Och nö, lass mal…

Irgendwie hat man schon das Gefühl, dass schwedische Politiker „ehrlicher“ oder zumindest nicht so machtbesessen sind. Während man in Deutschland Abgänge wie die von Koch oder von Beust als außergewöhnliches Ereignis wahrnimmt, gibt es in Schweden Politiker, die sich nicht um jede Machtperspektive prügeln.

Da ist Schwedens größte Partei, die sich die meiste Zeit ihrer Geschichte in Dauerregierung befand, führungslos, und keiner will den Posten haben, der mit etwas Geschick ein Ticket für den Regierungschef ist.
Mona Sahlin ist ja bekanntermaßen zurückgetreten. Nun wirkt es so, dass keiner der potenziellen Nachfolger sich um den Job reißt. Vielmehr haben einige potenzielle Kandidaten gleich gesagt, dass sie keine Lust haben.

Ulrica Messing, ehemalige Infrastrukturministerin, hat kein Interesse. Sie hat eine eigene Firma gegründet und wird dabei bleiben. Pär Nuder, ehemaliger Finanzminister, bleibt auch lieber in der Wirtschaft. Margot Wallström, ehemalige EU-Kommissarin und heute im Auftrag der UN unterwegs, hat ihrer Meinung nach etwas besseres zu tun. Schade, denn sie hätte ich mir ganz gut vorstellen können. Sie bringt aber auch das nachvollziehbare Argument vor, dass sie seit 12 Jahren nicht mehr in Schweden lebt – auf der anderen Seite könnte genau das eine zweite Perspektive einbringen, die momentan bei den schwedischen Sozis fehlt. Thomas Bodström, dem ich auch nicht ganz abgeneigt gewesen wäre, hat auch gleich gesagt, dass er es nicht machen wird. Das ist nicht ganz so überraschend, denn er hatte erst vor kurzem seinen Abschied aus der Politik verkündet.

Damit sind also einige große Namen herausgfeallen, und es bleibt noch einiges für die Kandidatenfindungskommission zu tun.

Es weihnachtet mächtig

Man kann es nicht mehr verleugnen. Weihnachten ist da.

Neulich ist es mir in Göteborg besonders aufgefallen, aber jetzt ist es unübersehbar. Gestern abend waren wir beim Julbord, dem schwedischen Weihnachtsbüffet – ein Anlass für ungehemmte Völlerei, die pro Person selbst im billigsten Fall mit 60 € zu Buche schlägt. Wir waren im Waxholm Hotell, nachdem unsere ursprüngliche Wahl wegen Mangel an Gästen absagen musste. Und es war großartig: gutes Essen, und draußen im Schneegestöber der Blick auf die Festung von Vaxholm.

Heute also der Weihnachtsmarkt im Skansen, Stockholms bekannten Freilichtmuseum. Da bin ich zwar praktisch jedes Jahr, aber bislang noch nie im Schnee – um dieses Jahreszeit hat es in Stockholm selten welchen. Wenig überraschend: der Bredablick-Turm wird renoviert – wie immer seit ca. 2001. Ansonsten alles wie gehabt, v.a. sehr lecker, wenn auch teuer.

Parkplatzkrieg die zweite

Schweden eilt ja der Ruf voraus, ein sozialdemokratisches Paradies zu sein, ja sogar ein bisschen sozialistisch angehaucht. Das mag auf manche Bereiche zutreffen, aber schon lange vor der jetzigen Regierung wurden einige Bereiche in den freien Markt verabschiedet, die meines Erachtens nicht unbedingt dorthin gehören. Vor allem, wenn es um die Abgabe von Hoheitsrechten geht, bin ich skeptisch.

Die privatisierte Polizei

Ein Beispiel ist die blühende Branche der Sicherheitsunternehmen. Man hat das Gefühl, diese bewachten jede Hundehütte dieses Landes. Nicht dass Schweden sonderlich gefährlich wäre, aber das hält nicht davon ab, an jeder Haustür ein Codeschloss anzubringen. Eine Standardfrage bei vielen Lieferungen ist, ob es denn einen Türcode gebe. Die Sicherheitsleute sind oft mit einer Plakette ausgestattet, die ihnen so etwas wie einen offiziellen Status gibt. Es entsteht der Eindruck, es handele sich um eine Art privatisierte Hilfspolizei. Nun sollen sie sogar polizeiähnliche Uniformen bekommen, was anscheinend sogar gut gefunden wird.

