Strike reloaded (Busfahrerstreik Tag 11)

Auf dem Weg zum Gewerkschaftstreffen: Die Brücke zwischen Liljeholmen und Hornstull geht hoch, um einem Segelboot Platz zu machen.

Der zweite Streik ist freilich bei weitem nicht mehr so spannend wie der erste. Im Gegenteil – man merkt, dass die Stimmung zu kippen droht. In den Zeitungen liest man nur noch negatives, und selbst die Gewerkschaft hat gemerkt, dass man einen weiteren vollständigen Streik in Stockholm nicht riskieren kann. So werden dieses Mal nur die Innenstadtbusse bestreikt, während die äußeren, zu großen Teilen nicht durch Schienenverkehr angebundenen Orte verschont bleiben.

Beim gestrigen Informationstreffen teilte man uns zwar mit, dass man die Maßnahmen unternehme, um die Arbeitgeber finanziell am meisten zu schädigen, aber auch, um die Allgemeinheit für sich zu haben – letzteres dürfte dabei den Ausschlag geben. Man hat stattdessen den Streik auf andere Landesteile ausgeweitet. Nun wird auch Västerbotten bestreikt, und ab Dienstag wird Skåne folgen. Ab nächste Woche Freitag werden dann die Flygbussarna bestreikt, also die Busse zu den schwedischen Flughäfen, wobei aber gecharterte Busse und die Busse nach Skavsta ausgenommen sind.

In der Versammlung kam auch das schöne Argument auf, die Arbeitgeber würden nur Theater machen wegen der 13 Stunden Rahmenzeit. In Hornsberg, wo ich arbeite, gäbe es ohnehin kaum Dienste, die in die Nähe dieses Limits kommen. Das ist natürlich schon sehr hanebüchen, denn wir sind ja nicht die einzige Busgarage im Land, und gerade im ländlichen Raum, wo die Busse dünner gesät sind und man nicht so flexibel ist wie in der Innenstadt, spielen diese 13 Stunden sehr wohl eine Rolle. Recht haben sie meiner Ansicht aber damit, dass das Angebot der Arbeitgeber, die 13 Stunden Rahmenzeit „im reinen Stadtverkehr“ zu gewähren, nicht wirklich etwas taugt, weil man dann erst einmal feststellen muss, was denn überhaupt „reiner Stadtverkehr“ sein soll.

Ich glaube mittlerweile, dass ich diesen Monatslohn vorerst abschreiben kann, denn bis ich das Streikgeld von der Gewerkschaft erhalte, wird noch einige Zeit vergehen. Zwar bin ich gerne solidarisch, aber ich werde auch nicht mehr jeden Tag Streikwache machen, denn ich habe festgestellt, dass die wenigsten Teilzeitbusfahrer überhaupt in diesem Bereich aktiv sind. Wegen meiner oben beschriebenen kritischen Haltung der ganzen Veranstaltung gegenüber und angesichts dessen, dass ich den Job ohnehin nur als Nebenjob mache, muss ich bestimmt nicht derjenige sein, der als erster mit der roten Fahne voranmarschiert.

Eine Sache noch zum Schluss: die folgende Plakatwerbung erinnerte mich sehr stark an eine Geschichte, die 9Live in letzter Zeit schon mehrfach gebracht hat.

Das für seine ungeheure Seriösität bekannte Fernsehprogramm versprach Zuschauern nämlich wiederholt, dass sie einen Extrapreis erhielten, wenn sie denn an einem bestimmten Tag Geburtstag haben.
Dieser Tag wiederum war der 31. Juni – ein Tag, den man im seit 1582 gültigen gregorianischen Kalender sowie auch in seinem zuvor schon gut 1600 Jahre lang gültigen julianischen Vorgänger vergeblich sucht.
Bei 9Live versprach man Besserung. Der 31. Juni wird nun in Rente geschickt. Vielleicht kommt ja ab sofort der 30. Februar, der 31. April, der 31. September oder der 31. November zum Einsatz. Vielleicht aber auch der 32. Juli, wie oben zu sehen.

Im obigen Plakat geht es aber um etwas seriöseres: Spenden für eine Krebsstiftung – und ich finde, bei solchen altruistischen Dingen sind sogar nichtexistente Kalendertage zulässig.

