Trara, die Post ist da! (1)

Post aus Taiwan: Das "All Jackpots Casino" schreibt mir

Vorgestern fand ich eine kleine Überraschung in der Post: einen Brief aus Taiwan. Nun habe ich in meinem Leben noch nie einen Brief von der politisch isolierten Insel östlich von China erhalten. Was könnte es sein?

Es ist ein Brief – oder besser gesagt eine Postkarte – des „All Jackpots Casino“, das definitiv mein Favorit unter den auf Taiwan ansässigen unseriösen Internetabzockercasinos ist. Ich kenne schließlich kein anderes.

Den Bonuscode für die 10€, der sich auf der Rückseite der Karte befindet, habe ich freilich nicht eingelöst. Wer ihn haben möchte, kann ihn gerne erhalten.

Was ich mich frage:

  1. Auf welchen obskuren Wegen ist meine Adresse dort gelandet?
  2. Welchen Sinn hat es, für viel Geld einen Brief um die halbe Welt zu schicken? Zwar ist es nicht eindeutig, aber ich nehme an, dass alleine das Porto ca. 0,50 € gekostet hat.

Gut möglich natürlich, dass die Abzocke so effizient ist, dass sich solche Werbemittel lohnen. Ich hoffe nur, dass so ein Unfug nicht zur Regel wird, denn ich würde mich gerne auch künftig über Briefe aus exotischen Ländern freuen können.

Bostadsbubblan: ein Vergleich mit bemerkenswerten Parallelen

Zum Thema Wohnungsmarkt in Schweden hat mir Holger (Danke!) ein nettes Video zugesandt:

Nun ist das Auslegen von bedruckten A4-Seiten nicht gerade der neueste Stand der Technik, und den rauschenden Ton kann man gerne auch ausschalten. Der Inhalt verdient aber in jedem Falle Beachtung. Ich habe versucht, die ganzen Texte als Untertitel passend einzufügen, und hoffe, dass man es gut lesen kann.

Die Methodik ähnelt meiner in einem Vergleich neulich. Doch hat der Macher auch noch eine weitere Parallele zu Japan gezogen, dessen Wohnungsmarkt sich vor 16 Jahren recht ähnlich dem heutigen in Schweden verhielt. Das Ergebnis in Japan war, dass der kaum durch Rezessionen gebremste Preisanstieg einen Crash verursachte. Immobilien verloren über Jahre stetig an Wert.

Natürlich kann man an der Methodik einige Zweifel haben. Dass das Bruttoinlandsprodukt nicht der allerbeste Maßstab sein könnte, räumt der Ersteller selbst ein. Auch kann man nicht davon ausgehen, dass zwei wirtschaftlich und strukturell stark unterschiedliche Länder das gleiche Verhalten an den Tag legen. Sprich, die Ähnlichkeit der Kurven kann auch Zufall sein. Die Feststellung, dass es 1991 bestimmt auch viele Analysten gegeben habe, die nicht an eine Blase geglaubt hatten, ist zudem der Wortwahl nach zu urteilen eine Vermutung. Das kann man allerdings getrost übergehen: Crashs haben die Eigenschaft, dass sie vorher die wenigsten kommen sehen.

Der Vergleich scheint mir ingesamt gar nicht so unpassend. Japan ist zwar ein mit hoher Dichte besiedeltes Land und Schweden so ziemlich genau das Gegenteil davon. Jedoch konzentriert sich die Bevölkerung in beiden Ländern auf geographisch eng begrenzte Bereiche. Schweden ist schließlich in weiten Teilen fast unbesiedelt. Die Situation, dass viele Leute in dieselbe Region ziehen wollen und so die Preise nach oben treiben, ist also schon irgendwo vergleichbar.

Sollte es wie in Japan kommen, wäre das höchst bedenklich. Die ganze Kreditsystematik in Schweden würde in sich zusammenfallen.

Ich selbst habe auch nochmal meine Statistik von neulich angeschaut und vier Änderungen auf Basis von SCB-Daten eingebaut:

