Rekordverdächtig

Laufen ist manchmal wie ein guter Freund – unbarmherzig ehrlich, wenn es darauf ankommt. Lebensberatung kann dieser Sport nicht geben, aber man merkt wirklich intensivst, wenn der Körper nicht im besten Zustand ist.

Der heutige Tag wird in meine persönliche Läufergeschichte eingehen als die schlechtesten 21,1 km, die ich jemals abgeliefert habe. Das vermag ich schon nach 3 absolvierten Halbmarathons definitiv zu sagen.

Normalerweise bin ich ja ein kleiner Uhr-Fetischist. Zumindest kilometerweise will ich wissen, wie es steht. Und meist steht es so einigermaßen. Heute hingegen habe ich sogar vergessen, beim Zieleinlauf auf Stop zu drücken. Wozu auch?

Ein kurzer Blick in die Geschichte: 2004 nahm ich als Test für meinen finisherzeitmäßig letztlich bescheidenen ersten (und bislang einzigen) Marathon in New York am Baden-Marathon teil und absolvierte einen Halbmarathon. Schnell war ich zwar nicht, aber die Strecke ging trotz mäßigen Schuhwerks vorbei – lediglich riesengroße Blasen kündeten von der Meisterleistung. 2:13 Stunden habe ich damals gebraucht. Letztes Jahr dann verbesserte ich das deutlich: 1:54 Stunden beim S:t Eriksloppet hier in Stockholm. Ich hatte meinen historischen Fitnesshöchsstand erreicht.

Eine Form, an die ich seither nicht mehr anknüpfen konnte. Wegen Gewichtszunahme, aber auch wegen mangelnden Trainings. Ich habe in den letzten Monaten meist Läufe von 6 bis 8 km absolviert, manchmal mit fiesen Steigungen, aber meist harmlos. Für eine schwedische Meile (10 km) ein halbwegs brauchbares Training, für mehr aber definitiv nicht.
Dennoch beschloss ich spontan, dieses Jahr wieder beim S:t Eriksloppet teilzunehmen. Nach meiner Ohrengeschichte diese Woche bin ich aber seit gestern auf Antibiotika. Dazu kam „Verletzungspech“: die grandiose Aktion mit dem Zeh vor einigen Tagen bewog mich dazu, Training diese Woche sein zu lassen.

Aber es sollte ganz anders kommen. Meine Stimmung hellte sich merklich auf, und die ersten Kilometer machten echt Spaß. Erst gegen 7 Kilometer merkte ich, dass meiner Leistung Grenzen gesetzt sind, aber da meine Tempovorstellungen (ca. 2 Stunden) recht moderat waren, blieb ich noch einigermaßen im Limit. Bei Kilometer 9 dann der erste Einbruch. Ich wurde immer langsamer, das Atmen fiel schwer. Eine Pause zum Luft holen war unvermeidlich.

Das Problem dabei ist, dass ein Hypochonder-Effekt entsteht. Man fragt sich dauernd: „Beeinträchtigen die Antibiotika die Lungenfunktion?“ – und sucht nach Anzeichen davon. Wenn ja, wäre das natürlich fatal gewesen und ich hätte schon kurz darauf einen Sanitäter ansteuern müssen, bevor ich auf der Strecke umkippe. Helden, die das geschafft haben, habe ich heute auch gesehen – einer lag schon bei Kilometer 12.

