Kürzlich berichtete ich über einen vermeintlichen Photoshop-Unfall in der Werbung für eine Bootmesse, die im März in Stockholm stattfinden wird. Wie sich nun herausstellt, ist das volle Absicht – auf allen Anzeigen fehlen die Boote.
Autor: Fabian
Alles, was ich habe
Dieser Blogeintrag auf PetaPixel kam mir kürzlich unter. Die Fotografin Sannah Kvist hat in den 1980er Jahren geborene Schweden gebeten, alle ihre Habseligketen in eine Ecke ihrer Wohnung zu räumen, und sie daneben fotografiert.
Es ist ein interessanter Einblick in diese Generation von Schweden. Neben der Variation in den Räumlichkeiten und der Art der Besitztümer – da hat einer tatsächlich noch einen Röhrenmonitor – finde ich v.a. die Menge interessant. Es kommt mir nicht als sonderlich viel vor, v.a. in Anbetracht der Mengen, die wir bei meinem letzten Umzug transportieren mussten.
Nachtrag 17:23 Uhr: Ich hatte übersehen, dass es dazu auch in Interview in der Zeit gibt. Die geringe Menge der Habseligkeiten ist demnach kein Zufall, sondern soll zeigen, dass die junge Generation die erste ist, der es schlechter geht als ihren Eltern. Sannah Kvist deutet auch an, dass es sich bei den gezeigten Leuten um solche handelt, die in untervermieteten Wohnungen leben und daher oft umziehen müssen.
Breaking News: Victoria auf der Geburtsstation
6:40 Uhr: Ich bin jetzt kein besonderer Royalist, aber das verfolge ich doch gerne. Wie ich gerade in den Nachrichten gehört habe, ist Kronprinzessin Victoria mittlerweile in der Geburtsstation des Karolinska-Krankenhauses. So wie es aussieht, hat Schweden eine neue Nummer zwei in der Thronfolge. Prinz Daniel wird um 7 Uhr vor die Presse treten und mehr bekanntgeben.
7:08 Uhr: Schweden hat um 4:26 Uhr eine neue Prinzessin bekommen. 55 cm lang, 3280 g schwer. Der Name wird erst später bekanntgegeben.
7:56 Uhr: ich korrigiere, es sind nur 51 cm Prinzessin heute angekommen.
Populär – Com Hem weiß, wie das geht
Ich habe in den letzten Jahren viel Freude mit der Kabelfernsehgesellschaft Com Hem gehabt: lausiger Service, Preiserhöhungen durch die Hintertür und nervige Anrufe. Einziger Grund, bei ihnen zu bleiben, war, dass es für uns die einzige Möglichkeit ist, deutsche Fernsehkanäle zu empfangen, auch wenn es lediglich das ZDF und 3sat sind.
Dafür nahmen wir sogar die hinterlistige Preispolitik der Firma in Kauf, denn sie führte 2009 eine „Kartenabgabe“ ein, die man neben der normalen Monatsgebühr bezahlen muss. Der einzige Tarif, bei dem diese nicht anfällt, wurde derart unattraktiv gemacht, dass dies de facto auf eine höhere Monatsgebühr herausläuft, nur dass man die Kartenabgabe im Kleingedruckten versteckt.
Heute kam nun ein fröhlicher Brief von Com Hem:
Hallo und danke, dass Du TV-Kunde bei Com Hem bist!
Wir hoffen, Du bist mit dem Tarif Digital-Tv Medium 8 Favoriten zufrieden – er ist unser populärster Tarif.
Um gleich populär zu bleiben, folgt die Darstellung, was sie einem den so tolles anbieten.
Und dann kommt es:
Jetzt erhöhen wir den Preis von einigen unserer Dienste, um weiterhin in das beste Fernsehangebot des Marktes und dessen Entwicklung investieren zu können.
