StudiVZ-Schwund und was sonst noch so verschwindet

Nach diesem Artikel Ende April habe ich gerade einmal bei StudiVZ hineingeschaut. Die Anzahl meiner Freunde dort ist seither um weitere 5 gesunken.

Wenn der Schwund weiterhin so anhält, dann wird also der letzte in 1187 Tagen von Bord gehen – oder anders gesagt am 19. September 2014. Das wird so natürlich nicht so passieren. Dass es das Portal im Jahr 2015 noch geben wird, erscheint mir aber sehr unwahrscheinlich.

Ein anderer Paradigmenwechsel in Sachen Internet wird mir in diesen Tagen auch gegenwärtig: klassisches Instant Messenging stirbt. Ich war (und bin) bei allen großen Netzwerken angemeldet: AOL Instant Messenger (AIM), Yahoo Messenger, MSN Messenger und natürlich ICQ. Waren zumindest die letzten beiden über lange Jahre ein Grundpfeiler meiner täglichen Kommunikation, hat sich das beinahe unbemerkt auf Null zu bewegt. Auf allen Netzwerken habe ich nur noch wenige Kontakte, die man aktiv nennen könnte.

Bei AIM habe ich sage und schreibe noch zwei Kontakte, aber die kann ich wenigstens zu den Aktivposten rechnen. Das verwundert mich eigentlich ein bisschen, denn dieses Netzwerk hatte ich eigentlich schon für tot gehalten. Nachdem AOL seine besondere Markststellung schon vor Jahren eingebüßt hat, schien mir das System eigentlich nur noch ein Auslaufmodell zu sein. Interessanterweise ist AIM das erste IM-System, mit dem ich Ende der 1990er Jahre in Kontakt kam.

Yahoo ist mittlerweile ein Spamproblem geworden, und ich wüsste keinen einzigen aktiven Kontakt mehr. Gelegentlich schreiben mich afrikanische und asiatische Studenten an, die mich einst um Rat fragten, wie man denn am besten in Europa zu einem Studienplatz kommt. Besonders schien sie immer zu interessieren, welche deutsche Hochschulen nun gut oder weniger gut seien. Ich konnte ihnen nicht wirklich helfen.

MSN Messenger war lange Zeit ein Tor zu denjenigen, die Windows hatten und sich nicht die Mühe machen wollten etwas anderes zu installieren. Ich nehme an, genau dieses Hauptklientel ist auch der Grund für das Dahinscheiden: wer heute mühelos Kontakte unterhalten will, macht das bei Facebook. Ich wüsst spontan nur eine einzige Person, mit der ich ausschließlich auf diesem Wege Korrespondenz unterhalte.

Bleibt noch ICQ. Früher das mit Abstand wichtigste Netzwerk. Heutige Kontaktbedeutung: null. Stattdessen ständige Kontaktfragen junger russischer Damen, die aber nicht mal in einem automatisierten Bot-Gespräch resultieren.

Wenn ich einen Plan für den IM-Ausstieg machen müsste, dann gingen die Meiler wohl in folgender Reihenfolge vom Netz: Yahoo, ICQ, MSN, AIM. Genau das überlege ich zur Zeit. Nerviger Spam nervt, wenn man die Dienste nicht mehr braucht.

Es ist ja nicht so, dass Instant Messenging gestorben wäre. Im Gegenteil – es findet nur auf anderen Plattformen statt: Skype und Facebook. Spätestens seit letzteres ermöglicht, per Jabber-Protokoll zu chatten, ist die Handhabung wie früher bei ICQ. Ich kann das nur wärmstens empfehlen. Man bleibt von Spam verschont und erreicht Kontakte direkt.

Skype scheint mir zwar auch zu stagnieren, hat aber allemal mehr Zukunftspotenzial als die alten IM zusammen, denn gerade die Telefonie ist immer noch eine sehr praktische Sache.

Ob diese Entwicklung gut ist, sei dahingestellt. Die Zentralisierung auf Facebook kann man durchaus in Zweifel ziehen. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass ICQ etc. nie offene Systeme waren, sondern nur durch geschickte Bastlereien findiger Entwickler auch jenseits der offiziellen Software benutzt werden konnten. Zumindest was Facebook (und Google Talk) angeht, hat mit Jabber ein offenes System gewonnen.

Der langsame Tod von StudiVZ

Sag's mit Torte(ngrafik): StudiVZ ist am Ende

Für Internetheinis wie mich ist es nicht gerade Breaking News: der ehemalige Shooting Star StudiVZ (alias MeinVZ alias SchülerVZ alles VZ-Netzwerke) ist auf dem absteigenden Ast.

Die allererste Version war schon ein Abklatsch von Facebook: StudiVZ war rot, Facebook war blau – ansonsten alles gleich. Das funktionierte nur, weil Facebook in deutschen Landen damals unbekannt war. Seither kam bei VZ wenig Neues, bei Facebook dafür umso mehr.