Ein anderer Bereich sind die Parkplätze des Landes. Diese wurden praktisch vollständig in die Hände von Privatfirmen gelegt, die seither ihr Geschäft damit machen, Parksünder sofort zu stellen. Das gelingt ihnen auch äußerst oft. Als wir einmal Besuch von Freunden hatten, wurde ihnen schon wenige Minuten nach Ablauf ihres Parkscheins das Knöllchen an die Scheibe geheftet.

Und ein solches ist nicht billig: unter 300 kr, also gut 30 €, geht nichts.

Ein Déjà Vu

Vor fast genau 5 Jahren hatte ich einmal einen Disput mit einer Parkfirma, die horrende Summen für das Parken auf einer Müllhalde haben wollte. Ich kam damals davon.

Danach sieht es dieses Mal leider nicht aus. Vor knapp 3 Wochen parkte ich auf dem Weg zur Arbeit als Busfahrer auf dem Firmenparkplatz. Meine Parkgenehmigung liegt immer irgendwo auf dem Armaturenbrett, aber ich vergaß, sie so herauszulegen, dass sie gut in der Windschutzscheibe zu sehen ist. Bei meiner Rückkehr erwartete mich ein gelber Streifen mit einem Bußgeld von 550 kr, also rund 60 €.

Ich ging natürlich in Widerspruch, denn ich war schließlich berechtigt, dort zu stehen.

Heute kam nun die Antwort:

Laut der Beschilderung wird eine gültige Parkgenehmigung für das Abstellen auf dem Platz benötigt. Diese Genehmigung soll sich im Fahrzeug befinden und laut den Vorschriften während der ganzen Parkzeit gut sichtbar und von außen voll lesbar an Windschutzscheibe platziert sein. Laut unserem Personal wurde die Kontrollabgabe [Anm. das ist die euphemistische Bezeichnung für dieses Bußgeld] verhängt, weil keine solche Genehmigung gut sichtbar zur Kontrolle platziert war.

Das ist bedauerlich, dass deine Genehmigung bei der Kontrolle nicht sichtbar war. Dass du im Nachhinein eine gültige Genehmigung vorweisen kannst, ist jedoch kein Grund, die Angelegenheit abzuschreiben.

Es bleibt also bei den 550 kr.

Strafe und Verhältnismäßigkeit

Es ist nicht so, dass ich gar kein Bußgeld bezahlen wollte. Ein Fehler kann bestraft werden, denn durch ihn ist der Firma schließlich ein Aufwand angefallen. Jedoch steht der Betrag in keinem Verhältnis dazu. Um mal etwas Küchenrechtsphilosophie auszupacken: der Zweck eines Verbotes ist, im Interesse der Allgemeinheit unerwünschtes Verhalten zu verhindern. Man belegt es mit einer Strafe, um es durchzusetzen, sei es durch vorangehende Abschreckung oder nachfolgender Ahndung, um Wiederholungen zu verhinden und Buße zu erreichen.

Die Strafe muss dem Vergehen angemessen sein.
Der Zweck dieser Parkregelung ist, nur denen Zugang zum Parkplatz zu gewähren, die eine Berechtigung haben. Eine Parkgenehmigung zu besitzen und diese nicht ordnungsgemäß zu zeigen ist jedoch ein anderes, weniger schweres Vergehen als Parken ohne jegliche Berechtigung.

Welchen Sinn hat es also, in diesem Fall mich genauso zu bestrafen wie einen, der dort einfach falschparkt?

Ganz einfach: keinen außer der Gewinnsteigerung der Firma. Der Auftraggeber, also mein Arbeitgeber, hat schließlich kein Interesse daran, die eigenen Mitarbeiter verknacken zu lassen.
Die beschönigende Bezeichnung „Kontrollabgabe“ (kontrollavgift) verschleiert zudem, dass es sich um eine Strafe handelt. Vermutlich würde die betreffende Firma Q-Park argumentieren, dass es sich nicht um eine Strafe handelt, sondern um eine Abgabe zur Durchführung der Kontrollen – wobei man sich dann fragen müsste, wieso nur diejenigen, die dort nicht parken dürfen, zahlen müssen. Ein fragwürdiges Konstrukt ist das Ganze schon alleine deswegen, weil die eintreibende Firma gleichzeitig auch die Berufungsinstanz ist, in deren Interesse es natürlich nicht liegt, auch die Position des Delinquenten nachzuvollziehen.

