Urlaubstipp für den ambitionierten Hobbybäcker

Die Urlaubszeit geht ihrem Ende zu. Heute morgen durfte ich zum ersten Mal seit Juni am Eingang der U-Bahn anstehen. Daher ist es eigentlich für diesen Urlaubstipp schon zu spät, aber vielleicht etwas für nächstes Jahr.

Schon manche Male habe ich es hier beklagt: was in Schweden nicht so recht passt, ist das Brot. Es ist süßlich, weich, viel zu luftig, und die Auswahl ist sehr begrenzt.

Daher zeigte ich auch gerne jene Sauerteigbrotkarte, die alle Verkaufsstellen für „besseres“ Brot aufzulisten versucht.

Manch einer bäckt aber gerne das Brot mit dem selbst gepflegten Sauerteig. Dem widerstrebt aber eines ganz massiv: der lange schwedische Sommerurlaub. Der Sauerteig kann ja schlecht mit nach Thailand. Bäcker Markus Lundqvist und die Bäckerei Urban Deli haben die Lösung gefunden: ein Sommerhotel für den Teig.

Sie übernehmen für 200 Kronen pro Woche den Teig und pflegen ihn aufs beste – da wird er mal richtig durchgeknetet, kann Cocktails trinken und am hoteleigenen Pool ausspannen. Der Urlaub 2012 ist also gerettet.

[Danke an Jan für den Tipp]

Der Bus war es (wahrscheinlich) nicht

Gute 6 Wochen nachdem ein Bus bei Slussen auf einen belebten Platz gerast ist und einige Menschen verletzt hat, ist der technische Bericht der Polizei erschienen. Das ist jetzt zwar auch schon drei Tage her, aber ich wollte es noch nachreichen.

Der Befund ist recht simpel: keine relevanten Sicherheitsmängel konnten an dem 15 Jahre alten Bus gefunden werden. Meine leise Vermutung, dass es nicht der zunächst vielgescholtene und mit seinen 15 Jahren vermeintlich viel zu alte Bus war, sondern leider die Busfahrerin, ist damit erheblich wahrscheinlicher geworden.

Leider deswegen, weil man natürlich niemandem wünscht, so einen Fehler zu machen – immerhin hätte mir auch ein Fehler mit tragischen Konsequenzen jederzeit passieren können. Wenn aber Lenkung und Bremsen versagt haben sollen, der Bus jedoch einwandfrei war, dann kann es eigentlich nur menschliches Versagen gewesen sein.

Schussfahrt

Momentan sitze ich in einem Labor in Frankreich. Die Messung läuft, aber zu großen Taten fühle ich mich nicht in der Lage. Bevor es jedoch zu lange auf Halde liegt, will ich ein paar Fotos vom Wochenende loswerden.

Sie sind von der Red Bull Lådbilsrally, also dem Red-Bull-Seifenkistenrennen. Die Veranstaltung ist ein bisschen wie das dazugehörige Getränk: vollkommen unnötig und der Gesundheit nicht zuträglich.

Aber trotzdem irgendwie lustig. Interessant ist, dass es nur für die ersten drei Preise gab und trotzdem 45 Teams für eine derartige Kommerzveranstaltung anreisten. Noch überraschender war, dass die Konstruktionen zumeist nur sehr bedingt tauglich waren und die Teilnehmer immer wieder denselben Fehler machten: nach einem steilen Anfang und einer sehr engen Kurve galt es, eine lange Gerade mit nur wenig Gefälle zu überstehen. Bei der Kurve trennte sich die Spreu vom Weizen, und wer das überlebt hatte, schaffte es auch noch passabel bis zur halben Strecke. Bei der zweiten Hälfte brachen aber die meisten massiv ein.

Zwar ging auch die kreative Gestaltung und Ausführung in die Wertung ein, aber damit macht man eben eine Minute Rückstand auch nicht mehr gut. Letzten Endes gewannen die „Men in Black“, die beinahe die schnellsten waren, aber dann bei der Kreativität punkteten.