  1. Die Verkaufspreise für Kleinhäuser (Småhus) ersetzen die vorige Kurve für Hauspreise. Dafür gibt es keinen spezifischen Grund – ich hatte die alte Kurve gerade nicht zur Hand. Die Preise beziehen sich auf die Häuser im Allgemeinen. Es wird also kein Bezug pro Quadratmeter oder derlei gemacht. Angesichts der Masse der verkauften Immobilien und der Annahme, dass die Häuser wohl auch ähnlich groß geblieben sind, dürfte das ein brauchbarer Wert sein.
  2. Leider gibt es die Verkaufspreise nicht nach Regionen getrennt. Deswegen habe ich noch den Fastighetsprisindex (Immobilenpreisindex) für den Großraum Stockholm eingefügt. Man kann nun einwenden, dass ich auch die landesweiten Verkaufspreise in diesem Index gezeigt werden sollten. Das stimmt, aber der Verlauf ist annähernd identisch, wie ich in einem Test gesehen habe. Insofern ist es egal, was man verwendet.
  3. Um auch den gewünschten Vergleich mit den Mieten zu machen, habe ich den Quadratmetermietpreis für Neubauwohnungen eingefügt. Leider stehen diese nur für die Jahre 1997 bis 2007 zur Verfügung. Ich habe diese Kurven daher mit einem Wert von 102 starten lassen, um die Vergleichbarkeit mit den Löhnen zu erhalten. Aus irgendeinem Grund werden zwei Kategorien ausgewiesen: „exploatering“ (ich nehme an, die Neuerschließung von Gebieten) und „sanering“ (ich nehme an, Sanierung von bestehenden Beständen).
  4. Zwischendrin versteckt sich noch eine kleine Kurve, die ich auch an den Index angepasst habe und die die allgemeine Miete pro Quadratmeter zeigt. Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll. Sie stand auch nur für wenige Jahre zur verfügung, weswegen ich hier auch eine Indexanpassung vornahm.

Das Ergebnis:

Preisverlauf im Wohnungsmarkt im Vergleich zur Lohnentwicklung

Das Bild des Ganzen ist ernüchternd. Neubauwohnungen wurden zeitweise sogar billiger (!) und steigen langsamer als die Löhne, was nur allzu gut ins Bild passt: es lohnt sich nicht, Mietwohnungen zu bauen.

Ich würde mir wünschen, das Ganze einmal im Kontext der Expertise eines echten Immobilienmarktsexperten dargestellt zu bekommen. Dieses Zusammenschustern eingeholter Datenserien kann korrekt sein, aber es ist keineswegs garantiert.

Eine weitere interessante Grafik hier:

Bevölkerungsentwicklung im Vergleich zum Wohnungsbau; rote Linie: Bevölkerungswachstum, grüne Balken: Wohnungsbau (Foto: Holger Motzkau, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0)

Man sieht deutlich, dass seit rund 40 Jahren jedes Jahr weniger Wohnungen gebaut werden als die Bevölkerung eigentlich bräuchte.

Das alles komplettiert das Bild weiter und macht wenig Hoffnung auf Besserung: der Markt rennt in den Kollaps hinein, und es gibt kaum Anzeichen, dass dies aufgehalten wird.

Nächster Halt Baku

Der beste Beitrag kam gleich zu Beginn des Abends:

Besser geht’s nicht – Raab ist einfach großartig, und zwar so sehr, dass man über das eher peinliche Englisch hinwegsehen kann. Man merkte auch: das Moderationsteam hat sich aufeinander abgestimmt. Raab schien mir am Donnerstag als überschüssig – Rakers und Engelke hätten die Show auch alleine geschmissen. Gestern war er Gold wert.

Die meisten Beiträge waren ja schon bekannt. Das zweite Halbfinale, welches an dieser Stelle noch nicht behandelt wurde, fand ich im Allgemeinen eher schwach. Während ich im ersten Halbfinale auf Anhieb eine Reihe brauchbarer Titel fand, fiel mir das beim zweiten schwer.

Auch die Titel der Big Five plätscherten größtenteils an mir vorbei. Mit dem italienischen Titel konnte ich nicht so wahnsinnig viel anfangen, aber dass er etwas ambitionierter ist, merkte man schon. Man musste Italien fast eine Stimme geben, damit sie den Wettbewerb nicht wieder für die nächsten 15 Jahre boykottieren. Beim französischen Titel schien es mir so, dass sich da einer in der Tür geirrt hat. Blue waren im Vorfeld genauso unnötig hochgejubelt wurden wie die gefönten Iren. Und Spanien trat wie immer mit einem netten Titel an, der nachher auf den hinteren Plätzen an.

Und dann Lena.

In Sachen Show war er definitiv einer der besten Titel. Musikalisch nicht der schlechteste. Aber ob man damit nochmal den gesamteuropäischen Nerv treffen kann, war mehr als fraglich.

Saades Titel fand ich von Anfang an ganz ok, aber nicht großartig. Er ist eben zu sehr Euro-Dance-Trash, der einem vom ESC so bekannt vorkommt: dort erfolgreich, aber eben nur dort. Irgendwie passend dazu ist das Ergebnis.