Die Preise steigen ab 1. April, und zwar folgendermaßen:
Alt | Neu | Absoluter Anstieg | Prozentualer Anstieg | |
---|---|---|---|---|
Monatlicher Grundpreis des Pakets | 159 kr | 189 kr | 30 kr | 19% |
„Kartenabgabe“ | 49 kr | 59 kr | 10 kr | 20% |
Gesamter Monatspreis | 208 kr | 248 kr | 40 kr | 19% |
Satte 19% Preiserhöhung also, und man bekommt dafür exakt: nichts. Es sei denn, man schätzt ein lauwarmes vages Versprechen einer Weiterentwicklung als irgendeinen Wert ein.
Die Dreistigkeit hat aber da noch kein Ende. Wenn man sich weiterhin die Rechnungen auf Papier zuschicken lasst, dann zahlt man dafür 45 kr (rund 5 €) – unglaublich.
Natürlich könnte man argumentieren, dass alles teurer wird. Das stimmt zwar, aber rechnet man die 19% mal rückwärts, dann kommt man darauf, dass dies bei den allgemeinen Endverbraucherpreisen dem Preisanstieg seit 1995 entspricht. Selbst wenn die Dienste verbessert worden sind: zumindest im Fernsehbereich kann gar nicht soviel dazu gekommen sein, um eine solche Erhöhung auch nur ansatzweise zu rechtfertigen. Zumal es sich ja nicht um die einzige Preiserhöhung handelt. Als die „Kartenabgabe“ im Jahr 2009 kam, lag sie bei rund 30 kr im Monat. Jetzt sind es schon 49 kr. Angenommen, der Paketpreis ist gleich geblieben, dann hat sich der Preis in drei Jahren um gut 55% erhöht.
Mit anderen Worten: das Ganze ist eine Unverschämtheit.
Meine Überlegungen, ab Mai eventuell wieder zu Com Hem auch mit dem Internetanschluss zurückzukehren haben sich damit erledigt. Sobald es eine adäquate Alternative gibt, auch das Kabelfernsehen.
Uli Wickert als Bundespräsident
Während unser alter Bundespräsident sich zwei Monate lang geweigert hat, das einzig Anständige zu tun, hatte ich Zeit, zu überlegen, wer dem Amt den Anstand zurückgibt, den es verdient.
Sicherlich gibt es viele gute Kandidaten – neben Joachim Gauck, der es aber wohl nicht noch einmal machen wird, wären da Klaus Töpfer und Norbert Lammert. Doch ich möchte einen weiteren Kandidaten in die Diskussion werfen, der meiner Ansicht nach genauso gut geeignet wäre und dazu über allerlei Qualitäten verfügt, die die anderen Kandidaten nicht oder nur eingeschränkt mitbringen: Ulrich Wickert.
Ulrich Wickert ist nicht nur bekannt und beliebt in Deutschland. Er hat als langjähriger Moderator der Tagesthemen Seriösität und Integrität gezeigt. Er kann das Amt angemessen ausüben. Als Diplomatensohn ist er mit den Gepflogenheiten internationaler Politik vertraut. Zudem war er über lange Jahre Korrespondent in den Metropolen der Welt. Er spricht nicht nur mehrere Sprachen hervorragend. Er kennt auch die Kulturen und ist überall auf der Welt zuhause.
Dazu kommt ein gewinnender Sinn für Humor und eine umfängliche Bildung. Er ist kein Politiker und dennoch politisch. Er ist vor allem überparteilich.
Darum möchte ich an dieser Stelle eine kleine Kampagne starten und hoffe auf etwas Unterstützung 🙂 .
Es gibt schon eine Facebook-Gruppe und eine Seite bei Google+.
Sechs Leben gerettet, 168 Narkoleptiker
Die Schweinegrippe ist nun zwei Jahre her. Grund für das Svenska Dagbladet, den Versuch einer Bilanz zu machen. Dort kommt eine Mutter zu Wort, die wegen ihres „Bauchgefühls“ sich und ihre Kinder nicht impfen lassen, gepaart mit den damals weit verbreiteten Halbwahrheiten über die Impfung.
Interessanter ist ein Informationsartikel, der dazu gestellt wurde und mit einer schönen Infografik aufwartet. Leider sind die Daten nicht gerade so aufbereitet, dass man daraus direkte Schlüsse ziehen kann. Die (relative) Impfquote der (absoluten) Zahl der Narkolepsiefälle gegenüberzustellen verschleiert massiv, dass die Bevölkerungszahlen der Länder stark unterschiedlich sind.
