Deutschland-Kanada und ein ganz außergewöhnliches Public Viewing

Nachdem das Goethe-Institut letztes Jahr eine Serie von Public-Viewings in seinen Räumen in der Stockholmer Innenstadt abhielt, hatte ich gehofft, dieses Jahr würde es wieder so etwas geben. Tut es, und zwar etwas anderes als erwartet. Nachdem die deutsche Botschaft letztes Jahr schon engagiert involviert war, ließ man es dieses Mal richtig krachen und veranstaltete ein Fest auf dem Botschaftsgelände.

Rustikales Essen war angekündigt – aber hallo!

Man musste sich voranmelden, wodurch einige leider nicht mehr mitkommen konnten. Die Warteschlange war wegen der Identitätskontrolle und anschließendem Sicherheitscheck auch recht lang, aber es ging zügig.
Das Fest konnte sich mehr als sehen lassen. Man hatte ein Zelt und Festbänke aufgebaut. Wer keinen Platz mehr bekam, konnte sich auf die Wiese setzen. Die Leinwand war nicht irgendeine weiße Fläche, die mit dem Beamer bestrahlt wurde, sondern eine selbstleuchtende, wie sie bei Großveranstaltungen eingesetzt wird.
Das kostenlose (!) kulinarische Angebot bestand aus Würsten, Kartoffelsalat, Salat und echten Laugenbrezeln (wow!). Dazu gab es Bier und nichtalkoholische Getränke. Bei der Auswahl und den Preisen konnte man auch mehr als nur darüber hinwegsehen, dass aus nicht ganz ersichtlichen Gründen die Warteschlange kaum in Bewegung geriet.
Dass das alles nichts kostete und dass es sogar Bier gab, ist wohl etwas den rechtlichen Umständen geschuldet. Auf dem Botschaftsgelände gilt schließlich kein schwedisches Recht, so dass man Alkohol auch einfach so im Freien ausschenken kann, und weil die Botschaft keine Steuern bezahlt, wäre ein Verkauf wohl schwierig abzurechnen gewesen. Einen Dank ans Auswärtige Amt an dieser Stelle.

Ein Blick auf die Botschaft

Ich war kürzlich zwar schon einmal in der neuen alten Botschaft, aber jetzt konnte ich mir das Gebäude auch mal von allen Seiten anschauen. Zur Erklärung: seit ca. 2007, als ich meinen ersten Pass in Schweden beantragte, saß die Botschaft in einem behelfsmäßigen Übergangsbau in der Artillerigatan, weil das eigentliche Gebäude renoviert wurde. Letzteres war schon seit 1960 der Botschaft gewesen, schön gelegen in der Diplomatstaden (Diplomatenstadt), in der Skarpögatan, nicht weit von den Botschaften Finnlands, Japans, Großbritanniens, Norwegen, der Vereinigten Staaten und der Türkei entfernt. Das Gebäude ist nicht gerade schön, wie man es eben in der damaligen Zeit baute. Es ist aber zeitgeschichtlich interessant, da sich dort im Jahr 1975 die tragische Geiselnahme von Stockholm durch die RAF ereignete. Wer einen Vergleich mit den Bildern oben machen will, kann sich die Originalbilder von damals anschauen: in diesem Video sieht man ab 1:31 Minuten die Explosion, und ab 2:55 sieht man einen Brand in den Fenstern, die in dem etwas verunglücktem Panoramabild wohl die ganz rechts oben sind – das Gebäude des schwedischen Fernsehens ist nämlich in direkter Nähe, weswegen es nicht schwer gewesen sein dürfte, von dort aus mitzufilmen.
Im Herbst 2010 zog man zurück in die erneuerten Räume. Eine offenkundige Änderung ist, dass man nun durch eine vergleichsweise aufwändige Sicherheitsschleuse aufs Gelände musste. Nach der Begrüßung kommt man natürlich nicht mehr auf die Idee, einen Blick in den Garten zu werfen.

Der ist, wie das Gebäude selbst, recht gelungen und eignet sich durch sein Gefälle geradezu perfekt für eine Vorführung. Schön, dass er zu dieser Gelegenheit zu einer unerwarteten Verwendung kommt, denn wie Botschafter Rücker offen bekannte, war er zunächst etwas skeptisch. Er gab aber auch zu, dass er nun sehr begeistert war. Es ist wohl davon auszugehen, dass der Garten der Botschaft im Allgemeinen eher zu dekorativen Zwecken dient und ansonsten kaum genutzt wird. Ich hoffe, es wird vielleicht zum Finale noch einmal so ein Fest geben. Bis dahin hat anscheinend das Goethe-Institut vor, die Spiele in seinen Räumlichkeiten zu zeigen.

