Landvetter und Krakosien

Hat einen ständigen Bewohner: der Flughafen Göteborg-Landvetter (Foto: Daniel Hausner)

Im Flughafen Göteborg-Landvetter sieht man in letzter Zeit anscheinend regelmäßig einen Mann. Er ist freundlich und stört niemanden. Das ist auch gut für ihn, denn er lebt auf dem Flughafen.

Als ich von der Geschichte las, dachte ich sofort an den Film „Terminal“ mit Tom Hanks, in dem die Hauptperson wegen politischer Unruhen in seinem fiktiven Heimatland Krakosien im Flughafen JFK in New York festsitzt. Er kann nicht einreisen, aber auch sonst nirgendwohin. Also richtet er sich in dem Flughafen häuslich ein. Es gibt einige reale derartige Fälle. Der bekannteste ist wohl Mehran Karimi Nasseri, der fast zwanzig Jahre im Terminal 1 des Pariser Flughafen Charles de Gaulle verbrachte. Der Film basiert auch lose auf dem Fall, wobei der fundamentale Unterschied sein dürfte, dass Nasseri nach all der Zeit gar nicht mehr weg wollte. Was umso seltsamer aus meiner Sicht ist, denn wenn ich einen Flughafen zu meiner Wohnung machen müsste, dann wäre der Pariser Flughafen ganz weit hinten auf der Liste, insbesondere Terminal 1 mit seinem Mangel an Geschäften, der höchst seltsamen und ungemütlichen Architektur.

Der Grund, warum ich hier von dem Mann in Göteborg spreche, ist aber recht banal: er kommt aus Deutschland, und er ist Einwanderer. Oder so etwas in der Art. Da enden also die Parallelen zu den vorgenannten Fällen, denn er müsste keineswegs dort bleiben. Als der 27-jährige vor rund zwei Monaten nach Göteborg kam, wollte er nicht mehr nach Hause. Er schläft meistens im Gebetsraum und hat kein Geld. Er lebt davon, was ihm die Cafés im Flughafen zustecken, und wenn ihm jemand ein paar Kronen aus Mitleid zusteckt, fährt er in die Stadt. Bislang kam er aber immer wieder zurück.

Gefragt von Aftonbladet sagt er

Ich schäme mich. Ich habe ein schlechtes Leben gehabt. Ich kann nirgends hin.

Das Konsulat und die Kirche haben versucht, ihm zu helfen, und auch der Grenzschutz ist um ihn besorgt. Es gibt derzeit keine Pläne, ihn zu vertreiben. Laut dem Bericht will er in Schweden wohnen und leben.

Eine merkwürdige Geschichte irgendwie. Es ist ja nicht so, dass es keine staatliche Unterstützung für europäische Arbeitssuchende gäbe. Keiner ist gezwungen, ohne Geld auf einem schwedischen Flughafen auszuharren, und in Deutschland hätte er Anspruch auf Sozialleistungen. Er will aber anscheinend genau dort bleiben. Aus den spärlichen Informationen ist kaum herauszulesen, ob es sich hier um eine gescheiterte Auswanderung handelt, um eine Verzweiflungstat oder den Entschluss eines verwirrten Mannes.

Ich wünsche ihm jedenfalls viel Glück – ob nun in Schweden oder Deutschland.

Es fährt ein Zug nach Göteborg

Ich kann mich noch sehr genau an den Tag erinnern, als ich das erste Mal in Göteborg war. Es war der letzte Mittwoch.

Meine innerschwedische Reiseaktivität ist nicht sonderlich hoch, auch weil Schweden als Reiseziel nicht mehr ganz so spannend ist, wenn man einmal hier wohnt. So hat es z.B. für Malmö, Sundsvall, Söderköping, Valdemarsvik und Lund gereicht, aber nie für Schwedens zweitgrößte Stadt.

Da traf es sich gut, dass ein Länderspiel anstand. Ein Freundschaftsspiel nur, aber man kann es sich nicht aussuchen oder warten, bis das Losglück Schweden und Deutschland bei irgendeiner Qualifikation in dieselbe Gruppe platziert.

Der Plan: nachmittags mit dem X2000 nach Göteborg, zum Spiel ins Ullevi-Stadion, Übernachtung in der Jugendherberge und früh morgens wieder zurück. Angesichts der Tageslichtverhältnisse um diese Jahreszeit und dieses knappen Zeitbudgets haben wir also nicht viel von Göteborg gesehen. Auch das Spiel war nicht übermäßig spannend.

Zwar war es nicht ganz so langweilig, wie einem das vor dem Fernseher erschienen sein muss, aber ein 0:0 ist per Definition nur beschränkt begeisterungsfähig. Die Schweden hatten sich auch so defensiv aufgestellt, dass da nicht viel passieren konnte. So scheiterten unsere Jungs an der gefühlt 15-köpfigen schwedischen Abwehr und die Schweden an dem eigenen Unvermögen. Dagens Nyheter war auch wenig begeistert und schreibt von „tapferen Zuschauern“ und einem schwedischen Rekord, bei einem Heimspiel in 90 Minuten kein einziges Mal aufs Tor geschossen zu haben.

