Amt an dieser Stelle.

Ein Blick auf die Botschaft

Ich war kürzlich zwar schon einmal in der neuen alten Botschaft, aber jetzt konnte ich mir das Gebäude auch mal von allen Seiten anschauen. Zur Erklärung: seit ca. 2007, als ich meinen ersten Pass in Schweden beantragte, saß die Botschaft in einem behelfsmäßigen Übergangsbau in der Artillerigatan, weil das eigentliche Gebäude renoviert wurde. Letzteres war schon seit 1960 der Botschaft gewesen, schön gelegen in der Diplomatstaden (Diplomatenstadt), in der Skarpögatan, nicht weit von den Botschaften Finnlands, Japans, Großbritanniens, Norwegen, der Vereinigten Staaten und der Türkei entfernt. Das Gebäude ist nicht gerade schön, wie man es eben in der damaligen Zeit baute. Es ist aber zeitgeschichtlich interessant, da sich dort im Jahr 1975 die tragische Geiselnahme von Stockholm durch die RAF ereignete. Wer einen Vergleich mit den Bildern oben machen will, kann sich die Originalbilder von damals anschauen: in diesem Video sieht man ab 1:31 Minuten die Explosion, und ab 2:55 sieht man einen Brand in den Fenstern, die in dem etwas verunglücktem Panoramabild wohl die ganz rechts oben sind – das Gebäude des schwedischen Fernsehens ist nämlich in direkter Nähe, weswegen es nicht schwer gewesen sein dürfte, von dort aus mitzufilmen.
Im Herbst 2010 zog man zurück in die erneuerten Räume. Eine offenkundige Änderung ist, dass man nun durch eine vergleichsweise aufwändige Sicherheitsschleuse aufs Gelände musste. Nach der Begrüßung kommt man natürlich nicht mehr auf die Idee, einen Blick in den Garten zu werfen.

Der ist, wie das Gebäude selbst, recht gelungen und eignet sich durch sein Gefälle geradezu perfekt für eine Vorführung. Schön, dass er zu dieser Gelegenheit zu einer unerwarteten Verwendung kommt, denn wie Botschafter Rücker offen bekannte, war er zunächst etwas skeptisch. Er gab aber auch zu, dass er nun sehr begeistert war. Es ist wohl davon auszugehen, dass der Garten der Botschaft im Allgemeinen eher zu dekorativen Zwecken dient und ansonsten kaum genutzt wird. Ich hoffe, es wird vielleicht zum Finale noch einmal so ein Fest geben. Bis dahin hat anscheinend das Goethe-Institut vor, die Spiele in seinen Räumlichkeiten zu zeigen.

Das ewige Dilemma beim Frauenfußball

Ach ja, das Spiel. Alles, was derzeit über die Fußball-WM so geschrieben wird, spricht irgendwo für sich. Die mediale Aufmerksamkeit hat zum Glück gewaltig zugenommen, und das muss man positiv sehen. Jedoch bleibt bei all dem immer noch ein Unterton, dass Frauen auch Fußball spielen können – als wäre das irgendwo eine unerwartete Feststellung, die man noch einmal mitteilen müsste. Auch ich, der sich für das Thema ein bisschen mehr interessiert, gebe gerne zu, dass Frauenfußball in Teilen immer noch eigenwillig ist. Es fallen immer noch zuviel Tore, was dem Spiel Fußball seine Spannung nimmt, denn gerade die wenigen Toren machen es so interessiert. So wird es auch bei dieser WM sicher den einen oder anderen haushohen Sieg geben, weil manchmal eben doch Kreisliga auf Bundesliga trifft. Echte Gleichstellung wird sich aber nicht erst mit gleicher Leistungsdichte ergeben, sondern ist erst dann erreicht, wenn die „normale“ Fußball-WM „FIFA Men’s World Cup“ heißt und die Frauen-WM nicht mehr die Quoten-Exoten-Veranstaltung mit bedingter Relevanz darstellt.

Am Eröffnungsspiel war jedenfalls wenig auszusetzen. Man sah keine gnadenlos unterlegene Mannschaft, die sich der deutschen Übermacht innerhalb kürzester Zeit beugen musste, sondern ein passables Gruppenspiel mit spannenden Momenten. Das ist für mich das wirklich beruhigende an diesem Turnier: dass nicht schon von vorneherein klar ist, wer gewinnt.

PS: Wer sich wundert, was das für ein Schiff ist, dass da scheinbar im Feld liegt: Es handelt sich um die „Crystal Serenity“, ein nicht ganz unschickes Kreuzfahrtschiff. Von diesen Schiffen wimmelt es in Stockholm im Sommer nur so. Hinzu kommen gelegentliche Besuche von Marineschiffen aus aller Welt, und die überdimensionierten Yachten von Leuten, die tragischerweise an einem Geldüberfluss leiden. Tragisch bzw. traurig finde ich daran aber eher, dass die ganzen Symbole der Dekadenz, ob nun Kreuzfahrtschiff oder Privatyacht, mit ganz wenigen Ausnahmen – erstaunlicherweise fast nur Italiener – alle in Billigflaggenländern registriert sind. So ist die „Vive La Vie“, die derzeit an dem Kai liegt, an dem ich täglich vorbeikomme, auf den Kaimaninseln gemeldet. Die Crystal Serenity jedoch liegt im Trend mit den allermeisten Schiffen, die in Stockholm fest machen: sie ist auf den Bahamas registriert und führt wohl stolz die dortige Hauptstadt Nassau als ihren Heimathafen.
Mit selbiger Flagge habe ich vergangenes Jahr ein Schiff des SPD-Reiseservice gesehen. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, finde ich das schon etwas schäbig, dass selbst Reiseveranstalter mit politischer Ankopplung diesen Steuerentzug noch unterstützen.