Das ewige Dilemma beim Frauenfußball

Ach ja, das Spiel. Alles, was derzeit über die Fußball-WM so geschrieben wird, spricht irgendwo für sich. Die mediale Aufmerksamkeit hat zum Glück gewaltig zugenommen, und das muss man positiv sehen. Jedoch bleibt bei all dem immer noch ein Unterton, dass Frauen auch Fußball spielen können – als wäre das irgendwo eine unerwartete Feststellung, die man noch einmal mitteilen müsste. Auch ich, der sich für das Thema ein bisschen mehr interessiert, gebe gerne zu, dass Frauenfußball in Teilen immer noch eigenwillig ist. Es fallen immer noch zuviel Tore, was dem Spiel Fußball seine Spannung nimmt, denn gerade die wenigen Toren machen es so interessiert. So wird es auch bei dieser WM sicher den einen oder anderen haushohen Sieg geben, weil manchmal eben doch Kreisliga auf Bundesliga trifft. Echte Gleichstellung wird sich aber nicht erst mit gleicher Leistungsdichte ergeben, sondern ist erst dann erreicht, wenn die „normale“ Fußball-WM „FIFA Men’s World Cup“ heißt und die Frauen-WM nicht mehr die Quoten-Exoten-Veranstaltung mit bedingter Relevanz darstellt.

Am Eröffnungsspiel war jedenfalls wenig auszusetzen. Man sah keine gnadenlos unterlegene Mannschaft, die sich der deutschen Übermacht innerhalb kürzester Zeit beugen musste, sondern ein passables Gruppenspiel mit spannenden Momenten. Das ist für mich das wirklich beruhigende an diesem Turnier: dass nicht schon von vorneherein klar ist, wer gewinnt.

PS: Wer sich wundert, was das für ein Schiff ist, dass da scheinbar im Feld liegt: Es handelt sich um die „Crystal Serenity“, ein nicht ganz unschickes Kreuzfahrtschiff. Von diesen Schiffen wimmelt es in Stockholm im Sommer nur so. Hinzu kommen gelegentliche Besuche von Marineschiffen aus aller Welt, und die überdimensionierten Yachten von Leuten, die tragischerweise an einem Geldüberfluss leiden. Tragisch bzw. traurig finde ich daran aber eher, dass die ganzen Symbole der Dekadenz, ob nun Kreuzfahrtschiff oder Privatyacht, mit ganz wenigen Ausnahmen – erstaunlicherweise fast nur Italiener – alle in Billigflaggenländern registriert sind. So ist die „Vive La Vie“, die derzeit an dem Kai liegt, an dem ich täglich vorbeikomme, auf den Kaimaninseln gemeldet. Die Crystal Serenity jedoch liegt im Trend mit den allermeisten Schiffen, die in Stockholm fest machen: sie ist auf den Bahamas registriert und führt wohl stolz die dortige Hauptstadt Nassau als ihren Heimathafen.
Mit selbiger Flagge habe ich vergangenes Jahr ein Schiff des SPD-Reiseservice gesehen. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, finde ich das schon etwas schäbig, dass selbst Reiseveranstalter mit politischer Ankopplung diesen Steuerentzug noch unterstützen.

PPS: eine Mitteilung an die ARD: Untertitel für Hörgeschädigte bei Fußballspielen sind die größte Schnapsidee seit langem, v.a. wenn man einen orthographisch und grammatikalisch eher mittelmäßig begabten Autor daran setzt. Die meisten Texte waren ohne Relevanz oder kamen viel zu spät. Das kann man sich echt sparen.

Baden-Baden zum Hinlegen

Wenn man einen Schweden nach "Baden-Baden" fragt, denkt er an das: einen Liegestuhl. (Bild: Killibupp, PD)

Kürzlich bei der Montage im Labor. Ein Kollege sagt zu einem anderen Kollegen, der gerade in höchst unbequemer Lage unter der Anlage sitzt und etwas verschraubt: „Brauchst du einen Baden-Baden?“

Das machte mich stutzig – v.a. angesichts dem hier – und ich recherchierte nach. In der Tat: „Baden Baden“ ist kein Name für besagten Liegestuhl, sondern die schwedische Bezeichnung für solche Liegestühle im Allgemeinen.

Wie die Schweden zu dieser obskuren Wortschöpfung gekommen sind, ist mir vollkommen rätselhaft.

Nächster Halt Baku

Der beste Beitrag kam gleich zu Beginn des Abends:

Besser geht’s nicht – Raab ist einfach großartig, und zwar so sehr, dass man über das eher peinliche Englisch hinwegsehen kann. Man merkte auch: das Moderationsteam hat sich aufeinander abgestimmt. Raab schien mir am Donnerstag als überschüssig – Rakers und Engelke hätten die Show auch alleine geschmissen. Gestern war er Gold wert.