Peinlich, Dagens Nyheter

Die Zeitung Dagens Nyheter ist ja eigentlich schon eine Institution, aber heute morgen haben sie einen ordentlichen Bock geschossen. Schon lange vor Redaktionsschluss am gestrigen Abend wurde international bekannt, dass das Foto, welches heute auf Seite 2 der DN erschien, eine Fälschung ist. Bei genauem Hinsehen wäre es sogar aufgefallen.

Unterbrechung wird unterbrochen (Busfahrerstreik Tag 8)

Soeben ging es durch die Medien: die Verhandlungen sind gescheitert, und dieses Mal ist die Kacke wohl richtig am Dampfen. Die Meldungen enthalten zwar noch nicht allzuviele Details, aber es scheint so, dass die Arbeitgeber gehofft hatten, die Gewerkschaft würde von einigen Forderungen abrücken, was die Arbeits- und Ruhezeiten angeht. Da es darum aber im Grunde geht, war es nicht verwunderlich, dass sie da nicht nachgaben. Allerdings werden erst die Hintergrundberichte zeigen, wo die Linien in dem Konflikt nun wirklich verlaufen. Ich fürchte, der Streik wird sich diesmal auch länger ziehen als nur 4 Tage.

Ab Donnerstag 0 Uhr wird jedenfalls wieder gestreikt, und zwar nicht nur in Stockholm, sondern auch in Västerbotten. Morgen habe ich ohnehin frei, und so ist ab Donnerstag wieder Streikwache angesagt.

Welthundeschau im Doppelpack (Busfahrerstreik Tag 6)

Der Streik ist unterbrochen, der Streikposten verschwunden

Mittlerweile rollt der Verkehr in vollen Zügen. Sollte am Montag keine Einigung erzielt werden, würde man aber ab Mittwoch wieder streiken. Dass das passieren wird, halte ich aber für unwahrscheinlich, denn keine der beiden Seiten wird das riskieren wollen.

Streik hin, Streik her – gestern durfte ich ja für die Welthundeschau fahren. Mein Job war dabei die Anbindung eines Hotels und zweier Parkplätze an das Messegelände. Aus mir nicht ganz ersichtlichen Gründen waren aber die Parkplätze wenig gefragt. Ich fuhr einige Male komplett leer, denn zu einem Parkplatz, auf dem niemandem parkt, kann man schlecht jemanden bringen, der dort sein Auto abholen will.

So war der Tag lustig, weil ungewohnt, aber weitgehend ereignislos. Sinnigerweise wurde ich gestern gefragt, ob ich dieselbe Linie heute nochmals fahren möchte. Zwar gab ich damit einen nicht ganz unattraktiven Dienst ab, aber ich willigte ein. So darf ich heute nochmal meine Runden drehen. Irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass heute deutlich mehr los sein wird.

Streik unterbrochen (Busfahrerstreik Tag 4)

So schnell kann es gehen: nach dem Angebot von gestern haben sich die Verhandlungsführer getroffen. Eine Einigung haben sie nicht erzielen können, aber sie waren sich wohl soweit einig, dass der Streik ab heute 15 Uhr ausgesetzt wurde. Es handelt sich aber ausdrücklich um eine Unterbrechung – gesetzt dem Falle, am Montag wird keine Einigung erzielt, kann es kurz danach schon wieder losgehen. Das glaube ich aber ehrlich gesagt nicht, denn das Hochfahren des ganzen Verkehrs wird rund 24 Stunden dauern.

Ich selbst hätte beispielsweise planmäßig bis 16:30 Uhr gearbeitet, aber erst um 17:30 Uhr von der Striekunterbrechung gelesen. Vielen anderen wird es ähnlich gehen, so dass sie ihren heutigen Dienst verspätet oder gar nicht antreten werden.

Da ich morgen ja die Welthundeschau mit meinen Fahrdiensten beglücken darf, geht es für mich ohnehin erst am Sonntag regulär weiter.

Auf den morgigen Dienst wurde ich heute mit einer Kurzausbildung vorbereitet. Ich fahre morgen rund 5 Stunden lang immer wieder die gleiche Runde, damit die Aussteller und Ausstellungsbesucher von den Campingplätzen zur Messe kommen und wieder zurück. Zum Schluss folgt dann eine Fahrt zu einem Hotel, und schon geht es nach Hause bzw. zu einer Geburtstagsfeier von Freunden.

