Februar-Schneechaos

Da sinkt man tief: Schnee von nur einer Nacht

Der Monat Februar gehört nach meiner bisherigen Erfahrungen nicht zu den akut schneechaosverdächtigen, aber man wird immer mal wieder überrascht. Da kam seit gestern abend so viel runter, dass heute morgen um 6:30 Uhr sämtlicher Busverkehr in der Provinz Stockholm eingestellt wurde. Nahverkehrsbahnen waren auch teilweise betroffen. Das habe ich so eigentlich noch gar nicht erlebt, aber ist wohl eine Reaktion auf das Chaos des letzten Winters: lieber die Busse reinholen als dass sie irgendwo festhängen.

Erst gegen die Mittagszeit wurde in unserer Richtung der Verkehr langsam wieder aufgenommen. Daher bin ich auch erst nachmittags los und kam mir vor der Haustür vor wie im Hochgebirge. Mittlerweile normalisiert sich die Situation wieder.

Der Trabi-Effekt – 70% in der Wohnungswarteschlange haben keinen Bedarf

Es ist lustig, zu erleben, dass man mit dem, was man sich durch einfache Logik erschlossen hat, richtig liegt. Heute morgen hieß es in Dagens Nyheter: nach einer Umfrage haben 72% der Leute, die in der Warteliste für Mietwohnungen stehen, gar keinen Bedarf an einer Mietwohnung.

Zur Erinnerung:

  • Mieten sind in Schweden mit „Gebrauchswert“ fixiert, d.h. nicht die Lage in einer guten oder schlechten Gegend bestimmt den Preis, sondern der rein praktische Nutzwert (Fläche, Ausstattung, Nähe zu Supermarkt etc.).
  • Mieter sind fast unkündbar – wer seinen Mietvertrag nicht verletzt, kann wohnen bleiben.
  • Damit ist es wenig profitabel und interessant, zu vermieten – besonders in attraktiven Gegenden, wo Grundstückspreise und Baukosten hoch sind. Dort lohnt es sich weit mehr, Eigentumswohnungen zu errichten.
  • Eigentumswohnungen dürfen in aller Regel nicht untervermietet werden, was das Angebot an legal zu mietenden Wohnstätten massiv begrenzt.
  • Wohnungen werden in Stockholm per Warteschlange vergeben – wer am längsten drin steht, kriegt die Wohnung am leichtesten.
  • Kredite für Häuser und Wohnungen werden zu äußerst günstigen Konditionen vergeben. Bis vor einiger Zeit war es möglich, fast die ganze Kaufsumme auf Kredit zu finanzieren. Zudem verlangen viele Banken nur, dass die Zinsen bedient werden. Eine Rückzahlung wird ins Unendliche hinausgeschoben, weil mit einer Wertsteigerung gerechnet wird.

Und nun die logischen Schlussfolgerungen:

  • Wer eine Wohnung hat, vermietet sie schwarz unter – das ist risikolos, denn aus einer Mietwohnung, die man nicht braucht, kann man so viel Kapital schlagen, und wenn das auffliegt, ist der rechtlose Untermieter der Leidtragende, nicht man selbst. Diese Schlussfolgerung wurde mir schon vor einem Jahr bestätigt, als bei einer Untersuchung großer Wohnungsgesellschaften herauskam, dass 40% der Wohnungen regelwidrig vermietet waren.
  • Das verknappte Mietwohnungsangebot sorgt für enorme Wartezeiten. Derzeit warten die meisten 4 bis 6 Jahre auf eine Wohnung.
  • Wer eventuell irgendwann mal eine Wohnung braucht, stellt sich in die Warteschlange für Wohnungen. Egal, ob aktuell Bedarf besteht oder nicht, denn in der Schlange zu stehen kostet wenig. Ich nenne das gerne den Trabi-Effekt, weil man in der DDR wohl auch kaum erst einen Trabi bestellte, wenn man einen brauchte, sondern am besten immer eine Bestellung laufen hatte, damit man im Falle eines Falles nicht mehr so lange warten musste. Dies ist durch den heutigen Artikel voll bestätigt: die meisten der Leute in der Warteschlange stehen dort nur sicherheitshalber. Und, ich bin da ganz offen: ich gehöre auch dazu, denn wenn ich mich erst dann in die Schlange stelle, wenn Bedarf abzusehen ist, dann kriege ich nie rechtzeitig eine brauchbare Wohnung.
  • Die Leute fliehen zum Eigentumswohnungsmarkt – denn dort regelt der Preis, wie man wohnt, nicht eine absurde Wartezeit.
  • Irgendwann wird der Eigentumswohnungsmarkt kollabieren – die Preise steigen seit langer Zeit schneller als die Löhne. Irgendwann werden die Kredite für normale Menschen untragbar werden. Dann bleibt nur der Zwangsverkauf. Die Wohnungspreise werden fallen, was Schuldenberge allerorten zurücklassen wird. In letzter Zeit ist immer wieder von einer „Bostadsbubbla“ („Wohnungsblase“) die Rede. Die Experten sind sich nicht sicher, ob sie kommen wird. Mir ist schleierhaft, wie sie nicht kommen kann bei diesen Verhältnissen.
  • Segregation wird zementiert: wer es sich leisten kann, wohnt innenstadtnah. Wer nicht, wohnt woanders. Passend dazu wurde kürzlich eindrücklich illustriert, dass die Einkommensunterschiede steigen und die Anzahl der Mietwohnungen sinkt.