Die meisten Beiträge waren ja schon bekannt. Das zweite Halbfinale, welches an dieser Stelle noch nicht behandelt wurde, fand ich im Allgemeinen eher schwach. Während ich im ersten Halbfinale auf Anhieb eine Reihe brauchbarer Titel fand, fiel mir das beim zweiten schwer.

Auch die Titel der Big Five plätscherten größtenteils an mir vorbei. Mit dem italienischen Titel konnte ich nicht so wahnsinnig viel anfangen, aber dass er etwas ambitionierter ist, merkte man schon. Man musste Italien fast eine Stimme geben, damit sie den Wettbewerb nicht wieder für die nächsten 15 Jahre boykottieren. Beim französischen Titel schien es mir so, dass sich da einer in der Tür geirrt hat. Blue waren im Vorfeld genauso unnötig hochgejubelt wurden wie die gefönten Iren. Und Spanien trat wie immer mit einem netten Titel an, der nachher auf den hinteren Plätzen an.

Und dann Lena.

In Sachen Show war er definitiv einer der besten Titel. Musikalisch nicht der schlechteste. Aber ob man damit nochmal den gesamteuropäischen Nerv treffen kann, war mehr als fraglich.

Saades Titel fand ich von Anfang an ganz ok, aber nicht großartig. Er ist eben zu sehr Euro-Dance-Trash, der einem vom ESC so bekannt vorkommt: dort erfolgreich, aber eben nur dort. Irgendwie passend dazu ist das Ergebnis.

Mir schien kaum vorstellbar, dass der Titel so einschlagen würde, aber als der Sieg möglich schien, hoffte ich natürlich darauf. Im Globen den ESC zu haben wäre schon cool. Trotzdem: es wäre schade irgendwo, wenn man ausgerechnet mit einem Beitrag gewonnen hätte, dem einfach irgendwo das Format fehlte.

Letzten Endes also Aserbaidschan, was bemerkenswerterweise einer meiner Favoriten war. Aber: mit Finnland und Schweiz lag ich vollkommen daneben. Finnland hatte auch den Nachteil des frühen Startplatzes. Für die Schweiz gilt das freilich nicht. Ich hatte nicht gedacht, dass dieses nette Lied mit der ebenso netten Sängerin derart abgestraft wird. Es zeigt sich wieder einmal, dass die Halbfinals hervorragende Vorsortierer sind: der Schweizer Beitrag hatte es mit nur einem Punkt Vorsprung ins Finale geschafft.

Deutschland braucht sich nicht zu schämen: ein passabler 10. Platz und eine gute Show.

Nächstes Jahr also Baku, und das ist das einzig bittere daran: Aserbaidschan ist ein autoritär regierter Staat und damit nicht viel besser als Weißrussland. Man wird damit einem höchst fragwürdigen Regime eine Bühne bieten.
Ich finde, man (d.h. Deutschland oder Schweden) sollte deshalb nächstes Jahr wieder gewinnen, damit der Wettbewerb nicht in falsche Hände gerät 🙂

Ein historischer Tag

Ich musste schon eine Träne verdrücken, als Winfried Kretschmann heute morgen zum Minischderpräsident des Landes Baden-Württemberg gewählt wurde. Dass nach der Wahl Ende März nun das Realität wird, was ich nie zu erleben glaubte. Dass ein Nicht-CDU-Mann in dieses Amt gewählt wird, haben nicht einmal meine Eltern erlebt.

Geradezu erbärmlich dieses mitleidige Gelaber im Fernsehen über die CDU-Abgeordneten, die nun ihre Lebensträume durchkreuzt sehen. Wer Wahlen als Bestätigungsveranstaltungen ansieht und eine politische Karriere als unaufhaltsamen Karrierezug, der kann einem bestenfalls leid tun, dass er ein Produkt der Verfilzung Baden-Württembergs ist. Demokratieverständnis muss bei der CDU erst noch einsickern. Vielleicht ist das auch schonmal der erste positive Effekt dieses Wechsels.

Ich bin aber auch Realist genug, zu wissen: in 5 Jahren ist es wieder vorbei. In einer gigantischen Ausnahmesituation wurde die CDU unter 40% gedrückt und die FDP fast über den 5%-Abgrund geschoben. Die grün-rote Regierung, die das allein durch überzeugende Arbeit noch einmal schaffen will, kann ich mir kaum vorstellen. Dazu waren die letzten Woche zu verhalten und unharmonisch, als dass man allzu große Hoffnungen haben könnte. Selbst wenn die Regierung ihre Arbeit gut macht, wird es für eine Wiederholung kaum reichen.