Wie geht es weiter?

De facto bleibt für mich das Problem, dass ich mehr als die Hälfte des entsprechenden Tageslohns dafür abgeben muss – und dass ich, wenn überhaupt, nur unter erheblichem Risiko und geringen Erfolgsaussichten die Sache gerichtlich klären lassen kann. Ein Prozesshansel nennt man sowas, wenn der Streitaufwand den Streitwert um ein Vielfaches übersteigt.

Das oben zitierte Schreiben ist natürlich eine Standardvorlage. Diese Art von Einspruch kriegen die wahrscheinlich pro Tag im Dutzend. Und einige sind wohl so verärgert, dass die Bearbeiter lieber anonym bleiben: das Schreiben ist mit „Ewa H“ unterzeichnet.

Was tun? Ein neuerlicher Einspruch ist vermutlich zwecklos, wobei ein Versuch kaum schaden kann. Herunterhandeln ist besser als in voller Höhe zu bezahlen. Ich ziehe sogar eine Art von zivilem Ungehorsam in Betracht. Ich könnte beispielsweise etwas weniger bezahlen und abwarten, ob sie den letzten Kronen wirklich hinterherrennen wollen. Die Frage ist natürlich, wieviel ich dabei riskiere, denn die Schufa-Abfrage ist in Schweden so üblich wie die Frage nach dem Wetter.

Fürs erste habe ich aber den naheliegenderen Weg gewählt und meinen Chef bei Busslink kontaktiert – wie meine Erfahrungen vor 5 Jahren zeigten, sind die Forderungen nämlich schnell hinfällig, wenn der Auftraggeber nicht möchte, dass das Geld eingetrieben wird.

Nachtrag 13:30 Uhr: Q-Park hat auf seiner Homepage netterweise das Gesetz, nach dem dieses Bußgeld erhoben wird. Die Bezeichnung „Kontrollavgift“ stammt also vom Gesetzgeber. Laut diesem darf das Bußgeld die entsprechenden kommunalen Tarife nicht überschreiten. Ich tippe mal darauf, dass dieser Tarif genau 550 kr beträgt.

Die im Schreiben genannten Vorschriften zur Platzierung der Parkgenehmigung suche ich jedoch vergebens. Ggf. werde ich mal nachfragen, wer diese gemacht hat und wo sie einzusehen sind. Am Parkplatz selbst steht nämlich nur „P-tillstånd erfordras“ (Parkgenehmigung erforderlich) oder ähnliches, nicht jedoch die genauen Konditionen.

Es fährt ein Zug nach Göteborg

Ich kann mich noch sehr genau an den Tag erinnern, als ich das erste Mal in Göteborg war. Es war der letzte Mittwoch.

Meine innerschwedische Reiseaktivität ist nicht sonderlich hoch, auch weil Schweden als Reiseziel nicht mehr ganz so spannend ist, wenn man einmal hier wohnt. So hat es z.B. für Malmö, Sundsvall, Söderköping, Valdemarsvik und Lund gereicht, aber nie für Schwedens zweitgrößte Stadt.

Da traf es sich gut, dass ein Länderspiel anstand. Ein Freundschaftsspiel nur, aber man kann es sich nicht aussuchen oder warten, bis das Losglück Schweden und Deutschland bei irgendeiner Qualifikation in dieselbe Gruppe platziert.

Der Plan: nachmittags mit dem X2000 nach Göteborg, zum Spiel ins Ullevi-Stadion, Übernachtung in der Jugendherberge und früh morgens wieder zurück. Angesichts der Tageslichtverhältnisse um diese Jahreszeit und dieses knappen Zeitbudgets haben wir also nicht viel von Göteborg gesehen. Auch das Spiel war nicht übermäßig spannend.