PPS: eine Mitteilung an die ARD: Untertitel für Hörgeschädigte bei Fußballspielen sind die größte Schnapsidee seit langem, v.a. wenn man einen orthographisch und grammatikalisch eher mittelmäßig begabten Autor daran setzt. Die meisten Texte waren ohne Relevanz oder kamen viel zu spät. Das kann man sich echt sparen.

Gute und schlechte Ideen

Ein Fahrkartenautomat, wie sie nun verschwinden.

Eine Schnapsidee wurde neulich ziemlich beiläufig beerdigt.

Stockholm sieht sich ja gerne als hochmoderne Großstadt. Eine Erfindung hat es über nur mit deutlicher Verspätung hierher geschafft: der Fahrkartenautomat. Das ist nicht weiter schlimm, wenn an keine braucht, aber durchaus, wenn doch.

Als 2007 den Busfahrern untersagt wurde, Tickets an Bord zu verkaufen, war das ein Problem. Einen Fahrkartenautomat kauft man schließlich nicht von der Stange, sondern muss an das jeweilige Tarifmodell angepasst sein. Man kam mit einer scheinbar eleganten Lösung: umgebaute Parkscheinautomaten verkauften Einzelfahrscheine.

Leider war das dann doch nicht so praktisch. Die Automaten nahmen keine Scheine. Kreditkarten wurden genommen, aber nur schwedische Karten. Für Touristen war das natürlich vollkommen wertlos. Aber auch Tests mit echten Schweden ergaben, dass ein Drittel am Kartenkauf scheiterten. Insgesamt also doch eher eine schlechte Idee. Vermutlich wären sie besser gefahren, wenn sie echte Fahrscheinautomaten genommen hätten.

Vor einigen Wochen wurde nun als Randnotiz verkündet, dass die Automaten nun abgeschafft werden. Grund: neue Sicherheitsstandards beim Kartenkauf machten es nötig, sie aufzurüsten, was sich aber nicht lohne. Also werden die mittlerweile 435 Automaten abgebaut. Tragisch ist das nicht so sehr, denn mittlerweile gibt es Automaten, wo man das neue Chipkartensystem SL-Access aufladen kann. Zwar nehmen diese Automaten kein Bargeld und sind auch nur zu gebrauchen, wenn man schon die Chipkarte hat. Angesichts der Nachteile der Parkscheinautomaten kann man das aber sicherlich als adäquaten Ersatz ansehen. Touristen werden freilich weiterhin einigermaßen ratlos bleiben.

Retro mal ganz anders: Doppeldeckerbusse kehren zurück

Eine andere neu-alte Geschichte ist diese hier: ab kommenden Montag werden im Nahverkehr wieder Doppeldeckerbusse in Stockholm herumfahren. Das ist eine kleine Kuriosität, denn dieser Bustyp wurde vor rund 35 Jahren in dieser Stadt abgeschafft.

Der Grund ist simpel: die Stadt Norrtälje, rund 70 km von Stockholm entfernt, ist ausschließlich durch Busse angebunden. 4000 Pendler machen jeden Tag den weiten Weg, und das braucht eine Menge Busse. Die sind nicht selten voll, was man schon am Zielschild „fullsatt“ (voll besetzt) erkennen kann. Die Doppeldecker sollen das nun ändern, denn die Zahl der Plätze pro Bus wächst so von 56 auf 84.

Generell halte ich das Ganze für eine gute Idee. Was aber nicht heißt, dass es noch nicht eine bessere gibt. Denn der Bustakt auf der Strecke Norrtälje-Stockholm hat schon jetzt ein irrwitziges Maß erreicht, und da sind Doppeldecker ein Herumdoktern an den Symptomen, nicht aber an der Ursache. Dabei ist die wirkliche Lösung gar nicht so schwer: Norrtälje hatte früher nämlich Bahnverkehr, bevor die Strecke Anfang der 1980er Jahre eingestellt wurde. Die Trasse besteht heute in Teilen immer noch, und es wäre höchste Zeit, eine Wiederherstellung in Angriff zu nehmen. Davon redet bislang aber kaum einer.

Ganz schlechte Idee: Lobbyist als Verkehrsminister

Leider habe ich mittlerweile das Vertrauen in das zuständige politische Personal etwas verloren – der Verkehrsminister für die Region Stockholm, Christer G. Wennerholm, ist nämlich in Personalunion gleich auch noch Vorsitzender einer Straßenbahnlobbyorganisation. Einen Interessenkonflikt sieht er darin anscheinend nicht, und es wirkt nicht ganz zufällig, dass ein Ausbau der U-Bahn bei ihm nicht so wirklich konkret wird und auch nur nach hartem Druck überhaupt auf die Agenda kam. Dass so jemand im Amt bleibt, halte ich für eine schlechte Idee.

Ich bin zwar ein großer Fan von Straßenbahnen, aber es kann nicht angehen, dass sie ein Selbstzweck ist. Auch U- und S-Bahn brauchen in Stockholm einen Ausbau.