Die Nummer Tausend und ein neues Projekt zur Wohnungssuche in Stockholm

Eigentlich sollte Beitrag Nr. 1000 einer über den dahinsiechenden Automobilhersteller SAAB werden, der nun nach einer vorläufigen Rettung vor 1,5 Jahren mittlerweile finanziell derart schlecht da steht, dass sogar Griechenland im Vergleich ganz gut aussieht. Da es aber noch Hoffnung gibt und den Arbeitern in Trollhättan zu wünschen ist, dass es doch noch klappt, verzichte ich auf derart Abgesänge und begehe den Tausendsten mit einem ambitionierten Projekt:

Das Stockholm Accommodation Wiki

Es wäre falsch, zu sagen, es wäre eine Geburt aus dieser Webseite heraus. Vielmehr wurde mir neulich bei einer Sitzung der Doktoranden wieder einmal vor Augen geführt, dass die Probleme bei der Wohnungssuche oft direkt an einen Informationsmangel gekoppelt sind. Viele verzweifelte Ankömmlinge müssen sich immer wieder neu ihre Informationen zusammenklauben. Der Auswandererguide soll hier zwar etwas Abhilfe schaffen, und er ist auch nicht schlecht besucht, aber die langen Texte sind schwere Kost. Die wenigsten kämpfen sich dort komplett durch. Es kann trotzdem niemals alles abgedeckt werden und auch die Aktualität ist ein Problem.

Daher diese Wikigründung auf englisch in der Hoffnung, eine breitere Schicht anzusprechen und eine Dynamik zu erzeugen, die Informationslücken füllt. Neben einer Erklärung des Systems und zahlreichen Links soll letzten Endes auch jede Wohngegend in der Region etwas charakterisiert werden, damit man weiß, was man sich darunter vorzustellen hat. Das kann einer alleine niemals leisten, und das Wiki soll genau dieses Dilemma beheben und eine wertvolle Hilfe für alle, die nach Stockholm wollen, sein.

Ein Unterschied zum Auswandererguide ist übrigens auch, dass jeder Anspruch, ganz Schweden zu berücksichtigen, über Bord ging. Das Wiki ist ausschließlich für die Region Stockholm gedacht.

In diesem Sinne: ich hoffe auf Mitarbeit und begebe mich in die zweiten Tausend.

Gute und schlechte Ideen

Ein Fahrkartenautomat, wie sie nun verschwinden.

Eine Schnapsidee wurde neulich ziemlich beiläufig beerdigt.

Stockholm sieht sich ja gerne als hochmoderne Großstadt. Eine Erfindung hat es über nur mit deutlicher Verspätung hierher geschafft: der Fahrkartenautomat. Das ist nicht weiter schlimm, wenn an keine braucht, aber durchaus, wenn doch.

Als 2007 den Busfahrern untersagt wurde, Tickets an Bord zu verkaufen, war das ein Problem. Einen Fahrkartenautomat kauft man schließlich nicht von der Stange, sondern muss an das jeweilige Tarifmodell angepasst sein. Man kam mit einer scheinbar eleganten Lösung: umgebaute Parkscheinautomaten verkauften Einzelfahrscheine.

Leider war das dann doch nicht so praktisch. Die Automaten nahmen keine Scheine. Kreditkarten wurden genommen, aber nur schwedische Karten. Für Touristen war das natürlich vollkommen wertlos. Aber auch Tests mit echten Schweden ergaben, dass ein Drittel am Kartenkauf scheiterten. Insgesamt also doch eher eine schlechte Idee. Vermutlich wären sie besser gefahren, wenn sie echte Fahrscheinautomaten genommen hätten.

Vor einigen Wochen wurde nun als Randnotiz verkündet, dass die Automaten nun abgeschafft werden. Grund: neue Sicherheitsstandards beim Kartenkauf machten es nötig, sie aufzurüsten, was sich aber nicht lohne. Also werden die mittlerweile 435 Automaten abgebaut. Tragisch ist das nicht so sehr, denn mittlerweile gibt es Automaten, wo man das neue Chipkartensystem SL-Access aufladen kann. Zwar nehmen diese Automaten kein Bargeld und sind auch nur zu gebrauchen, wenn man schon die Chipkarte hat. Angesichts der Nachteile der Parkscheinautomaten kann man das aber sicherlich als adäquaten Ersatz ansehen. Touristen werden freilich weiterhin einigermaßen ratlos bleiben.