Wir hatten trotzdem unseren Spaß. Im Gegensatz zum WM-Qualifikationsspiel gegen Albanien froren wir uns dieses Mal wenigstens nicht den Hintern ab. Ein neuerliches Anschauen des Spiels im Fernsehen mit einem eventuellen Kurzfernsehauftritt meinerseits (man weiß ja nie) habe ich aber unterlassen. So spannend war es nun wirklich nicht.

Trotzdem schön war die Anmerkung des Fernsehkommentars, die Schweden brächten es sogar fertig, Nationalhymnen weihnachtlich klingen zu lassen. Diese wurden nämlich von einem Chor vornehmlich blonder Frauen vorgetragen. Man muss schließlich Klischees bedienen.

Vorweihnachtlich war es in Göteborg aber in der Tat. Vielleicht ist es mir in Stockholm einfach nicht so aufgefallen, aber Weihnachtsdekoration war in Göteborg schon sehr präsent. Viel mehr habe ich von der Stadt freilich nicht gesehen – das muss ich auf ein anderes Mal verschieben.

Wohnungsmisere in Stockholm

Jeder weiß davon, aber kaum einer sagt es jemals öffentlich: die Verhältnisse auf den Mietmärkten schwedischer Großstädte sind grotesk verzerrt.

Was ich im Auswandererguide aus etwas Marktbeobachtung und etwas Logik beschrieben habe, wurde heute morgen einmal mit festen Zahlen belegt.

Zur Erinnerung: die Mietpreise in Schweden sind gesetzlich eng begrenzt, weswegen es kaum interessant ist, zu vermieten. Das begrenzt das Mietangebot. Man vergibt Wohnungen nach einem Wartezeitsysten. Weil aber keiner seine ergatterte Wohnung mehr hergeben will, gelangt nur ein Teil der Wohnungen wieder in den Kreislauf, was die Wartezeiten stark erhöht. Stattdessen werden die Wohnungen schwarz untervermietet – zu entsprechenden Preisen versteht sich.

Nun war heute morgen in der DN zu lesen, dass zwei große Stockholmer Wohnungsvermietungen überprüft haben, wieviele Wohnungen illegal vermietet sind.

Das Ergebnis ist erschreckend. Bei Stockholmshem war jede zweite (!) Wohnung nicht vertragskonform belegt, sprich schwarz untervermietet. Bei Familjebostäder ist es ähnlich: rund 40% der Wohnungen sind nicht legal vermietet.

Die offensichtlichste Frage stellt sich dabei anscheinend keiner: welchen Sinn hat ein System der Mietpreisregulierung, in dem fast die Hälfte der Wohnungen nicht regelkonform, sprich illegal und zu Marktpreisen, vermietet werden?

Dass dies kein Stück besser ist als die Einführung marktbasierter Mieten scheint keiner verstanden zu haben, wie man an den Kommentaren zu dem Zeitungsartikel sieht. Und es betrifft nicht nur Stockholm, sondern auch Malmö. Göteborg hingegen scheint das Problem nur in kleinem Umfang zu haben.

Nicht einmal die konservativen Parteien scheinen diese heilige Kuh schlachten zu wollen – ein Trauerspiel, wie ich finde. Die Hyresreglering sollte abgeschafft werden.

Wohnungsprobleme

Wie ich neulich schon angemerkt habe, ist die Wohnungssuche für Studenten in Stockholm derzeit äußerst problematisch.

Heute morgen hat Dagens Nyheter nun eine Übersicht der Wohnungssituation für Studenten in ganz Schweden publiziert. In den drei Großstädten Stockholm, Göteborg und Malmö, aber auch in kleineren Städten wie Lund ist es demnach äußerst schwer im Moment. Thomas fasst auf Fiket die Ursachen treffend zusammen.

In Lund hat man nun sogar Armeezelte als vorübergehende Bleibe aufgestellt. In dem Zusammenhang frage ich mich, wieso man eigentlich meinen ehemals heißgeliebten Container leerstehen lässt. Er ist zwar hässlich, überteuert und laut, aber immerhin hat man ein Dach über dem Kopf. Besser als ein Armeezelt ist er allemal.