Der Gedanke, aufzugeben, ist mir allgemein natürlich zuwider. Zumal zuhause ein T-Shirt liegt, das man dann niemals ruhigen Gewissens tragen könnte. Dennoch verfolgte mich die Erwägung dieses Schritts (ich habe noch nie einen öffentlichen Lauf abgebrochen) einige Kilometer. Letztendlich bewegten mich meine beiden Cheerleader Chris und Bine mit ihrer Zuversicht bei Kilometer 12, diese Idee zu verwerfen. Letztendlich waren es ab da nur noch 9 Kilometer – nur.
Das eigentliche Debakel begann bei Kilometer 14. Leichtes Ziehen in der linken Wade, kurz darauf ein kleiner Krampf. Ein paar Muskelstränge kontrahierten, obwohl sie es nicht sollten. Die sichtbare Einbuchtung an der Stelle verdeutlichte, dass sich etwas anbahnte. Ich hatte noch nie einen Krampf beim Laufen. Wenn mich so etwas mal erwischt hat, dann meist nach einer durchzechten Nacht, so dass eine falsche Schlafposition wohl die Durchblutung behinderte. Aber beim Sport? Nie gehabt.
Ich fühlte mich so, wie sich Frank aus „Von Null auf 42“ beim NYC-Marathon gefühlt haben muss. Man kommt wenig bis gar nicht voran, und irgendwann ist man nur noch von Rentnern umgeben. Heute trösteten mich ein paar fast schon gazellenartige (und optisch nicht zu verachtende) Frauen darüber hinweg, dass meine Zeit langsam aber sicher in den Keller rutschte. Es kommt offenbar nicht nur auf die Altersklasse an, wo man im Feld landet.

Der Höhepunkt war bei Kilometer 18 erreicht. Die angepeilten 2 Stunden waren schon verstrichen, und regelmäßig bei jedem Laufversuch machte der Muskel schnell dicht. Die Intervalle wurden kürzer, die Krämpfe stärker. Letztendlich stand ich mehrere Minuten da und wartete, dass sich der Krampf löste. Prophylaktisch zwischenzeitlich zugeführtes Wasser, isotonisches Getränk (lasse ich sonst angewidert stehen) und Bananen hatten offenbar nur bedingt geholfen. Solange ich ging, gab der Muskel Ruhe. Beim permanenten Lauf meldete er sich aber schnell zu Wort, in diesem Fall besonders stark. Ein Mitläufer fortgeschrittenen Alters stellte im Vorbeirennen die sinnige Frage „Är det kramp?“ („Ist das ein Krampf?“), worauf mir nur ein „Ja“ als Antwort einfiel. Was hätte ich sonst auch antworten sollen? Mir ist allerdings schleierhaft, was die Frage sollte. Wenn man derart weit hinten läuft und scheinbar keine gesundheitlichen Probleme hat, riskiert man im Normalfall keine dicke Lippe.

Drolliger hingegen eine Frau, die bei Kilometer 19 jubelte angesichts der Tatsache, dass sie eben jenen Kilometer 19 überschritten hatte. Kurz darauf fragt mich eine Passantin, was das denn überhaupt für ein Lauf sei. Sie ist offenbar nicht sonderlich gut informiert, und sicher auch keine begeisterte Läuferin.

Chris und Bine hatten stoisch abgewartet und sogar den Streckensprecher bei Kilometer 20 dazu überredet, mich persönlich zu nennen, was ich mit kurzem Winken quittierte. Interessanterweise gab man mir dieses Jahr wieder den Teamnamen Keesves – offenbar ein Relikt aus der letztjährigen Datenbank, denn zu der Zeit verwendete ich den noch.

Die beiden liefen sogar ein Stück mit. Die letzten paar hundert Meter schaffte ich sogar noch laufend. Das endgültige Ergebnis: ungefähr 2:40 Stunden – miserabel wäre ein Euphemismus.
Zu allem Überfluss steht nächsten Samstag der nächste Lauf an. Dann aber über angenehme 5 km. Mehr traue ich mir im Moment auch nicht zu.
Ich sage manchmal, dass ich vor dem letzten Läufer mehr Respekt habe als vor dem ersten – eben weil er es durchgezogen hat. Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Letztendlich hat man versagt, den Schaden lediglich etwas eingedämmt. Mein Herbst- und Wintertrainingsprogramm steht schon in Grundzügen fest.

Als ich in New York auf den letzten Kilometern müde vor mich hintrottete, traf ich einen Kanadier, mit dem ich ins Gespräch kam. Ihn hatte das Verletzungspech direkt im Lauf erwischt und er humpelte etwas. Ich konstatierte kurz darauf, dass das für mich fürs erste der einzige derart lange Lauf bleiben würde. Er antwortet kurz, aber treffend: „Lügner!“

Das Schlimme ist: er hat recht.