Eigentlich müssten sie jetzt 5 Jahre lang regieren, als ob es keinen Morgen gäbe. Eine spektakuläre Maßnahme nach der anderen, damit die Leute auch etwas davon merken, dass sie von jemand anderem regiert werden. Nur ist Deutschland nicht anfällig für einen reißerischen Politikstil, und Baden-Württemberg schon zweimal nicht. Natürlich wäre dann auch die Frage, ob dabei etwas vernünftiges herauskäme, und das darf doch in den klassischen Landespolitikfeldern Bildung und Justiz bezweifelt werden.

Aber die Zeiten ändern sich auch und mit ihr die politische Landschaft. Es bleibt eben nicht immer alles so, wie es ist – und das ist ab heute auch in Baden-Württemberg so. Ich wünsche Winfried Kretschmann jedenfalls viel Erfolg bei ihrer Arbeit. Sie haben einiges vor sich.

[Danke an Franzi für den Link]

ESC 2011: Halbfinale 1

Ich beginne diesen Beitrag standesgemäß:

Man mag vom Eurovision Song Contest halten, was man will: es ist eine der meistbeachteten Veranstaltungen der Welt.

Ich gebe gerne zu, dass ich ihn jedes Jahr schaue. Meine Europabegeisterung lässt die Albernheit der ganzen Angelegenheit zurücktreten.

Auch wenn ich gestern nicht mitwählen durfte, so wollte ich doch einmal erleben, wie das nun mit Engelke, Raab und Rakers ist. Die Anfangsgags waren ESC-gewohnt zum Fremdschämen, aber Judith Rakers letztendlich im Green Room gut platziert. Und die Einlage von Anke Engelke und Stefan Raab, die die ESC-Teilnehmer diesen Kracher singen ließen, war dann doch ganz witzig:

Die Show gerissen hat freilich Anke Engelke, die nicht nur die zwei relevanten Fremdsprachen besser spricht als es Raab es jemals auch nur mit einer könnte. Es war fast schade, dass ihre Tanz- und Playbackeinlagen zu jedem der 10 Gewinnertitel nur kurz eingeblendet wurden.

Die Musik war wie immer mit vielen Belanglosigkeiten gespickt, die es zum Glück größtenteils nicht ins Finale geschafft haben.

Obskure Dinge waren kaum dabei, aber man darf sich schon fragen, ob die Portugiesen ernsthaft damit rechneten, mit diesem Song ins Finale einzuziehen:

Kein Land ist derart notorisch erfolglos wie Portugal: 44 Teilnahmen und das höchste der Gefühle waren ein 6. Platz. Aber man wird doch wohl nicht ernsthaft erwarten, mit einem auf portugiesisch vorgetragenen Satirepolitsong weiterzukommen.

Auf der anderen Seite ziehen auch immer Lieder ins Finale ein, wo ich nur den Kopf schütteln kann. Wieso beispielsweise Griechenland und Litauen weiterkamen, ist mir ein Rätsel.

Meine vier Favoriten waren übrigens:

  • Finnland: Paradise Oskars liebenswürdig-ironische Weltverbesserungsliedchen hat fast schon Ohrwurmqualitäten. Er kam auch prompt weiter, ist im Finale aber auf Startplatz 1 gesetzt, was seine Chancen natürlich verringert.
  • Schweiz: Auch ein beschwingt süßes Lied, das es genau deswegen ganz weit bringen könnte und auch ins Finale einzog.
  • Aserbaidschan: eine nette Bombast-Ballade, die es ebenso ins Finale geschafft hat.
  • San Marino: Die Sängerin war zwar bis vor kurzem wohl noch nie in dem Land, aber das ist ihr in dem Fall wohl auch nicht vorzuwerfen. Jedenfalls haben sie keine allzu schlechte Wahl getroffen. Den Titel fand ich ganz nett, aber mehr auch nicht. Er schaffte es auch nicht ins Finale.

Sehr beunruhigend finde ich, dass sich mein Geschmack offenbar zumindest in erheblichen Teilen mit dem der Allgemeinheit deckt. Das war bislang nie so und ist hoffentlich kein Zeichen meines fortschreitenden Alters.

Etwas peinlich war der Tonausfall während der Übertragung – das schwedische Fernsehen hatte ca. ein Drittel der Show gar keine Verbindung zu den Kommentatoren und behalf sich am Ende mit Telefonen. Das dürfte vor allem nicht ganz das sein, was die Europäer von den Deutschen erwarten. Gerüchteweise sollen Züge in Deutschland pünktlich sein.

Ich freue mich jedenfalls schon auf das morgige zweite Halbfinale. Dann hoffentlich mit Ton, und vielleicht schafft es Eric Saade sogar ins Finale.

