6:40 Uhr: Ich bin jetzt kein besonderer Royalist, aber das verfolge ich doch gerne. Wie ich gerade in den Nachrichten gehört habe, ist Kronprinzessin Victoria mittlerweile in der Geburtsstation des Karolinska-Krankenhauses. So wie es aussieht, hat Schweden eine neue Nummer zwei in der Thronfolge. Prinz Daniel wird um 7 Uhr vor die Presse treten und mehr bekanntgeben.
7:08 Uhr: Schweden hat um 4:26 Uhr eine neue Prinzessin bekommen. 55 cm lang, 3280 g schwer. Der Name wird erst später bekanntgegeben.
7:56 Uhr: ich korrigiere, es sind nur 51 cm Prinzessin heute angekommen.
Das Theater, das wieder einmal darum gemacht wird, ist leider wieder einmal typisch. Es kommt einem so vor, als hätte die ganze Nation auf nichts anderes gewartet. Dabei war das Königshaus seit der Hochzeit letztes Jahr mit allem in der Öffentlichkeit gewesen, aber bestimmt nicht mit diesem Thema.
Man kann sich freilich fragen, wieso man derart früh – sie dürfte im zweiten Monat sein – an die Öffentlichkeit ging und nicht die kritischen ersten 12 Wochen abwartete. Meine Annahme ist, dass bei heutigen Nachrichtenflüssen es ohnehin nicht lange geheim hätte bleiben können. Da wollte man wohl handeln, bevor der Boulevard seine Paparazzi losschickt.
Soviel Mut hätte ich den im Vergleich zu den Schweden sehr royalistischen Dänen gar nicht zugetraut.
Die große Frage, die sich nun „alle“ stellen, ist: wie wird das Kind heißen, wenn es im März Teil der Thronfolge wird? Die Wettbüros nehmen schon Vorschläge an, und wenn auch noch nichts feststeht, so ist zumindest zu erwarten, dass es nach Familientradition vier Vornamen sein werden und mindestens einer davon von Daniels Seite kommen wird.
Die bisherigen Vorschläge sind nicht nur sehr traditionell, sondern stimmen erstaunlicherweise auch mit den aktuellen Namenstrends in Schweden gar nicht mal so schlecht überein. Einer der plausiblen Topfavoriten bei den Jungennamen, Oscar, war 2010 auch auf Platz 1 der Namenscharts in ganz Schweden, und auch der derzeitige Wettspitzenreiter Gustav schaffte es zumindest in die Top 20. Olof, Erik, Karl uns Carl-Johan liegen derzeit aber kaum im Trend.
Bei den Mädchen dominiert ganz klar Désirée, gefolgt von Kristina und Ingrid. Alle drei Namen haben sozusagen das royale Siegel, denn eine Königin Kristina gab es schon mal und die beiden anderen Namen trägt Victoria sogar selbst. Sinnigerweise ist Alice – der einzige von Victorias Vornamen, der nicht in den Wettfavoriten auftaucht – einer der Favoriten in Schweden im Allgemeinen: letztes Jahr der derzeit zweitbeliebteste Mädchenname im Land. Die anderen genannten Namen sind aber nicht gerade so der Burner.
Vielleicht gehen die beiden aber in den exotischen Bereich. Sie könnten ihr Kind wie andere Promis ja nach dem Ort der Zeugung benennen, was der Bild-Zeitung nach zu urteilen auf den schönen Namen „Berlin“ hinauslaufen könnte. Wenn das so wäre, könnte man natürlich ganz froh sein, dass die beiden nicht in Castrop-Rauxel abgestiegen sind.
Sie könnten aber auch den Einwanderern die Hand ausstrecken, denn schließlich ist Daniel das erste Mitglied im Königshaus schwedischer Herkunft. Wie das gehen soll, weiß ich abr nicht: erkennbar fremdländische Namen hinterlassen in der schwedischen Namensstatistik erstaunlich wenige Spuren. Lediglich Mohammed, auf Platz 65 bei den Jungs, fiel mir ins Auge.
Mein Tipp: Bernd oder Lucia, zwei bekanntermaßen urschwedische Namen. Und welches Volk hätte nicht gerne einen König Bernd?
Einem Namen traue ich jedoch keine Chancen zu: William, derzeit auf Platz 2 bei den Jungs. Ich meine: Welcher Prinz heißt schon William?
Eine Woche sind sie nun verheiratet – wer, das braucht wohl nicht dazu gesagt zu werden. Es ist sehr schnell Normalität eingekehrt, auch wenn natürlich viel darüber gesprochen wurde.
Noch in der Nacht türmte das Brautpaar in einem Privatjet eines befreundeten Multimillionär Richtung Tahiti. So wird Öland dieses Jahr ohne den traditionellen Besuch Victorias zu deren Geburtstag auskommen müssen.