Irgendwie ist damit die ganze Woche komplett aus der Reihe. Montag der Countdown zum Streik, Dienstag und Mittwoch die Streikwache, Donnerstag frei, Freitag die Ausbildung, Samstag Hundeschau und am Sonntag dann den ganzen Tag die Linie 47E nach Skansen und zurück. Normalerweise wäre das eintönig, aber so war es meine ungewöhnlichste Woche als Busfahrer – insofern kann man nicht meckern, sofern ich mein Geld von der Gewerkschaft bald kriege.

Freier Tag (Busfahrerstreik Tag 3)

Streikwache in Hornsberg

Mittlerweile ist der dritte Tag des Streikes vorbei. Gestern (d.h. am Mittwoch, Tag 2 des Streiks) bin ich tatsächlich nicht dazu gekommen, etwas zu schreiben, was aber weniger an den Anstrengungen des Streikes lag. Ich nutze die Zeit einfach anderweitig für Dinge, die andernfalls noch länger liegengeblieben wären.

Streikmäßig ging gestern auch wirklich nicht viel. Die Leute hatten sich auf den Streik eingestellt, und so nahm die Zahl der Autos, Fußgänger und Fahrradfahrer etwas zu. Aber das war es auch schon. In den öffentlichen Diskussionsforen der Zeitungen war das Echo zwar gemischt, aber die meisten regten sich nur darüber auf, dass ausgerechnet sie von dem Streik betroffen waren. Bei aktuelleren Beiträgen findet sich vorwiegend Unterstützung.
Für viel Aufregung sowohl unter den Busfahrern sorgte ein Blogeintrag von Göran Demnert. Dieser ist Chef der kleinen Busfirma Stockholmsbuss AB, die mit ihren sieben Bussen ausschließlich Auftragsfahrten ausführt, und gab darin zum Besten:

Ich habe es schon zuvor gesagt und ich sage es wieder: so wahnsinnig besonders ist es nicht, einen Bus zu fahren. Natürlich muss jemand, der 50 Menschen hinter sich hat, die von A nach B gebracht werden sollen, seinen Mann stehen. Oder seine Frau.

[…] Wenn man sich in einen Nahverkehsbuss in Stockholm setzt, muss man manchmal um sein Leben beten. So schlecht sieht es manchmal an der Busfahrerfront aus.

Nichts kann mich davon überzeugen, dass es besser wäre, dass derselbe Idiot von Fahrer 800 Kronen mehr brutto erhalten sollte.

Natürlich schlug vor allem die Bezeichnung der Fahrer als „Idioten“ Wellen, da er ja selbst Leute dieser Berufsgruppe angestellt hat. Natürlich ist die Argumentation Blödsinn, dass die Busfahrer erst einmal besser arbeiten sollten, bevor sie einen Anspruch auf mehr Lohn hätten. Hier schlägt natürlich der psychologische Effekt zu, dass man immer die negativen Erlebnisse in Erinnerung behält und selten die positiven. Selbstverständlich fühlt sich Demnert missverstanden und führt dazu ein entsprechendes Einzelerlebnis eines anderen Bloggers an. In dessen Blogeintrag geht es um das Problem, dass man an Bord keine Tickets kaufen kann – in so einem Fall darf man den Fahrgast auch nicht mitfahren lassen. Zwar ist der Busfahrer in dem Fall eine Nummer zu unerbittlich, aber die Tendenz, im Zweifelsfall immer alles auf den Busfahrer zu schieben, ist dennoch ungerechtfertigt, denn man kann niemanden dafür verurteilen, dass er sich an seine Vorschriften hält. Demnerts absurde Ansichten macht der Einzelfall jedenfalls nicht vernünftiger.

Nun am dritten Tage des Streiks ist das aber auch schon wieder vergessen. Die täglich zweistündige Anwesenheit bei der Streikwache ist zwar freiwillig, wird aber generell an den Tagen erwartet, an denen man auch gearbeitet hätte. Heute hatte ich aber frei, und so spare ich mir auch die Streikwache.

Västerbron Skyline Stockholm

Die schönen Seiten des Streiks: die Fahrradfahrt an diesem Panorama vorbei.

