Da sich die Medien schon Tage im Voraus auf den 10. Geburtstag der Online-Enzyklopädie Wikipedia stürzten, will ich hier keine große Lobeshymnen mehr schreiben. Zumal ich selbst mitarbeite bei diesem Werk, dem feste Daten eigentlich eher fremd sind, denn jede Sekunde wird dort etwas verändert.
Daher verweise ich auch gerne auf dieses tolle Spielzeug, das immer anzeigt, was gerade so geändert wird in der deutschen Wikipedia:
In diesem Sinne: Alles Gute und auf weitere zehn Jahre!
Zur Geburtstagsparty werde ich aber leider nicht kommen – ich weile in einer Stadt, wo es keine solche gibt.
Unser schwedisches Telefon klingelt nie. Wenn doch, dann ist es nervige Werbung, oder etwas unerwartetes. Diesmal war es letzteres. Sehr unerwartet, denn normalerweise ruft dort niemand an, der deutsch spricht.
Leider war ich aber nicht zuhause, und so wusste ich nur, dass irgendjemand deutsches angerufen hat. Die Bedienung des Telefons ist mir mangels Beschäftigung (ruft ja wie gesagt selten jemand an) auch nicht so wirklich geläufig. Der Rückruf gelang aber trotzdem.
Am anderen Ende ist eine Frauenstimme. Vom Band. Ich solle doch warten. Sehr suspekt das ganze.
Dann noch eine Dame. Sie ist echt, und ich erkläre, dass mich jemand angerufen hat. Mit ein paar Versuchen gelingt es auch, meinen Nachnamen einigermaßen unfallfrei zu übermitteln. Da sie ihre Kollegen direkt fragt, ist mir zumindest klar, dass es sich nicht um irgendein Callcenter handelt.
Ich spreche mit dem Herrn, der ursprünglich wohl angerufen hat. Es handelt sich um eine Firma im Medienbereich. Ich ahne schon etwas, und mein Verdacht wird bestätigt: er sagt, seine Firma sei für die VOX-Sendung „Goodbye Deutschland“ tätig. Man suche noch Leute aus Schweden. Man habe dabei drei Gruppen: eine, bei denen Auswanderer bei der Auswanderung gezeigt werden; eine, bei der die Leute schon ein Jahr dort sind; und eine, bei denen die Leute schon länger im Ausland leben.
Nun ist mein Standpunkt zu dieser Art der „Dokumentation“ ziemlich klar. Diese gerne als Dokusoap bezeichneten Sendungen sind genau das, was der Name andeutet: etwas Dokumentation, aber auch eine ganze Menge auf Effekt und Gefühle getrimmte Soap. Die Betonung liegt für mich zu sehr auf letzterem. Denn wenn man es richtig anstellt, kann man aus „echtem“ Material trotzdem ein Zerrbild der Wirklichkeit zeichnen. Da sehen die Auswanderer schnell wie unvorbereitete naive Idioten aus. Das andere Extrem ist eher für den Zuschauer schädlich: allzu idyllische Darstellungen täuschen vor, dass es woanders viel besser sein muss. Negative Seiten werden freilich ausgeblendet.
Alles in allem also eine sehr zweifelhafte Sachen. Keine öffentliche Schlachtbank wie die DSDS-Castings oder „Bauer sucht Frau“, und in manchen Fällen wird dadurch die Auswanderung finanziell etwas unterstützt. Aber auch nicht unbedingt etwas, in das man sich begeben will.
Ich höre mir das in Ruhe an. Ich schwanke, denn wenn man damit direkt konfrontiert wird, ist man milder als beim Konsum medienjournalistischer Ausführungen zum Thema – und meine Fernsehkarriere ist nach einem furiosen Auftritt in der Tagesschau etwas ins Stocken geraten. Man will natürlich auch nicht unfreundlich sein. Man kann ja schlecht sagen, dass seine Firma meiner Meinung nach Unfug produziert. Ich sage ihm, dass ich spontan einmal Nein sagen würde, weil ich von dieser Art Sendungen nicht so wahnsinnig viel halte. Außerdem kenne ich niemanden, der jetzt gerade frisch hierher gekommen sei (was stimmt), und meinen Freundeskreis will ich für solche Dinge auch nicht einspannen. Das respektiert er, sagt er. Der Rest ist Geplänkel.
Ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht, wie ich in dieses Sendungsformat gepasst hätte. Da gäbe es kein Schwedenhäuschen zu zeigen, sondern nur einen ziemlich unspektakulären Wohnungsblock. Und auch keine hochspannende Tätigkeit, die sich fernsehtauglich verpacken ließe. Da käme ja noch das Busfahren am ehesten in die Nähe.
Spontane Entscheidungen sind nicht immer die richtigen. Diese scheint mir aber bislang richtig.
Gestern abend habe ich mich gefragt, wieso ich mich an Beinen schuppe. Dann fiel mir ein: ich war ja in Afrika und der Sonnenbrand war im Preis inbegriffen.
Eigentlich ist Weihnachten für mich eine komplett durchritualisierte Veranstaltung. Kirche, Abendessen, Bescherung – daran hat sich bei mir in den letzten 30 Jahren kaum etwas geändert. Jedoch ist nichts ewig. Zumindest nicht, wenn man 30 ist und sich eine Gelegenheit auf ein ganz anderes Weihnachten bietet, die man besser nicht verstreichen lassen sollte. Schon alleine deswegen, weil Reisen in ferne Länder zumeist etwas sind, was sich nicht alle Tage bietet, und wenn man sie vorbeiziehen lässt, kommen sie nicht so schnell wieder.
Diese Gelegenheit führt mich nach Afrika, genauer nach Tansania – jenes Land, das einmal Deutsch-Ostafrika war und in mir v.a. Assoziationen an meinen früheren Erdkundelehrer, Herrn Schieß, auslöst, der dort einige Jahre gearbeitet hat. Sonst blieb aber nichts weiter hängen, und ich kann auch nicht verhehlen, dass dieser Kontinent bislang auf der Liste meiner Topreiseziele in Gänze fehlte.
Der Trip wurde so auch nicht gerade mit profunder Kenntnis der Umgebung geplant. Das Programm stand trotzdem bald: 5 Tage Safari, gefolgt von einem Bustrip durch das ganze Land nach Dar-Es-Salaam, dann weiter mit der Fähre nach Sansibar, ein paar Tage Sansibar-Stadt. Ich hatte für den Rückweg die grandiose Idee, alleine noch einen Tag auf Sansibar zu bleiben und den Flug mit Nachtaufenthalt in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abbeba zu nehmen, um vielleicht noch etwas von dort zu sehen und die äthiopische Küche auszutesten.
Ich konnte also bis zur Mitte der Weihnachtszeit das volle Programm erleben mit Schnee, Julbord und dem Weihnachtsmarkt im Skansen. Nur eines hatte ich nicht, und das betrachte ich als meine größte Errungenschaft: ich bin um „Last Christmas“ von Wham herumgekommen.
Eine weitere annähernde Unmöglichkeit ist ebenso wahr geworden. Vor der Reise besaß ich nur eine Speicherkarte mit 4 GB. Ich kaufte mir dann zwei 16-GB-Speicherkarten in der Erwartung, dass es praktisch unmöglich sei, auch nur eine davon zu füllen. Denn eine davon fasst über 2700 Bilder, und wer kann schon soviel fotografieren?
Zurückgekommen bin ich mit über 4000 Fotos, und sie sind noch lange nicht sortiert.
So gibt es für’s erste nur einen Vorgeschmack aus der Hinreise. Auf dieser legte ich einen Zwischenstopp in Deutschland ein, der aber nur 11 Stunden währte und in der die Deutsche Bahn von allen Beteiligten bei dieser Hinreise die geringste Pünktlichkeit aufwies. Lange nach dem ersten Schneechaos und etwas vor dem zweiten fuhr ich mit fünf Zügen (laut meinem Reiseplan). Pünktlich war: keiner, und ich durfte mehrfach umdisponieren. Von einem Zugbegleiter erfuhr ich auch den Grund. Am Tag zuvor war das vollkommen überraschende Ereignis des Fahrplanwechsels eingetreten, was den Betrieb anscheinend öfters außer Takt bringt.