Mir schien kaum vorstellbar, dass der Titel so einschlagen würde, aber als der Sieg möglich schien, hoffte ich natürlich darauf. Im Globen den ESC zu haben wäre schon cool. Trotzdem: es wäre schade irgendwo, wenn man ausgerechnet mit einem Beitrag gewonnen hätte, dem einfach irgendwo das Format fehlte.

Letzten Endes also Aserbaidschan, was bemerkenswerterweise einer meiner Favoriten war. Aber: mit Finnland und Schweiz lag ich vollkommen daneben. Finnland hatte auch den Nachteil des frühen Startplatzes. Für die Schweiz gilt das freilich nicht. Ich hatte nicht gedacht, dass dieses nette Lied mit der ebenso netten Sängerin derart abgestraft wird. Es zeigt sich wieder einmal, dass die Halbfinals hervorragende Vorsortierer sind: der Schweizer Beitrag hatte es mit nur einem Punkt Vorsprung ins Finale geschafft.

Deutschland braucht sich nicht zu schämen: ein passabler 10. Platz und eine gute Show.

Nächstes Jahr also Baku, und das ist das einzig bittere daran: Aserbaidschan ist ein autoritär regierter Staat und damit nicht viel besser als Weißrussland. Man wird damit einem höchst fragwürdigen Regime eine Bühne bieten.
Ich finde, man (d.h. Deutschland oder Schweden) sollte deshalb nächstes Jahr wieder gewinnen, damit der Wettbewerb nicht in falsche Hände gerät 🙂

Alles wird teurer – auch SL: 790 Kronen für ein Monatsticket

Eine der wenigen großen Änderungen in den letzten Jahren: das Chipkartensystem SL Access (Bild: Morner, CC BY-NC-SA 2.0)

Gestern verkündete die Provinzregierung ihre Finanzpläne. Dazu gehörte unter anderem, dass die Monatskarte für den Nahverkehrsverbund ab September 790 kr (ca. 88€) kosten soll.

Da das so gut wie jeden im Großraum Stockholm betrifft, schlagen die Wellen natürlich hoch. Viele halten das für gierig und für ungerecht gegenüber den Ärmeren. Einige sehen Schweden im Niedergang.

Die Provinzregierung hat die Sache auch vollkommen im Griff. Der Finanzlandrat – oder eher Finanzminister, wenn man schon irgendeinen deutschen Begriff dafür finden will – Torbjörn Rosdahl parierte die Attacken auf die Erhöhung sogleich mit einem passenden Vergleich: 100 kr entsprechen drei Tüten Chips. Stimmt vermutlich auch, aber mit einem derart bescheuerten Argument kann man wohl niemanden auf seine Seite ziehen. Er entschuldigte sich auch im Nachgang.

Kennt sich mit Chipstüten aus: Torbjörn Rosdahl

Manche finden, dass sich die Stockholmer mal nicht so anstellen sollen, denn woanders sei es doch viel teurer, z.B. in Glasgow. Göran Elmertoft findet das gar nicht so teuer, und das bloggt er gleich zweimal. Mancherorts wird sogar angedeutet, die 48% der Stockholmer, die laut DN-Umfrage jetzt nicht mehr mit dem Nahverkehr fahren wollen, würden ihre Drohung nicht wahrmachen.

Womit er sicherlich recht hat. Die Stockholmer werden diese Erhöhung schlucken wie alle anderen davor – und wenn sie es nicht wollen, dann sollen sie nächstes Mal links der Mitte wählen, was sie bislang nur in Ausnahmefällen taten.

Der Nahverkehr wird zu 50% über die Ticketeinnahmen finanziert. Im Grunde bestimmt also der Unter- oder Überschuss in der Kalkulation, wie teuer die Tickets sein müssen. So einfach ist das dann aber doch wieder nicht, weil es natürlich über Ticketauswahl und dergleichen allerhand weitere Stellschrauben gibt. Man kann in jedem Fall feststellen, dass der Ticketpreis schneller steigt als die allgemeine Preisentwicklung. Das merke ich auch: als ich 2005 nach Stockholm kam, kostete die Karte 600 kr. Sie ist also seither 31% teurer geworden, was 4,7% pro Jahr entspricht.

Die Frage ist also: ist der Nahverkehr so viel besser geworden, dass er diese Steigerungen rechtfertigt? Die Antwort ist aus meiner Sicht: leider nein.