Offenkundig sind die Arbeitgeber mehr von dem Streik betroffen als erwartet. Die meisten Kollegen rechneten damit, dass vor Montag kein neues Angebot käme. Nun kam aber schon eines am Donnerstag. Dieses enthielt im einzelnen:

  • Eine Lohnerhöhung von 10,4 % in den nächsten drei Jahren. Die Vermittler hatten 10,2 % vorgeschlagen, weil dies auch im allgemeinen Trend liege. Die Gewerkschaft hatte 12,5 % verlangt.
  • Die Rahmenarbeitszeit wird auf 13 Stunden gesenkt, womit man der Forderung der Gewerkschaft folgt. Diese bezeichnet den Abstand zwischen erster und letzter Arbeitsstunde. Bislang sind es 13,5 Stunden – und das ist ein nicht unerhebliches Problem, denn ein solcher Dienst bedeutet, dass man eine achtstündige Arbeitszeit auf diese Spanne verteilt. Die erheblichen Lücken zwischendrin sind oft für die Busfahrer kaum zu etwas Sinnvollem zu gebrauchen.
  • Die wichtigste Forderung blieb aber unerfüllt: bislang ist die Mindestruhezeit auf 9 Stunden festgesetzt. Das heißt im Extremfall, dass man um 22 Uhr Feierabend macht um morgens um 7 Uhr wieder auf Arbeit sein muss. Dass das mit den Pendelzeiten kaum für einen anständigen Schlaf reicht, ist klar. Die Gewerkschaft will diese Spanne daher auf 11 Stunden erhöhen. Die Arbeitgeber wollten hier nicht mitziehen, denn solche Einsatzbeschränkungen sind wohl auch am schwersten zu erfüllen – zumindest nicht ohne den Einsatz von mehr Personal. Vor 9 Jahren wurde aus ähnlichem Grund gestreikt. Damals wollte man erreichen, dass man mindestens alle 2,5 Stunden eine Pinkelpause hatte. Diese 10 Minuten hebelten natürlich alle vorigen Dienstpläne aus.

Wegen des letzten Punktes nehme ich stark an, dass bei dem morgigen Treffen der Verhandlungsführer noch keine Einigung erreicht wird. Man wird sich aber wohl spätestens bis Montag irgendwo in der Mitte treffen.

Heute abend erhielt ich einen Anruf von TX – das steht für Trafikexpeditionen, und die dort beschäftigten Leute kümmern sich unter normalen Umständen darum, dass alle eingeteilten Fahrer einen Bus erhalten und jeder Dienst besetzt ist. Diese Abteilung muss auch während des Streiks besetzt sein, da der Verkehr ja nach Beendigung des Streiks schnell wieder hochgefahren werden soll. Daher dachte ich mir zuerst, der Anruf bedeute, ab morgen gehe es wieder los, auch wenn noch nichts von einer Vertragsunterzeichnung bekannt war.

Dem war aber nicht so. Mir wurde mitgeteilt, dass ich einer der Fahrer bin, die für „Dispens“ eingeteilt wurden. Es handelt sich dabei um bestimmte von der Gewerkschaft genehmigte Dienste, die trotz des Streiks durchgeführt werden sollen. Da ich am Wochenende eigentlich hätte arbeiten müssen, blieb mir nichts anderes übrig, als zu akzeptieren – auch wenn wir für Samstag schon etwas geplant hatten. Stattdessen streiche ich natürlich meine Streikpostenschichten für die nächsten beiden Tage.

Streikposten Fabian

Erst ab Sonntag wieder: Ich als Streikposten mit Schärpe und Gewerkschafterjacke

Konkret handelt es sich um Auftragsfahrten für den Svenska Kennelklubben, dem nationalen Verband der Hundebesitzer. In Stockholm ist nämlich die Welthundeschau mit 12000 Hunden. Ich soll anscheinend die Teilnehmer von einem Hotel zur Messe bringen und zurück. Die Strecke beträgt laut meinen Recherchen sage und schreibe 1,2 km. Wer mich kennt, wird meine Begeisterung nachvollziehen können – ich werde in der Anwesenheit von Hunden schnell nervös, und nun soll ich Massen von Hundebesitzern, die ihre Lieblinge vermutlich dabei haben, den ganzen Tag auf einer Strecke hin- und herfahren, die man durchaus auch hätte laufen können. Ich hoffe, es ist noch etwas mehr Abwechslung dabei. Da wir in der Nähe der Messe wohnen, wäre es aber lustig, dass ich vielleicht sogar Pause zuhause machen kann.

Morgen darf ich jedenfalls zuerst mal die entsprechende Ausbildung machen – und mich schon einmal testweise als vermeintlicher Streikbrecher betätigen.

