Eine kleine Erinnerung an gestern vor 100 Jahren

Das Grab von Scott, Wilson und Bowers, wie es von der Suchmannschaft zurückgelassen wurde (Bild: Tryggve Gran, gemeinfrei)

Wie schon mehrfach angeklungen, interessiere ich mich seit einiger Zeit etwas für die Südpolarforschung, insbesondere für das legendäre Wettrennen von Scott und Amundsen zum Südpol vor genau 100 Jahren.

Vor ebenso ziemlich genau 100 Jahren erlebten Robert Falcon Scott und seine Gefährten Henry Bowers und Edward Wilson ihre letzten Stunden in einem Zelt auf 79° 50′ S, nur 11 geographische Meilen entfernt von einem großen Depot.

Vorangegangen war eine qualvolle Rückreise. Am 19. Januar 1912 erreichten sie den Pol, über einen Monat nach Amundsen, was ein harter Schlag gewesen sein muss. Die Strapazen einer solchen Reise sind für uns heute ohnehin kaum vorstellbar – der volle Weg zum Pol und zurück wäre über 2500 km lang gewesen. Die Ausrüstung war damals erheblich primitiver und weniger ausgereift als heute. Dazu fehlten wichtige Erkenntnisse der Ernährungslehre, so dass die Rationen zu klein ausgelegt waren und konstanter Vitamin-C-Mangel in verschiedenen Fällen zu Skorbut führte, was auch auf Scotts letzte Gruppe Auswirkungen gehabt haben kann.

Als die letzte Unterstützergruppe umkehrte, nahm Scott überraschend fünf statt vier Männer mit – wohl auch ein Grund für das letztendliche Scheitern. Auf dem Rückweg starb Edgar Evans schon am 17. Februar 1912, mutmaßlich an Verletzungen nach einem schweren Sturz. Bei Lawrence Oates verschlechterte sich der Zustand immer mehr. Das Wetter wurde schlechter, und die ohnehin knappen Reserven waren bald so gering, dass es kaum noch etwas zu essen gab und die Männer sich von Depot zu Depot retteten. Am 16. März 1912 verließ Oates das Zelt, um in der Kälte umzukommen. Die einzige Quelle dieser Tage ist das Tagebuch von Scott – die anderen Männer hatten schon lange vorher aufgehört, Tagebuch zu führen. Er zitiert Oates mit den Worten

I am just going outside and may be some time.

Das Opfer rettete die anderen jedoch nicht mehr. 5 Tage später mussten sie erneut pausieren, weil das Wetter extrem schlecht war. Das Essen ging aus. Die Aufzeichnungen der letzten Tage sind teilweise wirr. Scott kommt mit dem Datum teilweise durcheinander. Einmal spricht er davon, dass sie auf dem Marsch sterben wollen, dann wieder davon, dass Bowers und Wilson gehen sollen, dann klingt es wieder so, als gäbe es noch Hoffnung. Seltsam ist auch, dass in den letzten 5 Tagen vor dem allerletzten Eintrag anscheinend nichts mehr geschah, was natürlich auch an Fehldatierungen liegen kann.

Der letzte Eintrag lautet:

Thursday, March 29.—Since the 21st we have had a continuous gale from W.S.W. and S.W. We had fuel to make two cups of tea apiece and bare food for two days on the 20th. Every day we have been ready to start for our depot 11 miles away, but outside the door of the tent it remains a scene of whirling drift. I do not think we can hope for any better things now. We shall stick it out to the end, but we are getting weaker, of course, and the end cannot be far.

It seems a pity, but I do not think I can write more.

R. SCOTT.

For God’s sake look after our people.

Im darauffolgenden antarktischen Frühling wurden sie von einer Suchgruppe gefunden, die die Aufzeichnungen und zahlreiche geologische Proben bargen. Das ist auch das einzige, was man absolut sicher sagen kann: von wissenschaftlichen Resultaten her gesehen war Scotts Expedition wertvoller.