In den letzten 6 Jahren sind nur drei Schienenprojekte in Angriff genommen worden: die Verlängerung der Tvärbanan, die Untertunnelung Stockholms für die S-Bahn und der Ausbau der Straßenbahn in der Innenstadt. Alles drei sind keine großen Würfe, und alle drei sind alles andere als fertig. Bleibt nur noch, zu sagen, dass die U-Bahn am Wochenende auch nachts fährt. Und der Busverkehr? Mag sein, dass der gewachsen ist – aber das wurde der Allgemeinheit auch mit Einführung der Trängselskatt versprochen. Für meinen Wohnort kann ich sagen, dass es fluktuiert, aber kein Trend nach oben zu erkennen ist. Kurz nach Einzug wurde uns eine Buslinie genommen, die nach einem Jahr wiederkam. Dann wurde uns eine schnelle Verbindung in die Stadt genommen, die nach einem halben Jahr eingeschränkt wieder kam. Ausbau sieht anders aus.

Zwar ist es richtig, dass auch unter sozialdemokratischer Regierung die Ticketpreise erhöht wurden. Jedoch haben die Bürgerlichen mindestens genauso zugelangt. Es wäre zumindest wünschenswert, diese Erhöhung mit irgendeiner Perspektive, irgendeinem visionären Projekt zu verbinden. Davon ist aber nichts zu hören, und so schallt die Erinnerung umso lauter, dass noch letzten Herbst hochheilig verkündet wurde, dass es 2011 keine weitere Erhöhung geben werde. Das kommt nicht gut an.

Ganz machiavellistisch kommt diese Maßnahme zum Beginn der Amtszeit – bis 2014 wird sie längst vergessen sein und keinerlei Effekt mehr haben. Immerhin kann man hoffen, dass es bis dahin eine Partei im Län gibt, die den Nahverkehr modernisieren und ausbauen will. Eine solche sehe ich bislang nämlich nicht so wirklich.

Ein historischer Tag

Ich musste schon eine Träne verdrücken, als Winfried Kretschmann heute morgen zum Minischderpräsident des Landes Baden-Württemberg gewählt wurde. Dass nach der Wahl Ende März nun das Realität wird, was ich nie zu erleben glaubte. Dass ein Nicht-CDU-Mann in dieses Amt gewählt wird, haben nicht einmal meine Eltern erlebt.

Geradezu erbärmlich dieses mitleidige Gelaber im Fernsehen über die CDU-Abgeordneten, die nun ihre Lebensträume durchkreuzt sehen. Wer Wahlen als Bestätigungsveranstaltungen ansieht und eine politische Karriere als unaufhaltsamen Karrierezug, der kann einem bestenfalls leid tun, dass er ein Produkt der Verfilzung Baden-Württembergs ist. Demokratieverständnis muss bei der CDU erst noch einsickern. Vielleicht ist das auch schonmal der erste positive Effekt dieses Wechsels.

Ich bin aber auch Realist genug, zu wissen: in 5 Jahren ist es wieder vorbei. In einer gigantischen Ausnahmesituation wurde die CDU unter 40% gedrückt und die FDP fast über den 5%-Abgrund geschoben. Die grün-rote Regierung, die das allein durch überzeugende Arbeit noch einmal schaffen will, kann ich mir kaum vorstellen. Dazu waren die letzten Woche zu verhalten und unharmonisch, als dass man allzu große Hoffnungen haben könnte. Selbst wenn die Regierung ihre Arbeit gut macht, wird es für eine Wiederholung kaum reichen.

Eigentlich müssten sie jetzt 5 Jahre lang regieren, als ob es keinen Morgen gäbe. Eine spektakuläre Maßnahme nach der anderen, damit die Leute auch etwas davon merken, dass sie von jemand anderem regiert werden. Nur ist Deutschland nicht anfällig für einen reißerischen Politikstil, und Baden-Württemberg schon zweimal nicht. Natürlich wäre dann auch die Frage, ob dabei etwas vernünftiges herauskäme, und das darf doch in den klassischen Landespolitikfeldern Bildung und Justiz bezweifelt werden.

Aber die Zeiten ändern sich auch und mit ihr die politische Landschaft. Es bleibt eben nicht immer alles so, wie es ist – und das ist ab heute auch in Baden-Württemberg so. Ich wünsche Winfried Kretschmann jedenfalls viel Erfolg bei ihrer Arbeit. Sie haben einiges vor sich.

[Danke an Franzi für den Link]

ESC 2011: Halbfinale 1

Ich beginne diesen Beitrag standesgemäß:

Man mag vom Eurovision Song Contest halten, was man will: es ist eine der meistbeachteten Veranstaltungen der Welt.

Ich gebe gerne zu, dass ich ihn jedes Jahr schaue. Meine Europabegeisterung lässt die Albernheit der ganzen Angelegenheit zurücktreten.