On Strike (Busfahrerstreik Tag 1)

Selten habe ich auf einen Dienstschluss hingefiebert – letztendlich war es aber doch nicht so spektakulär. Ein Streik hat heutzutage nur noch wenig mit den gewalttätigen Arbeitskämpfen von vor 100 Jahren zu tun.

Das Ganze ist so wohlorganisiert, dass man glauben könnte, Arbeitnehmer und Arbeitgeber hätten es gemeinschaftlich organisiert. So darf man auf Anfrage die Toilette benutzen, und alle Busfahrer werden pauschal als streikend angesehen – man muss anrufen, wenn man doch nicht streiken will.

In Schweden sind Arbeitgeber wie Arbeitnehmer in Branchenverbänden organisiert, die die Konditionen zentral aushandeln. Das entspricht auch irgendwo der schwedischen Mentalität, denn man möchte ja im steten Streben nach allgemeiner Gleichheit keine Ungleichheiten zwischen den Arbeitgebern und Regionen schaffen.

So scheinen weder Busslink noch die lokale Sektion der Gewerkschaft den Konflikt als ihr persönliches Problem zu betrachten. Wenn gestreikt wird, dann ist das eben so. Zwar hing irgendwo eine Stellungnahme der Arbeitgeber aus, aber dabei blieb es eben auch – keine der beiden Seiten ist auf Polemik aus.

So warteten wir ab, ob es nicht doch zu einer Last-Minute-Unterzeichnung kommen würde. Den ganzen gestrigen Abend hieß es zwar immer, der Streik noch nicht sicher, aber da sich am Wochenende nichts getan hatte, war nun am Montag nicht damit zu rechnen. Den Abend über hatte man die Möglichkeiten der modernen Technik benutzt und per Funk an den Buscomputer übermittelt, eine Information zum Streik im Display anzuzeigen – bis dahin wusste ich nicht einmal, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt. Einige Fahrgäste fragten auch wegen des Streiks. Eine Frau, auf die ich extra lange gewartet habe, sagte zu mir „Danke – und ich hoffe, ihr kriegt eure Lohnerhöhung“. Ein junger Mann sagte zu mir „Kämpft nur dafür“. Wirklich negativ eingestellt schien keiner.

Gegen 23 Uhr ging dann die allgemeine Botschaft herum, dass der Streik ab Mitternacht in Kraft tritt.
Das hieß konkret, dass man die letzte Tour, die vor 0 Uhr begann, noch zu Ende fahren und dann ins Depot zurückkehren sollte. In meinem Fall traf sich das ganz gut, denn meine Tour endete um 0:03 Uhr am Radiohuset. So blieb die letzte Fahrt (Abfahrtszeit 0:05 Uhr) nach Gullmarsplan aus. Ich versuchte, das wie vorgesehen der Zentrale zu melden, aber ich erhielt keine Antwort – ich vermute, die litten dort nicht an Unterbeschäftigung.

Auf der Fahrt zum Depot waren wir schon drei Busse, und als ich meinen Bus abstellt, kamen weitere im Minutentakt herein. Mittlerweile war auch ein Wohnwagen für die Streikwache aufgestellt worden. Die Ausfahrt der Garage war durch eine Sitzgruppe blockiert. Hier kommt wohl doch noch etwas die Revolution durch. Zwar sollen Streikbrecher nicht gestört werden, aber diese müssen dann erst einmal an dieser Sitzgruppe vorbei.

Schlecht zu sehen, aber trotzdem da: Wohnwagen der Gewerkschaft.

Ich blieb noch ein bisschen bei den Kollegen stehen. Einer erzählte, der letzte Streik vor 9 Jahren hätte 10 Tage gedauert. Dann beschloss ich, meinen Streik von zuhause aus fortzusetzen.

Die Meldungen heute morgen waren gemischt. Zwar war es in den U-Bahnen wohl deutlich enger als sonst, aber ansonsten blieb es wohl recht ruhig. Die Straßen scheinen auch recht ruhig zu sein.

Alle Räder stehen still… (Busfahrerstreik Tag 0)

…wenn dein starker Arm es will.

