Oje

Die SPD käme im Moment auf überragende 21 Prozent. Das ist schon bedrückend, aber irgendwie auch nicht verwunderlich. Im Moment flüchte ich mich lieber in die Quantenmechanik, was mich auch karrieremässig sicher mehr voranbringt.
Morgen ist übrigens Stockholm Marathon. Mit dabei: Andreas, dem ich viel Glück wünsche. Ich selbst werde mit einem neuerlichen Marathon warten müsse – vermutlich wird es also zum 5jährigen Jubiläum meines ersten wieder was.

Panoramen (16): Zentrale der schwedischen Sozialdemokratie

Panorama: Socialdemokraterna Sveavägen 68

Ich habe zwar vergessen, um welchen Kongress es sich handelte, aber hier ein Panorama vom Versammlungssaal in der Zentrale der schwedischen Sozialdemokraten. Die liegt zwar im Stadtzentrum am Sveavägen, kommt aber ziemlich unscheinbar daher – dafür gibt es freilich noch u.a. ein parteieigenes Kongresszentrum.

Gedanken zu Gesine Schwan

Nachdem der erste Ärger verraucht ist, wird es Zeit, die aktuelle Lage zu analysieren.

  • Ich habe nichts gegen Gesine Schwan – ganz im Gegenteil. Sie war 2004 schon eine fähige Kandidatin und ist es noch immer. Sie hat einen hochinteressanten Lebenslauf und ist eine Quereinsteigerin, was wiederum zwei Eigenschaften sind, die ich an Horst Köhler ebenso schätze.
  • Ihre indirekte Kritik an Horst Köhler, er untergrabe mit seiner Politikerschelte die Demokratie, kann ich aber nicht unterstützen. Seine zwei Amtsvorgänger haben sich auf Festtagsreden und Repräsentation zurückgezogen. Der Bundespräsident hat jedoch die höchste politische Legitimierung des Landes, und er sollte sie auch nutzen, um die Probleme jenseits des parteipolitischen Streits anzusprechen. Er soll den Mund aufmachen, wenn er es für richtig hält, und er sollte auch nicht blind jedes Gesetz unterschreiben, das ihm unter die Finger kommt. Das Einzige, was man Horst Köhler vorwerfen kann, ist, zu unregelmäßig kritisiert zu haben – am Anfang viel, seither wenig. Der Vorwurf, es sei „antidemokratisch“, Politiker zu rügen, ist Unsinn. Kritik soll und muss möglich sein. Die letzten Jahre zeichnen sich durch Stillstand aus, an dem die Große Koalition eine große Mitschuld trägt. Einen Bundespräsidenten zu haben, der in dieser Zeit ohne Ansehen der Partei Kritik übt, ist viel wert.
  • Gesine Schwan wäre also eine fähige Kandidatin, aber ich habe meine Zweifel, ob sie den Job ähnlich gut machen könnte wie Köhler. Der ist bekannt und beliebt. Nach dem doch eher farblosen Johannes Rau ist das sehr angenehm – ein Bundespräsident muss nämlich auch immer um seine Präsenz kämpfen.
  • Die Beliebtheit von Köhler ist auch der Grund, warum sich die Union und FDP demonstrativ hinter ihn stellen. Wäre es nach den Oberen der Union gegangen, hätte man ihn noch nicht einmal gelassen, denn zur Zeit seiner Wahl hatte man wohl nicht damit gerechnet, dass er auch mal gegen das eigene Lager schießen würde.
  • Womit wir bei der SPD wären. Die Kolumnisten, die die Kandidatur von Schwan feiern, sagen auch ganz klar, dass die SPD kopflos ist. Das stimmt, denn Becks Führungstruppe eiert schon seit Monaten ohne erkennbares Ziel herum. Dieser Partei fehlt derzeit anständiges Führungspersonal und insbesondere eine Vision. Die Basis, und damit meine ich nicht nur mich selbst, ist zunehmend unzufrieden, was die letzten Umfragen auch bestätigen. Was verspricht man sich davon, Schwan aufzustellen? Ohne Frage ist sie die Leitfigur, die man sich wünschen würde – nur leider kandidiert sie dafür für das falsche Amt. Zwar mag die Wahl eines Bundespräsidenten in der Vergangenheit ein Test dafür gewesen sein, mit welcher Partei man kann und mit welcher nicht – sobald die Wahl aber vorbei war, spielte das keine Rolle mehr. Wenn die SPD ein Bündnis Rot-Rot-Grün austesten wollte, wäre dies die richtige Gelegenheit. Aber genau das will sie ja erklärtermaßen nicht.
  • Die Wahl 2009 zu gewinnen ist damit auch nicht möglich, denn man kann nicht damit Werbung machen, eine Bundespräsidentin ins Amt gehievt zu haben – das verbietet sich wegen der Neutralität des Amtes. Ein Bundespräsident ist nun einmal kein Parteipolitiker. Zudem ist mehr als fraglich, ob dieser Schritt positiv aufgenommen werden wird.