Ich meldete mich bei beidem an – zu der Zeit war ich schon in Schweden, und hier war Facebook schon viel früher in Mode. In der Zwischenzeit ist die Welle schon lange auch nach Deutschland übergeschwappt, und man fragt sich, wieso sich die ganzen VZ und so obskure Portale wie Wer-Kennt-Wen nicht gleich selbst begraben, um den Prozess zu beschleunigen.

Zwar habe ich nicht vor, bei StudiVZ meinen Account aufzulösen. Aber die entscheidende Frage war für mich, ob Facebook mittlerweile komplett deckungsgleich ist, oder konkret: wieviele meiner StudiVZ-Freunde sind mittlerweile bei Facebook?

Also habe ich das erhoben. Natürlich gibt es hier Unsicherheiten, denn so mancher StudiVZ-Freund mag vielleicht unter anderem Namen bei Facebook sein. Es mag auch einige Leute geben, die StudiVZ ganz verlassen haben und somit nur noch bei Facebook anzutreffen sind. Die ermittelte Anzahl der Umsteiger ist also anzunehmenderweise zu niedrig.

Das Ergebnis ist in jedem Fall beeindruckend: 90 von 117 StudiVZ-Freunden sind definitiv bei Facebook, was ganzen 77 % entspricht. Von den anderen 27 gibt es nicht viele, die bei StudiVZ übermäßig aktiv sind. Abzüglich irgendwelcher Karteileichen wird es vielleicht noch ein Dutzend sein, die den Umzug noch nicht getätigt haben.

Ein eindeutiges Bild, und das zurecht – selbst wenn man Facebook nicht sonderlich mag, so ist doch klar zu sagen, dass es technisch in jeder Hinsicht der vermeintlichen Konkurrenz haushoch überlegen sind. Letzten Endes wird das Scheitern der Konkurrenten in deren eigener Unzulänglichkeit begründet sein.

Leider ist damit auch wieder ein Trend zu beobachten, den das Internet schon lange zeigt: Zentralisierung. Es gab früher auch andere Suchmaschinen als Google, andere Buchhändler als Amazon und andere Auktionsplattformen als Ebay. Doch gingen sie unter, und warum sollte das bei den sozialen Netzwerken anders sein.

Gelb-rot strahlt

Die Massen sind begeistert

Frohe Kunde aus der Heimat: wie meine Stammzeitung Badisches Tagblatt („Baden’s finest news source“) heute morgen berichtet, wurden die verschlissenen badischen Fahnen auf dem Rastatter Schloss durch brandneue ersetzt. Ein wichtiges Anliegen, das ich mit der aktionistischen Gründung der Facebook-Gruppe „Badische Fahnen auf dem Rastatter Schloss“ unterstützt habe, wurde damit umgesetzt. Das Volk freut sich und tanzt auf den Straßen.

Natürlich war das nicht überraschend: letztendlich stellte es sich eher als ein Irrtum der zuständigen Behörde heraus, dass die Fahnen verschwinden sollten.

Eigentlich könnte ich die Gruppe jetzt schließen, aber das geht anscheinend nur, wenn ich erst alle Mitglieder – mittlerweile 53 an der Zahl – hinauswerfe. Das will ich der treuen Gefolgschaft dann doch nicht antun. Außerdem: auch die aktuellen Fahnen werden irgendwann verschlissen sein.

Fortsetzung in 10 Jahren…

In eigener Sache

Wer sich über die Reihe Bilder in den letzten Beiträgen wundert: ich habe mein tolles Mobile Blog wieder in Betrieb genommen, nachdem es ja während meiner Reise nach Portugal und Spanien nicht funktioniert hatte. Daher gab es jetzt einen Nachschlag der verlorengegangenen Bilder. Über den Umweg Twitter landet das jetzt auch in Facebook.

Im Index

Jasmin A. ist drin, Nina N. auch. Und wo die beiden sind, darf Natalie B. nicht fehlen. Die Rede ist nicht von einer anonymen Selbsthilfegruppe, und der Autor hat nicht etwas zum Informantenschutz die Namen anonymisiert. Es handelt sich um eine zufällige Auswahl von Mitgliedern der StudiVZ-Gruppe „Die lieber-Putzen-statt-Lernen-Gruppe“.

Seit einigen Wochen ist es ein Trend geworden, seine Angaben auf StudiVZ zu verschleiern. Manche benutzen schlicht das Initial ihres Nachnamens, andere fügen unleserliche Zeichen ein oder ersetzen Teile ihres Namens mit ähnlich aussehenden Buchstaben aus dem Kyrillischen. Andere wiederum haben den Namen in blanken Unsinn verändert. Das Ganze hat auch einen Grund: der Datenschutz. Man könnte meinen, in einem puren Anfall von Idealismus haben sich die Studenten dieser Welt (oder zumindest die des StudiVZ) zusammengerottet, um dem großen bösen Bruder in Gestalt des allmächtigen Staates und der ausbeutenden Wirtschaft die Stirn zu bieten.