Dies ist aber wohl das so ziemlich einzige, was nicht kontrovers diskutiert wird. Ohne Frage war Amundsen besser ausgerüstet und bediente sich u.a. des reichen Erfahrungsschatzes der Inuit. Ob man aber ein Versagen Scotts konstatieren kann, ist Ansichtssache, denn seine Tagebücher enthalten auch viele Hinweise darauf, wie umfangreich er die Expedition plante. Wie bei fast allen großen Katastrophen ergaben viele kleine Fehler letzten Endes einen großen, der fatale Folgen hatte.

Mir bleibt nur, noch einmal auf ein hervorragendes Projekt hinzuweisen, das meiner Ansicht nach viel zu wenig Aufmerksamkeit erhalten hat: Scott vs. Amundsen ist ein Blog, das Tagebuchaufzeichnungen etc. der beiden Polarpionier enthält und so die Geschichte der beiden Expeditionen nüchtern nacherzählt. Meine Hochachtung für den anonymen Macher des Projekts, der trotz faktischer Reaktionslosigkeit des Publikums seit 2007 daran arbeitete.

Unverhofft kommt, wenn man mal auf schwedisch bloggt

Ich in meinem Fernsehverließ: ganz sauer über die Comhemsche Preispolitik (Foto: Ausriss Aftonbladet-Startseite)

Ich wusste: irgendwann komme ich nochmal ganz groß raus. Nachdem ich hier ganz bescheiden seit Jahren eine Mediengroßmacht betreibe – Münte würde sagen „Ich kann Medienmogul“ – beschloss ich im Februar, es auch einmal auf schwedisch zu versuchen. Bisher sind nur ein paar Artikel herausgekommen, aber ich war positiv überrascht, dass sogleich vier Kommentare zu einem Artikel hereinkamen, in dem es um die fragwürdige Preispolitik des schwedischen Kabelanbieters Com Hem ging (hier die deutsche Version).

Natürlich ist es nichts besonderes, dass schwedische Themen auf schwedisch mehr Anklang finden als auf deutsch. Trotzdem.

Dass daraus aber eine so große Geschichte werden würde, konnte ich nun wirklich nicht erahnen. Das Foto oben stammt von der Startseite der größten schwedischen Tageszeitung Aftonbladet heute abend. Es zeigt mich sehr sauer vor meinem Fernseher und meiner Fernsehdecodierkarte in der Hand.
Der Text darunter lautet:

So wirst du von deiner Fernsehgesellschaft hinter’s Licht geführt.
Fabian Seitz bezahlt hunderte Kronen versteckter Kartengebühren „Erst wenn die Rechnung kommt, sieht man, was das eigentlich kostet.“

Es kann sein, dass ich sogar etwas in der Art gesagt habe. Darum ging es zwar nicht hauptsächlich in meinem Blogeintrag, aber gefunden hat mich der Redakteur darüber. Hintergrund und Anlass ist, dass die schwedische Verbraucherschutzbehörde Konsumentverket eine Untersuchung gemacht hat und die verschiedenen Fernsehanbieter rügt. Praktisch alle nehmen nämlich eine als „Kartengebühr“ oder „Verschlüsselungsgebühr“ bezeichnete Abgabe. Diese ist dem Namen nach dazu da, die Verschlüsselung des Signals zu bewerkstelligen. In der Realität ist es aber nur eine Methode, den Monatspreis zu erhöhen, ohne dies in der Werbung sagen zu müssen. Eine unehrliche Methode, mit der man die Kunden letzten Endes für blöd verkauft und die Preistransparenz untergräbt.

Das wäre es gewesen – ein Aufreger, aber eben ein einmaliger. Bis Dienstagabend, als der Redakteur John Granlund von Aftonbladet mich anrief und mich interviewte. Ich sagte ihm viel, aber wie bei einer Boulevardzeitung üblich kamen natürlich nur wenige Punkte stark verknappt herüber. Als er ein Foto von mir machen wollte, zögerte ich ein bisschen, sagte aber letzten Endes doch zu. Ohne Foto wäre es nichts geworden, und da eine mediale Vernichtung meiner Wenigkeit bei so einem Thema nicht zu erwarten war, ging das in Ordnung.