Auch wenn ich gestern nicht mitwählen durfte, so wollte ich doch einmal erleben, wie das nun mit Engelke, Raab und Rakers ist. Die Anfangsgags waren ESC-gewohnt zum Fremdschämen, aber Judith Rakers letztendlich im Green Room gut platziert. Und die Einlage von Anke Engelke und Stefan Raab, die die ESC-Teilnehmer diesen Kracher singen ließen, war dann doch ganz witzig:

Die Show gerissen hat freilich Anke Engelke, die nicht nur die zwei relevanten Fremdsprachen besser spricht als es Raab es jemals auch nur mit einer könnte. Es war fast schade, dass ihre Tanz- und Playbackeinlagen zu jedem der 10 Gewinnertitel nur kurz eingeblendet wurden.

Die Musik war wie immer mit vielen Belanglosigkeiten gespickt, die es zum Glück größtenteils nicht ins Finale geschafft haben.

Obskure Dinge waren kaum dabei, aber man darf sich schon fragen, ob die Portugiesen ernsthaft damit rechneten, mit diesem Song ins Finale einzuziehen:

Kein Land ist derart notorisch erfolglos wie Portugal: 44 Teilnahmen und das höchste der Gefühle waren ein 6. Platz. Aber man wird doch wohl nicht ernsthaft erwarten, mit einem auf portugiesisch vorgetragenen Satirepolitsong weiterzukommen.

Auf der anderen Seite ziehen auch immer Lieder ins Finale ein, wo ich nur den Kopf schütteln kann. Wieso beispielsweise Griechenland und Litauen weiterkamen, ist mir ein Rätsel.

Meine vier Favoriten waren übrigens:

  • Finnland: Paradise Oskars liebenswürdig-ironische Weltverbesserungsliedchen hat fast schon Ohrwurmqualitäten. Er kam auch prompt weiter, ist im Finale aber auf Startplatz 1 gesetzt, was seine Chancen natürlich verringert.
  • Schweiz: Auch ein beschwingt süßes Lied, das es genau deswegen ganz weit bringen könnte und auch ins Finale einzog.
  • Aserbaidschan: eine nette Bombast-Ballade, die es ebenso ins Finale geschafft hat.
  • San Marino: Die Sängerin war zwar bis vor kurzem wohl noch nie in dem Land, aber das ist ihr in dem Fall wohl auch nicht vorzuwerfen. Jedenfalls haben sie keine allzu schlechte Wahl getroffen. Den Titel fand ich ganz nett, aber mehr auch nicht. Er schaffte es auch nicht ins Finale.

Sehr beunruhigend finde ich, dass sich mein Geschmack offenbar zumindest in erheblichen Teilen mit dem der Allgemeinheit deckt. Das war bislang nie so und ist hoffentlich kein Zeichen meines fortschreitenden Alters.

Etwas peinlich war der Tonausfall während der Übertragung – das schwedische Fernsehen hatte ca. ein Drittel der Show gar keine Verbindung zu den Kommentatoren und behalf sich am Ende mit Telefonen. Das dürfte vor allem nicht ganz das sein, was die Europäer von den Deutschen erwarten. Gerüchteweise sollen Züge in Deutschland pünktlich sein.

Ich freue mich jedenfalls schon auf das morgige zweite Halbfinale. Dann hoffentlich mit Ton, und vielleicht schafft es Eric Saade sogar ins Finale.

Trosa

Der Sommer ist da – ich holte mir gestern beim Ausflug prompt einen Sonnenbrand. Ziel war Trosa, eine Stadt am Meer, knapp südlich der Region Stockholm in Sörmland, die sich den etwas seltsamen Slogan „Världens Ände“ („Das Ende der Welt“) angeeignet hat und sogar auf dem Ortsschild präsentiert. Es ist eine typische schwedische Stadt, wenn man Inga-Lindström-Tauglichkeit als Kriterium anlegt. Die Geschäfte sind freilich auf den Tourismus ausgerichtet. Einen Sonntagsausflug kann man aber auf alle Fälle einmal dorthin machen.

Cat Stevens in Stockholm

Das Schöne daran, in einer Hauptstadt zu leben, ist, dass so gut wie jeder interessante internationale Gast hier Halt macht. Man braucht eigentlich nur mit wachen Augen durch die Straßen zu gehen und wird früher oder später ein Plakat entdecken, das ein vielversprechendes Event anpreist. Ich wäre neulich z.B. gerne zu den Söhnen Mannheims gegangen. Nicht weil ich sie besonders mag, aber wann verirren sich schon einmal mittelmäßig bekannte deutsche Künstler nach Schweden?