Cat Stevens in Stockholm

Das Schöne daran, in einer Hauptstadt zu leben, ist, dass so gut wie jeder interessante internationale Gast hier Halt macht. Man braucht eigentlich nur mit wachen Augen durch die Straßen zu gehen und wird früher oder später ein Plakat entdecken, das ein vielversprechendes Event anpreist. Ich wäre neulich z.B. gerne zu den Söhnen Mannheims gegangen. Nicht weil ich sie besonders mag, aber wann verirren sich schon einmal mittelmäßig bekannte deutsche Künstler nach Schweden?

An internationaler Bekanntheit dürfte es Cat Stevens freilich nicht mangeln. Aber diese kommt frei Haus mit dem Wissen, dass er seit 30 Jahren Yusuf Islam heißt und sich mehr der religiösen Erleuchtung als der Musik widmet. Daher zögerte ich nicht, als ich die Anzeige für sein Konzert auf einer Werbefläche eines Parkscheinautomaten sah: da muss ich hin.

Plätze waren nicht leicht zu bekommen, was aber nicht zuletzt an der grottenschlechten Platzsuchesoftware von Ticnet liegt. So wurden es sündhaft teure Tickets mit guter Sicht am linken Rand.

Stimme: immer noch so gut – Konzept: vielleicht nicht ganz so

Der Mann ist zwar gealtert – 62 ist er mittlerweile, und er wirkt mit Sicherheit keinen Tag jünger – aber seine Stimme ist so gut wie vor 35 Jahren. Das Konzept des Konzerts war allenfalls etwas durcheinander: erst begann er autobiographisch über seine Anfänge zu erzählen. Dabei erwähnte er auch zur Freude des Publikums, dass er in Gävle einmal zur Schule ging – seine Mutter war Schwedin – aber leider kaum noch schwedisch spricht. Er streute aber immer wieder kleine Fetzen schwedisch ein. Er wechselte thematisch dann zu einem Musical, das er anscheinend gerade schreibt und neue wie alte Lieder kombiniert. Die Bühne füllte sich nach und nach, beginnend mit seinem alten Weggefährten Alun Davies. Zur Pause standen 8 Musiker auf der Bühne.

Bis dahin waren von den richtig bekannten Titeln nur „Matthew & Son“ und „The First Cut is the deepest“ gekommen – er stachelte das Publikum etwas an, indem er auf die Titel „Moonshadow“ und „Father & Son“ hin leitete, sie anspielte und dann abrupt sagte, dass er das für später aufhob. Zwischendrin begannen schon einige Zuschauer nach bekannten Titeln zu rufen, worauf Yusuf sie zu vertrösten suchte.

Das Musical wurde in Teilen präsentiert, aber es blieb bei einer Art Vorschau. Es folgte eine 30-minütige Pause, nach der ich eigentlich einen Gassenhauer nach dem anderen erwartete.

Das Warten auf „Wild World“

Daraus wurde leider erstmal nichts. Für meinen Geschmack dauerte das zu lange – aber es ist auch irgendwo verständlich, denn wie jeder Altkünstler hat Stevens das Problem, dass alle nur kommen, um die bekannten Uralthits zu hören. Zwar verfügt Cat Stevens über ein beachtliches Œuvre, aber die bekannten Titel füllen eben keinen Abend. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, er hätte wie in der ersten Hälfte mehr Hits eingestreut. Indem er die Spannung bis zum Schluss aufhob, war das Publikum dann aber auch schlagartig begeistert, als er „Morning Has Broken“ spielte, gefolgt von „Wild World“ – da standen die Leute schon – und „Father & Son“. Die Zugabe enthielt dann auch noch „Moonshadow“ und „Peace Train“.

Das stark durchwachsene Fazit von Anders Dahlbom von Expressen würde ich jedenfalls nicht teilen. Man kriegte im Endeffekt das, für das man bezahlt hatte, wenn auch etwas später als erwartet. Die Rezension in DN war auch freundlicher, ist aber leider nicht online.

Da ich mich vor dem Konzert damit nicht beschäftigt hatte, erfuhr ich erst jetzt, dass es sich um das erste Konzert der ersten Europa-Turnee seit 30 Jahren handelt. Ab Morgen ist er übrigens in Deutschland, später auch noch in Rotterdam, Paris, Wien und Brüssel. Das sollte man nicht verpassen – es könnte das letzte Mal sein.

Nachtrag: Die Rezension von Dagens Nyheter ist mittlerweile auch online.

Eine unabhängige Meinung zu Eric Saade

Wer es noch nicht gemerkt hat, sei darauf hingewiesen: in weniger als einer Woche startet der Eurovision Song Contest, und zwar in Düsseldorf – eine Folge der fast für unmöglich gehaltenen Tatsache, dass Deutschland diesen Wettbewerb im letzten Jahr gewann, obwohl damit in den nächsten 5000 Jahren nicht mehr zu rechnen war.