Neben dieser Nachricht ging es in den letzten Tagen um zwei Dinge: die Rede von Prinz Daniel und der Streit des schwedischen Fernsehens mit verschiedenen internationalen Nachrichtenagenturen.
Für die Rede wird Daniel hochgelobt, nicht nur für deren rhetorische Qualität und romantische Note, sondern auch für den fliegenden Wechsel von Englisch zu Schwedisch und zurück. Er hatte sich in den letzten Jahren für solche Aufgaben vorbereitet und wird dies wohl auch noch eine Weile weiter tun.
Dem kann ich eigentlich nur zustimmen. Die Rede war souverän, romantisch und sympathisch, womit er auch Zweifel an seiner Eignung als Repräsentant des Landes ausgeräumt haben dürfte.
Der Streit mit den Nachrichtenagenturen ist ein Nebenschauplatz, wenn auch nicht ein unwichtiger. Es war keine Übereinkunft über die Verwendung der Videoaufnahmen gefunden worden, so dass die Agenturen knallhart die Berichterstattung boykottierten, was mal eben so die umfangreichste PR-Veranstaltung für Schweden in der Welt seit langem torpedierte. So offen schrieben es teilweise auch die Kommentatoren. Das schwedische Fernsehen SVT ging in die Offensive und veröffentlichte die Vertragsbedingungen. Danach schien die Sache im Sande zu verlaufen.
Anschauen kann man die ganzen Videos auch so, wenn auch zeitlich begrenzt.
Seither ist offiziell Monarchiejubelstimmung angesagt. Ich hatte auch einen Popularitätsschub erwartet, aber habe mittlerweile so meine Zweifel. Eine Sache, die mich jedenfalls etwas stutzig macht, ist die Tatsache, dass die Einschaltquoten geringer waren als bei den alljährlichen TV-Hochämtern, der Donald-Duck-Weihnachtsfolge am Heiligabend und dem Finale des Melodifestivalen. Wenn das erste derartige Ereignis seit über 30 Jahren weniger Leute vor den Fernseher bringt als diese beiden Sendungen, dann ist das schon irgendwie seltsam. Möglich, dass die Sache die Kluft zwischen Monarchiegegnern und -befürwortern nur noch weiter vertieft hat.
Heute habe ich auch mal in die Berichterstattung der deutschen Sender hineingesehen, die natürlich vom royalen Fachsender ZDF federführend, sekundiert von längeren Übertragungen im NDR, durchgeführt wurde. Meine schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bestätigen. Hanns-Joachim Friedrichs hat ja einmal folgenden Satz gesagt, den jeder Journalistikstudent seither hundertmal in sein Poesiealbum schreiben muss, bevor er ins zweite Semester darf:
Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.
Daran gemessen scheinen die Sendungen ziemlich zweifelhaft zu sein. Es wimmelt nur so von Royal-Experten, die natürlich alle immer wiederholen, wie toll das doch alles sei. Stundenlange Dauerschwärmerei bis hin zu Äußerungen in der Art, das sei doch alles gar nicht so pompös gewesen und überhaupt waren die 2 Millionen Euro ein Schnäppchen, lassen dann doch die Distanz etwas vermissen. Wenn das nicht pompös gewesen sein soll, dann frage ich mich, was pompös ist. Ich kann mir auch nicht so ganz vorstellen, dass die Summe von 2 Millionen Euro alle direkten und indirekten Kosten abgedeckt haben soll, denn immerhin war das mit dem größten Polizeieinsatz der schwedischen Geschichte verbunden. Das mag ja trotzdem alles angemessen sein, aber derart unreflektiert daherzuschwärmen wird dem Thema nicht gerecht. Ich bin mir auch recht sicher, dass in all den Stunden Liveübertragung kein einziges Mal erwähnt wurde, dass die Popularität des Königshauses seit Jahren permanent sinkt. Das würde die schon durch einen Inga-Lindström-Film eingeleitete Schweden-Idylle ja nur trüben.
Ein öffentlich-rechtlicher Sender kann so ein Ereignis ja gerne begleiten, aber sollte sich dabei weniger vereinnahmen lassen.
Warum ich blogge, fragte die Teilnehmerin bei dem Seminar, das ich neulich in Berlin mitgestaltet habe. Ich hatte keine wirkliche Antwort.
Es bringt mir im Grunde ja nichts – es kostet im Gegenteil. Umso schwerer ist zu sagen, wieso diese Veranstaltung hier über Jahre von einem kleinen Privatspaß zu einem großen Privatspaß mit angeschlossenem Schweden-Auswanderer-Informationsservice geworden ist.
Die Quintessenz ist dabei schlicht, dass es keine Einwegkommunikation ist. Manchmal schreibt man etwas, das wirklich jemand lesen möchte – und derjenige tut es dann oft sogar auch.
Und selten, ziemlich selten trifft man den Zeitgeist. Man trifft ein Thema, das auf ungewöhnlich viel Resonanz stößt. Das Mysterium ist und bleibt aber, was diese Themen ausmacht.