Wenn man das mit einbezieht und einmal ausrechnet, wieviele Geimpfte auf einen Narkolepsifall kommen, ist das Ergebnis gelinde gesagt merkwürdig:
Wie kann es sein, dass in Spanien gut 12 Mio. Geimpfte auf einen Narkolepsifall kommen, während dieselbe Impfung in anderen Ländern für eine 30fach höhere Quote gesorgt haben soll?
Auch in den kaum sichtbaren Balken im oberen Diagramm gibt es enorme Differenzen:
Dort zeigt sich, dass Schweden und Finnland nicht nur absolut die höchsten Zahlen haben, sondern auch die relativ höchsten Zahlen. Mehr noch: rechnet man die 8% der in Deutschland Geimpften auf die absoluten Impfzahlen um, so wurden in Deutschland mehr Impfungen (rund 6,5 Mio.) durchgeführt als in Schweden, aber die Zahl der Narkolepsiekranken beträgt weniger als ein Fünftel der schwedischen Fälle.
Daraus gibt es nur zwei mögliche Schlüsse:
- Die Zahlen sind glaubwürdig, d.h. sie wurden mit vergleichbaren Standards erhoben und geben ein repräsentatives Bild ab. In dem Fall kann es keinen Zusammenhang zwischen Impfung und Narkolepsie geben.
- Die Zahlen sind in der Form nicht glaubwürdig, vermutlich wegen unterschiedlicher Informationsstandards und Meldefreudigkeit.
Ich tendiere stark zu letzterem, denn innerhalb Schwedens wurden signifikante Unterschiede bei den Narkolepsiefällen zwischen Geimpften und Ungeimpften gemessen. Das hätten die Macher von Svenska Dagbladet auch wissen müssen, und es ist bedauerlich, dass sie das so überhaupt publizieren.
Ebenfalls mit Vorsicht zu genießen ist die Zahl der Todesfälle. Diese werden am unteren Ende der Grafik dargestellt. Angesichts der extrem unterschiedlichen Meldedaten in der Narkolepsie ist auch hier anzuzweifeln, dass die Zahl der Todesfälle nach vergleichbaren Standards festgestellt und übermittelt wurde.
Glaubt man den Daten, dann gibt es keinen ersichtlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und den Todesfällen. Das lässt doch mehr Verwirrung als Klarheit zurück.
Für Schweden sagt das Smittskyddsinstitutet, das schwedische Pendant zum Robert-Koch-Institut, nach einer Analyse, dass ca. 6 Menschen gerettet wurden.
Nun kann man die 6 Menschen mit den Narkolepsiefällen und dem ganzen Geld aufwiegen, das ausgegeben wurde. Ethisch ist das schwierig. Aber ich sage auch hier gerne noch einmal: es im Nachhinein besser zu wissen ist immer leicht. Wäre die Grippe schwerer ausgefallen, würden nun stattdessen Artikel publiziert, in denen dargestellt würde, wieviele man durch mehr Impfungen hätte retten können.
Der Artikel bemerkt zurecht, dass endgültige Daten fehlen, ja nicht einmal bekannt ist, wann sie denn vorliegen werden. Angesichts der hier gezeigten Daten und deren zweifelhaften Qualität ist aus meiner Sicht vollkommen unklar, wie die Impfung schlussendlich zu bewerten ist.
Landvetter und Krakosien
Im Flughafen Göteborg-Landvetter sieht man in letzter Zeit anscheinend regelmäßig einen Mann. Er ist freundlich und stört niemanden. Das ist auch gut für ihn, denn er lebt auf dem Flughafen.