Zwar war es nicht ganz so langweilig, wie einem das vor dem Fernseher erschienen sein muss, aber ein 0:0 ist per Definition nur beschränkt begeisterungsfähig. Die Schweden hatten sich auch so defensiv aufgestellt, dass da nicht viel passieren konnte. So scheiterten unsere Jungs an der gefühlt 15-köpfigen schwedischen Abwehr und die Schweden an dem eigenen Unvermögen. Dagens Nyheter war auch wenig begeistert und schreibt von „tapferen Zuschauern“ und einem schwedischen Rekord, bei einem Heimspiel in 90 Minuten kein einziges Mal aufs Tor geschossen zu haben.

Wir hatten trotzdem unseren Spaß. Im Gegensatz zum WM-Qualifikationsspiel gegen Albanien froren wir uns dieses Mal wenigstens nicht den Hintern ab. Ein neuerliches Anschauen des Spiels im Fernsehen mit einem eventuellen Kurzfernsehauftritt meinerseits (man weiß ja nie) habe ich aber unterlassen. So spannend war es nun wirklich nicht.

Trotzdem schön war die Anmerkung des Fernsehkommentars, die Schweden brächten es sogar fertig, Nationalhymnen weihnachtlich klingen zu lassen. Diese wurden nämlich von einem Chor vornehmlich blonder Frauen vorgetragen. Man muss schließlich Klischees bedienen.

Vorweihnachtlich war es in Göteborg aber in der Tat. Vielleicht ist es mir in Stockholm einfach nicht so aufgefallen, aber Weihnachtsdekoration war in Göteborg schon sehr präsent. Viel mehr habe ich von der Stadt freilich nicht gesehen – das muss ich auf ein anderes Mal verschieben.

Ein Tag als Busfahrer

Ein Arbeitstag als Busfahrer (Bild: eigene GPS-Daten auf der Karte von OpenStreetMap, die unter einer CC Attribution-ShareAlike-2.0-Lizenz steht)
Ein Arbeitstag als Busfahrer (Bild: eigene GPS-Daten auf der Karte von OpenStreetMap, die unter einer CC Attribution-ShareAlike-2.0-Lizenz steht)

Eine beliebte Frage zu meiner grandiosen Busfahrerei ist, ob man den ganzen Tag dieselbe Linie oder denselben Bus fährt.

Das tut man glücklicherweise nicht, wenn man von seltenen Ausnahmen absieht – ansonsten wäre der Job sehr sehr dröge. Die Busse sollen eigentlich soviel in Bewegung sein wie möglich, weil das Geld spart. Deswegen übergibt man den Bus in der Regel an einen Kollegen. Nach der Pause löst man selbst wiederum einen anderen Kollegen ab. An Wochenendschichten, wie ich sie in der Regel habe, kommt es aber schonmal vor, dass man den Bus einfach abstellen kann – schlicht und ergreifend weil man z.B. an einem Sonntagabend wenig anderes mit dem Gefährt anstellen könnte, denn das Angebot im Nahverkehr ist natürlich stark reduziert um diese Zeit.

Obige Karte zeigt einen Arbeitstag von der ersten Übernahme bis zum Abstellen des letzten Busses in der Garage. Darin enthalten sind:

  • Die Linie 40 – der ganze nördliche Ableger der Route stammt von ihr
  • Eine U-Bahnfahrt zum Odenplan, um dort den nächsten Bus zu übernehmen. Die Strecke ist zu erkennen an dem kerzengeraden Strich in der Mitte, wo keine Straße entlanggeht.
  • Die Linie 4 – fast der ganze südliche Ablege gehört zu ihr
  • Die Linie 62 – am ehesten zu erkennen, weil sie am Schloss entlanggeht. Auch eine Pause mit Abstellen des Busses ist drin, aber kaum zu erkennen.
  • Die Linie 1 – diese geht rechts oben zum Hafen und endet links auf Stora Essinge. Danach geht es zurück zur Garage, wie man auch ganz gut erkennen kann. Die Garage liegt nämlich direkt unter der Autobahn.

Das Programm hat für das alles eine Strecke von 133 km errechnet, wobei die U-Bahn und wilde Sprünge während der Pausen wegen schlechten Empfangs abgezogen werden müssten. Es dürften also gut 120 km gewesen sein. Mehr als ich dachte, um ehrlich zu sein.

Jag avgår som partiordförande

… war der Titel einer Mail, die ich gestern abend erhielt.