Retro mal ganz anders: Doppeldeckerbusse kehren zurück

Eine andere neu-alte Geschichte ist diese hier: ab kommenden Montag werden im Nahverkehr wieder Doppeldeckerbusse in Stockholm herumfahren. Das ist eine kleine Kuriosität, denn dieser Bustyp wurde vor rund 35 Jahren in dieser Stadt abgeschafft.

Der Grund ist simpel: die Stadt Norrtälje, rund 70 km von Stockholm entfernt, ist ausschließlich durch Busse angebunden. 4000 Pendler machen jeden Tag den weiten Weg, und das braucht eine Menge Busse. Die sind nicht selten voll, was man schon am Zielschild „fullsatt“ (voll besetzt) erkennen kann. Die Doppeldecker sollen das nun ändern, denn die Zahl der Plätze pro Bus wächst so von 56 auf 84.

Generell halte ich das Ganze für eine gute Idee. Was aber nicht heißt, dass es noch nicht eine bessere gibt. Denn der Bustakt auf der Strecke Norrtälje-Stockholm hat schon jetzt ein irrwitziges Maß erreicht, und da sind Doppeldecker ein Herumdoktern an den Symptomen, nicht aber an der Ursache. Dabei ist die wirkliche Lösung gar nicht so schwer: Norrtälje hatte früher nämlich Bahnverkehr, bevor die Strecke Anfang der 1980er Jahre eingestellt wurde. Die Trasse besteht heute in Teilen immer noch, und es wäre höchste Zeit, eine Wiederherstellung in Angriff zu nehmen. Davon redet bislang aber kaum einer.

Ganz schlechte Idee: Lobbyist als Verkehrsminister

Leider habe ich mittlerweile das Vertrauen in das zuständige politische Personal etwas verloren – der Verkehrsminister für die Region Stockholm, Christer G. Wennerholm, ist nämlich in Personalunion gleich auch noch Vorsitzender einer Straßenbahnlobbyorganisation. Einen Interessenkonflikt sieht er darin anscheinend nicht, und es wirkt nicht ganz zufällig, dass ein Ausbau der U-Bahn bei ihm nicht so wirklich konkret wird und auch nur nach hartem Druck überhaupt auf die Agenda kam. Dass so jemand im Amt bleibt, halte ich für eine schlechte Idee.

Ich bin zwar ein großer Fan von Straßenbahnen, aber es kann nicht angehen, dass sie ein Selbstzweck ist. Auch U- und S-Bahn brauchen in Stockholm einen Ausbau.

Stockholm Marathon 2011

Etwas verspätet der Kurzbericht zum Stockholm Marathon 2011: wir hatten immerhin drei Leute zum Anfeuern, was uns dazu bewog, erstmals dem ganzen Marathon beizuwohnen. Da ich vor zwei Jahren bei jeglichen Erspähversuchen scheiterte, weil das Feld einfach zu dicht war, stellten wir uns an den Norr Mälarstrand kurz vor Kilometer 10. Dort sahen wir dann immerhin Andreas.

Man fragt sich, wie man früher Leute in diesem Gewirr fand ohne die lustigen Hilfsmittel der live übertragenen Zwischendaten im Internet. Man hat vielleicht eine Sekunde, um die Kamera anzusetzen, und kann froh sein, wenn der Angefeuerte einen auch sieht.

Wir wechselten zum Nybroplan, wo sich Kilometer 29 befand. Andreas sah uns zuerst, Helena konnte uns wegen Ohrenstöpseln nicht hören – ehrlich gesagt ist es mir bis heute ein Rätsel, wieso sich jemand mit Musik auf einen öffentlichen Lauf begibt. Die ganze Atmosphäre ist Teil des Erlebnisses, und wenn ich mich dagegen abschotten will, dann kann ich auch alleine im Wald laufen. Während wir auf Nicole warteten, stellte sich neben uns eine Dixieland-Kapelle, die alte Gassenhauer wie „It’s a long way to Tipperary“ spielten. Angemessene Unterhaltung also, könnte man sagen. Nicole flog an uns vorbei und konnte uns dann dank lauten Rufens sozusagen noch im Rückspiegel wahrnehmen.

Am Ziel waren wir weniger erfolgreich. Andreas war schon im Ziel, als wir ankamen, und Nicole verpassten wir ganz. Die Rosen – das Stück für 60 kr (!) – die wir am Ausgang überreichen wollten, mussten noch eine Weile warten. Festzuhalten bleibt aber in jedem Fall, dass die drei sich heldenhaft mit Bestzeiten geschlagen haben. Gratulation!