Kampagne von Dagens Nyheter (2)


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Originally uploaded by HansBaer.

Noch ein nettes Motiv aus der DN-Kampagne.

Sonstige Gedanken zum Tage:

Heute morgen war ich beim Arzt und bekam ein Ohr ausgespült. Grandios – vielleicht hilft es sogar was.

Mein Zeh tut nach einer schweren Verletzung (dachte erst, er sei gebrochen) letzten Freitag immer noch leicht weh. Die 21 km morgen beim Halbmarathon werden kein Zuckerschlecken.

In diesem Zusammenhang: Am Dienstag schrieb Metro in seiner Ausgabe, dass Sex viele Kalorien verbraucht und gesund ist. Ich hab aber keinen – was jetzt???

Ähnlich begeisternd ist der Zustand der Zimmerpflanze hier. Irgendjemand hat gestern auch die letzten braunen Blätter abgenommen. Jetzt ist sie offiziell tot. Ich lass sie einfach mal stehen – sagen wir, um die Vergänglichkeit des Lebens zu symbolisieren. Wahrheitsnäher wäre, dass ich nicht weiss, was ich sonst mit ihr machen soll.

Steffen hat mir einen prima Artikel über Nordkorea (mein Wunschreiseziel 2007) geschickt – Firma dankt!

Geständnis

Es ist nicht zu verleugnen – der konstante Geschichtenfluss ist hier Mitte November versiegt. Dabei gäbe es viel zu erzählen. Nicht das, was ich momentan oft gefragt werde: ist es in Schweden kalt? (Antwort: Nein, zumindest diesen Winter nicht) Wie ist es dort? (Antwort abhängig vom Zusammenhang) usw.

Es ist ja nicht so, dass nichts passiert wäre. Nach zweimonatigem Tief habe ich die allermeisten Sachen an der Uni doch noch irgendwie zu Ende gebracht – allerdings auch 10 kg zugelegt. Meine Lauf- und Trekkingschuhe wurden mir geklaut – vermutlich von den komischen Menschen, die sich um den Container herumtreiben. Eine schnelles Wiedererreichen der alten Form war also auch ausgeschlossen. Das wird sich nun ändern. Gleich nach meiner Ankunft hier in Deutschland habe ich neue Schuhe gekauft. Die Laufauswahl im Frühling ist zwar sehr mager in Stockholm, aber ein paar wird es geben. Das Ziel ist in jedem Fall klar: Marathon in Stockholm im Juni.

Es gibt aber auch Positives zu berichten. Beispielsweise ist es mir gelungen, aus dem Container auszuziehen. Ich wohne nun in einem Zimmer mit echten Wänden, ohne Zug, dafür mit Supermarkt. Da kann man nicht meckern.
Highlight des letzten Monats war aber zweifellos, das Nobelbankett, das ich im nächsten Beitrag stellvertretend für den fehlenden Monat in epischer Breite darstellen werde. Es war überragend…

Zunächst aber mal wünsche ich allen Lesern, die mir noch die Treue halten frohe Weihnachten!

Hässelbyloppet 2005

OK – it has been already 21 days since the run, so I’ll keep it short: the Hässelbyloppet 2005 was the last run of the year.

Our team consisted initially of 6 runners, but Garance overslept – so we were only 5. The distance was 10 kilometers with a nice field start. The time measuring system is probably the most oldfashioned I have ever seen. There are several „channels“, each with an own clock, taking each runner’s time. The starting number of the finishers is noted down in the order of arrival. After that it is possible to make the connection between the measured times and the names of the runners. Oldfashioned, but smart – and more accurate than the usual bar-code-system.