Eigentlich hatte ich keinen sonderlichen Wert darauf gelegt und im Kern ist es mir egal, was in den aktuellen Lohnverhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den Busgesellschaften abläuft. Dennoch kann man sich einem Streik wohl kaum entziehen, denn die Logistik basiert darauf, dass ein Fahrer spätestens nach 2,5 Stunden abgelöst werden muss. Steht diese Ablösung nicht bereit, bleibt der Bus bis zur nächsten Ablösung an der Haltestelle. Selbst wenn man umdisponiert, bleibt das Chaos nicht aus. Wenige bis gar keine Busse werden fahren. All diejenigen, die trotz Streiks arbeiten möchten, werden also in einige Probleme kommen.

Die Verhandlungen sind nun gescheitert. Hauptknackpunkt ist neben der üblichen Lohnerhöhung auch eine Angleichung der bei Privatfirmen angestellten Busfahrer mit denen im öffentlichen Dienst. Das klingt alles vernünftig, aber wie vernünftig es nun wirklich ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Trotz sozialdemokratischer Prägung habe ich eine sehr gesunde Skepsis gegenüber Gewerkschaftern – ich bin immer etwas reserviert gegenüber solchen überengagierten Leuten, die häufig selbst noch nie in der Branche gearbeitet haben, die sie vermeintlich so gut vertreten.

Etwas nervig finde ich auch, dass es keine Urabstimmung gab. Mich hat niemand gefragt, ob ich streiken möchte, und nun soll ich es einfach so tun.
So wird ab heute nacht 0 Uhr der Streik beginnen. Ich werde mitstreiken, zum Einen aus Solidarität, zum Anderen, weil ich in der Gewerkschaft bin und somit Entschädigung für Lohnausfälle erhalte. Allerdings werde ich mir das in einigen Tagen nochmal überlegen. Ich hatte nämlich auf das Geld gesetzt, um im August in Urlaub fahren zu können. Sollte die Entschädigung lange auf sich warten lassen, muss ich meine Entscheidung eventuell nochmals überdenken. Auch befürchte ich, dass mir obligatorische Zuschläge für Wochenende und Nachtdienste verloren gehen.
Ehrlich gesagt hoffe ich auch, dass in die Verhandlungen schnellstens Bewegung kommt – ich habe keine Lust, nach dem Streik wochenlang schlecht gelaunte Passagiere zu haben.

Auf der anderen Seite habe ich weniger zu tun, denn ich muss nur zwei Stunden pro Arbeitstag Streikwache machen.

Spannenderweise sollte ich bis heute nacht um 1 Uhr arbeiten. Gemäß der festgelegten Regeln wird die letzte Abfahrt vor 0 Uhr bis zur Endstation gefahren. In meinem Fall heißt das, dass ich um 0:05 Uhr der Zentrale mitteille, dass ich ab sofort streike und dann mit dem Bus ins Depot zurückkehre. Alles weitere dann morgen.

¡Viva España!

Tja, was soll man sagen. Die Spanier waren besser, wir schlechter – so einfach ist das. Es sei den Spaniern herzlich gegönnt, denn sie haben das klar bessere Turnier gespielt.

Wir schauten uns das Spiel im Kungsträdgården an, wo TV4 die große EM-Party veranstaltete. Dieses Video kann nur bedingt zeigen, dass auch wirklich etwas los war. In der Tat konnte man sich zum Schluss hin nur noch schlecht bewegen.

Mit den Schlangen an den Bierständen und Dixi-Klos in Berlin kann das freilich noch lange nicht mithalten, aber das ist mir auch lieber so. Bemerkenswert ist jedenfalls die rege Beteiligung. Ich hatte nicht erwartet, dass es derart viele Spanier in Stockholm gibt, insbesondere weil die Saison für Austauschstudenten schon vorbei ist. Es gab auch allerlei einheimische Unterstützung für beide Teams. So merkte man an den Gesprächen, dass viele Deutschland-Fans hier in Stockholm leben. Neben uns stand eine Gruppe von Schülern, die offenbar auf die deutsche Schule gehen.