Ich will aber nicht zu sehr auf die Bahn schelten. Das Personal war freundlich und meine Verspätung noch ganz ok. Ich konnte meinen Flug mit Ethiopian Airlines planmäßig antreten. Jedes Mal, wenn ich aufwachte, gab es etwas zu essen. So kann man sich das gefallen lassen. Die einzige Überraschung war letztendlich, dass der Flug von Addis Abbeba zum Kilimandscharo-Airport noch eine Zwischenlandung in Mombasa einlegte, von der in meinem Flugplan nichts zu lesen war.
So starte ich mit einer halb sortierten Fotosammlung ins Blogjahr 2011. Mehr wird hoffentlich noch kommen.
Jahresrückblicke erinnern mich an diesen aus dem Jahr 2008
und dieser wiederum an das noch ein kleines bisschen ältere Originallied von Lilian Harvey
In diesem Sinne einen guten Rutsch ins Jahr 2011
PS: Wer es noch nicht gemerkt hat: ich bin derzeit verreist, weswegen auch die Kommentare auf Moderation gesetzt sind. Neues Material gibt es hoffentlich in Kürze.
Eine beliebte Frage zu meiner grandiosen Busfahrerei ist, ob man den ganzen Tag dieselbe Linie oder denselben Bus fährt.
Das tut man glücklicherweise nicht, wenn man von seltenen Ausnahmen absieht – ansonsten wäre der Job sehr sehr dröge. Die Busse sollen eigentlich soviel in Bewegung sein wie möglich, weil das Geld spart. Deswegen übergibt man den Bus in der Regel an einen Kollegen. Nach der Pause löst man selbst wiederum einen anderen Kollegen ab. An Wochenendschichten, wie ich sie in der Regel habe, kommt es aber schonmal vor, dass man den Bus einfach abstellen kann – schlicht und ergreifend weil man z.B. an einem Sonntagabend wenig anderes mit dem Gefährt anstellen könnte, denn das Angebot im Nahverkehr ist natürlich stark reduziert um diese Zeit.
Obige Karte zeigt einen Arbeitstag von der ersten Übernahme bis zum Abstellen des letzten Busses in der Garage. Darin enthalten sind:
Die Linie 40 – der ganze nördliche Ableger der Route stammt von ihr
Eine U-Bahnfahrt zum Odenplan, um dort den nächsten Bus zu übernehmen. Die Strecke ist zu erkennen an dem kerzengeraden Strich in der Mitte, wo keine Straße entlanggeht.
Die Linie 4 – fast der ganze südliche Ablege gehört zu ihr
Die Linie 62 – am ehesten zu erkennen, weil sie am Schloss entlanggeht. Auch eine Pause mit Abstellen des Busses ist drin, aber kaum zu erkennen.
Die Linie 1 – diese geht rechts oben zum Hafen und endet links auf Stora Essinge. Danach geht es zurück zur Garage, wie man auch ganz gut erkennen kann. Die Garage liegt nämlich direkt unter der Autobahn.
Das Programm hat für das alles eine Strecke von 133 km errechnet, wobei die U-Bahn und wilde Sprünge während der Pausen wegen schlechten Empfangs abgezogen werden müssten. Es dürften also gut 120 km gewesen sein. Mehr als ich dachte, um ehrlich zu sein.
Lange hat man gesucht, von Feuerland bis nach Spitzbergen, aber nun ist es endlich passiert: Michael Reufsteck hat einen Sinn in der Inga-Lindström-Filmreihe entdeckt. Eine respektable Leistung – mir war das auch nach dem Betrachten mehrerer Folgen jedenfalls nicht gelungen.
Die folgenden zwei Videos sind ein alter Hut, so dass ich sie nur der Vollständigkeit halber hier präsentiere (und allen, die sie noch nicht gesehen haben, das Anschauen wärmstens ans Herz lege):
Damit wissen wir schon nach rund der Hälfte: die Schweden (und ich) leben in einem sozialistischen Alptraum.
Und Sozialismus ist etwas, das die Amerikaner gar nicht mögen, selbst wenn sie keine Ahnung haben, was das eigentlich ist.
Was passiert, wenn man zu Dingen, von denen man keine Ahnung, aber zu denen man selbstverständlich eine Meinung hat, haben wir vorgestern bei den Midterms vortrefflich gesehen.