Abends war also der Fotograf Robin da – recht jung und engagiert. Er schoss zig Fotos, und ich war gespannt, was aus der Aktion werden würde.

Doch gestern war in der Zeitung viel, aber nichts über die Kartengebühr. Heute auch nicht, so dass ich John Granlund angerufen habe, ob die Geschichte denn gekickt worden sei. Zunächst vermutete ich, dass ein von Konsumentverket gegenüber Aftonbladet ausgesprochenes Verbot, Werbung für unseriöse Gewichtsreduzierungsmethoden einer bestimmten Firma abzudrucken, für die Versenkung des Themas mitverantwortlich sein könnte.

Aber es war auch eine Menge los. Immerhin ist heute ein Minister zurückgetreten – Thomas erklärt die Hintergründe. Also flog die Geschichte aus der Papierausgabe raus und landete heute abend auf der Startseite von Aftonbladet.

Das Foto ist natürlich der Knaller. Nicht nur sehe ich (wie angewiesen) ziemlich sauer aus. Man könnte auch meinen, ich hätte einen Fernseher in einem dunklen Keller, und wäre so sauer, weil das Gerät der einzige Lichtspender ist. Großartig!

Die Kommentarreaktionen über Facebook sind mit großer Mehrheit auf der Linie des Artikels – etwas, das den ganzen Fernsehanbietern zu denken geben sollte. Ich bin gespannt, wie sich die Reaktionen weiterentwickeln werden oder ob die Sache in der Versenkung verschwinden wird.

Morgen kaufe ich sicherheitshalber auch die Papierausgabe nochmals.

Leichte Biere: Old Gold

Farblich schon fast im Zitronenbereich ist dieses Bier aus dem Hause Spendrups. Es handelt sich dabei um eine der größten schwedischen Brauereien, die direkt südlich von Stockholm – und gut sichtbar von der Autobahn E4 – angesiedelt ist. Mit ihrem Gründungsjahr 1897 hat sie für schwedische Verhältnisse ein recht stattliches Alter, aber so „Old“ ist das „Old Gold“ dann doch nicht. Seit 1985 wird es gebraut und ist laut Aufdruck „trotz seiner schwedischen Herkunft ein echtes deutsches Premiumpils“.

Weiterhin wird – komplett auf englisch übrigens – verkündet, dass es „intensiv hopfig“ sei und „zwischen einer weichen Bitterkeit und einer subtilen Süße“ liege. Ich finde es jedenfalls recht angenehm. Es wirkt nicht wirklich dünn, hinterlässt keinen intensiven Nachgeschmack. Es könnte damit wohl auch neben einem Warsteiner oder so gar nicht mal so alt aussehen.

Preis: 13 kr für die 0,33l-Flasche

Loslaufen

Symbolbild: Ich demnächst (Foto: Thomas Fan, CC-BY-NC 2.0)

Das Jahr 2011 war sportlich für mich ein Jammertal. Training betrieb ich bestenfalls sporadisch. Der innere Schweinehund war übergroß, und das Gewicht wuchs. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt abgenommen habe, doch seit einigen Wochen trainiere ich fleißig.

Es zeigt Wirkung. Gestern hatte ich den ersten Lauf des Jahres. Die Premiärmilen ist so ziemlich der erste Lauf des Jahres. Två sjöar runt ist zwar noch eine Woche früher, aber hat es mit seinen ungewöhnlichen Streckenlängen (u.a. 5,7 km und 11,2 km) und kleinem Marketingetat schwer. Die Premiärmilen hingegen wird von der Organisation arrangiert, die auch den Stockholmer Marathon und das dazugehörige Trainingsteam veranstaltet. Letztere hat die Premiärmilen als festen Trainingslauf im Programm, und nicht nur deswegen ist die Teilnehmerzahl sehr beachtlich. Rund 2.000 Läufer waren auch gestern dabei.