Und, needless to say: ich würde auch gerne mal wieder – dazu müsste man aber sowas machen, das der Fachmann Training nennt.

Tragisches Unglück bei Slussen und die überhastete Suche nach Schuldigen

Während in aller Friedlichkeit der Stockholm-Marathon (Bilder kommen noch) abgehalten wurde, bot sich gleich um die Ecke ein Bild des Grauens.

Das meine ich ernst. Am Samstag geriet bei Slussen ein Bus außer Kontrolle und fuhr auf einen gut frequentierten Platz. Ein Mann wurde schwer verletzt, zwei weitere Frauen leicht. Ein Kinderwagen wurde angefahren und das darin liegende 17 Monate alte Kind herausgeschleudert. Das Kind kam zum Glück mit kleineren Verletzungen davon. In manchen Berichten ist von bis zu 6 Verletzten die Rede.

Um dem geneigten Leser ein Bild der Örtlichkeiten zu geben:

Ausblick von Süden auf Slussen und die Stockholmer Skyline. Das Unglück trug sich auf dem Platz im Vordergrund zu (Bild: Alex Nordstrom; CC-2.5)

Oder, um es noch etwas deutlicher zu machen:

Der Bus fuhr über die Treppe im Vordergrund auf den Platz. (Bild: Alex Nordstrom; CC-2.5)

Der im Hintergrund zu sehende Platz ist der Södermalmstorg, auf dem mehrere Buslinien halten, u.a. auch die Linie 55, die hier involviert war. Soweit ich das rekonstruieren kann, trug sich die Sache folgendermaßen zu: die Linie 55 hatte an diesem Tag auf dem Södermalmstorg ihre Endhaltestelle, denn der weitere Linienverlauf Richtung Altstadt war aufgrund des Marathons gesperrt. Der Bus hatte also vermutlich an der Haltestelle Richtung Hjorthagen (hier zu sehen) oder um die Ecke Aufenthalt bis zu seiner nächsten Abfahrt. Die Haltestelle in der anderen Richtung, wo der Bus neue Passagiere hätte aufnehmen sollen, ist auf dem verlinkten Bild von Hecken verdeckt. Dass die Runde also noch nicht begonnen hatte, war ein großes Glück: es waren keine Passagiere an Bord. Tragisch ist die ganze Sache für die Busfahrerin, die über 10 Jahre Erfahrung verfügt und den Bus gerade übernommen hatte. Die Fahrt endete schon nach wenigen Sekunden. Sie bog wohl rechts ab, um den Platz zu umrunden, und hätte daher gleich wieder rechts abbiegen sollen (wie hier zu sehen bei diesem Bus kurz vor der Kurve).

Das misslang aber offenkundig. Der Bus ging geradeaus die Treppe (siehe oben im Bild) hinunter und kam erst ein Stück später zum Stehen.

Die Frage ist: Wie konnte das passieren?

Viele sind ganz schnell dabei, die Privatisierung des Busverkehrs, angeblich schlechte Wartung der Busse und das Alter der Busse als Ursachen zu sehen. Die Wahrheit ist aber ganz einfach: man kann es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht sagen.

Ich habe weder die Linie 55 gefahren noch jemals in der dafür zuständigen Südgarage gearbeitet. Ich habe die Wartung der Busse auch in meiner eigenen Garage immer nur fragmentarisch erlebt. Aber ich kann durchaus etwas zu diesem Bustyp und einigen anderen allgemeinen Dingen sagen:

