Feuer in der Architekturhochschule

Die Architekturschule der KTH - nach Meinung vieler das hässlichste Gebäude Stockholms (Bild: Oscar Franzén, Public Domain)

Über Großbrände zu berichten ist zwar nicht gerade mein Metier, aber in dem Fall ist das Feuer keine 1,5 Kilometer von hier entfernt: die Architekturschule der KTH brennt, und zwar mächtig. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden, aber das Dach wurde schon gesprengt, und zur Stunde ist der Brand noch nicht unter Kontrolle.

Das Ganze hat vor allem eine gewisse Ironie, weil die Architekturschule ein ausnehmend hässliches Gebäude ist. Als ich es vor gut 5 Jahren zum ersten Mal sah, dachte ich, es handele sich um ein Parkhaus oder etwas anderes wenig heimeliges. Dass darin ausgerechnet Architekten ausgebildet werden, wäre mir nicht in den Sinn gekommen.

Besonders witzig ist irgendwie, dass das Feuer noch nicht einmal aus und schon die ersten Spekulationen im Umlauf sind, ob man das Gebäude denn nicht lieber abreißen und durch etwas ansehnlicheres ersetzen sollte. Worüber wir hier im Büro diesen Morgen noch scherzten, ist jetzt schon schlagzeilentauglich. Spontan wäre ich dafür – das bisherige ist nun wirklich keine Zierde für Stadt und Hochschule.

Slussen in Farbe (und bunt)

Ausschnitt aus dem Lageplan für das neue Slussen: der Verehr wird unter die Erde verlegt, der öffentliche Nahverkehr in den Berg hinein. Der Rest wird zur Fußgängerzone. (Bild und Copyright: Stockholms Stad)

Seit gestern darf man im Sjömanshemmet (Seemansheim) an Peter Myndes Backe 3 auf Södermalm – direkt neben dem Stadtmuseum bei Slussen – eine Ausstellung zur Neugestaltung von Slussen begutachten. Das geht bis zum 19. Juni und zeigt hoffentlich die definitiv endgültige Version der Umbaupläne.

Heute morgen war der Leserbrief einer Frau aus Solna in der Zeitung, die meinte: was beschweren sich die Leute aus Nacka denn über die Situation? Immerhin sind es vom Bus zur U-Bahn nur wenige Schritte. Man sollte Slussen behutsam erneuern.

Blick von Södermalm aus auf den Neubau (Bild und Copyright: Stockholms Stad)

Da hat die Frau nicht ganz unrecht, lässt aber außer Acht, dass das jetzige Busterminal im Winter schweinekalt ist, was sich auch durch einen noch so guten Umbau kaum beheben lässt, denn es ist auf zwei Seiten offen. Außerdem müssen die Passagiere bis zu zwei Busspuren kreuzen, was weder für Busfahrer noch für Pendler angenehm ist und die Unfallgefahr erhöht. Mir ist kein Busterminal vergleichbarer Größe im Großraum Stockholm bekannt, wo ein derartiger Zustand Realität ist: weder Gullmarsplan noch Danderyds Sjukhus oder Liljeholmen verlangen das Überqueren von Fahrspuren.

Nebenbei bemerkt ist das Slussenterminal schon jetzt an der Grenze seiner Belastbarkeit. Viel mehr Busse als jetzt kann man bei der Anlage dort nicht durchschicken, und die beiden hierüber angeschlossenen Kommunen Nacka und Värmdö wachsen schnell. Auch ein Art Stuttgart-21-Argument kann man hier anbringen: der Plan ist schon so weit fortgeschritten, dass jeder Schwenk wiederum mehrere Jahre Verzögerung brächte, die das alternde bestehende Bauwerk beim besten Willen nicht hat.

Blick von der Altstadt aus auf den Neubau (Bild und Copyright: Stockholms Stad)

Freilich bedeutet das nicht, dass das neue Terminal bessere Kapazitäten haben wird – aber hoffen kann man, dass hier vernünftig geplant wird.