Nach den desaströsen Ergebnissen bei den beiden Läufen im letzten Jahr – 1:19 beim Midnattsloppet und 1:14 beim Hässelbyloppet – waren meine Ziele bescheiden: unter 70 Minuten hätte ich gerne gehabt. Dafür durfte ich schlicht nicht gehen, denn das kostet massiv Zeit und war letztes Jahr auch das Hauptproblem. Im Training der letzten Wochen war ich jedoch schon nach 6 Kilometern fertig, auch wenn ich sie gut unter dem Schnitt von 7 Minuten pro Kilometer schaffte.

Training zahlt sich aus, kann ich nur sagen. Zwischenzeitlich empfand ich zwar die Hoffnung auf eine Zeit unter 65 Minuten als Hybris, doch mir war schon bald klar, dass 70 Minuten kein Problem darstellen würden, wenn ich mich nur zusammenreiße. Bei Kilometer 8 hatte ich das Gefühl, es könnte zu einem Krampf kommen – dieses Problem habe ich immer in der linken Wade, wenn ich mich übernommen habe. Dieses Mal blieb es aber aus, und der letzte Kilometer lief sehr gut. 63:19 Minuten war das Ergebnis, und damit weit besser als erhofft. Bemerkenswert fand ich die Konstanz, mit der ich lief. Meine Geschwindigkeit sank gegen Ende hin nicht ab, sondern blieb auf einem annähernd gleichmäßigen Niveau. Ich ging fröhlich nach Hause.

Es bleibt also das größte Problem zu beseitigen: das Gewicht. Mit einem BMI unter 30 wären auch deutlich bessere Zeiten drin, und auch ein Halbmarathon ist dieses Jahr wohl im Bereich des Möglichen. Die Hoffnungen auf einen Marathon habe ich aber aufgegeben – wieder einmal. Das ist diesmal doppelt schade, denn im Juli ist der Jubiläumsmarathon, ein Marathonlauf zum 100. Jahrestag des entsprechenden Laufs bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm.

Ich war angemeldet, aber habe die letzte Gelegenheit genutzt, meinen Startplatz zurückzugeben. Nicht nur habe ich Geld zurückbekommen. Der Platz konnte nun auch an jemanden gehen, der realistische Chancen hat. Selbst zu starten wäre unvernünftig gewesen, den Startplatz wieder einmal verfallen zu lassen unfair gegenüber all denen, die keinen bekommen konnten.

Mein Horizont sind nun Åland im Oktober – diesen habe ich 2011 ganz realistisch ausgesetzt, ausgerechnet zu dessen 30. Jubiläum – und der Stockholmer Halbmarathon im September.

Für alle Nichtläufer und Läufer möchte ich auch noch etwas empfehlen. Die BBC brachte kürzlich eine Reportage über einen der seltsamsten Marathons der Welt, den Marathon in Gaza. Ich kann die Sendung nur empfehlen, denn es ist schon beeindruckend, wenn man sieht, unter welchen Umständen manche Leute laufen.

90 Jahre Wasalauf

Das Ziel des Wasalaufs 2006 (Bild: Lipothymia, CC-BY-SA 3.0)

Skilanglauf ist nicht gerade mein Fachgebiet in Sachen Sport. Aber der Wasalauf (schwedisch Vasaloppet), ein Langlaufrennen über 92 km, ist mir natürlich ein Begriff, da es in den schwedischen Medien recht umfänglich behandelt wird.