Als ich von der Geschichte las, dachte ich sofort an den Film „Terminal“ mit Tom Hanks, in dem die Hauptperson wegen politischer Unruhen in seinem fiktiven Heimatland Krakosien im Flughafen JFK in New York festsitzt. Er kann nicht einreisen, aber auch sonst nirgendwohin. Also richtet er sich in dem Flughafen häuslich ein. Es gibt einige reale derartige Fälle. Der bekannteste ist wohl Mehran Karimi Nasseri, der fast zwanzig Jahre im Terminal 1 des Pariser Flughafen Charles de Gaulle verbrachte. Der Film basiert auch lose auf dem Fall, wobei der fundamentale Unterschied sein dürfte, dass Nasseri nach all der Zeit gar nicht mehr weg wollte. Was umso seltsamer aus meiner Sicht ist, denn wenn ich einen Flughafen zu meiner Wohnung machen müsste, dann wäre der Pariser Flughafen ganz weit hinten auf der Liste, insbesondere Terminal 1 mit seinem Mangel an Geschäften, der höchst seltsamen und ungemütlichen Architektur.
Der Grund, warum ich hier von dem Mann in Göteborg spreche, ist aber recht banal: er kommt aus Deutschland, und er ist Einwanderer. Oder so etwas in der Art. Da enden also die Parallelen zu den vorgenannten Fällen, denn er müsste keineswegs dort bleiben. Als der 27-jährige vor rund zwei Monaten nach Göteborg kam, wollte er nicht mehr nach Hause. Er schläft meistens im Gebetsraum und hat kein Geld. Er lebt davon, was ihm die Cafés im Flughafen zustecken, und wenn ihm jemand ein paar Kronen aus Mitleid zusteckt, fährt er in die Stadt. Bislang kam er aber immer wieder zurück.
Gefragt von Aftonbladet sagt er
Ich schäme mich. Ich habe ein schlechtes Leben gehabt. Ich kann nirgends hin.
Das Konsulat und die Kirche haben versucht, ihm zu helfen, und auch der Grenzschutz ist um ihn besorgt. Es gibt derzeit keine Pläne, ihn zu vertreiben. Laut dem Bericht will er in Schweden wohnen und leben.
Eine merkwürdige Geschichte irgendwie. Es ist ja nicht so, dass es keine staatliche Unterstützung für europäische Arbeitssuchende gäbe. Keiner ist gezwungen, ohne Geld auf einem schwedischen Flughafen auszuharren, und in Deutschland hätte er Anspruch auf Sozialleistungen. Er will aber anscheinend genau dort bleiben. Aus den spärlichen Informationen ist kaum herauszulesen, ob es sich hier um eine gescheiterte Auswanderung handelt, um eine Verzweiflungstat oder den Entschluss eines verwirrten Mannes.
Ich wünsche ihm jedenfalls viel Glück – ob nun in Schweden oder Deutschland.
Schöne neue Verlagswelt
Kürzlich kontaktiere mich ein gewisser Dmitrii G. über Facebook. Er schreibe mir im Namen eines in Saarbrücken ansässigen internationalen Verlagshauses, der Lambert Academic Publishing, und sei über eine Arbeit von mir gestolpert.
Sie planen Publikationen in diesem Bereich, und fragten sich, ob ich an einer Veröffentlichung interessiert sei. Ich habe mir mal die Broschüre kommen lassen:
- Eine Kopie für den Autor gibt es umsonst.
- Man kann das Cover selbst gestalten. Weitere Kopien kann man zu vergünstigen Preisen erhalten.
- 12% der Einnahmen gehen an den Autor.
- Es erhält eine ISBN-Nummer und kann z.B. bei Amazon bestellt werden.
Klingt schön, oder? Ist es leider nicht.
Dmitrii lügt gar nicht mal, wenn er meint, sie planten Veröffentlichungen in dem Fachgebiet. Das Problem ist, dass Lambert Academic Publishing wahrscheinlich in so ziemlich jedem Fachgebiet publizieren will.
Es geht nämlich nicht um wissenschaftlichen Anspruch oder gar redaktionelles Interesse. Man begibt sich hier in die Gosse des Verlagswesens:
- Es ist ein On-Demand-Verlag: Bücher werden nur gedruckt, wenn eine Bestellung vorliegt. Bücher, die sich schlecht bis gar nicht verkaufen, verursachen also kaum Kosten.
- Es findet keinerlei Redaktion statt. Die vermeintliche Freiheit, das Cover selbst gestalten zu können, ist in Wirklichkeit eine Methode des Verlags, Geld zu sparen. Vermutlich kommt man so auch umhin, teure Bildrechte zu bezahlen.