Damit ist für mich klar: die Regulierung des schwedischen Wohnungsmarkts ist auf ganzer Linie gescheitert. Dieses System soll allen unabhängig von Einkommen und sozialer Herkunft Wohnungen bieten, die bezahlbar sind und gut liegen. Das genaue Gegenteil ist das Resultat: eine Segregation in arme und reiche Viertel, ein blühender Wohnungsschwarzmarkt, und eine Warteschlange, bei der die Wartezeit ein willkürliches Auswahlkriterium ohne Bezug zum realen Bedarf ist.

Es gibt aus meiner Sicht nur einen Weg: Abschaffung der festgesetzten Mietpreise und Lockerung der Mietregelungen, um dem Schwarzmarkt das Wasser abzugraben und den Bau von Mietwohnungen wirtschaftlich interessant zu machen.

Hier zeigt die schwedische Politik eine Angst vor unpopulären Entscheidungen, denn ich sehe niemanden, der so einen Weg gehen will oder einen anderen vorschlägt.

Nachtrag: Fehmarn 21

Passend zum letzten Thema habe ich gestern dieses Feature des NDR entdeckt: als PDF und MP3.

Leider verliert sich das Feature weitgehend darin, wer dafür ist und wer dagegen. Oder vielmehr: wie vorsichtig die Politik geworden ist nach Stuttgart 21. Dadurch erfährt man relativ wenig über den Tunnel selbst.

Den Zusammenhang mit Stuttgart 21 sehe ich nur mittelbar. Beiden Projekten ist gemein, dass hier zumindest scheinbar eine massive Summe Geld gezahlt wird und nicht vollkommen abzusehen ist, wie groß der Nutzen denn nun endgültig sein wird.

Die Unterschiede sind aber ebenso erheblich. Bei Stuttgart 21 wurde von Gegnern in Zweifel gezogen, dass der ganze Aufwand überhaupt einen erheblichen Nutzen bei den Betroffenen bringen würde. Diese Zweifel wurden durch den Schlichterspruch auch in Teilen bestätigt. Bei der Fehmarnbeltquerung steht hingegen der Nutzen außer Zweifel. Nicht einmal, dass die Fähre oder 160 km eine erhebliche Einschränkung sind, wird von den Gegnern ganz von der Hand zu weisen sein.

Es bleibt einzig und allein das Argument, dass das zuviel kostet für das, was es bringt, denn die Umweltschutzargumente sind mit der Entscheidung für den Tunnel größtenteils obsolet, wie man sogar an den Ausführungen der Gegner sehen kann.

Ein weiterer substanzieller Unterschied ist, dass das ein Bauwerk zwischen zwei Ländern ist, aber der Eindruck entsteht, es ginge eigentlich nur um die Deutschen. Die Dänen wollen die Querung nämlich eindeutig. Im Völkerrecht gilt „pacta servanda sunt“ – Verträge sind einzuhalten, und einen solchen haben die Länder geschlossen. Ein Ausstieg aus der Fehmarnbeltquerung ist daher mindestens genauso unrealistisch wie bei Stuttgart 21.

Zumal es einigermaßen grotesk ist, dass man sich über 1,5 Milliarden Neuinvestitionen beschwert, obwohl die Dänen ja schon den Löwenanteil der Kosten übernommen haben und eine bessere Verkehrsanbindung von Fehmarn auch ohnedies keine schlechte Idee wäre.