Letztendlich bleibt es die Entscheidung einer Parteiführung ohne Orientierung. Ob Gesine Schwan letztendlich Bundespräsidentin wird oder nicht, wird für die SPD keine Rolle spielen. Das alles kann den derzeitigen Niedergang der Partei nicht aufhalten. Insofern war es eine dämliche Entscheidung, gegen einen populären Bundespräsidenten in die Schlach zu ziehen. Die SPD kann dabei nur verlieren.

Die Wahl 2009 mit solchen Spielchen zu gewinnen ist aussichtslos – und es zeigt einmal mehr, dass die SPD dringend einen Führungswechsel braucht.

Brechreiz

Zum aktuellen Beschluss meiner Parteiführung, Gesine Schwan aufzustellen, fällt mir fast nichts mehr ein, weil ich damit beschäftigt bin, mein soeben verzehrtes Mittagessen bei mir zu halten. Wieso stellt man eine Mitbewerberin gegen einen beliebten Bundespräsidenten auf, der sich bislang in löblicher Weise damit hervortat, von den Festtagsreden abzuweichen und auch aktiv die Politik zu kritisieren? Warum verstösst man gegen die Regel, keinen Gegenkandidaten zu amtierenden Präsidenten zu stellen? Soll Gesine Schwan, als Person sicherlich fähig und vielerorts hochgeschätzt, etwa die Steigbügelhalterin für einen Kanzler Beck sein? Der SPD-Vorstand scheint im kollektiven Delirium zu sein…

How not to win the Eurovision Song Contest

Ich lag wie immer vollkommen falsch – nicht die lettischen Piraten haben gewonnen, und auch nicht der grenzdebile Spanier. Es war der unscheinbare Russe mit dem wildgewordenen Schlittschuhläufer.

Balkan-Connection: Jein

Wie im Vorjahr ist zu beobachten gewesen: die Sympathiepunkte spielen eine große Rolle. So hat Irland mittlerweile eine nicht unerhebliche polnische Minderheit, die natürlich konsequent für Polen stimmt, was letztendlich für die 12 Punkte sorgt. Dennoch ist es nicht die alleinige Komponente – wie man schon daran sieht, dass Deutschland dieses Mal nicht seine 12 Punkte an die Türkei vergab.
Der Grund des Erfolgs liegt vielmehr darin, durchweg zu punkten – Russland hat nur von wenigen Ländern keine Punkte erhalten, und das macht es letztendlich aus. Sicherlich bildeten die ganzen ehemaligen Satellitenstaaten eine gute Basis für Russlands Sieg. Das aber reicht nicht aus für eine Führung von 42 Punkten.

Das schwedische Debakel

Zum Treppenwitz ist der Auftritt von Charlotte Perrelli verkommen. Wie sich nämlich mittlerweile herausgestellt hat, ist sie überhaupt nur dank einer Sonderregelung ins Finale gekommen. Eine Jury bestimmte nämlich ihren Favoriten, und wenn dieser nicht in den oberen Neun auftauchte, wurde er automatisch auf Platz 10 gehoben – egal, wo er im Televote gelandet war. Perrelli hatte eigentlich nur den 12. Platz erreicht, gelangte so aber noch ins Finale. Ironischerweise hatte sie auch im nationalen Vorentscheid nur dank der Juries ihre Konkurrentin Sanna Nielsen überholt. So kam sie also mit doppelter Unterstützung von Fachleuten ins Finale, die wohl eher an die Charts dachten als an das Fernsehvolk, das schließlich auch weniger charttaugliche Altersgruppen enthält.

Gestern hatte sich offenbar die Kritik an ihrem Make-Up zu Herzen genommen und weit weniger dick aufgetragen. Das half aber alles nichts – eine der schlechtesten Platzierungen der schwedischen ESC-Geschichte kam heraus.