Die Stimmung war gut – auch nach der 33. Minute. Allerdings kam auch ganz schnell die urdeutsche Haltung auf, das Glas generell halbleer zu sehen. Da war es Poldi, der keinen Pass zustande brachte, Ballack, der nur daneben schoss, usw. – die Begeisterung dafür, dass man nach einer Schwächephase wieder voll da war und einen Topfavoriten wie Portugal souverän aus dem Turnier kicken konnte, war schnell verflogen. Man hätte aber glauben können, Erich Ribbeck wäre über Nacht zurückgekehrt und der Rückfall in die schlimmsten Zeiten des Rumpelfußballs und der Arbeitssiege geschehen.
Trotz dieser Misstöne: dass Horden von Deutschen und Deutschlandsympathisanten sich voll kostümiert weit weg von der Heimat in einen Park stellen und mitfiebern, hätte es vor vier Jahren noch nicht gegeben. Da will man mal über solche Misstöne hinwegsehen.

Fortsetzung folgt in 2010…

Gedanken zum Eurovision Song Contest

Das wichtigste Ereignis des ganzen Jahres steht an, zumindest aus schwedischer Sicht: der Eurovision Song Contest. Viele halten den ESC hierzulande für einen enorm wichtigen Wettbewerb und gehen blind davon aus, dass das überall sonst auch so sei. Mir ist es schon mehrfach untergekommen, dass jemand „Ein bisschen Frieden“ kannte – ein Titel, der zwar den ESC zum ersten und bisher (d.h. für immer) einzigen Mal für Deutschland (damals nur BRD) gewonnen hat, aber in Deutschland nur mäßig bekannt ist.


ESC 1982: Nicole – Ein bisschen Frieden

Man ist auch jedes Jahr überzeugt, das beste Lied der Welt ins Rennen geschickt zu haben. Dementsprechend groß war die Enttäuschung im letzten Jahr, dass „The Ark“ mit ihrem guten, aber sicher nicht besten Lied „The worrying kind“ nur einen 18. Platz erreichten.


ESC 2007: The Ark – The Worrying Kind

Im Jahr zuvor hatte Carola Häggkvist einen 5. Platz mit „Invincible“ erreicht und damit ihren Status einer Nationalheldin bestätigt, den sie qua ESC-Gewinn im Jahr 1991 schon innehatte.


ESC 1991: Carola – Fångad av en stormvind

Man könnte glauben, dass dies Charlotte Perrelli, die unter ihrem weniger spektakulären Mädchennamen Charlotte Nilsson den Sieg im Jahr 1999 nach Schweden holte, auch helfen würde. Allerdings weit gefehlt. Nicht nur wurde Carola Häggkvist mit ihrem Duo „Johnson & Häggkvist“ schon in der Vorrunde abgesägt, was ihr das Herz gebrochen haben soll, da das schwedische Volk offenkundig nicht mehr zu ihr stand. Im Finale wurde Charlotte Perrelli auch eigentlich gar nicht gewählt. Sie kam im Televote nur auf Platz 2 – allerdings durften dort auch die 11 Jurys des schwedischen Rundfunks mitstimmen, und diese Punkte gaben den Ausschlag. Charlotte Perrelli durfte fahren, Sanna Nielsen nicht.


ESC 2006: Carola – Invincible

Perrellis Titel „Hero“ ist auch gar nicht mal so schlecht, aber die Frau sieht derart künstlich aus, dass sie von Stefan Niggermeier mit wenig schmeichelhaften Attributen belegt wird. Irgendwie will dieses überschminkte doch recht grobschlächtige Gesicht nicht zu dem schlanken Körper passen.


ESC 2008: Charlotte Perrelli – Hero

Bei diesem Youtube-Video beschäftigt sich ein beträchtlicher Teil der Kommentare nur mit ihrem Gesicht.

1999 sah das alles irgendwie noch besser aus.


ESC 1999: Charlotte Nilsson – Take me to your heaven

Dass die ganze Sache auch zu guten Teil ein massives Schminkdesaster ist, zeigt diese Vorstellung von Perrelli:

Ich war ohnehin Fan von Amy Diamond, und so ist mir das Abschneiden von Charlotte auch recht gleichgültig. Es wäre enttäuschend, wenn man mit dem Zurückholen von früheren ESC-Gewinnern gewinnen würde.

Wie hatten uns irgendwie ein bisschen diebisch verstohlen darauf gefreut, sie im Halbfinale scheitern zu sehen. Das ist nun nicht passiert, aber dieser Wettbewerb ist so unkalkulierbar, dass es am Ende sogar die lettischen Piraten oder der idiotische Song der Spanier sein könnten, die den Sieg nach Hause tragen. Ich liege ja notorisch falsch.

Die einzig echte Überraschung wäre wohl, wenn tatsächlich einmal Portugal gewinnen würde…