Die Dimensionen des Laufs sind auch gewaltig. Nicht nur ist die Strecke sehr lang, es nehmen auch über 15.000 Leute teil. Er ist zudem Teil eines besonderen Zertifikats, des „schwedischen Klassikers“, das einem bescheinigt, vier sehr harte Wettkämpfe in einem Jahr bestritten zu haben. Neben dem Wasalauf ist es das Radrennen Vätternrunde (300 km Fahrradfahren), das Vansbroschwimmen (3 km Schwimmen) und der Lidingöloppet (30 km Geländelauf).

Dass der Wasalauf eine spannende Historie hat, bei dem niemand geringeres als Reichsgründer Gustav Wasa zur Inspiration diente, war mir nicht bewusst.

Eine meiner Lieblingssendungen, das WDR Zeitzeichen, hat am 19. März die Ausgabe dem 90. Jubiläum des Laufs gewidmet. Ich fand es sehr hörenswert.

Hier der Link

Kein Studentflak in der Innenstadt

In Schweden macht man seit 1968 kein Abitur mehr – stattdessen geht man 12 Jahre lang auf die Schule, um hoffentlich am Ende genug Punkte für ein Studium zusammen zu haben. Das hindert die Schüler freilich nicht daran, zu feiern, als hätten sie eine solche Abschlussprüfung gemeistert.

Teil der Feierlichkeiten ist das Tragen von offiziersähnlichen Mützen wie sie diese Dame hier trägt:

Gymnasiumabsolventin mit Studentenmütze (Bild: Flickr-User HenrikAhlen, CC-BY-NC-SA 2.0)

Freilich gehört dazu aber auch etwas (feucht-)fröhlichere Aktivitäten. U.a. ziehen die Ex-Schüler mit Wagen durch die Stadt, sogenannten Studentflak:

Als Studentflak umgerüsteter Lkw (Bild: Holger.Ellgaard, CC-BY-SA 3.0 unported)

Heutzutage sind das meist mit einem ausreichend hohen Geländer und ordentlicher Musikanlage ausgestattete Lkw. Eine ganze Branche verdient gutes Geld mit dem Verkauf von Mützen und der Bereitstellung solcher Gefährte. In einem wohlorganisierten Staatswesen wie dem schwedischen gibt es sogar deutliche Vorschriften für die Ausrüstung der Wagen.

Das Problem bei dem ganzen Spaß: die Wagen ziehen stundenlang durch die Innenstadt und blockieren den Verkehr. Die Schüler werfen Bierdosen auf die Straßen und urinieren vom Lkw herunter. Das finden CG Wrangel, Chef der Stockholmer Verkehrspolizei, und Ulla Hamilton, Bürgermeisterin für den Bereich Verkehr, nicht lustig. Die Stockholmer Politik hat deswegen beschlossen, Studentflak in der Innenstadt zu verbieten.

Ich will Komasaufen und anderen Exzessen nicht das Wort reden. Auf meinen Logenplatz als Busfahrer im Bus hinter einem solchen Studentflak in dem Moment, als eine junge Dame ihren Magen von dem Gefährt herunter entleerte, hätte ich auch verzichten können.

Aber mal ehrlich: was für Spießer. Wenn es zu gefährlichen Zwischenfällen gekommen wäre, hätte ich ja noch Verständnis für die Maßnahme. Aber der einzige Grund scheint zu sein, dass ein paar Leute sich daran stören, wenn im Sommer für ein paar Tage der Verkehr etwas stockt und es etwas lauter ist. Außerdem würde ja jetzt die Straßenbahn gebaut.

Das ist nicht hinreichend – nicht einmal annähernd. Für junge Leute ist das ein Highlight und ein bedeutendes Ereignis. Jetzt schickt man sie in die Vororte, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil ein paar Innenstädter keinen Bock auf sie haben. Schon ziemlich armselig irgendwie.

Leichte Biere: Pilsner Urquell

Skandinavien ist nicht zu unrecht für teure alkoholische Getränke bekannt. Mit Ausnahme von Dänemark ist der Verkauf von Alkohol im ganzen Norden stark eingeschränkt. Das ist nicht verwunderlich. Wenn die Tage im Winter kurz sind, schlägt das auf die Stimmung und dürfte sich dann auch im Alkohokonsum niederschlagen. Alkoholismus ist ein Problem, und so ist die Abstinenzbewegung nach wie vor bedeutend.