Womit man auch wieder ein schönes Lehrstück hätte: Publikumsgeschmack und Jury stehen oft konträr zueinander. All die musikalische Qualität, die mit Hilfe einer Jury vermeintlich gesichert werden soll, ist letztendlich wertlos, wenn die Mehrheit der Leute dem nicht zustimmen. Eine Jury als Komponente einzubauen ist daher mehr als fragwürdig.

Ein guter Rat an den NDR

BILD fragt heute morgen „Mag uns keiner? Oder sind wir zu schlecht?“ – ganz klar letzteres. Antipathien scheinen keine große Rolle mehr zu spielen. Denn gerade die Balkan-Connection zeigt, dass sich Länder, die sich im realen Leben spinnefeind sind, munter einander die Punkte zuschieben. Besonderes Beispiel: Russland gab Georgien 7 Punkte, obwohl Georgier in den russischen Medien zeitweise einer regelrechten Hetzjagd ausgesetzt waren.

Die No Angels waren also zu schlecht. Aus meiner Sicht sangen sie zwar harmonischer als im Vorentscheid, aber als Sandy Mölling (die blonde) zu ihrem Abschlussgeheule kam, wusste ich, dass das nichts werden kann. Dazu war die Bühnenshow sehr lahm – mir kamen die vier Mädels einfach etwas deplatziert vor. Die vier hatten weniger Präsenz als der kroatische Opa alleine.

Darum einige gute Ratschläge an den NDR:

  • Bessere PR-Arbeit: Der ESC wird trotz der nicht unerheblichen Kosten für Deutschland von der deutschen Öffentlichkeit weitestgehend ignoriert. Vielleicht sollte man den Gracia-Komplex endlich überwinden und eine Zusammenarbeit mit einem gewissen Herrn Raab anstreben. Die ARD hat Dutzende Fernsehprogramme und Rundfunkwellen. Trotzdem gelingt es nicht, den Leuten diesen Wettbewerb nahezubringen. Der nationale Vorentscheid ist seit Jahren nur noch eine Alibi-Veranstaltung, um aus einer Minimalauswahl einen mäßig überzeugenden Titel zu wählen.
  • Größere Vorentscheide: In San Marino kann man einen Mann mit einer Tröte auf den Marktplatz stellen, und schon ist die frohe Kunde verbreitet. In Deutschland genügt das nicht, und eine einmalige Show im Februar ist auch nicht genug, um den Leuten auch nur das geringste Interesse am ESC zu entlocken. Jedes Jahr die Reeperbahn zu beschallen macht es auch nicht besser, denn die ist von Köln, Berlin und München schon zu weit weg. Der Vorausscheid hier in Schweden ist seit 2002 auf 6 Wochen verteilt, an denen 4 Vorrunden, eine „zweite Chance“ und ein Finale an 6 verschiedenen Orten im Land stattfinden – man mag davon halten, was man will, aber die Leute wissen danach bescheid, wer antritt und haben auch das Gefühl, mitentschieden zu haben. Der Bundesvision Song Contest hat zwar einige erhebliche Schwächen, weil für manche Länder mangels indigener Teilnahmewilliger irgendwelche Ersatzleute ins Rennen geschickt werden, aber wenn sich die anderen ARD-Anstalten eine Art Halbfinale leisten würden, könnte man die Veranstaltung z.B. auch nach München, Stuttgart, Frankfurt, Saarbrücken, Köln, Bremen, Berlin und Leipzig tragen. Das würde die Republik sicherlich mehr begeistern.
  • Breitere Musikauswahl: seit die Vorentscheide so heruntergekürzt wurden, ist nur noch schwer nachvollziehen, nach welchen Kriterien die Lieder ausgewählt werden.
  • Sich dem Halbfinale stellen: sicherlich zahlen die Big Four viel Geld und haben viel Publikum, aber die Big-Four-Regel ist letztendlich ein Rohrkrepierer. Sich einem Halbfinale zu stellen heißt auch, eine Vorauswahl zu bestehen. Die Titel, die sich fürs Finale qualifizieren mussten, sind schon einmal auf Herz und Nieren geprüft. In einem Wettbewerb, der unkalkulierbar ist, ist das ein wichtiger Indikator. Es ist ja nicht verwunderlich, dass Deutschlands Mitletzter Polen im Halbfinale als Zehnter gerade so den Einzug ins Finale schaffte. Eine weiteres wichtiges Argument für eine Teilnahme am Halbfinale sollte auch nicht vergessen werden: ein ESC-Halbfinale ist besser als jeder PR-Event. Nirgendwo sonst erhält man die Gelegenheit, vor über 100 Millionen Zuschauern den Song vorzuführen, den man ins Rennen schickt. Das ist extrem wertvoll. Nicht am Halbfinale teilzunehmen heißt nämlich auch, die Zuschauer gegen die vorausgelesene Konkurrenz innerhalb von 3 Minuten überzeugen zu müssen, während die anderen zuvor wenigstens einen flüchtigen Eindruck hinterlassen konnten.