  • Er mag zwar nicht mehr so hübsch aussehen, aber der hier verunglückte Bustyp gehört zu den zuverlässigsten. Die meisten dieser Busse haben weit über 500.000 km auf dem Buckel, aber machen weitaus weniger Probleme als neuere Busmodelle. Natürlich haben auch sie ihre Macken, aber keine davon ist sicherheitsrelevant oder beeinträchtigt den Betrieb nennenswert. Das kann man von vielen neueren Bussen wirklich nicht behaupten. Beispielsweise sind die neueren Scania-Gelenkbusse mit solchen Mängeln behaftet, dass es in kritischen Zeiten (z.B. extrem heiße Tage) schwer fällt, überhaupt genügend Rollmaterial auf der Straße zu halten. Deswegen sind die alten Scania-Busse bei den Busfahrern auch erheblich beliebter als die neuen Modelle.
  • SL hat die Belastungsgrenze dieser Busse selbst gewählt. Der Nahverkehrsverbund schreibt eine Höchstbetriebsdauer von 16 Jahren vor. Man kann den beuftragten Firmen wohl nicht vorwerfen, dass sie den im Regelwerk vorgegebenen Spielraum ausnutzen. Das Alter der Busse halte ich also für zweitrangig, solange kein Befund vorliegt, dass diese Busse tickende Zeitbomben sind.
  • Nie, ich wiederhole, nie musste ich einen Bus übernehmen, der offenkundige Sicherheitsmängel hatte. Solche waren zu jedem Zeitpunkt ein hinreichender Grund, einen Fahrzeugtausch zu verlangen. Natürlich kann es sein, dass in der Werkstatt geschludert wurde. Dass dies in großem Umfang geschieht, wäre mir aber neu.
  • Interessant ist auch, dass sich jetzt bei allen möglichen Medien Busfahrer melden, die sich über Qualitäts- und Sicherheitsmängel auslassen. Das mag ja alles stimmen, aber es ist noch lange keine Beweisführung für systematische Fehler. Als die Gorch Fock in die Schlagzeilen kam, meldeten sich plötzlich allerlei Leute, die von schrecklichen Zuständen auf dem Schiff berichteten. Der Kommandant wurde demontiert und dann abserviert. Der Untersuchungsbericht kam hingegen klar zum Schluss, dass dies alles unhaltbar war. Ich hoffe, man kommt nun nach diesem Unglück nicht auf die Idee, die allgemeine Qualität anhand der Aussagen Unzufriedener zu beurteilen, die sich im Schutz der Anonymität aus der Deckung wagen.
  • Auch wenn ich mich in die arme Busfahrerin sehr gut hineindenken kann, kann man menschliches Versagen nicht ausschließen.
    Als solche rechne ich nicht, die alternativen Bremsmöglichkeiten nicht zu verwenden. Wenn man nämlich die Handbremse zieht oder die Türen öffnet, blockieren die Hinterräder. Jedoch ist man als Busfahrer dazu trainiert, eben diese Bremsen im Verkehr sehr vorsichtig einzusetzen, denn sie wirken sehr abrupt und sind daher normalerweise eine Gefahr für alle Insassen. Also kann man nicht erwarten, dass die Fahrerin diese Bremsen sofort betätigt.
    Für den Unfall hätten zwei zentrale Systeme auf einmal versagen müssen: Lenkung und Bremsen. Laut der Aussage der Fahrerin merkte sie nämlich, dass der Bus aus der Spur lief, und versuchte zu bremsen, was aber nicht ging. Dass beides zusammenfällt, ist extrem unwahrscheinlich. Es ist also durchaus denkbar, dass hier noch eine menschliche Komponente mitgewirkt hat.
    Die Vermutung in der Presse, die Fahrerin habe Gas und Bremse verwechselt, ist jedoch wenig plausibel. Diese Busse rühren sich ohne Druck auf das Gaspedal kaum von der Stelle. Die Fahrerin muss also schon auf dem Gas gestanden haben, um den Bus überhaupt zu beschleunigen. Möglich, wenn auch angesichts der Kürze der Strecke unwahrscheinlich, erscheint mir, dass sie den Fuß von den Pedalen nahm – was man eigentlich nicht machen soll, aber natürlich trotzdem ab und zu tut – und vor der nächsten Kurve bremsen wollte, aber stattdessen Gas gab. Der Bus wäre in dem Fall fast zwangsläufig auf die Treppe zu geschossen, denn dieser Bustyp ist im Leerzustand doch recht flott und wäre kaum um die Kurve zu bringen gewesen. Ein unwahrscheinlicher Hergang,der sich zudem nicht mit den Aussagen der Fahrerin deckt.
    Wahrscheinlicher erscheint mir da doch die Möglichkeit, dass die Lenkung wirklich versagte und die Fahrerin einfach nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Dass die Bremsen dann wirkungslos erschienen, kann in der Paniksituation durchaus so erschienen sein.