1922 scheiterte eine Volksabstimmung für ein Totalverbot nur knapp. Von 1917 bis 1955 gab ein Stempelheft, in dem der Alkoholeinkauf vermerkt und teilweise auch beschränkt wurde. Aber auch nach dessen Abschaffung behielt Schweden bis heute ein Alkoholmonopol für Endkunden. Alkoholische Getränke mit mehr als 3,5% Alkoholgehalt dürfen nur in Läden der Kette Systembolaget abgegeben werden. Trotz aller Liberalisierungen seither haben diese immer noch vergleichsweise kurze Öffnungszeiten.

Auch die Altersgrenzen sind vergleichsweise restriktiv: 18 Jahre für „leichten“ Alkohol (von 2,25% bis 3,5%), 20 Jahre für härteres.

Die Grenze von 3,5% bewirkt interessanterweise nicht, dass in Supermärkten alkoholfreies Bier immer anzutreffen ist – es setzt sich langsam durch, ist aber längst nicht in allen in den Regalen. Stattdessen kann man leichtes Bier (Lättöl) kaufen. Diese Bezeichnung ist allerdings etwas ungenau. Lättöl (Leichtbier) ist nämlich streng genommen nur Bier bis zu 2,25% Alkoholgehalt, das rechtlich als alkoholfrei gerechnet wird und von keinen Restriktionen betroffen ist. Was ich meistens meine, ist aber das „Folköl“ (Volksbier), das zwischen 2,25% und 3,5% hat. Für mich war es lange Zeit nur Plörrbrühe – nichts, was man sich antun muss.

Kürzlich habe ich mich aber gefragt, ob ich dem Bier damit nicht etwas Unrecht tue. Die Auswahl ist beachtlich, und irgendwas gutes muss ja darunter sein. Daher habe ich vor einer Weile ein paar gekauft und teste sie mal vollkommen sachverstandsfrei.

Heute also das erste: ein großer Name und wohl das bekannteste tschechische Bier. Recht typisch ist es ein Pils, und für meine Begriffe ein recht mildes mit passablem Geschmack. Wer das „vollwertige“ Original kennt und mag, wird hier nicht enttäuscht werden, denke ich.

Preis: 15,90 kr in der 0,5l Flasche

Kein Hallo mehr

Am Sonntag ging ein Stück schwedische Fernsehgeschichte zu Ende: im öffentlich-rechtlichen Fernsehen SVT trat Justine Kirk als letzte Fernsehprogrammansagerin auf. Nach einem Zusammenschnitt ihrer zahlreichen Vorgänger in mehreren Jahrzehnten dankte sie augenscheinlich etwas gerührt für all die Jahre und kündigte an, dass die SVT-Programme ab dem folgenden Tag, also gestern, je ihr eigenes Erscheinungsbild haben würden und die Programmankündigungen künftig nur noch aus dem Off erfolgen würden. Ein letztes Mal in die Kamera gewinkt, und dann war es vorbei.

Solche Momente tragen immer eine gewisse Wehmut in sich. Jedoch erschien mir Schwedisches Fernsehen, ganz besonders die Kanäle von SVT, in mancher Hinsicht etwas altmodisch, zumindest wenn man es aus deutscher Sicht nimmt. Fernsehansager sind für mich in erster Linie Kindheitserinnerungen. Ankündigungen aus dem Off werden in meiner Erinnerung heutzutage auch nur noch schnell in irgendeinen Abspann eingespielt. Der Trailer ist das Maß der Dinge. Den letzten Sendeschluss hat es im deutschen Fernsehen vor 15 Jahren oder so gegeben. Auf SVT2 war bis vor einiger Zeit nachts und morgens überhaupt nichts los – es gab eine automatisierte Programmtafel, das Testbild oder gar nur Rauschen. Da ich selten nachts schaue, habe ich das nicht näher verfolgt, aber wie ein kurzer Blick ins Fernsehprogramm ergab, sendet SVT1 nun praktisch rund um die Uhr und SVT2 immerhin von 8-2 Uhr.