Ich war jedenfalls einmal so frei, die Bilder, die man auf der Stadthomepage nur nach Download betrachten kann, hier einmal auszustellen. Vielleicht möchte sich auch jemand die Präsentation im Sjömanshemmet ansehen – ich werde es bei Gelegenheit tun.

Spräng Slussen Nu!

Slussen im Jahr 1939, fünf Jahre nach Eröffnung. (Fotograf unbekannt; in Schweden gemeinfrei)

Am Samstag – wenn ich mich recht erinnere – war ein Leserbrief in meiner Tageszeitung Dagens Nyheter. Der Titel war „Spräng Slussen Nu!“ („Sprengt Slussen jetzt!“).

Der Inhalt (sehr frei wiedergegeben): derjenige, der Slussen in dem Leserbrief vor kurzem so toll fand, sollte sich das Elend mal anschauen. Alle, die so wie ich jeden Tag durch diese Station müssen, finden dieses Bauwerk widerlich. Es ist eine nach Urin stinkende, mit Graffitis übersäte Müllkippe. Der Putz bröckelt von den Wänden. Man sollte es sofort sprengen.

Zugegebenermaßen: ich habe hier auch meine eigene Meinung eingebracht, aber der Mann sprach mir aus dem Herzen. Slussen ist die zweitwichtigste Station im Stockholmer U-Bahn-Netz: 79.000 Menschen gehen hier jeden Tag hindurch. Jeder Bus, der Richtung Nacka und Värmdö nach Osten fährt, beginnt seine Fahrt im Busterminal im Untergeschoss. Daneben beginnt die mittlerweile fast als Museumsbahn anmutende Saltsjöbanan. Darüber befindet sich ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt der Stadt.

Es muss einmal der Stolz der Stadt gewesen sein. Komplex geschwungene Fahrwege verteilten den Autoverkehr auf seine Bahn. Und unter Brücke ist von alters her die Schleuse – daher der Name „Slussen“ – zwischen Mälarensee und Meer. Nichts könnte Modernität und Tradition in Stockholm besser symbolisieren als dieses Bauwerk – wenn heute noch 1950 wäre.

Slussen im Jahr 2009: der Beton bröckelt (Bild: Holger.Ellgaard, Lizenz: CC 3.0)

Im Jahr 2011 ist Slussen jedoch nur noch ein heruntergekommener Schandfleck. Ich habe auch jeden Tag das zweifelhafte Vergnügen, dort umzusteigen, und was man sieht, kann einem nicht gefallen. Das Bauwerk ist in seinen schönen Teilen ungemütlich, überall sonst eine Zumutung. Wo der Beton herausbröckelt, werden notdürftig Stahlnetze angebracht, damit sich niemand verletzt wird. Graffiti und Aufkleber überall – vom Geruch will ich gar nicht reden.
Wenn man sich die Bilder von 1935 anschaut, fragt man sich, ob sich seither irgendetwas geändert hat – wenn man einmal von der Umstellung auf Rechtsverkehr im Jahr 1967 absieht. Es sieht alles noch genauso aus, nur viel viel zerfallener.

Doch Rettung naht, oder vielmehr will die Stockholmer Politik, dass man es glaubt. Denn seit Jahren versucht man im Nachgang eines Architekturwettbewerbs einen Vorschlag zu finden, den man doch tatsächlich umsetzen will. Es wundert mich nicht, dass viele Stockholmer – mich eingeschlossen – die Schnauze voll haben. Es kommt einem so vor, als würde man in dieser Stadt noch über das Design der Arche diskutieren, wenn einem das Wasser der Sintflut schon bis zur Brust steht.

Hier ein paar Beispiele:

Ich würde gerne sehen, wie sich die ganzen 60-jährigen Spaßbremsen am Betonfundament festketten […]

(Herr_hur in den Kommentaren zu diesem Artikel)

So gemütlich ist es in weiten Teilen des Bauwerks. (Bild: Holger.Ellgaard, Lizenz: CC 3.0)

Gestern oder heute […] wurde ich zu einem Treffen eingeladen, um über Slussens Zukunft zu diskutieren. Die haben auch eine Webseite […] http://slussensframtid.se/.