An internationaler Bekanntheit dürfte es Cat Stevens freilich nicht mangeln. Aber diese kommt frei Haus mit dem Wissen, dass er seit 30 Jahren Yusuf Islam heißt und sich mehr der religiösen Erleuchtung als der Musik widmet. Daher zögerte ich nicht, als ich die Anzeige für sein Konzert auf einer Werbefläche eines Parkscheinautomaten sah: da muss ich hin.

Plätze waren nicht leicht zu bekommen, was aber nicht zuletzt an der grottenschlechten Platzsuchesoftware von Ticnet liegt. So wurden es sündhaft teure Tickets mit guter Sicht am linken Rand.

Stimme: immer noch so gut – Konzept: vielleicht nicht ganz so

Der Mann ist zwar gealtert – 62 ist er mittlerweile, und er wirkt mit Sicherheit keinen Tag jünger – aber seine Stimme ist so gut wie vor 35 Jahren. Das Konzept des Konzerts war allenfalls etwas durcheinander: erst begann er autobiographisch über seine Anfänge zu erzählen. Dabei erwähnte er auch zur Freude des Publikums, dass er in Gävle einmal zur Schule ging – seine Mutter war Schwedin – aber leider kaum noch schwedisch spricht. Er streute aber immer wieder kleine Fetzen schwedisch ein. Er wechselte thematisch dann zu einem Musical, das er anscheinend gerade schreibt und neue wie alte Lieder kombiniert. Die Bühne füllte sich nach und nach, beginnend mit seinem alten Weggefährten Alun Davies. Zur Pause standen 8 Musiker auf der Bühne.

Bis dahin waren von den richtig bekannten Titeln nur „Matthew & Son“ und „The First Cut is the deepest“ gekommen – er stachelte das Publikum etwas an, indem er auf die Titel „Moonshadow“ und „Father & Son“ hin leitete, sie anspielte und dann abrupt sagte, dass er das für später aufhob. Zwischendrin begannen schon einige Zuschauer nach bekannten Titeln zu rufen, worauf Yusuf sie zu vertrösten suchte.

Das Musical wurde in Teilen präsentiert, aber es blieb bei einer Art Vorschau. Es folgte eine 30-minütige Pause, nach der ich eigentlich einen Gassenhauer nach dem anderen erwartete.

Das Warten auf „Wild World“

Daraus wurde leider erstmal nichts. Für meinen Geschmack dauerte das zu lange – aber es ist auch irgendwo verständlich, denn wie jeder Altkünstler hat Stevens das Problem, dass alle nur kommen, um die bekannten Uralthits zu hören. Zwar verfügt Cat Stevens über ein beachtliches Œuvre, aber die bekannten Titel füllen eben keinen Abend. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, er hätte wie in der ersten Hälfte mehr Hits eingestreut. Indem er die Spannung bis zum Schluss aufhob, war das Publikum dann aber auch schlagartig begeistert, als er „Morning Has Broken“ spielte, gefolgt von „Wild World“ – da standen die Leute schon – und „Father & Son“. Die Zugabe enthielt dann auch noch „Moonshadow“ und „Peace Train“.

Das stark durchwachsene Fazit von Anders Dahlbom von Expressen würde ich jedenfalls nicht teilen. Man kriegte im Endeffekt das, für das man bezahlt hatte, wenn auch etwas später als erwartet. Die Rezension in DN war auch freundlicher, ist aber leider nicht online.

Da ich mich vor dem Konzert damit nicht beschäftigt hatte, erfuhr ich erst jetzt, dass es sich um das erste Konzert der ersten Europa-Turnee seit 30 Jahren handelt. Ab Morgen ist er übrigens in Deutschland, später auch noch in Rotterdam, Paris, Wien und Brüssel. Das sollte man nicht verpassen – es könnte das letzte Mal sein.

Nachtrag: Die Rezension von Dagens Nyheter ist mittlerweile auch online.

Very Angry People

Eigentlich ist es müßig, sich mit solchem Unfug auseinanderzusetzen, aber wenn es schon einmal des Weges kommt, möchte ich es hier festhalten.

Konkret geht es um dieses Foto, das kürzlich um die Welt ging:

Foto aus dem Weißen Haus vom 1. Mai 2011

Das Weiße Haus hat das Bild folgendermaßen beschriftet:

President Barack Obama and Vice President Joe Biden, along with members of the national security team, receive an update on the mission against Osama bin Laden in the Situation Room of the White House, May 1, 2011. Seated, from left, are: Brigadier General Marshall B. “Brad” Webb […]. Please note: a classified document seen in this photograph has been obscured. (Official White House Photo by Pete Souza)

Um es nochmal zu verdeutlichen: hier werden Obama, Biden und eine ganze Reihe anderer Leite über die Entwicklung der Aktion in Pakistan gegen Osama Bin Laden informiert.