Insofern hat das Radiofeature zumindest bei mir nicht zu mehr Verständnis für die Gegner beigetragen.

Ein Tunnel unter dem Belt

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, aber in dem Fall pfeife ich gerne mit: das dänische Parlament hat sich zum Bau der festen Querung des Fehmarnbelts entschlossen. Als letzte Hürde steht dem nur noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung entgegen, an der das Ganze aber wohl kaum noch scheitern wird.

Das heißt de facto, dass man ca. ab 2020 auf direktem Wege und ohne Fähre von Schweden nach Deutschland (und natürlich auch umgekehrt) durchfahren kann, ohne die 160 km Umweg über Flensburg nehmen zu müssen. Ich finde das gut, auch wenn natürlich in den Sternen steht, wo ich in 10 Jahren sein werde und ob ich dann noch etwas davon habe.

Ich sehe ehrlich gesagt auch nicht ganz,was gegen die Querung spricht. Die potenziellen Umweltprobleme, die bei einer Brücke befürchtet werden, sind mit einem Tunnel praktisch alle vom Tisch. Die Argumentation in der Richtung, dass so etwas gar nicht gebraucht würde, halte ich für wenig stichhaltig. Zwar werden hierdurch keine zwei Großräume verbunden, wie das bei der Öresundbrücke der Fall ist, aber es stellt eine signifikante Verbesserung der Verkehrsanbindung ganz Skandinaviens dar – der Einzugsbereich umfasst gut 15 Mio. Menschen, und es erscheint mir kaum denkbar, dass dies keinen Effekt haben würde.

Die meisten Gegner scheinen auf Fehmarn zu leben und fürchten um das Wohlergehen der Insel. Man kann es irgendwo verstehen, denn die bestehende Fährverbindung ist von großer Bedeutung für die dortige Wirtschaft. Die meisten Argumente verfangen bei mir aber kaum.

Bislang verläuft eine sicherlich auch nicht wenig befahrene Bundesstraße über die Insel. Im Sommer stauen sich die Autos über lange Strecken vor der Fähre. Inwiefern hier eine vierspurige Autobahn viel schlechter sein soll, sehe ich nicht so ganz. Die Autos sind in 10 Minuten über die Insel und wieder weg. Wenn das Verkehrsaufkommen gleich bleibt, ist das dann etwa schlimmer als endlose Schlangen?

Handfester ist da schon das Argument, dass Arbeitsplätze verlorengehen könnten. Das ist nicht von der Hand zu weisen, denn auf der Fähre arbeiten eine Menge Menschen. Allerdings hätte man die Einführung von Autos auch mit dem Argument untergraben können, dass die Kutscher hierdurch arbeitslos werden. Man muss den Nutzen schon abwägen. Angesichts der Tatsache, dass die Zurücklegung einer Strecke von 18 Kilometern derzeit über 40 Minuten dauert, sehe ich durchaus einen erheblichen Nutzen.

Ein klassisches Argument in der Sache ist, dass die Fähre die perfekte Gelegenheit zur Pause ist. Das ist sicherlich richtig. Ich will niemandem zu nahe treten, aber Urlauber sind bei der ganzen Sache nicht vorrangig. Bei der Broschüre zur Öresundbrücke widmet man dem Tourismus nur zwei Seiten, und da geht es vorwiegend um regionalen Tourismus zwischen Schweden und Dänemark. Bei der Fehmarnbeltquerung geht es in erster Linie um den Frachtverkehr, denn mit übermäßigem Pendleraufkommen ist nicht zu rechnen. Ich bezweifle etwas, dass die Lkw-Fahrer sonderlich viel von der Pause an Bord haben. Die Pause ist kurz, und es ist keineswegs garantiert, dass sie zu einem günstigen Zeitpunkt kommt. Eine Raststätte ist weitaus flexibler, und die 20 km Streckenersparnis fallen nun wirklich nicht sonderlich ins Gewicht. Zudem existiert auch nach über zehn Jahren Öresundbrücke immer noch die Fährenverbindung Helsingör-Helsingborg. Beide werden mit Erfolg betrieben, und etwas Konkurrenz im Fehmarnbelt kann wirklich nicht schaden. Die Preis beträgt mittlerweile 60 € für eine Strecke. Auf dem Öresund zahlt man für dieselbe Strecke 40 €. Die Fähre kann als Konkurrenz ja bestehen bleiben, und der Rest fügt sich.