Bis man aber definitive Ergebnisse hat, wird man abwarten müssen. Es hat jedenfalls keinen Sinn, schon einmal die Wartung der Busse und alle daran Beteiligten in Sippenhaft zu nehmen. Man kann nur hoffen, dass die ganze Sache für die Verletzten glimpflich abgeht.

Katie Melua in Stockholm

Der Rezensent in der DN schrieb heute morgen: man erinnert sich mehr an die Stimme als an die Lieder.

Da hat er definitiv recht. Ich hatte Katie Melua 2008 schon einmal in Stockholm gesehen und war vor alle beeindruckt von der Stimme, die fast genauso klingt wie auf dem Album.

Damals war sie im Hovet, einer großen zum Globen gehörenden Arena. Letzten November sollte sie hingegen im Cirkus spielen: viel kleiner, aber auch viel gemütlicher. Das Konzert wurde aber abgesagt, und so erwarben wir auch keine Tickets. Der Ersatztermin war diesen Mai, wie mir neulich bei John Cleese auffiel, der ebenfalls im Cirkus auftrat.

Tickets gab es zunächst keine mehr. Die alten Karten galten nämlich noch, und die hatten sich offenbar prächtig verkauft. Ein paar Restplätze konnten wir aber ergattern. Alle einzeln oder an schlechten Stellen platziert. Wir nahmen die Tickets in der allerletzten Reihe.

Über die Dame, die als Vorband fungierte, kann ich nicht viel sagen. Ich habe nur zwei Lieder von ihr gehört. Dafür aber über Katie Melua: sie wagte mit ihrem größten Hit „The Closest Thing to Crazy“ zu öffnen. Normalerweise ein großer Fehler, da aber wie gesagt die Stimme mehr beeindruckt als das Liedgut, war es ein perfekter Start.

So blieb es auch das ganze Konzert über. Wie vor 2,5 Jahren optisch aufgehübscht durch Animationen auf der Leinwand konnte man die Musik einfach auf sich einfließen lassen. Insgesamt waren es vielleicht knapp 2 Stunden, die sich definitiv gelohnt haben.

Eine Anmerkung noch zu den Bildern oben: ich bin positiv überrascht, dass auf ca. 25 Meter Entfernung bei diesen Lichtverhältnissen noch so viel zu sehen ist. Das Objektiv taugt offenbar nicht nur für die Safari.

Bostadsbubblan: ein Vergleich mit bemerkenswerten Parallelen

Zum Thema Wohnungsmarkt in Schweden hat mir Holger (Danke!) ein nettes Video zugesandt:

Nun ist das Auslegen von bedruckten A4-Seiten nicht gerade der neueste Stand der Technik, und den rauschenden Ton kann man gerne auch ausschalten. Der Inhalt verdient aber in jedem Falle Beachtung. Ich habe versucht, die ganzen Texte als Untertitel passend einzufügen, und hoffe, dass man es gut lesen kann.

Die Methodik ähnelt meiner in einem Vergleich neulich. Doch hat der Macher auch noch eine weitere Parallele zu Japan gezogen, dessen Wohnungsmarkt sich vor 16 Jahren recht ähnlich dem heutigen in Schweden verhielt. Das Ergebnis in Japan war, dass der kaum durch Rezessionen gebremste Preisanstieg einen Crash verursachte. Immobilien verloren über Jahre stetig an Wert.

Natürlich kann man an der Methodik einige Zweifel haben. Dass das Bruttoinlandsprodukt nicht der allerbeste Maßstab sein könnte, räumt der Ersteller selbst ein. Auch kann man nicht davon ausgehen, dass zwei wirtschaftlich und strukturell stark unterschiedliche Länder das gleiche Verhalten an den Tag legen. Sprich, die Ähnlichkeit der Kurven kann auch Zufall sein. Die Feststellung, dass es 1991 bestimmt auch viele Analysten gegeben habe, die nicht an eine Blase geglaubt hatten, ist zudem der Wortwahl nach zu urteilen eine Vermutung. Das kann man allerdings getrost übergehen: Crashs haben die Eigenschaft, dass sie vorher die wenigsten kommen sehen.