Der gewissermaßen offizielle Grund für die ganze Aktion ist denn auch der, dass StudiVZ derzeit neue Allgemeine Geschäftsbedingungen einführt, die personalisierte Werbung erlauben. Konkret bedeutet dies, dass Firmen, die auf StudiVZ Werbung anbieten, künftig ihre Werbung bei bestimmten Gruppen schalten lassen können. Will also ein Konzertveranstalter aus Mainz die Mainzer Studenten ansprechen, so kann er dies tun. Da zunächst auch von Werbung über SMS und Messenger die Rede war, kam bald Unmut auf.

Was nun gefolgt ist, hat allerdings viel weniger mit einer Protestbewegung zu tun, als man annehmen sollte. In ihrem Eifer haben die Protestierer nämlich vergessen, dass es die Möglichkeit gibt, die neuen Werbeformen abzuschalten – ganz klein am unteren Ende der Seite gibt es hierfür einen Link „Datenschutz“. StudiVZ wurde stattdessen mit dem bestraft, was alle Internetportale am meisten befürchten müssen: Liebesentzug. Denn wer gemocht wird und damit zu den Guten gehört, dem wird alles entgegen gebracht, was er sich wünscht. Die „Bösen“ hingegen, das sind Microsoft und die Bahn – die mag man nicht, und die kann man keinesfalls gut finden. Weil nun StudiVZ gerüchteweise das Lager gewechselt hat, verunstalten nun alle ihre Profile.

Plötzlich scheint vergessen, dass man sich kürzlich noch stolz Fotos von sich präsentierte, auf denen man halbnackt im Vorzimmer des Deliriums zu sehen ist, und mit Begeisterung in Gruppen beitrat, die bezeichnende Namen wie „Wir waren schon Komasaufen, da gabs dieses Wort noch gar nicht“ tragen. Die allermeisten waren nur allzu leichtfertig bereit, sich zu exhibitionieren.

Das macht eigentlich auch die Verlogenheit dieser ganzen Geschichte aus. Die meisten Teilnehmer im StudiVZ scheren sich nämlich nicht wirklich um den Datenschutz. Wenn es nämlich so wäre, würden sie sich eher Sorgen um den Personalchef machen, der ihre Bewerbung nach dem Studium deswegen ablehnt, weil er Fotos von den Partyexzessen des Bewerbers im StudiVZ gefunden hat. Sie würden sich um ihre Einkäufe bei Amazon sorgen, anhand derer die Werbung dort entsprechend angepasst wird. Auch hätten sie Bedeeken gegenüber dem größten Datensammler der Welt – Google. Die Benutzung einer Payback-Karte wäre dann ebenso indiskutabel.

Stattdessen muss die personalisierte Werbung als Prügelknabe herhalten. StudiVZ wird so eher ein Opfer des Herdentriebs als eines des Idealismus. Dass es sich dabei um das falsche Opfer handeln könnte, ist den wenigsten wohl bewusst. Denn StudiVZ ist trotz aller peinlichen Vorkommnisse und den nun geänderten Besitzverhältnissen ein ursprünglich genuin studentisches Projekt. Bezahlen möchte für diesen Dienst keiner, und nun den Betreibern aus dem Versuch, mit Werbeeinnahmen zumindest einen Teil der Kosten wieder hereinzuholen, einen Vorwurf zu machen, ist genauso absurd. Für Holtzbrinck, den neuen Besitzer des Portals, kann es dazu wohl kaum eine Alternative geben. StudiVZ kostet Unsummen und wirft so gut wie nichts ab.

Die entscheidende Frage bleibt daher weniger die des Datenschutzes, sondern mehr, wer wen mehr braucht. Holtzbrinck kann und wird irgendwann den Stecker ziehen, wenn StudiVZ keine Chance mehr hat, sich zu rechnen. Diesen Verlust abzuschreiben wird die Firma schmerzen, aber wohl kaum in den Ruin treiben.
Auf eine ähnliche Wahl läuft es für die Benutzer hinaus: Verzicht auf die Teilnahme oder Akzeptanz der neuen Spielregeln. Alternativen zum StudiVZ gibt es nämlich nicht, denn das einzige vergleichbare Netzwerk, Facebook, ist auch nicht gerade ein Datenschutzmusterschüler und in Deutschland bislang kaum bekannt.

So werden diese kleinen Proteste de erste Test für das Social Networking werden und zeigen, wie belastungsfähig es wirklich ist. Man kann annehmen, dass die Attraktivität des System die Zweifel letztendlich besiegen wird. Einen schweren Schlag stellt es aber dennoch dar, denn die verstümmelten Namen werden die bisher nahezu unbeschränkte Nutzungsfähigkeit stark einschränken. Seine Unschuld hat diese Spielwiese jedenfalls verloren.