Das bedeutet zu deutsch: „Ich trete als Parteivorsitzende zurück“ und Absender war Mona Sahlin, Parteivorsitzende der Sozialdemokraten. Ausnahmsweise kein Spam, denn es stimmt wirklich.

Ich kann Thomas nur zustimmen: es ist erstaunlich, dass es so lange gedauert hat. Ich war ja schon recht enttäuscht nach der Wahl, als es kaum Diskussionen deswegen gab. Immerhin hatte sie das Kunststück fertiggebracht, das Ergebnis von 2006, welches schon das schlechteste seit 1914 war, noch einmal um 5% zu untertreffen und damit nur knapp an einer genauso historischen Schmach vorbeizuschrammen, nicht stärkste Partei zu werden.
Der Ablauf dieses Abgangs ist mir aber trotzdem schleierhaft. Vor einer Woche überraschte Sahlin damit, dass sie die Meinung vertrat, die ganze Parteiführung müsse nach dem Debakel seine Ämter zur Verfügung stellen. Dass sie auch Teil der Parteiführung ist, hätte ihr eigentlich klar sein müssen.

Ich kann nur punktuell die Stimmung in der Partei sehen, auf Facebook zum Beispiel. Ein Genosse schreibt über Nudeln, ein anderer ist deswegen im Radio eingeladen – ok, er ist aber auch Redakteur bei einer parteinahen Zeitung. Eine Genossin schreibt etwas wehmütig, dass ihre Stimmung nun gedrückt sei. Eine andere scheint eher wütend und findet, jetzt müssten die Reihen einmal aufgeräumt werden. Und dass Sahlin „gezwungen“ worden sei, abzutreten, auch weil sie eine Frau sei.

Letztere Aussage überrascht mich ehrlich gesagt nicht – weite Teile der Partei, oder zumindest die Kreise, die ich kenne, sind vom Feminismus beseelt und betrachten die Ereignisse sehr gerne aus dieser Perspektive. Soweit ich das beurteilen kann, war das auch der Grund, wieso man vor vier Jahren meinte, nun müsse unbedingt eine Frau ran. Dass Mona Sahlin nicht gerade die tauglichste Person für den Job ist, fand ich schon damals.

Ob ihr Geschlecht mit diesem Ende etwas zu tun hat, vermag ich aber nicht so recht zu beurteilen. Man kann sich durchaus vorstellen, dass ein Mann als Kandidat mehr dazu geführt hätte, das Duell mit Reinfeldt mehr zu einem archaischen Kampf zwischen zwei Alpha-Tieren zu stilisieren. Es fällt mir aber schwer, dies als zentralen Faktor für den Wahlausgang zu sehen.

Die eigentlich spannende Frage ist aber nun: was oder vielmehr wer kommt danach?

Und wir holen den Pokal… nicht

Nach dem recht stimmungsvollen Halbfinale wollten wir auch das Finale nicht verpassen. Der Kartenverkauf begann erst am Dienstag, nachdem Dauerkartenbesitzer zwei Tage Zeit gehabt hatten, sich die besten Plätze zu sichern. Ich war fünf Minuten nach Verkaufsstart online und konnte mit viel Glück einen überdachten Platz hinter einem der Tore ergattern. Die Verkäuferin beglückwünschte mich beim Abholen. Nach zwei Stunden war das Spiel nämlich ausverkauft. Einen Schal habe ich mir auch besorgt – wenn schon, denn schon.

Das Spiel konnte aber nicht ganz mit den Erwartungen nicht mithalten. Das begann schon beim Absingen der Nationalhymne, die von den Fans einfach ignoriert wurde. Sie sangen stattdessen einen von schätzungsweise 437 Hammarby-Fanliedern, wie auch sonst fast das ganze Spiel über.

Sportlich lief es auch nicht viel besser. Das gut funktionierende Passspiel aus dem Halbfinale war kaum zu sehen. Helsingborg hatte mehr Spielanteile und massig Torchancen, auch wenn es an echter Torgefährlichkeit massiv mangelte. Besonders bedauerlich war die ruppige Spielweise. In weiten Phasen des Spiels lagen die Spieler im Minutentakt auf dem Platz, wobei die Hammarbyer eher noch stärker hinlangten als die Helsingborger. Die Fans sahen das freilich anders. Der Schiedsrichter war sehr sparsam mit Karten. Bei einem anderen Unparteiischen wäre nicht einmal garantiert gewesen, dass Hammarby mit 11 Spielern in die zweite Halbzeit geht.