Da sitzen die Leute und quatschen darüber, dass Slussen einer der schönste Europas und so weiter wäre.

Bitte, was? Slussen ist ein verdammtes Dreckloch! Ich bin dort aufgewachsen. […] Und ich sage: Slussen stinkt, Slussen ist eklig, Slussen ist verfallen und unangenehm wie noch was.

Die Straßen sind kurvig, dunkel und kompliziert. Die Luft ist eingeschlossen und stinkt nach Müll. Nachts gibt es keinen anderen Ort in Stockholm, wo ich genauso viel Angst hätte […].

Sprengt Slussen in die Luft.

Es gibt nichts, absolut überhaupt nichts, was Slussen schlimmer machen könnte als heute. Reißt es ab, und zwar schnell!

Ich habe keinerlei Verständnis für Leute, die Slussen bewahren wollen.

(Hanna Fridén in ihrem Blog)

Auch eine Facebook-Gruppe „Slussen – spräng skiten omedelbart“ („Slussen – sprengt den Scheiß sofort“) existiert, wenn auch mit nur wenigen Mitgliedern.
Es gibt sogar eine Internetseite, die Buttons und T-Shirts „Riv Slussen“ (Reißt Slussen ab) verkauft.

Das klingt alles krass, aber mir geht es sehr ähnlich. Die Leute, die Slussen erhalten wollen, können mir ehrlich gesagt gestohlen bleiben – wo waren sie denn, als Slussen zu dieser Katastrophe zerfiel? Man hätte erhalten müssen, als es noch etwas erhaltenswertes gab. Slussen ist keine gotische Kirche, sondern ein verrottender Betonklotz.

Die Stockholmer Verkehrspolitik ist gekennzeichnet durch verschlafenes Vorgehen. Es wird etwas getan, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Slussen hatte schon längst umgebaut werden müssen, nicht erst jetzt. Jeden Tag stauen sich die Autos auf der Essingeleden, aber die Umgehungsstraße um Stockholm ist noch nicht einmal im Bau. Weite Teile der Region sind nur über Busse angebunden und wachsen schnell, aber ein S-Bahn-Netz, das diesen Namen verdienen würde, ist noch nicht einmal in Planung.

Ich hoffe, die Stockholmer Politik ist bald so gnädig, endlich mal Gas zu geben und den Umbau zu beschließen. Heute wird jedenfalls ein neuer Vorschlag vorgelegt, der den Hauptkritikpunkt der eingeschränkten Aussicht auf das Wasser beheben soll. Der ganz große Wurf wird das alles vielleicht nicht werden. Hauptsache, es passiert endlich etwas.

Getestet: Ubuntu 11.04

Bislang hatte ich recht großes Vertrauen in Ubuntu. Die letzten beiden Versionswechsel funktionierten gut, und so dachte ich mir, ich wechsele gleich am ersten Tag auf die neue Version 11.04. Dass man die bisher Netbooks vorbehaltene Oberfläche „Unity“ nun als Standard einsetzen würde, war mir bekannt. Ich kannte sie schon von einem Netbook und fand sie, nun ja, gewöhnungsbedürftig, aber nicht aussichtslos. Im Gegensatz zu vielen sehr dogmatischen Zeitgenossen zählt für mich in erster Linie, dass ich damit leben kann und dass es funktioniert. Da ich schon mit der DOS-Shell unter MS-DOS 5.0 leben konnte, bin ich recht flexibel.

Das normale GNOME, bisher die Oberfläche von Ubuntu, kommt mir ein bisschen wie eine Kopie von MacOS X vor: eine Leiste oben mit Schnellstartsymbolen, Uhr usw. Eine Leiste unten mit den Programmen. Unity macht die Leiste unten weg und verwendet die obere für Menüs und derlei Dinge. Laufende Programme und Programmstarter sind in einer ausfahrbaren Leiste links untergebracht.