Der Vergleich scheint mir ingesamt gar nicht so unpassend. Japan ist zwar ein mit hoher Dichte besiedeltes Land und Schweden so ziemlich genau das Gegenteil davon. Jedoch konzentriert sich die Bevölkerung in beiden Ländern auf geographisch eng begrenzte Bereiche. Schweden ist schließlich in weiten Teilen fast unbesiedelt. Die Situation, dass viele Leute in dieselbe Region ziehen wollen und so die Preise nach oben treiben, ist also schon irgendwo vergleichbar.

Sollte es wie in Japan kommen, wäre das höchst bedenklich. Die ganze Kreditsystematik in Schweden würde in sich zusammenfallen.

Ich selbst habe auch nochmal meine Statistik von neulich angeschaut und vier Änderungen auf Basis von SCB-Daten eingebaut:

  1. Die Verkaufspreise für Kleinhäuser (Småhus) ersetzen die vorige Kurve für Hauspreise. Dafür gibt es keinen spezifischen Grund – ich hatte die alte Kurve gerade nicht zur Hand. Die Preise beziehen sich auf die Häuser im Allgemeinen. Es wird also kein Bezug pro Quadratmeter oder derlei gemacht. Angesichts der Masse der verkauften Immobilien und der Annahme, dass die Häuser wohl auch ähnlich groß geblieben sind, dürfte das ein brauchbarer Wert sein.
  2. Leider gibt es die Verkaufspreise nicht nach Regionen getrennt. Deswegen habe ich noch den Fastighetsprisindex (Immobilenpreisindex) für den Großraum Stockholm eingefügt. Man kann nun einwenden, dass ich auch die landesweiten Verkaufspreise in diesem Index gezeigt werden sollten. Das stimmt, aber der Verlauf ist annähernd identisch, wie ich in einem Test gesehen habe. Insofern ist es egal, was man verwendet.
  3. Um auch den gewünschten Vergleich mit den Mieten zu machen, habe ich den Quadratmetermietpreis für Neubauwohnungen eingefügt. Leider stehen diese nur für die Jahre 1997 bis 2007 zur Verfügung. Ich habe diese Kurven daher mit einem Wert von 102 starten lassen, um die Vergleichbarkeit mit den Löhnen zu erhalten. Aus irgendeinem Grund werden zwei Kategorien ausgewiesen: „exploatering“ (ich nehme an, die Neuerschließung von Gebieten) und „sanering“ (ich nehme an, Sanierung von bestehenden Beständen).
  4. Zwischendrin versteckt sich noch eine kleine Kurve, die ich auch an den Index angepasst habe und die die allgemeine Miete pro Quadratmeter zeigt. Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll. Sie stand auch nur für wenige Jahre zur verfügung, weswegen ich hier auch eine Indexanpassung vornahm.

Das Ergebnis:

Preisverlauf im Wohnungsmarkt im Vergleich zur Lohnentwicklung

Das Bild des Ganzen ist ernüchternd. Neubauwohnungen wurden zeitweise sogar billiger (!) und steigen langsamer als die Löhne, was nur allzu gut ins Bild passt: es lohnt sich nicht, Mietwohnungen zu bauen.

Ich würde mir wünschen, das Ganze einmal im Kontext der Expertise eines echten Immobilienmarktsexperten dargestellt zu bekommen. Dieses Zusammenschustern eingeholter Datenserien kann korrekt sein, aber es ist keineswegs garantiert.

Eine weitere interessante Grafik hier:

Bevölkerungsentwicklung im Vergleich zum Wohnungsbau; rote Linie: Bevölkerungswachstum, grüne Balken: Wohnungsbau (Foto: Holger Motzkau, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0)

Man sieht deutlich, dass seit rund 40 Jahren jedes Jahr weniger Wohnungen gebaut werden als die Bevölkerung eigentlich bräuchte.

Das alles komplettiert das Bild weiter und macht wenig Hoffnung auf Besserung: der Markt rennt in den Kollaps hinein, und es gibt kaum Anzeichen, dass dies aufgehalten wird.

Alles wird teurer – auch SL: 790 Kronen für ein Monatsticket

Eine der wenigen großen Änderungen in den letzten Jahren: das Chipkartensystem SL Access (Bild: Morner, CC BY-NC-SA 2.0)

Gestern verkündete die Provinzregierung ihre Finanzpläne. Dazu gehörte unter anderem, dass die Monatskarte für den Nahverkehrsverbund ab September 790 kr (ca. 88€) kosten soll.