Daher sehe ich mit freudiger Erwartung dem Bau entgegen – und nach dessem Abschluss auf „nur“ noch 16,5 Stunden Autofahrt in die alte Heimat.

Eine interessante Beobachtung zu der Sache ist übrigens, dass die Meldung in den schwedischen Nachrichten kaum vorkommt. Nur lokale Nachrichten in Südschweden haben vorab etwas berichtet. Ein schwedischsprachiger Artikel über das Ergebnis ist mir bislang noch nicht untergekommen.

Amy Diamond – Shooting Star

Als ich über dieses Video stolperte, fühlte ich mich ins Jahr 2005 zurückversetzt. Damals war ich gerade nach Schweden gekommen, und die ursprüngliche Version dieses Lieds war in den Charts.

Fünfeinhalb Jahre und zwei erfolglose Melodifestivalen-Bewerbungen später hat Amy Diamond immer noch eine prima Stimme, und auch das Lied ist immer noch nett.

Apropos Melodifestivalen: wie mir gestern eine Werbeanzeige verriet, geht es in zwei Wochen wieder los. Vielleicht ist man dieses Jahr etwas erfolgreicher.

Hölle, Hölle, Hölle

Schon gehört? Turku ist Kulturhauptstadt Europas 2011, zusammen mit Tallinn, und damit Nachfolger von Essen und dem Ruhrgebiet.

Ich hätte es auch nicht gehört, wenn ich gestern nicht zufällig dort gewesen wäre. Es ist nicht mein erster Besuch der Stadt. 2001 unternahm ich meine erste Reise durch Skandinavien, und die zweite Station war die ehemalige Hauptstadt Finnlands, Turku. Viel ist nicht von dem Besuch hängengeblieben, außer dass ich meinen Begriff von einer Jugendherberge erheblich erweitern musste: meine Zimmergenossen waren im Rentenalter. Und dass ich Shrek sehen wollte, aber beim Anblick des demographischen Profils der Warteschlange (alles Kinder) messerscharf schloss, dass der Film wohl synchronisiert war und sich ein Besuch für mich daher nicht lohnte.

Die Tatsache, dass Turku den Titel Kulturhauptstadt 2011 einheimsen konnte, lässt mich an die gescheiterte Bewerbung Karlsruhes denken. Eine Parallelen findet sich. Wie Karlsruhe auch war Turku früher einmal eine Landeshauptstadt, was in beiden Städten bis heute eine feurige Angelegenheit ist. In Turku blickt man eifersüchtig auf den Emporkömmling Helsinki, in Karlsruhe fühlt man sich durch Stuttgart übervorteilt. In Karlsruhe wurde daher der Slogan „Karlsruhe muss Hauptstadt werden“ sehr positiv aufgenommen. Genützt hat es nichts. Essen wurde Kulturhauptstadt 2010, und Turku ist es nun dieses Jahr.

Jetzt also der zweite Besuch dort. Die eigentlichen Gründe haben aber mit der Kulturhauptstadt wenig zu tun, sondern ganz profan mit einer Einladung, auf einem Freiticket mitzureisen. Da sage ich nicht natürlich nicht nein.

Die Fahrt hin war bemerkenswert unspektakulär. Das Schiff war regelrecht ausgestorben, und das Unterhaltungsprogramm bot nicht einmal die übliche Alibi-Tanzshow, die dann gemacht wird, wenn sonst nichts anliegt. Auf der anderen Seite auch natürlich sehr angenehm, wenn die Zahl der Betrunkenen sich in Grenzen hält.

Auch beim zweiten Blick ist Turku ein hübsches Städtchen, v.a. um den Fluss Aura herum. Kulturell beschränkten wir uns aber im Wesentlichen auf einen Besuch in der Kathedrale und die Eröffnungsshow für die Kulturhauptstadt. Der Grund ist ganz simpel: es war elendig kalt in Turku. Tagsüber hatte es -14°C, und am Abend fiel die Temperatur laut Google auf -22 °C. Das ist genau die bislang kälteste Temperatur, die ich hier in Stockholm erlebt habe. Mit dem Unterschied, dass ich mich an jenem Tag kaum draußen aufhielt. Und lange Unterhosen zur Verfügung hatte.

So froren wir uns tapfer durch den Tag und wärmten uns zwischendrin auf: in der gut geheizten Kathedrale, der Touristeninformation, bei einem tollen Buffet im Schiff Svarte Rudolf und in der Turkuer Burg.