Der streitbare Medienjournalist Stefan Niggemeier und sein Kollege Lukas Heinser sind nach ihrer grandiosen Oslo-Reportageserie im letzten Jahr nach Düsseldorf gepilgert, um zwei Wochen lang das ganze Elend in Ton und Bild der Menschheit zu bringen. Das Resultat ist wie immer unterhaltsam.

Besonders auffällig ist in der gestrigen Folge das ausgiebige Bashing des schwedischen Teilnehmers Eric Saade. Das beginnt eher harmlos mit einer Frage eines Journalisten, der nahelegt, dass sein Beitrag nicht nur Frauen-, sondern auch bestimmte Männerherzen höher schlagen lässt, und sich erkundigt, ob dies denn Absicht oder Zufall sei.

Zufall, versichert Saade, was mich nicht verwundert, denn in Schweden schwärmen die Mädels für ihn. So sieht er aus:

Eric Saade, Interpret des diesjährigen schwedischen Beitrags im Eurovision Song Contest (Bild: Janwikifoto, http://artist.in2pic.com ; Lizenz: CC)

Das ist auch wohl der Hauptgrund seines Sieges beim nationalen Vorentscheid. Der Junge wurde ziemlich hochgejubelt, und als die Glasscheiben zersplitterten, hatte er den Sieg in der Tasche.

Mein Favorit war übrigens dieser Titel hier:

Wenn die Schweden aber mal einen Titel gewählt haben, dann stehen sie zu ihm und glauben, es sei der beste Titel des Jahrhunderts – mindestens. Da erfreut es fast schon, das eher mittelmäßig vernichtende Urteil der beiden aus Düsseldorf zu hören, um nicht allzu hohe Erwartungen zu haben.

Gut möglich, dass es wirklich ein Debakel gibt und sich ganz Schweden wieder einmal fragt, wie das nur passieren konnte. Aber vielleicht liegen die beiden auch falsch – in diesem Wettbewerb ist schließlich alles möglich.

In jedem Fall lohnt es sich, als Einstimmung auf das Spektakel täglich Duslog.tv anzuschauen.

Der langsame Tod von StudiVZ

Sag's mit Torte(ngrafik): StudiVZ ist am Ende

Für Internetheinis wie mich ist es nicht gerade Breaking News: der ehemalige Shooting Star StudiVZ (alias MeinVZ alias SchülerVZ alles VZ-Netzwerke) ist auf dem absteigenden Ast.

Die allererste Version war schon ein Abklatsch von Facebook: StudiVZ war rot, Facebook war blau – ansonsten alles gleich. Das funktionierte nur, weil Facebook in deutschen Landen damals unbekannt war. Seither kam bei VZ wenig Neues, bei Facebook dafür umso mehr.

Ich meldete mich bei beidem an – zu der Zeit war ich schon in Schweden, und hier war Facebook schon viel früher in Mode. In der Zwischenzeit ist die Welle schon lange auch nach Deutschland übergeschwappt, und man fragt sich, wieso sich die ganzen VZ und so obskure Portale wie Wer-Kennt-Wen nicht gleich selbst begraben, um den Prozess zu beschleunigen.

Zwar habe ich nicht vor, bei StudiVZ meinen Account aufzulösen. Aber die entscheidende Frage war für mich, ob Facebook mittlerweile komplett deckungsgleich ist, oder konkret: wieviele meiner StudiVZ-Freunde sind mittlerweile bei Facebook?

Also habe ich das erhoben. Natürlich gibt es hier Unsicherheiten, denn so mancher StudiVZ-Freund mag vielleicht unter anderem Namen bei Facebook sein. Es mag auch einige Leute geben, die StudiVZ ganz verlassen haben und somit nur noch bei Facebook anzutreffen sind. Die ermittelte Anzahl der Umsteiger ist also anzunehmenderweise zu niedrig.

Das Ergebnis ist in jedem Fall beeindruckend: 90 von 117 StudiVZ-Freunden sind definitiv bei Facebook, was ganzen 77 % entspricht. Von den anderen 27 gibt es nicht viele, die bei StudiVZ übermäßig aktiv sind. Abzüglich irgendwelcher Karteileichen wird es vielleicht noch ein Dutzend sein, die den Umzug noch nicht getätigt haben.

Ein eindeutiges Bild, und das zurecht – selbst wenn man Facebook nicht sonderlich mag, so ist doch klar zu sagen, dass es technisch in jeder Hinsicht der vermeintlichen Konkurrenz haushoch überlegen sind. Letzten Endes wird das Scheitern der Konkurrenten in deren eigener Unzulänglichkeit begründet sein.