Natürlich interessierte mich, was das Zentralorgan der Verschwörungstheorie, das Weblog „Alles Schall und Rauch“, zu der ganzen Sache zu sagen hat. Wenig überraschend wurde eine ziemliche Weile nach dem Bekanntwerden ein Beitrag online gestellt, der verkündete, der Autor habe ja schon 2007 „bewiesen“, dass Osama Bin Laden bereits im Dezember 2001 verstarb. Beim näheren Hinsehen handelt es sich freilich um eine Ansammlung von Zeitungsausschnitten, in denen meist nur spekuliert wird, dass Bin Laden schon tot sei.

Der Beitrag von 2007 fällt aber vor allem deswegen auf, weil er im sich im „Stil“ unterscheidet: damals geiferte der Autor, der sich selbst Freeman nennt und angeblich Manfred Petritsch heißt, noch nicht bei jedem Satz wild drauf los. Wie er in den „Spielregeln“ seiner Seite behauptet, er zitiere „viele Quellen“. Das machte er damals anscheinend noch, aber heute kaum mehr.

Mittlerweile scheinen seine Beiträge nur noch aus wilden Verwünschungen und Häme zu bestehen, die in einem einzigen Giftschwall ausgespuckt werden. Die Informationen, die er den Menschen angeblich bringen will, gehen dabei unter.

Der heutige Beitrag ist ein Paradebeispiel. Da bleibt an Fakten nicht viel übrig:

Wie der Chef der CIA, Leon Panetta, nun zugeben musste, gab es keine Live-Übertragung von TV-Bildern nach Washington während der Stürmung des angeblichen Verstecks von Osama Bin Laden. Die Kameras auf den Helmen der Navy Seals funktionierten nicht oder waren abgeschaltet. Deshalb sind die Berichte in den Medien, die amerikanische Regierung hätte den Einsatz im „Situation Room“ im Weissen Haus kurz vor Mitternacht des 1. Mai live verfolgen können, eine Lüge.

Sie sahen gar nichts und wussten nicht was vorging. Sie hörten nur das Code-Wort „Geronimo“ als Zeichen, Osama Bin Laden wurde getötet. Das folgende Foto, welches um die Welt ging, muss gestellt sein.

Ein paar klitzekleine Einwände:

  1. Wenn Panetta etwas „zugeben muss“, dann hätte man ihn mit irgendetwas konfrontieren müssen, das die bisherige Version in Frage stellt. Immerhin ist Freeman ja noch so gnädig, zu erwähnen, dass Panetta von PBS interviewt wurde. Den Link dorthin gibt er freilich nicht an – man könnte sich ja eine eigene Meinung bilden. Dabei gibt es das gut 10-minütige Interview als Video online, und wenn man sich das anschaut, dann erzählt der CIA-Chef doch sehr freimütig, wie die Aktion ablief.
  2. Mich würde doch mal brennend interessieren, woher die Information stammt, die Navy Seals hätten bei der Operation Kameras auf ihren Helmen gehabt. Ja, und selbst wenn es so wäre, woher will Freeman wissen, dass sie abgeschaltet oder kaputt waren?
  3. Wer hat denn bitteschön behauptet, die Übertragung wäre live gewesen? Die Bildunterschrift spricht von einem „Update“. Gibt es ein offizielles Statement, das behauptet, Obama hätte das Ganze live sehen können?

Kurzum: die skandalöse Aufdeckung ist, dass die Einbildung, es handele sich um eine Live-Übertragung, auch wirklich nur eine Einbildung war. Das musste natürlich einmal gesagt werden.

Ein weiterer kleiner Einblick in die Gedankenwelt des Mannes:

Und Panetta fügte hinzu, die US Navy Seals fällten selber die Entscheidung, Bin Laden zu ermorden, und nicht der Präsident. Also lief die Operation im Dunklen ab und niemand weiss genau was dort passierte. Die Spezialeinheit kann alles erzählen und stand wahrscheinlich unter dem Kommando der „Schattenregierung“, genau wie am 11. September 2001.

Der Präsident machte in seiner Ansprache recht deutlich, dass er den Befehl zur Gefangennahme oder Tötung schon zu Amtsantritt gab und auch die Aktion am 1. Mai autorisierte. Dass ein Soldat in einem Feuergefecht nicht schnell in Washington anrufen kann, dürfte wohl noch nachvollziehbar sein. Nicht jedoch Freeman, wie es scheint.