Es ist also schlicht eine billige Methode, Inhalte zu akquirieren, die man teuer weiterverkaufen kann. Was man druckt, ist egal, solange es Geld bringt.
Der Verlag ist telefonisch nicht erreichbar, weil das angeblich zuviel Geld kostet. Lagerhaltungskosten fallen nicht an. Die Kosten sind annähernd Null, die Gewinnmargen groß.
Der Verlierer bei dem Spiel ist dabei nicht unbedingt der Autor. Der junge Nachwuchswissenschaftler freut sich vielleicht über die Publikation seines Werks.
Es ist vielmehr der Kunde, der dabei verliert. Die Bücher sind, um es einmal freundlich auszudrücken, nicht gerade im Niedrigpreissegment angesiedelt. So kommt z.B. eine Arbeit mit moderaten 84 Seiten auf einen Preis von stolzen 49 €. Jenseits der 100 Seiten scheint der Preis auf 59 € zu steigen, jenseits der 200 auf 79 €.
Ich habe mal einen Durchschnitt über 6 Bücher genommen und kam auf einen Seitenpreis von 42 Cent.
Nun sind stattliche Preise im Bereich Fachbücher, insbesondere wissenschaftlicher Fachbücher, nicht selten. Jedoch liegen diese trotz Redaktion, Lagerhaltung etc. wohl kaum über 20 Cent pro Buchseite.
Witzigerweise habe ich die Arbeit, nach der G. fragte, auch drucken lassen. Obwohl ein Teil der Auflage sogar in Farbe war, kam ich auf einen Seitenpreis von ca. 6 Cent (!). Selbst wenn man da alle anderen Kosten großzügig aufrechnet, kommt man niemals auf 42 Cent.
Das Perfide an der ganzen Angelegenheit ist zudem, dass die Inhalte, die da für teures Geld angeboten werden, häufig auf den Seiten der entsprechenden Hochschulen frei zum Download angeboten werden. Letzten Endes werden Inhalte, die ohnehin frei sind und, wie in meinem Fall, mit öffentlichen Geldern finanziert wurden, zu hohen Preisen verkauft.
Eine Sache ist mir zudem aufgefallen: sucht man auf Amazon nach Büchern des Verlags, so wird nicht nur klar, dass die tolle Covergestaltung im Wesentlichen aus der Auswahl eines Bildes besteht. An den Autorenbeschreibungen fällt auf, dass auffällig viele aus Entwicklungsländern kommen – auf Anhieb fand ich Nigeria, Südafrika und Tansania. Über die Hintergründe kann man nur spekulieren, aber man muss wohl annehmen, dass dies zumindest eine willkommene Zweiteinkommensquelle ist.
Apropos Hintergründe: ich habe den Prospekt der Firma nur interessehalber angefragt, weil ich schon wusste, um was es sich handelt – dank dieses Artikels der taz. Dmitri G. hat sich bei mir nicht noch einmal gemeldet, was mich auch nicht wundert. Ich nehme an, dass er noch nie in Saarbrücken war und die Autorenbeschaffung nach einem Drückerkolonnensystem funktioniert, bei der man eine Art Abschussprämie für jeden Vertragsabschluss erhält. Dementsprechend werden täglich massenweise Autoren angeschrieben, und wenn die nicht gleich mitziehen, dann lohnt sich die Weiterverfolgung nicht.
Lambert gehört zur VDM Publishing Group, wobei das VDM für den ersten Verlag der Gruppe, „Verlag Dr. Müller“, steht. Die anderen Subunternehmen der Gruppe zeichnen sich durch ein noch unseriöseres Geschäftsmodell aus: sie verkaufen ausgedruckte Wikipedia-Artikel, was natürlich noch billiger ist, weil es da keine Autoren gibt, die für ihre Arbeit Geld haben wollen. Das freie Lizenzmodell der Wikipedia erlaubt es nämlich, die Artikel ohne Genehmigung der Autoren zu vervielfältigen, solange das Zielprodukt auch noch unter einer entsprechenden freien Lizenz steht.