Die Eröffnungsveranstaltung der Kulturhauptstadt war praktischerweise in der Nähe des Hafens und kostenlos. Der Haken: sie fand im Freien statt. Auch die Finnen froren kräftig.

Die Show, die von der britischen Gruppe „Walk the Plank“ kreiert wurde, enthielt anscheinend eine Liebesgeschichte und nahm auf einen der zahlreichen Brände bezug, die Turku im Laufe seiner Geschichte verwüstet haben. Für mehr taugte unser Finnisch leider nicht. Da hatte ich mir offen gestanden etwas mehr erhofft, denn Turku ist ursprünglich ein Zentrum schwedischsprachiger Kultur in Finnland, und da es sich ja um eine europäische Veranstaltung handelt, wären umfangreichere mehrsprachige Elemente nicht von Schaden gewesen.

Das Event wurde in unserer Broschüre etwas großspurig als größte Vorstellung, die jemals in Finnland gezeigt wurde, angekündigt. 20.000 Menschen wurden erwartet. Ganz so viele waren wohl der Temperaturen wegen nicht da – vermutlich lief das alles auch im Fernsehen, und vor dem Gerät war es sicher wärmer. Spektakulär war diese Sache aber trotzdem, denn an Pyrotechnik auf beiden Seiten des Flusses wurde nicht gespart.

Ein schöner Abschluss, auch wenn wir danach fast zu Eisblöcken erstarrt waren und dankbar das warme Fährenterminal aufsuchten. Dort wurde es bald recht voll. So erklärte sich auch langsam, wieso auf dem Hinweg so wenig los gewesen war. Die Route Stockholm-Turku unterscheidet sich erheblich von z.B. der Route Stockholm-Helsinki. Nach Turku fahren zwei Schiffe: eines (bei uns die Amorella) fährt über Nacht Richtung Finnland und tagsüber zurück. Das andere (die Isabella) macht es genau umgekehrt. Die Schiffe liegen jeweils nur kurz im Hafen und fahren dann gleich wieder los. So sind die Schiffe fast ständig auf See. Für eine Übernachtungskreuzfahrt von Stockholm aus, wie wir es gemacht haben, heißt das: spät abends losfahren, sehr früh morgens ankommen, runter vom Schiff, abends wieder auf das andere Schiff und nach einer kurzen Nacht ist man in Stockholm. Man hat also zwei sehr kurze Nächte an Bord und einen sehr langen Tag (7:30 Uhr bis 20:30 Uhr) in Turku. Das ist natürlich weit weniger entspannt als eine Fahrt mit der Cinderella nach Mariehamn, wo man gar nicht erst von Bord geht, oder eine Fahrt nach Helsinki, wo man lange ausschlafen kann, das Gepäck in der Kabine lässt und trotzdem in Ruhe die Stadt erkunden kann. Kein Wunder also, dass das schwedische partyinteressierte Klientel die Turku-Route ignoriert und die Amorella relativ schwach frequentiert ist. Ganz anders von finnischer Seite: da fährt man abends los, feiert die ganze Nacht, und wenn man aufwacht, ist man schon wieder auf dem Heimweg.

Dementsprechend begegneten wir auch den Partygängern vom Abend, als wir morgens um 6:30 Uhr in Stockholm ausstiegen. Das ist auch ein bisschen der Wermutstropfen bei so einer Fahrt: Viking Line fängt mit der Kabinenreinigung schon vor Ankunft an, weswegen schon um 5:15 Uhr das erste Personal die Tür öffnete und uns einen guten Morgen wünschte. Wir blieben trotzdem liegen, bis Svens Handy uns mit dem wunderschönen Lied „Wahnsinn“ von Wolfgang Petry weckte. Er hatte nämlich Petrys gesammelte Werke auf dem Handy, was man im Allgemeinen eher peinlich finden könnte, aber in dem Kontext recht spaßig war. Das weckte Erinnerungen an Teenagerzeiten – Hölle, Hölle, Hölle.

Wer mit solchen unchristlichen Zeiten leben kann, dem sei ein Besuch in Turku aber durchaus angeraten. Die Fahrt ist nicht teuer, und das Kulturhauptstadtjahr bringt sicher noch weitere interessante Veranstaltungen.

Stockholm im Panorama

Ich versuche mich auch immer mal wieder an Panoramen – mal mehr, mal weniger erfolgreich.