Es ist immer das gleiche Schema: wer nicht alles, was der Fragesteller gerne hätte, vollständig veröffentlicht, hat etwas zu verbergen. Und, mehr noch, selbst wenn die Bilder vollständig publiziert worden wären, hätte es keine halbe Stunde gedauert, bis die entsprechenden Aufnahmen zerpflückt und als offenkundig gefälscht bezeichnet worden wären.

Dies ist die kranke Logik dieses Spiels: wer verlieren muss, kann nur verlieren.

Es gibt aber auch eine tragische Seite. Die Beiträge sind weder intelligent noch gut geschrieben, doch ziehen sie entsprechend interessierte Leute wie die Fliegen an. So hat sich ein kleiner fröhlicher Mob der Frustrierten, Verbitterten und Besserzuwissenglaubenden zusammengefunden, bei denen jede Hoffnung verloren scheint, sie mit einem schlüssigen Argument beeindrucken zu können.

Freeman schreibt immer wieder:

Ich lach mich schief.

Es wäre schön, wenn es so wäre. Jedoch ist die ganze Veranstaltung derart humorfrei und verbittert, dass man sich fragen muss, in welcher Verfassung der Verfasser ist. Die Humorbeiträge im Blog wirken jedenfalls sehr bemüht und können das Innenleben des Ganzen nur schwerlich verdecken.

Es ist eine Ideologie des Hasses, bei der feststeht, wer zu hassen ist, und die Realität sich diesem Diktat fügen muss, ob sie will oder nicht. Es geht nicht um Aufklärung, sondern um Desinformation.

Man kann nur hoffen, dass die Informationsgesellschaft über diese Auswüchse hinwegkommen wird. Solange aber die Zahl derer, die an die Mondlandeverschwörung und anderen Unfug glauben, steigt, mache ich mir da wenig Hoffnung.

Nachtrag 10. Mai 2011: netter Beitrag beim Spiegelfechter zum Thema.

Eine unabhängige Meinung zu Eric Saade

Wer es noch nicht gemerkt hat, sei darauf hingewiesen: in weniger als einer Woche startet der Eurovision Song Contest, und zwar in Düsseldorf – eine Folge der fast für unmöglich gehaltenen Tatsache, dass Deutschland diesen Wettbewerb im letzten Jahr gewann, obwohl damit in den nächsten 5000 Jahren nicht mehr zu rechnen war.

Der streitbare Medienjournalist Stefan Niggemeier und sein Kollege Lukas Heinser sind nach ihrer grandiosen Oslo-Reportageserie im letzten Jahr nach Düsseldorf gepilgert, um zwei Wochen lang das ganze Elend in Ton und Bild der Menschheit zu bringen. Das Resultat ist wie immer unterhaltsam.

Besonders auffällig ist in der gestrigen Folge das ausgiebige Bashing des schwedischen Teilnehmers Eric Saade. Das beginnt eher harmlos mit einer Frage eines Journalisten, der nahelegt, dass sein Beitrag nicht nur Frauen-, sondern auch bestimmte Männerherzen höher schlagen lässt, und sich erkundigt, ob dies denn Absicht oder Zufall sei.

Zufall, versichert Saade, was mich nicht verwundert, denn in Schweden schwärmen die Mädels für ihn. So sieht er aus:

Eric Saade, Interpret des diesjährigen schwedischen Beitrags im Eurovision Song Contest (Bild: Janwikifoto, http://artist.in2pic.com ; Lizenz: CC)

Das ist auch wohl der Hauptgrund seines Sieges beim nationalen Vorentscheid. Der Junge wurde ziemlich hochgejubelt, und als die Glasscheiben zersplitterten, hatte er den Sieg in der Tasche.

Mein Favorit war übrigens dieser Titel hier:

Wenn die Schweden aber mal einen Titel gewählt haben, dann stehen sie zu ihm und glauben, es sei der beste Titel des Jahrhunderts – mindestens. Da erfreut es fast schon, das eher mittelmäßig vernichtende Urteil der beiden aus Düsseldorf zu hören, um nicht allzu hohe Erwartungen zu haben.

Gut möglich, dass es wirklich ein Debakel gibt und sich ganz Schweden wieder einmal fragt, wie das nur passieren konnte. Aber vielleicht liegen die beiden auch falsch – in diesem Wettbewerb ist schließlich alles möglich.

In jedem Fall lohnt es sich, als Einstimmung auf das Spektakel täglich Duslog.tv anzuschauen.