Das sind alles keine Siegesgarantien, aber schlimmer als in den letzten drei Jahren kann es eigentlich nicht mehr werden.

Gedanken zum Eurovision Song Contest

Das wichtigste Ereignis des ganzen Jahres steht an, zumindest aus schwedischer Sicht: der Eurovision Song Contest. Viele halten den ESC hierzulande für einen enorm wichtigen Wettbewerb und gehen blind davon aus, dass das überall sonst auch so sei. Mir ist es schon mehrfach untergekommen, dass jemand „Ein bisschen Frieden“ kannte – ein Titel, der zwar den ESC zum ersten und bisher (d.h. für immer) einzigen Mal für Deutschland (damals nur BRD) gewonnen hat, aber in Deutschland nur mäßig bekannt ist.


ESC 1982: Nicole – Ein bisschen Frieden

Man ist auch jedes Jahr überzeugt, das beste Lied der Welt ins Rennen geschickt zu haben. Dementsprechend groß war die Enttäuschung im letzten Jahr, dass „The Ark“ mit ihrem guten, aber sicher nicht besten Lied „The worrying kind“ nur einen 18. Platz erreichten.


ESC 2007: The Ark – The Worrying Kind

Im Jahr zuvor hatte Carola Häggkvist einen 5. Platz mit „Invincible“ erreicht und damit ihren Status einer Nationalheldin bestätigt, den sie qua ESC-Gewinn im Jahr 1991 schon innehatte.


ESC 1991: Carola – Fångad av en stormvind

Man könnte glauben, dass dies Charlotte Perrelli, die unter ihrem weniger spektakulären Mädchennamen Charlotte Nilsson den Sieg im Jahr 1999 nach Schweden holte, auch helfen würde. Allerdings weit gefehlt. Nicht nur wurde Carola Häggkvist mit ihrem Duo „Johnson & Häggkvist“ schon in der Vorrunde abgesägt, was ihr das Herz gebrochen haben soll, da das schwedische Volk offenkundig nicht mehr zu ihr stand. Im Finale wurde Charlotte Perrelli auch eigentlich gar nicht gewählt. Sie kam im Televote nur auf Platz 2 – allerdings durften dort auch die 11 Jurys des schwedischen Rundfunks mitstimmen, und diese Punkte gaben den Ausschlag. Charlotte Perrelli durfte fahren, Sanna Nielsen nicht.


ESC 2006: Carola – Invincible

Perrellis Titel „Hero“ ist auch gar nicht mal so schlecht, aber die Frau sieht derart künstlich aus, dass sie von Stefan Niggermeier mit wenig schmeichelhaften Attributen belegt wird. Irgendwie will dieses überschminkte doch recht grobschlächtige Gesicht nicht zu dem schlanken Körper passen.


ESC 2008: Charlotte Perrelli – Hero

Bei diesem Youtube-Video beschäftigt sich ein beträchtlicher Teil der Kommentare nur mit ihrem Gesicht.

1999 sah das alles irgendwie noch besser aus.


ESC 1999: Charlotte Nilsson – Take me to your heaven

Dass die ganze Sache auch zu guten Teil ein massives Schminkdesaster ist, zeigt diese Vorstellung von Perrelli:

Ich war ohnehin Fan von Amy Diamond, und so ist mir das Abschneiden von Charlotte auch recht gleichgültig. Es wäre enttäuschend, wenn man mit dem Zurückholen von früheren ESC-Gewinnern gewinnen würde.

Wie hatten uns irgendwie ein bisschen diebisch verstohlen darauf gefreut, sie im Halbfinale scheitern zu sehen. Das ist nun nicht passiert, aber dieser Wettbewerb ist so unkalkulierbar, dass es am Ende sogar die lettischen Piraten oder der idiotische Song der Spanier sein könnten, die den Sieg nach Hause tragen. Ich liege ja notorisch falsch.

Die einzig echte Überraschung wäre wohl, wenn tatsächlich einmal Portugal gewinnen würde…