Gewerkschaften

Meine Genossen gefällt das zwar nicht so, aber ich bin schon seit längerem recht skeptisch gegenüber Gewerkschaften. Inwieweit diese nämlich die Interessen ihrer Mitglieder und der Allgemeinheit vertreten, ist höchst zweifelhaft – in zahlreichen Einzelfällen ist es eher so, dass der Tarifvertrag die Interessen der Mitarbeiter mit Füssen tritt. Wenn jetzt ein Gewerkschafter über solch blasphemische Äusserungen aufgeregt sein mag, lasse ich mich gerne eines besseren belehren. Dann darf er mir aber auch gleich noch erklären, wieso ungelernte Mitarbeiter in deutschen Autofabriken jenseits jeder Rechtfertigung überbezahlt werden. Und woher die angeblich so dem kleinen Mann nahen Gewerkschaften das Geld nehmen, prächtige Gewerkschaftszentralen zu bauen. Nebenbei wüsste ich auch noch gerne, ob er wirklich der Meinung ist, dass jemand, der seit 30 Jahren Berufsgewerkschafter ist, wirklich noch als Vertreter der Beschäftigten gesehen werden kann.

Ein rein deutsches Phänomen ist aber Ärger mit Gewerkschaften nicht. In Götebörg gibt es eine Salatbar, deren Besitzerin – 25 Jahre alt und daher auch Jungunternehmerin – sich weigert, den Tarifvertrag für gastronomische Betriebe zu unterschreiben. Die Unterzeichnung dieses Vertrags ist übrigens freiwillig, was aber die entsprechende zuständige Gewerkschaft wenig kümmert. Wer eben nicht unterschreibt, wird gefügig gemacht, zu unterschreiben. Dabei scheint nicht zu gelten, dass die ganze Aktion rechtsstaatlichen Prinzipien widerspricht und ganz nebenbei auch keine Beschwerden von Mitarbeitern vorliegen. Letzteres kann ohnehin kaum passieren, denn die Besitzerin hat ohnehin nur einen Teilzeitangestellten, und der sei dazu auch noch ziemlich zufrieden.

Also betreibt die Gewerkschaft seit Anfang Dezember eine Blockade der Salatbar, um die Kundschaft zu vergraulen und doch noch die Unterschrift zu bekommen. Mit Erfolg: die Besitzerin Sofia Appelgren blieb hart, aber musste sich offenkundig aus finanzieller Hinsicht letztendlich doch beugen. Nachdem das einjährige Jubiläum ihres Geschäfts von einer Demonstration der Gewerkschaft begleitet wurde, entschloss sie sich zum Verkauf. Offenbar war der „Druck der Strasse“ stärker als die überwiegende Unterstützung in der Öffentlichkeit.

Der Kampf gegen ungerechte Löhne ist eine ehrenwerte Sache – aber die Gewerkschaften sollten sich auf die Fälle konzentrieren, wo es wirklich Ungerechtigkeit gibt. Für Gewerkschafter scheint dieser Begriff aber mit dem Tarifvertrag identisch zu sein.

Aktuelle Wendung in dem Fall: Fredrik Federley, ein anscheinend etwas snobbig daherkommender Abgeordneter der konservativ-grünen Zentrumspartei, hat nun Kaufinteresse bekundet und steht in Konkurrenz zu zwei weiteren Bietern. Witzigerweise war es auch er, der der Fachschaft „Mafiamethoden“ vorwarf. Ganz im Gegensatz zum aktuellen Arbeitsminister Sven Otto Littorin, der an der ganzen Blockade nichts falsches sehen konnte.

Der Fall wird damit fürs erste wohl auch einzigartig bleiben, denn die Aktion der Gewerkschaft hat schon Nachahmer gefunden. In Kristianstad gab eine Geschäftsbesitzerin schon nach einem halben Tag Blockade nach. Die hat zwar auch nur einen Angestellten – aber es ging ja, wie so oft in Schweden, ums Prinzip.

Ehrlich gesagt bin ich mir im Moment nicht sicher, ob mir die deutschen oder die schwedischen Gewerkschaften unsympathischer sind.

Media Markt (2)




Media Markt 2 (Drottningholm)

Originally uploaded by HansBaer.

Eines muss man dem Media Markt lassen: die Kampagne ist mal wieder gut.

Dieses Motiv überschreibt Schloss Drottningholm, dem Wohnsitz der königlichen Familie, mit „Danke Schweden, dass ihr unserer Olympiahostess ein so schönes Heim gegeben habt. Nun wird Stockholm das Heim für superniedrige Preise“.
Mehr in den nächsten Tagen.

Derweil ist Schweden von ganz anderen Dingen eingenommen. In Göteborg ist zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen ein Auto explodiert. Gestern war es eine Handgranate – was es heute war, weiss man noch nicht.

Die neue Regierung fängt schon an, sich zu zanken, bevor sie überhaupt zustande gekommen ist. Während die Zentrumspartei und die Volkspartei, welche schon im Wahlkampf teilweise Gleichstellungsthemen aufgriffen, Frauen und Männer zu gleichen Teilen in der Regierung haben wollen, sind hingegen die Christdemokraten, denen wohl der Abstand zwischen Frau und Herd allgemein zu gross geworden ist, und die Moderaten dagegen. Das wird noch lustig.