Besagter Dr. Müller heißt komplett Wolfgang Philipp Müller und ist nonchalant, wenn es um seine Verlage geht.
Sie beantworten Fragen zum VDM-Verlag nur schriftlich? Warum ist das so?
Weil ich nur mit meiner Frau und meinen Kindern telefoniere. Da Sie wie unsere Autoren weder zur einen noch zur anderen Gruppe gehören, telefoniere ich auch mit Ihnen nicht.
Was wohl passend ausdrückt, wieviel Respekt er der Arbeit der Autoren entgegenbringt. Das Interview ist insgesamt recht interessant – er gibt sich als Michael O’Leary des Verlagswesens.
Viele Verlage klagen, dass es Ihnen in Zeiten des kostenfreien Internets immer schwerer fiele, kostenpflichtige Bücher zu verkaufen. Wie ist die Situation bei Ihnen?
Das liegt daran, dass diese Verlage falsch arbeiten. Ein Fehler ist es, sich mit Inhalten zu beschäftigen. Klassische Modelle, bei denen der Verlag den Autor für seine Nichtleistung bezahlen lässt, funktionieren tatsächlich nicht mehr. Wer kreativ ist, hat keine Probleme.
Derart markig zieht es sich hindurch. Teilweise geht es schon ins Hanebüchene:
Kritiker werfen Ihnen vor, Sie würden sich an fremdem Wissen bereichern. Wie begegnen Sie diesem Vorwurf?
Es gibt mehrere Milliarden Menschen auf der Welt, die keinen Internetzugang haben und Wikipedia gar nicht einsehen können. Auch viele ältere Menschen in Deutschland. Oder andere, die gar keine Lust haben, die 600seitige Geschichte der Päpste online zu lesen, sondern lieber das Buch für 49 Euro bei uns erwerben, obwohl sie wissen, dass sie sich das alles in stundenlanger Arbeit zusammenstellen und selber ausdrucken könnten. Wer kauft, hat Gründe. Wer nicht kauft, auch.
Das ist natürlich ausgemachter Blödsinn. Menschen, die keinen Internetzugang haben, werden zu einem Onlinebuchhändler gehen – woanders lassen sich die Bücher wohl kaum auffinden – und sich dort ein teures Buch kaufen. Es gibt nur einen Grund, die Bücher seiner Verlage zu kaufen: die Unwissenheit darüber, um was es sich bei dem bestellten Produkt eigentlich handelt.
Sehenswert sind auch die Bilder der pompösen Zentrale: ein schlichtes Mietshaus. Wenn der Verlag nicht Amazon mit seinen Erzeugnissen fluten würde, könnte man das für ein Agglomerat von Briefkastenfirmen halten.
Auch in Müllers Blog geht es nicht gerade zimperlich zu – die Verteidigungslinie ist: es geht, es ist legal, was wollt ihr eigentlich?
Damit hat er zwar recht. Das kann aber ein Bordellbesitzer genauso sagen – der erwartet aber auch nicht, dass man es gut findet, was er da macht. Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch ethisch und moralisch.
Leuten Texte auf Papier zu verkaufen, die es eigentlich auch kostenlos gibt, ist eine findige Geschäftsidee, aber kein Fortschritt des Verlagswesens. Zwar haben anscheinend allerlei Bibliotheken diese Bücher auf den Index gesetzt, aber es finden sich wohl zunehmend auch dort derlei Titel.
Die Idee, Wikipedia-Artikel zu verkaufen, haben anscheinend auch andere Verleger wie Hephaestus Books gefunden.
Die einzigen, die dem einen Riegel vorschieben können, sind wohl die Onlinehändler wie Amazon – aber solange die nicht allzu viele Beschwerden haben, verdienen sie wohl gerne mit. Mehr noch: das Buch, das oben im Bild als Beispiel gezeigt wird, wurde von Amazon selbst gedruckt. So hat die VDM Publishing Group auch die Druckerei eingespart.