Denn es sind nicht immer die elaborierten Artikel, die Gefallen finden. So war es in der Vergangenheit einmal dieser Artikel, der Google-Sucher bei der Eingabe von „Tiersex“ offenkundig magisch anzog.
Das ist aber kein Vergleich dazu, was im Moment abläuft. Der Besucherrekord vom August 2008, der beim Erscheinen der zweiten Runde des Auswandererguides erreicht wurde, fiel gestern. Fast 3000 Menschen haben die Suche „Victoria von Schweden“ eingegeben, und sie landeten nicht etwa bei meinen Berichtenzur Hochzeit, sondern ausgerechnet bei einem Artikel, der eher ein längst vergessenes Ärgernis war als irgendetwas, auf das man stolz sein könnte. So wurde ein absurdes Fundstück in einem Satireblog, dessen Macher ein etwas merkwürdiges Verhältnis zur Satire haben, zum größten Hit dieser Seite bisher. Der Juni 2010 wird so wohl der erfolgreichste Monat dieses Blogs werden, wenn man es rein nach den Besucherzahlen betrachtet.
Langfristig betrachtet wird aber kaum etwas bleiben. Die allermeisten Besucher gingen nämlich sofort wieder, und zwar nicht zu dem Satireblog, sondern ganz.
Dieser Google-Effekt wird mir dennoch unerklärlich bleiben, denn dass ich bei irgendeinem der genannten Suchbegriffe ganz oben in der Trefferliste stehe, scheint mir doch recht unwahrscheinlich.
Ach, was war das rührend gestern. Alle haben sich lieb, und so eine 11-stöckige Torte hat natürlich etwas. Ich konnte nur die Trauung live verfolgen. Danach ging es auf Arbeit.
Ich hatte eigentlich nur zwei Extreme erwartet: entweder würde die Stadt vollkommen leer oder total überfüllt sein. Aus meiner Sicht war es ersteres. Als ich gegen Ende der Kutschenfahrt des Brautpaares durch die Innenstadt auf dem Weg zu meinem Startpunkt war, präsentierte sich die U-Bahn, die für den Tag kostenlos war, um die Massen besser zu bewältigen, als weitgehend leer. Natürlich kann es auch sein, dass die Massen erst später gekommen wären. Aber auch auf meinen anschließenden Fahrten durch die Innenstadt blieb das Gedränge aus. Ein paar Familien mit Kindern, die Flaggen dabei oder eine Krone, war schon alles irgendwie.
Meine erste Linie, die 42, war einfach gekappt worden. Zwei Mädels fragten, ob die Busse heute auch kostenlos seien. Waren sie nicht, aber in dem Fall hätte ich das nicht so eng gesehen. Sie fuhren trotzdem nicht. Einen Fahrgast hatte ich trotzdem noch – er fragte mich, ob ich Däne bin (was ich als Kompliment betrachtete) und sprach über seinen Aufenthalt in Österreich. Er blieb dann aber auch der einzige.
Nachdem ich eine Runde auf einer nicht betroffenen Linie absolviert hatte, waren die Straßensperren weg. Vermutlich hätte man ab diesem Zeitpunkt schon wieder freigeben können. Die Fahrpläne waren aber ganztägig umgestellt worden.
So bestand die Hauptherausforderung in etwas Fahrgastberatung und der manuellen Einstellung der Linienschilder das einzige, denn die Computer hatte man für den einen Tag nicht umgestellt. Spät am abend durfte ich dann noch einige Zeit die Linie 62 mit meinen Diensten beglücken. Die führt fast direkt am Schloss vorbei, so dass man sie großzügig zweigeteilt hatte. Ich hatte den Abschnitt im Stadtteil Östermalm, und zwar schon mitten in der Nacht. Ganze 6 Minuten war der lang, und dementsprechend interessant war es, mitzufahren – das half wirklich nur Leuten, die nicht laufen können, und die waren um die Zeit schon lange zuhause. Trotzdem entschloss sich eine betrunkene Gruppe Jugendliche, 50 Meter mitzufahren. Sollte mir recht sein.
So unspektakulär war dieses pompöse Fest also von der Perspektive, wobei der Abend dann doch noch etwas unerwartet endete. Am Ende südlichen Querspange Södra Länken hatte es einen Unfall gegeben, bei dem sich ein Auto überschlagen hatte. Anscheinend gab es aber keine schwer Verletzten, denn der Sanitäter saß sehr entspannt am Fahrbahnrand. Kein Bedarf für Hilfe also – nur an dem Auto, das mitten auf der Straße lag, musste man vorbei.
Der Preis für die beste Aktion des Tages geht übrigens klar an Steffen und Franzi, die ihre Glückwünsche persönlich mit einem Strauß Blumen beim schwedischen Generalkonsulat in Istanbul überbrachten. Ich bin gespannt auf weitere Details.