Das Upgrade an sich ging reibungslos. Nach dem Neustart ging es aber los:

  • Skype konnte sich beim automatischen Start nicht mehr im Tray rechts oben platzieren. Ich musste es aus den Startprogrammen herausnehmen und von Hand starten.
  • Die Programmsuche ist nur dann gut benutzbar, wenn man weiß, wie das Programm genau heißt. Die Rubrikenaufteilung vorher war weitaus praktischer. Die Programmsuche ist zum Eintippen, was den Wechsel von Maus zu Tastatur erfordert. Nicht gerade bequem.
  • Zudem ist die Programmsuche etwas holprig langsam.
  • Bisher ist das alles noch erträglich. Dann starte ich aber Picasa. Dabei handelt es sich um ein Windows-Programm, das mit ein paar Tricks über den Windows-Emulator Wine läuft. Kurz danach bleibt das System komplett hängen.
  • Mir fällt auf, dass mir ein ziemlich langes Bootmenü präsentiert wird, das erst nach 10 Sekunden das System startet. Ich hoffe, dass das nur am Crash liegt.
  • Der Picasa-Start führt erneut zum Crash.
  • Also starte ich nochmal neu und benutze das System einfach mal so. Es nervt etwas, dass die Dockingleiste links schon nach wenigen Sekunden wieder verschwindet, wenn man nichts auf ihr anklickt. Ansonsten geht es aber. Ich kann sogar der Tatsache etwas abgewinnen, dass man jetzt noch mehr Arbeitsplatz auf dem Bildschirm hat. Nach einer Weile bleibt das System beim Start eines Films wieder hängen.
  • Also nochmal Neustart. Ich vertraue der alten Windows-Devise, dass sich grobe Probleme schon von selbst einpendeln, solange man das System nur ein paar mal regulär gestartet und beendet hat.
  • Ich finde heraus, dass man einen Konfigurationsmanager namens Compiz (ccml) installieren muss, wenn man etwas gegen das wegklappende Menü links tun will. Wieso ist das nicht gleich mitinstalliert? Und wieso hat es so einen kryptischen Namen? Ich aktiviere KDE-Kompatibilität. Die Leiste oben wird zu einem undefinierbaren Etwas. Funktioniert zwar noch, aber man sieht nichts mehr. Kurz darauf steht das System wieder.
  • Beim nächsten Neustart entscheide ich mich für das Profil „Ubuntu Classic“. Apropos Classic: schon früher hatte ich immer mal wieder das Problem, dass das Design der Menüs sich plötzlich umstellte und dann ein sehr altbacken wirkendes Layout erschien. Unter Gnome Standard war das selten, unter Unity ist es bei den paar Versuchen mehrfach gewesen.
  • „Ubuntu Classic“ ist zum Glück genau das, was ich vor dem Update auch hatte. Zwar besteht immer noch ein Problem mit Skype, und der Browser Chromium wird auch nicht mehr ganz so gut dargestellt. Aber ansonsten sieht es ganz gut aus. Zumindest stürzt es nicht ständig ab.

Dabei bleibt es für’s erste auch. Ich kann nur hoffen, dass Unity bald auf einen benutzbaren Stand gebracht wird. Es kann schonmal nicht sein, dass man die Einstellungen für die Oberfläche selbst nachinstallieren muss. Viel schwerer wiegt aber die Instabilität. In dem Zustand ist es zumindest auf meinem Rechner unzumutbar. Das lässt mich wenig hoffnungsvoll in den Herbst blicken, denn in der nächsten Version soll die Classic-Variante verschwinden. Bleiben also 6 Monate, um Kinderkrankheiten zu beheben.

Das royale Großereignis morgen: Grattis Kungen – Carl XVI. Gustaf wird 65

Es wird ihm nicht ganz unrecht sein: es schauen alle nach London und keiner zu ihm. König Carl XVI. Gustaf wird morgen 65, und im Gegensatz zu 2006 erzeugt das nicht viel Interesse bislang.