Da das so gut wie jeden im Großraum Stockholm betrifft, schlagen die Wellen natürlich hoch. Viele halten das für gierig und für ungerecht gegenüber den Ärmeren. Einige sehen Schweden im Niedergang.

Die Provinzregierung hat die Sache auch vollkommen im Griff. Der Finanzlandrat – oder eher Finanzminister, wenn man schon irgendeinen deutschen Begriff dafür finden will – Torbjörn Rosdahl parierte die Attacken auf die Erhöhung sogleich mit einem passenden Vergleich: 100 kr entsprechen drei Tüten Chips. Stimmt vermutlich auch, aber mit einem derart bescheuerten Argument kann man wohl niemanden auf seine Seite ziehen. Er entschuldigte sich auch im Nachgang.

Kennt sich mit Chipstüten aus: Torbjörn Rosdahl

Manche finden, dass sich die Stockholmer mal nicht so anstellen sollen, denn woanders sei es doch viel teurer, z.B. in Glasgow. Göran Elmertoft findet das gar nicht so teuer, und das bloggt er gleich zweimal. Mancherorts wird sogar angedeutet, die 48% der Stockholmer, die laut DN-Umfrage jetzt nicht mehr mit dem Nahverkehr fahren wollen, würden ihre Drohung nicht wahrmachen.

Womit er sicherlich recht hat. Die Stockholmer werden diese Erhöhung schlucken wie alle anderen davor – und wenn sie es nicht wollen, dann sollen sie nächstes Mal links der Mitte wählen, was sie bislang nur in Ausnahmefällen taten.

Der Nahverkehr wird zu 50% über die Ticketeinnahmen finanziert. Im Grunde bestimmt also der Unter- oder Überschuss in der Kalkulation, wie teuer die Tickets sein müssen. So einfach ist das dann aber doch wieder nicht, weil es natürlich über Ticketauswahl und dergleichen allerhand weitere Stellschrauben gibt. Man kann in jedem Fall feststellen, dass der Ticketpreis schneller steigt als die allgemeine Preisentwicklung. Das merke ich auch: als ich 2005 nach Stockholm kam, kostete die Karte 600 kr. Sie ist also seither 31% teurer geworden, was 4,7% pro Jahr entspricht.

Die Frage ist also: ist der Nahverkehr so viel besser geworden, dass er diese Steigerungen rechtfertigt? Die Antwort ist aus meiner Sicht: leider nein.

In den letzten 6 Jahren sind nur drei Schienenprojekte in Angriff genommen worden: die Verlängerung der Tvärbanan, die Untertunnelung Stockholms für die S-Bahn und der Ausbau der Straßenbahn in der Innenstadt. Alles drei sind keine großen Würfe, und alle drei sind alles andere als fertig. Bleibt nur noch, zu sagen, dass die U-Bahn am Wochenende auch nachts fährt. Und der Busverkehr? Mag sein, dass der gewachsen ist – aber das wurde der Allgemeinheit auch mit Einführung der Trängselskatt versprochen. Für meinen Wohnort kann ich sagen, dass es fluktuiert, aber kein Trend nach oben zu erkennen ist. Kurz nach Einzug wurde uns eine Buslinie genommen, die nach einem Jahr wiederkam. Dann wurde uns eine schnelle Verbindung in die Stadt genommen, die nach einem halben Jahr eingeschränkt wieder kam. Ausbau sieht anders aus.

Zwar ist es richtig, dass auch unter sozialdemokratischer Regierung die Ticketpreise erhöht wurden. Jedoch haben die Bürgerlichen mindestens genauso zugelangt. Es wäre zumindest wünschenswert, diese Erhöhung mit irgendeiner Perspektive, irgendeinem visionären Projekt zu verbinden. Davon ist aber nichts zu hören, und so schallt die Erinnerung umso lauter, dass noch letzten Herbst hochheilig verkündet wurde, dass es 2011 keine weitere Erhöhung geben werde. Das kommt nicht gut an.

Ganz machiavellistisch kommt diese Maßnahme zum Beginn der Amtszeit – bis 2014 wird sie längst vergessen sein und keinerlei Effekt mehr haben. Immerhin kann man hoffen, dass es bis dahin eine Partei im Län gibt, die den Nahverkehr modernisieren und ausbauen will. Eine solche sehe ich bislang nämlich nicht so wirklich.