Es scheint sich also etwas zu bewegen, und dass Hallåorna (also die „Halloer“ und „Halloerinnen“), wie die Ansager genannt werden, nun auch verschweden, ist ein weiteres Zeichen davon. Ob das Fernsehen dadurch besser wird, sei dahingestellt. Einen großen kulturellen Beitrag kann man nächtlichen Füllprogrammen wie „die schönsten Bahnstrecken Deutschlands“ oder dem legendären Super-RTL-Kaminfeuer nun wirklich nicht attestieren. Dennoch wirkt jemand, der das opulente Programm der versammelten Zuschauerschaft vorstellt, in einer Zeit, in der alles immer und überall verfügbar sein soll, etwas deplatziert.

Für Leute, die den Wandel nicht ganz mitgehen wollen, gibt es eine Alternative: auf TV4 sind immer noch Ansager zu sehen.

Noch ne Insel

(Leider) schwabenfrei: Kerguelen (B.navez, CC-BY-SA 3.0 Unported)

Am 21. Februar schnellten plötzlich die Besucherzahlen meiner kleinen Seite hier nach oben. SWR2 brachte an jenem Fasnachtsdienstag erneut eine „Reportage“ aus dem Jahr 2010, die sehr echt daher kam, aber zu praktisch 100% gefälscht war. Die Geschichte war sehr schön aufgemacht: Hunderte von Schwaben sollen auf der subantarktischen Insel Kerguelen seit vielen Jahren eine Kolonie unterhalten und dort Maultaschen aus dem dortigen Kerguelenkohl machen. Ein schönes, mit viel Liebe gemachtes Stück – aber eben kompletter Unsinn.

Die neuerliche Ausstrahlung animierte viele Hörer, nach der Geschichte im Internet zu suchen, und so landeten sie bei mir. Zweck der Übung ist freilich, genau das hervorzurufen: das Gehörte zu hinterfragen und kritisch zu bleiben. Bedauerlich fand ich dabei nur, dass diejenigen, die nicht so neugierig und kritisch sind, natürlich nicht erreichbar sind. Denn für jeden Unfug gibt es jemanden, der ihn glaubt. Das ist bei der Mondlandungslüge so, bei den 9/11 Truthern und neuerdings sogar bei der Manta-Verschwörung:

So fühlte sich z.B. hier jemand dazu veranlasst, auf der Wikipedia den Artikel zu Kerguelen zu „verbessern“. Die Deutsche Apothekerzeitung brachte gar einen richtigstellenden Artikel, dass der Kohl keine Heilpflanze sei. Wahrscheinlich ist der Versuch der Richtigstellung in vielen Fällen schon vergebens. Leider.

Interessant ist aber, dass eine Woche später, also vorigen Dienstag noch einmal eine Insel im Fokus von SWR2 Wissen stand: St. Helena, bekannt als letzter und unfreiwilliger Wohnsitz von Napoleon Bonaparte. Eine Insel mit freundlicherem Klima als Kerguelen, aber ungefähr genauso schwabenarm. Ich kann die Reportage nur empfehlen. Im Gegensatz zu Radio Neuschwabenland gibt es Saint FM nämlich wirklich, und man kann es sogar online anhören (bitte nicht alle auf einmal, denn die Netzanbindung der Bewohner von St. Helena ist sehr dünn ausgelegt).

Leider geht die Reihe morgen nicht mit einer weiteren Inseln weiter, sondern mit einem Beitrag zur EU-Freizügigkeit und den Effekten in Ostdeutschland. Schade, denn es gäbe noch viele solcher einsamer Inseln….