85 Jahre Palme
Vor wenigen Tagen wäre Olof Palme 85 Jahre alt geworden – wenn er nicht 1986 ermordet worden wäre. Zu diesem Anlass brachte eine meiner Lieblingsradiosendungen, WDR Zeitzeichen, ein Porträt des Politikers, das erfreulicherweise nicht nur auf seinen tragischen Tod eingeht, sondern auch auf das Leben davor.
Hier kann man es per Mediathek abrufen, hier direkt.
Winter auf Djurgården, betrachtet durch ein Stück Plastik
Sonntagmorgen zeigte das Thermometer in der Küche knackige -22°C. Das ist sogar für mich ein bisschen kalt. Ich musste aber raus, und so packte ich mich warm ein und zog los. Später am Morgen hatte ich Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang – und für das Ausprobieren eines neuen Spielzeugs. Wer sich nämlich wundert, dass die Fotos in der Galerie noch unschärfer und schlechter sind als normalerweise: ich habe ein ganz besonderes Objektiv verwendet.
Die Kameras der Marke „Holga“ kommen aus China und werden seit 30 Jahren als erschwingliche Volkskamera für den chinesischen Markt produziert. Um den niedrigen Preis zu erreichen, ist daran auch alles billig: sie ist aus Plastik, auch die Linse. Die Fotos haben daher allerlei Fehler. Die Abbildung ist nicht sonderlich scharf, die Farben sind oft verfälscht und zum Rand hin wird es erheblich dunkler. Gerade diese Schwächen machen sie zum Kult – angeblich wurden damit schon Fotopreise gewonnen.
Kürzlich entdeckte ich, dass es von der Firma auch Objektive gibt, die man auf modernen DSLR-Kameras anbringen kann. Ich bestellte mir das Objektiv „HL-C“ für meine Canon-Kamera, ein 60 mm-Objektiv mit einer Öffnung von f/8. Damit lässt sich auch eine teure moderne Kamera in eine Holga verwandeln. Autofokus und anderen Schnickschnack gibt es nicht – fokusieren ist ohnehin Glückssache. Ich kaufte mir gleich noch zwei Extras hinzu: ein Weitwinkelobjektiv und ein Teleobjektiv. Beides sind freilich nur Aufsteckplastiklinsen, die die Brennweite modifizieren. Zu beiden gibt es übrigens schicke Köcher und eine Anleitung, die eher zum Amüsement beiträgt. Alles drei kostete bei Ebay zusammen 36 € inkl. Versandkosten.
Die HL-C ist sehr dunkel – in Innenräumen lässt sich damit nur schwerlich fotografieren. Da ich normalerweise ein Weitwinkelonjektiv verwende, blieb die Telelinse gleich in der Tasche, weil mir so schon zu wenig auf das Bild passte. Stattdessen nahm ich meist das Weitwinkelobjektiv. Da natürlich weder Fokus noch Öffnung automatisch einstellbar sind – mit den Aufstecklinsen soll man ohnehin den Fokus auf unendlich setzen – bleibt nur noch ISO und Belichtungsdauer als relevante Einstellungen. Die automatische Bestimmung der Belichtungsdauer versagte auch völlig. Ich landete bei ISO 200 und einer Belichtungsdauer von 1/320s bis 1/30s, je nach Lichtverhältnissen.
Das Ganze ist wie Hipstamatic oder Instagram, nur eben ohne irgendwelche Filter.
Ich startete von Waldermarsudde auf Djurgården aus Richtung Blockhusudden am östlichen Ende der Insel – obwohl man natürlich ab und zu immer wieder nach Djurgården kommt, war das ein Teil der Insel, den ich selbst noch nie erkundet hatte. Schade eigentlich, denn es ist sehr schön dort. Traurig ist einzig, dass das Restaurant bei Biskopsudden im Jahr 2009 abgebrannt ist und die Ruine, mittlerweile aller intakter Glasscheiben beraubt, praktisch unverändert dort steht, nur notdürftig durch einen Bauzaun abgesperrt.
Die Tour endete bei Blockhusudden, Endhaltestelle der einst von mir geschätzten Linie 69, die ich früher öfters fahren durfte. Es sollte mehr solcher Sonntage geben – wenn auch nicht unbedingt immer mit derartigen Fotos.