Immerhin war es unterhaltsam und es passierte einiges, wofür nicht nur die Fans sorgten, die an Feuerwerk nicht sparten. Das Tor Helsingborgs in der 81. Minute war letzten Endes verdient, auch wenn man nicht meinen sollte, dass sie vergangenes Wochenende Vizemeister wurden.

Für Hammarby ist nun großes Pech, dass Helsingborg das Double nicht geschafft hat. Schweden nimmt nämlich folgendermaßen bei den europäischen Wettbewerben teil:

  • Der Meister darf in die zweite Qualifikationsrunde der UEFA Champions League
  • Der Pokalsieger darf in die dritte Qualifikationsrunde der UEFA Europa League
  • Der Tabellenzweite darf in die zweite Qualifikationsrunde der UEFA Europa League
  • Der Tabellendritte darf in die erste Qualifikationsrunde der UEFA Europa League

Helsingborg hatte als Tabellenzweiter also schon einen Platz in der zweiten Runde der Europa League. Durch den Pokalgewinn sind sie also eine Qualifikationsrunde weiter. Was passiert aber mit dem Platz, den sie jetzt nicht mehr benötigen?
Der geht leider nicht den Pokalzweiten, sondern wird an die nachfolgenden Mannschaften in der Tabelle weitergereicht. Wäre Helsingborg hingegen Meister geworden, so hätten sie sich durch den Pokalgewinn nicht mehr verbessern können und der Europa-League-Platz wäre an Hammarby gegangen. So geht der Stockholmer Verein aber leer aus, und die Teilnehmer an den nächstjährigen Wettbewerben sind:

  • Malmö FF geht als Meister in die zweite Qualifikationsrunde der UEFA Champions League
  • Helsingborgs IF geht als Pokalsieger in die dritte Qualifikationsrunde der UEFA Europa League
  • Örebro erbt als Tabellendritter den Platz von Helsingborg und darf somit in die zweite Qualifikationsrunde der UEFA Europa League
  • IF Elfsborg ist der große Gewinner, denn dieser Verein wäre ansonsten leer ausgegangen, erbt nun den Platz von Örebro und darf in die erste Qualifikationsrunde der UEFA Europa League

Also alles weit weg von Stockholm.
Hammarby geht leer aus und schloss die Saison als Tabellenachter der zweiten Liga ab. Ein sehr bescheidenes Ergebnis, wenn man mal die passable Leistung im Pokal außer Acht lässt. Aber auch bei den anderen Stockholmer Mannschaften sieht es eher trübe aus:

  • Djurgården ist Tabellenzehnter.
  • AIK ist Tabellenelfter.
  • Und die Brommapojkarna steigen als Tabellenletzter in die zweite Liga ab.

Da ist also noch jede Menge Luft nach oben. Lediglich eine Mannschaft aus dem Raum Stockholm kann mit der Saisonleistung rundum zufrieden sein: der ursprünglich von Einwanderern gegründete Klub Syrianska FC hat als Tabellenerster den Aufstieg in die erste Liga geschafft. Deswegen werde ich aber bestimmt nicht nach Södertälje fahren.

Zeichen und Wunder

Totgesagte leben länger: die "neue" Strecke Karlsruhe-Stockholm bei Ryanair

Vor gut 2 Monaten beklagte ich an dieser Stelle die Einstellung der Linie Karlsruhe-Stockholm nach Ryanair. Laut Flughafen war nicht damit zu rechnen, dass die Strecke zurückkommt.

Umso bemerkenswerter, dass dies nun doch geschieht. Vor einigen Tagen entdeckte ich, dass die Verbindung unter „Neue Strecken“ verzeichnet ist mit Start ab dem 28. März 2011. Und gestern konnte man die Strecke erstmals buchen. So wird ein Auslaufmodell zu einem Newcomer.