Daher ist es auch nicht so wirklich überraschend, dass wenn man einmal nicht nur fragt, welchen Marktschreier man denn hinterher läuft, sondern wirklich mal eine sachliche Frage untersucht, ganz andere Ergebnisse herauskommen.
Genau dies hat die Harvard Business School getan. Sie hat Amerikaner in einer Studie gefragt, welche Wohlstandsverteilung in den USA ihrer Ansicht nach herrscht und welche Verteilung ihrer Meinung nach herrschen sollte. Um das zu sortieren, haben sie die Gesamtbevölkerung in 5 Teile (á 20% logischerweise) aufgeteilt. Es ging also darum, zu bestimmen, wieviel die oberen 20%, die untersten 20% und die drei Gruppen dazwischen besitzen sollten. Die Ergebnisse sind hochinteressant.
Eine Aufgabe war nämlich, dass die Teilnehmer zwischen drei möglichen Verteilungen die ihrer Ansicht nach beste wählen sollten. Zur Wahl standen:
Die reale Verteilung des Besitzes in Schweden
Eine gleichmäßige Verteilung, d.h. jede der 5 Gruppen besitzt genau 20%
Die reale Verteilung des Besitzes in den USA
Das Ergebnis: im direkten Vergleich hätten 92% gerne eine Verteilung wie in Schweden. Das überrascht mich nicht wirklich, denn die Verteilung in den USA ist sehr ungleich: die oberen 20% besitzen über 80% des Wohlstandes. Das werden wohl auch die herzlosesten Turbokapitalisten nur mit Einschränkungen unterstützen. Interessanterweise würden aber auch 77% die vollkommen gleiche Verteilung gegenüber der realen Verteilung in den USA vorziehen. Das ist deswegen etwas überraschend, denn mit etwas Hirnschmalz kann man sich schnell ausrechnen, dass das bedeutet, drei Viertel der Befragten hätten gerne eine Gesellschaft, in der jeder praktisch gleich viel besitzt und damit, wenn man das noch weiter spinnt, auch gleich viel Einkommen hat.
Mit anderen Worten: Sozialismus!
Ein bisschen beliebter als der Sozialismus ist aber: Schweden. Die Amerikaner wollen also im Grunde eigentlich gar nicht dort, sondern hier leben. Wer hätte das gedacht?
Ich sage Euch, liebe Leser: Woodstock war langweilig im Vergleich zu meinem Leben.
Gestern beispielsweise habe ich zwei Wagenheber gekauft. Ja: zwei. Das Wetter ist schon winterlich, und da wollte ich nicht mehr mit Sommerreifen herumfahren, auch wenn ich nächste Woche schon einen Termin zum Reifenwechseln ausgemacht hatte. Mit meinem familiären Hintergrund ist das eigentlich schon eine Frage des Stolzes. Daher traf es sich ganz gut, dass die Tankstelle einen Wagenheber (bis 3 Tonnen!) im Angebot für 30 € hatte. Da griff ich zu und fing an. Problem: das Gerät ist zu hoch. Kaum zu glauben, dass allen Ernstes ein Wagenheber verkauft wird, der nicht unter einen stinknormalen Golf passen will. Der Wagen stand etwas schräg – hinten ging es scheinbar besser, und so versuche ich es. Ergebnis: ein gewechseltes Rad, eine große Delle. Peinlich, und ein weiteres Problem: so konnte ich jetzt natürlich schlecht fahren. Also habe ich bei Biltema einen weiteren Wagenheber besorgt, Kostenpunkt 18 €. Der war zwar wiederum fast zu klein, aber es ging. Nun muss ich nur noch die Delle versorgen, was aber heute durch permanenten Regen vereitelt wird.
Dieser wiederum sorgt dafür, dass der Schnee wegschmilzt. Was die ganze Aktion ins Absurde führt.
Als wäre das noch nicht Aufregung genug, durfte ich gestern abend zum ersten Mal seit langem eine neue Linie fahren: die 53 mit prächtiger Aussicht zwischendrin. Wicked.
Und jetzt dieser verregnete Sonntag. Braucht jemand noch einen ziemlich hohen Wagenheber?