Leider ist damit auch wieder ein Trend zu beobachten, den das Internet schon lange zeigt: Zentralisierung. Es gab früher auch andere Suchmaschinen als Google, andere Buchhändler als Amazon und andere Auktionsplattformen als Ebay. Doch gingen sie unter, und warum sollte das bei den sozialen Netzwerken anders sein.

Mehr im Geldbeutel – was die Regierung so plant

Nach dem gestrigen Beitrag sollte man vielleicht noch erklären, was die Regierung genau vorhat. Schweden kommt ziemlich gut aus der Krise, und das will die Regierung gleich zu weiteren Steuersenkungen nutzen.

Eine Reihe Reformen wurde gerade auf den Weg gebracht:

  1. Weitere Senkung der Einkommenssteuer: Nachdem die Regierung schon in der vorigen Legislaturperiode die Steuern gesenkt hat, will sie das wieder tun. Soweit ich das verstehe, funktioniert das so, dass je nach Bruttoeinkommen ein Teil des Einkommens als eine Art Grundfreibetrag abgezogen wird. Dieser Teil soll nun nochmals erhöht werden. Genaueres kann man hier berechnen lassen.
  2. Die Grenze zur staatlichen Einkommenssteuer wird erhöht: im schwedischen Steuersystem wird abzüglich der erwähnten Freibeträge alles Einkommen einer Steuer unterworfen, die an die Kommunen und die Provinzen geht. Erst ab einer gewissen Grenze wird das darüber hinausgehende Einkommen mit eine Steuer belegt, die an den Gesamtstaat geht. Diese Grenze soll nun angehoben werden.
  3. Für im Ausland Wohnende wird die Steuer gesenkt: wer sich weniger als das halbe Jahr in Schweden aufhält, unterliegt einer anderen Besteuerung. Dies soll nun auch gesenkt werden.
  4. Absenkung der Mehrwertsteuer für Catering- und Restaurantdienste
  5. Steuersenkung für Pensionäre: diese profitieren nicht von den oben erwähnten Steuersenkungen und erhalten getrennt eine Senkung.
  6. Mehr Geld an die Justiz
  7. Weiterhin gesenkter „Vorteilswert“ für umweltfreundliche Autos (bis 2013): besonders umweltfreundliche Autos werden in einigen Bereichen steuerlich besser gestellt. Der „Vorteilswert“ (Förmånsvärde) betrifft Dienstwagen. Da die Bereitstellung eines solchen einen geldwerten Vorteil darstellt, wird der Wagen berechnet wie eine Art zusätzliches Einkommen, das dann zu versteuern ist. Der „Vorteilswert“ gibt die Höhe dieses zusätzlichen Einkommens an. Durch den gesenkten Vorteilswert ist es also steuersparend, einen solchen Dienstwagen zu haben anstatt eines weniger umweltfreundlichen Modells.
  8. Absetzbarkeit von Spenden an gemeinnützige Organisationen: bisher kann man spenden, soviel man will – steuerlich macht es keinen Unterschied.
  9. Steuern auf Alkohol und Tabak werden erhöht: die einzige Steuererhöhung, die mir bislang untergekommen ist. Zigaretten wird 10% höher besteuert, Snus 13%, Wein und Bier 12,7% sowie Spirituosen mit 5%.

Am meisten Wellen schlägt freilich die zuerst genannte Steuersenkung für Arbeitnehmer – daher auch der gestrige Beitrag. Von linker Seite wird kritisiert, dass diese Steueränderungen die Reichen begünstigen. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Geschönte Zahlen

Das Finanzministerium führt nämlich in seinen Berechnungen auf, dass eine Pflegehelferin mit 23.200 kr Bruttoeinkommen im Monat um ganze 189 kr Steuern erleichtert wird. Klingt gut, aber der Haken ist: man muss erstmal eine Pflegehelferin finden, die derart viel verdient, um ihr die frohe Botschaft mitzuteilen. Schon 20.000 kr im Monat sind für diesen Job ziemlich ambitioniert. Auch die Krankenschwester mit 28.800 kr ist die absolute Ausnahme. Allgemein hat die Regierung also die Zahlen etwas aufgehübscht, um die Steuersenkungen größer aussehen zu lassen.

Ich bin allgemein sehr skeptisch gegenüber diesen Änderungen. Zwar entlasten sie den Bürger, aber wie ich gestern dargelegt habe, darf durchaus bezweifelt werden, dass dies zur Verbesserung der finanziellen Situation der Haushalte beiträgt. Es dürfte in erster Linie den Konsum ankurbeln.