Hässelbyloppet 2005
Nina, Thibault and Ronney prepare for the run

Hässelbyloppet 2005
Norbert, our driver and proud Volkswagen T3 Transporter owner

Hässelbyloppet 2005
After the run

The Hässelbyloppet is divided in four classes:

  • Herrar tävling – Competition class for men
  • Herrar motion – Class for men who just want to take part without competing at a particularly high level
  • Damer tävling – Competition class for women
  • Damer motion – Class for women who just want to take part without competing at a particularly high level

Our results:

  1. Thibault: 39.14 minutes, ranking 11th out of 660 runners in Herrar motion class
  2. Ronney: 42:31 minutes, ranking 74th out of 660 runners in Herrar motion class
  3. Norbert: 43:00 minutes, ranking 145th out of 181 runners in Herrar tävling class
  4. Nina: 46:18 minutes, ranking 26th out of 379 runners in Damer motion class
  5. Fabian: 51:40 minutes, ranking 445th out of 660 runners in Herrar motion class

In total everybody could be quite satisfied. Thibault made an incredible time, and Nina ranked impressively despite her fear she wouldn’t be competitive at all.
For myself I think there is still room for improvement – although 51:40 minutes is the best time I have ever made in a public run on 10 km. My goal should be to stay below 50 minutes on this distance, which would also include to run a marathon in 4 hours or less.

Now it’s the winter break in running. Although I want to keep doing training, it is quite difficult to motivate myself for that. Maybe watching the marathon TV-documentation „Von Null auf 42“ will help.

The final goal however is totally clear at the moment: Stockholm Marathon 2006 in about 4:30 hours!

(Halb-)Marathon Superstar

Ich sollte dieses Blog in „Albano Watch“ umbenennen. Genügend Stoff zu berichten gäbe es allemal – obwohl oder gerade weil hier ein Haufen Müll rumliegt, treiben sich höchst seltsame Gestalten herum. Gestern gab es folgende Szenerie zu beobachten:

Ein männliches Model zeigte sich in Bademeisterpose auf dem mondänen Schotterhaufen vor der Bahnstrecke – gelegentlich zog er sich sogar um. Schade, dass es keine Frau war. Einen Schnappschuss konnte ich mir dennoch nicht verkneifen. Ich gab allerdings vor, die vorbeifliegenden Heißluftballons zu fotografieren.

Derweil trieb sich weiter vorne ein Mann mit dem Aussehen einer Vogelscheuche herum und sammelte herumliegenden Müll ein. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war er aber kein Mitarbeiter der Parkplatzfirma, die mich mit einem Ticket beglückte, sondern ein Obdachloser. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die werden aus der Innenstadt mittels einer Taktik vertrieben, die auch im Hamburger Hauptbahnhof für erhebliche Veränderungen gesorgt hat: an einigen Geschäften in der Nähe von T-Centralen (Hauptbahnhof für alle Bahnen) wird die Straße mit recht lauter Musik beschallt. Der Effekt ist einfach, dass unerwünschte Menschen auf Dauer davon genervt sind und weiterziehen.

Und nun zu etwas völlig anderem: Samstag.
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Ups and Downs

I woke up with a strange feeling in my throat – almost certainly an indicator for a beginning angina or something similar. But this doesn’t keep me from running, of course. Especially when I’m the leader of the team.

Our team was „KTH international students 05“. I have to admit a not very creative name, but a practical one, since most of the team came together less than a week ago.

Bellmanstafetten Panorama
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Wellness in blau-gelb

Es ist 9:30 Uhr – die Sonne scheint. Nach einer (wie eigentlich immer) etwas unruhigen Nacht frühstücke ich Müsli mit schwedischen Erdbeeren (es gibt sie, wenn auch nur selten). Während ich in der Küche stehe, kommt eine der Finninen herein, und mir fällt auf, wie unglaublich gut (schlank, blondes Haar in Strähnen, Brille, vermutliche blaue Augen, heute ganz in rosa gekleidet) sie aussieht. Eine angenehme Art, den Morgen zu beginnen.
Ein Tag mit IKEA und Tonnen von Knäckebrot kann kommen…
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