So etwas wie das hier würde ich aber keinesfalls hinbekommen: ein 360-Grad-Panorama Stockholms vom Turm des Stadshuset herunter. Das schon einmal deswegen, weil diese Bilder mit einer Sondergenehmigung aufgenommen wurden.

Noch imponierender ist dieses 80 Gigapixel (!) große Panorama von London.

Ein Blick lohnt sich jedenfalls – auch auf viele andere Panoramen auf 360cities.net.

[via DN und PetaPixel]

Börks

Ich schaue mir gerade heldenmutig den am 5. Dezember im ZDF gelaufenen Film „Inga Lindström – Millionäre küsst man nicht“

Die ersten 10 Minuten enthielten: ein schnöseliger Millionär mit einem gescheiterten Unternehmer als Butler wird heute heiraten. Währenddessen hat die zukünftige Braut einen Streit mit ihrer Mutter, die eine alternativ angehauchte Malerin (mit schickem Häuschen, versteht sich) ist und den turbokapitalistischen Bald-Schwiegersohn noch gar nicht kennt, aber wenig von ihm hält. Die Braut ist auf dem Weg ins Brautmodengeschäft, als sie einen Mann mit Karohemd anfährt, der glücklicherweise unverletzt bleibt. Sie kennt ihn offenbar.

Den Rest der Geschichte (frei von der Leber weg geraten): sie verknallt sich in den Karomann, zweifelt an ihrem Neuehemann, und am Ende schnappt sich die beste Freundin der Braut, die gerade vorkam, den schicken Millionär. Ende.

Ich werde mal austesten, ob ich recht habe. Börks ist übrigens kein schwedisches Wort, könnte aber eines bei Inga Lindström und beschreibt den Laut, den ich machen möchte, wenn ich an das intellektuelle Niveau dieses Schunds denke.

Bester Satz:
1. „Tut mir leid, dass ich dich überfahren hab.“
2. „Was fällt ihnen ein, in meine Beziehung hereinzuplatzen?“

Unglaubwürdigste Szene: der ganze Film, aber v.a.:
1. Die Szene, als die Mutter der Braut den Bräutigam bei einem Geschäftstermin kennenlernt. Anscheinend weiß sie zwar, dass ihr Schwiegersohn in spe Tubrokapitalist ist, aber seinen Namen scheint sie nicht zu kennen.
2. Als die Braut zu ihrem Ex aufs Boot kommt und er ganz begeistert ist, nachdem er ihr kurz vorher gesagt hat, sie solle ihn in Ruhe lassen.

Unglaubwürdigster Charakter: Carin C. Tietze als die Mutter der Braut, der man beim besten Willen nicht abkaufen kann, dass sie eine linksalternative Künstlerin sein soll. Dazu sind aber auch ihre Dialoge zu platt.

Unwahrscheinlichste Szene: der Bräutigam trifft die Schwiegermutter zunächst, als er den vergessenen Brautstrauß abholen will, und dann wieder, als er nackt an einem verlassenen Strand schwimmen geht. Und später nochmal bei einem Geschäftstermin.

Bemerkenswerter Dialog:
Frau: „Sind sie…..“ (stockt)
Mann: „Ihrer Frage fehlt noch ein Adjektiv.“
Frau: „… verletzt.“
Gute Nacht Grammatik. Ich kaufe ein ä und will lösen: Prädikat wäre der richtige Begriff gewesen, von mir aus auch Verb.

Fazit: Anscheinend ist Frau Sadlo gerade auf dem Ende ihres Hochzeits-Trips und hat irgendwo was über Kunstgeschichte und die Ungerechtigkeit in der Welt gelesen. Die Geschichte ist natürlich (wie immer) vollkommen hanebüchen. Ich hatte teilweise recht, denn die Braut (Lina) kriegt natürlich den Karomann (Max), der dafür aber seine Verlobte in den Wind schießt. Die ist damit aber in dem Fall die einzige Unglückliche, denn die Mutter der Braut kommt mit dem Ex-Bräutigams-Millionär zusammen. Und die beste Freundin der Protagonistin ist nun doch mit einem anderen liiert. Das Ganze ist immerhin erträglicher als das letzte Mal, zumal die Geschichte soweit von Schweden losgelöst ist, was das Land zwar wieder mal zu einer Naturkulisse erniedrigt, aber immerhin die Zuschauer nicht permanent für blöd verkauft.