Verkomplizierung des Steuersystems

Besonders kritisch sehe ich es in der Hinsicht, dass die Stärke des schwedischen Steuersystems die Einfachheit ist. Mit zusätzlichen Detaillösungen und Korrekturen wird es komplizierter – und wie das deutsche System eindrücklich zeigt, haben solche Verschiebungen oftmals kaum positive Effekte, machen das System aber weniger gerecht und erhöhen den bürokratischen Aufwand.

Ich frage mich auch, ob man damit nicht den Kommunen das Leben schwermacht. Die Einkommenssteuer geht schließlich größtenteils an die Kommunen, und mit einem weiteren Freibetrag sinkt das Steueraufkommen in diesem Bereich.

Mehrwertsteuersenkung für Restaurants: Unfug

Ziemlich ärgerlich finde ich die Mehrwertsteuersenkung für Restaurants und Catering.

Ich bin der Meinung, dass jegliche Mehrwertsteuerausnahmen nicht sinnvoll sind. Sie werden vom Verbraucher nicht wahrgenommen, weil sie in der allgemeinen Preisentwicklung untergehen – der Markt ist viel schneller als die Steuergesetzgebung, und jede Steuersenkung ist bald kaum noch wahrnehmbar. Will man sie abschaffen, ist das fast nicht mehr möglich, weil die betroffenen Gruppen aufschreien.

Das gilt insbesondere in diesem Fall. In Frankreich hat vor knapp zwei Jahren die Mehrwertsteuer in Restaurants massiv von 19,6% auf 5,5% gesenkt. Dort wurde das heftig diskutiert, weil man zurecht befürchtete, die Restaurants würden einfach ihre Gewinnmarge erhöhen. Man verpflichtete die Restaurants zu Preissenkungen, und dies wird bis heute auf vielen Speisekarten dem Gast präsentiert.

Genau dies wird in Schweden angesichts der geringen Aufmerksamkeit kaum passieren. Ich gehe davon aus, dass schon wenige Monate nach der Steuersenkung die Preise wieder das vorige Niveau erreicht haben werden. Es landet dann nicht mehr im Steuersäckel sondern irgendwo anders – vermutlich nicht in den Lohntüten der Arbeitnehmer.

Steuerbefreiung von Spenden

Auch für die Steuerbefreiung von Spenden kann ich nicht viel erübrigen. Mir kommt gerade dies in Deutschland immer als eine Art Schattenwirtschaft vor, bei dem die Gelder hin- und hergeschoben werden, wobei vollkommen unklar ist, wieviel das Ganze der Allgemeinheit wirklich bringt. Haben denn gemeinnützige Organisationen in Schweden Finanzprobleme? Das Thema scheint vom heiteren Himmel zu fallen.

Hätte man besser verwenden können

Ich hätte es wieder einmal begrüßt, wenn man zuerst geschaut hätte, was man mit den Überschüssen so alles machen kann, anstatt sie sofort in Kanäle zu leiten, die vermutlich keinen großen Nutzen erbringen werden.

Eigentlich hätte man erwarten müssen, dass die Regierung diese Änderungen erst kurz vor der nächsten Wahl macht, um Popularität zu gewinnen. Vielleicht will sie aber ihre Stammklientel beglücken, wie sie es schon vor vier Jahren machte. Restaurantbesuche, Dienstwagen und hohe Einkommenssteuer betreffen vor allem die Reichen. Man darf gespannt sein, welche Bonbons sie zum Ende der Legislaturperiode verteilen wollen.

Ich mache mir Sorgen

Was ist nur mit Christiane Sadlo alias Inga Lindström los?

Dieser Streifen „Das dunkle Haus“, der da gerade im ZDF läuft, ist nicht halb so schmalztriefend und schwachsinnig wie gewohnt.

Zwar sind die Häuser mal wieder viel zu groß, die Landschaft mal wieder übermäßig schön, die Musik übermächtig und in den Details hapert es wie immermächtig. Selbstverständlich sind wieder allerlei Liebesverwirrungen dabei, und das Ganze wirkt wie ein Knobelspiel, bei dem man herausfinden muss, wer nun mit wem zusammenkommt und wer am Ende übrig bleibt. Aber: keine lächerlichen Namen, keine gravierenden Fehlbesetzungen, keine dummdreist zusammengeschusterte Rahmenhandlung, keine überzogenen Schmierentheaterzufälle. Die Story geht sogar über pure Banalität hinaus.

Das heiß zwar noch lange nicht, dass das alles glaubwürdig ist oder große Filmkunst – aber das muss es bei einem ZDF-Fernsehfilm auch nicht sein. Weder geht es darum, die Goldene Palme zu gewinnen, noch eine quasidokumentarische Darstellung Schwedens zu erreichen. Selten war der Konsum eines Inga-Lindström-Films so wenig von Fremdscham und Brechreiz begleitet.

Frau Sadlo, ich mache mir Sorgen. Geht es Ihnen gut?