Allerdings gilt weiterhin, dass nur freitags und montags geflogen wird. Die Preise sind auch nicht gerade niedrig – selbst wenn man die neuen 8 € Flugsteuer wegrechnet, sind die angepriesenen 20 € schon ein gutes Stück über dem, was Ryanair ursprünglich anpries. Außerdem ist dies zur Stunde gar nicht erhältlich. Sämtliche Flugpreise von Ende März bis Juli betragen entweder 26,99€ oder 36,99€.

Wobei das noch geschönt ist – nein, nicht wegen irgendwelcher obskurer Zusatzgebühren. Zwar kommen die 5€ Check-In-Gebühr zu, aber der 26,99€-Preis kommt teurer als der 36,99€-Preis. Wie das geht? Ganz einfach: zum billigeren Preis kommen noch Steuern hinzu, und diese betragen jeweils gut 25€. Somit kostet ein Flug, bei dem beide Strecken vorgeblich mit 26,99€ zu Buche schlagen, stolze 116,18€ – inkl. Check-In-Gebühr, aber exklusive Gepäckgebühren und „Bearbeitungsgebühr“. Der Flug kostet am Ende also mal schnell 140€. Für kaum mehr Geld bringt einen die Lufthansa zu jedem Punkt Deutschlands.

Der Endpreis bei Flügen für 36,99 € ist erheblich niedriger. Da landet man bei 83,98 € für beide Strecken, was schon eher attraktiv ist. Der vermeintlich teurere Flug ist also in Wirklichkeit rund 30€ billiger. Das Ganze belegt eindrücklich die vollkommene Unsinnigkeit der Preisgestaltung von Ryanair.

Nichtsdestotrotz bin ich ganz froh über die wiedererstandene Verbindung, auch wenn es erstmal dabei bleibt: echt billig werden Reisen in die alte Heimat nicht mehr.

Was nach Sahlin kommt

Potenzielle Nachfolger für Sahlin, wenn sie nicht wiedergewählt wird. (Ausriss: DN)

Die sozialdemokratische Parteivorsitzende Mona Sahlin überraschte die Partei am Mittwoch damit, dass sie der Meinung ist, die ganze Parteispitze solle ihr Amt zur Verfügung stellen. Dem vorausgegangen war eine nach einer ziemlich saftigen Wahlniederlage ebenso ziemlich miese Stimmung im Laden. Schon vor einer Woche wollte der Jugendverband SSU, dass die Parteispitze abtritt.

Nun ist natürlich die Frage, ob Sahlin als Parteivorsitzende bleibt bzw. bleiben darf. Sie ist ja nicht zurückgetreten, sondern stellt sozusagen die Vertrauensfrage. Meiner Ansicht nach wurde das Zeit – ich konnte mich noch nie für sie erwärmen.

Laut lachen musste ich bei der obigen Übersicht, die ich eben in der Zeitung sah. Dort sind potenzielle Konkurrenten für Sahlin aufgelistet. Unter ihnen ist Thomas Bodström.

Seine Beschreibung lautet:

Ehemaliger Justizminister. Eine der bekanntesten Personen der Partei. Gut darin, Aufmerksamkeit zu schaffen.

Der letzte Punkt trifft es wie die Faust aufs Auge, denn darin ist er wirklich sehr gut. Die Frage ist nur, welche Art von Aufmerksamkeit die DN meinte. Bodström ist ja nicht nur ehemaliger Justizminister, sondern auch Krimiautor, Anwalt und war ganz früher mal Profifussballer. Aufsehen erregte er zuletzt dadurch, dass er der konstituierenden Sitzung des Reichstags fernblieb, weil er in den USA weilte. Er stellte daraufhin einen Antrag auf eine Auszeit vom Reichstag (sowas scheint in Schweden zu gehen), was aber abgelehnt wurde. Daraufhin beschloss er, der Politik (für den Moment zumindest) den Rücken zu kehren. Ich habe ihn mal getroffen und fand ihn sehr sympathisch. Den könnte ich mir trotz solcher Possen gut als Parteivorsitzenden vorstellen.

Große Präferenzen habe ich aber nicht. Ich hoffe nur, die Partei kommt nicht wieder auf die Idee, es müsse unbedingt eine Frau sein. Das schien nämlich nach der verlorenen Wahl 2006 wichtiger zu sein als alles andere. Dass diese Art der Quotierung vielleicht die Partei beruhigt, aber nicht unbedingt Stimmen bringt, hat man im September dann eindrücklich gesehen.