Das wird sich vielleicht noch ändern, aber man kann auch ahnen, dass er angesichts der aktuellen Situation auch nicht allzu große Wellen machen will. Denn im Gegensatz zur britischen Monarchie haben die schwedischen Royals nach wie vor ein Popularitätsproblem. Die Popularität nach dem Skandalbuch im letzten Jahr sind die Umfragewerte noch schlechter als nach dem peinlichen Ausrutscher 2004 in Brunei. Der Schub letztes Jahr nach der Hochzeit war wohl nur ein Zwischenhoch.

In der jetzigen Lage scheint es so, dass die schwedische diejenige unter den europäischen Monarchien ist, deren Abschaffung zu unseren Lebzeiten Realität werden kann. Die stark säkularisierte und prinzipientreue Gesellschaft wird den Spagat zwischen eigenem Anspruch und Wirklichkeit nicht beliebig lange aushalten können.

Das mag sich alles ändern, wenn der König einmal abtritt. Das hat er nicht vor, auch wenn er morgen das Pensionsalter erreicht hat. Die Dagens Nyheter waren zumindest so nett und haben den Artikel zum Thema heute nicht online gestellt. Eine Diskussion darum kann dem Königshaus nicht wirklich recht sein. Sie wird früher oder später trotzdem kommen.

Und vorerst im Hochzeitsfieber des heutigen Tages untergehen – gleich geht es schließlich los.

Der langsame Tod von StudiVZ

Sag's mit Torte(ngrafik): StudiVZ ist am Ende

Für Internetheinis wie mich ist es nicht gerade Breaking News: der ehemalige Shooting Star StudiVZ (alias MeinVZ alias SchülerVZ alles VZ-Netzwerke) ist auf dem absteigenden Ast.

Die allererste Version war schon ein Abklatsch von Facebook: StudiVZ war rot, Facebook war blau – ansonsten alles gleich. Das funktionierte nur, weil Facebook in deutschen Landen damals unbekannt war. Seither kam bei VZ wenig Neues, bei Facebook dafür umso mehr.

Ich meldete mich bei beidem an – zu der Zeit war ich schon in Schweden, und hier war Facebook schon viel früher in Mode. In der Zwischenzeit ist die Welle schon lange auch nach Deutschland übergeschwappt, und man fragt sich, wieso sich die ganzen VZ und so obskure Portale wie Wer-Kennt-Wen nicht gleich selbst begraben, um den Prozess zu beschleunigen.

Zwar habe ich nicht vor, bei StudiVZ meinen Account aufzulösen. Aber die entscheidende Frage war für mich, ob Facebook mittlerweile komplett deckungsgleich ist, oder konkret: wieviele meiner StudiVZ-Freunde sind mittlerweile bei Facebook?

Also habe ich das erhoben. Natürlich gibt es hier Unsicherheiten, denn so mancher StudiVZ-Freund mag vielleicht unter anderem Namen bei Facebook sein. Es mag auch einige Leute geben, die StudiVZ ganz verlassen haben und somit nur noch bei Facebook anzutreffen sind. Die ermittelte Anzahl der Umsteiger ist also anzunehmenderweise zu niedrig.

Das Ergebnis ist in jedem Fall beeindruckend: 90 von 117 StudiVZ-Freunden sind definitiv bei Facebook, was ganzen 77 % entspricht. Von den anderen 27 gibt es nicht viele, die bei StudiVZ übermäßig aktiv sind. Abzüglich irgendwelcher Karteileichen wird es vielleicht noch ein Dutzend sein, die den Umzug noch nicht getätigt haben.

Ein eindeutiges Bild, und das zurecht – selbst wenn man Facebook nicht sonderlich mag, so ist doch klar zu sagen, dass es technisch in jeder Hinsicht der vermeintlichen Konkurrenz haushoch überlegen sind. Letzten Endes wird das Scheitern der Konkurrenten in deren eigener Unzulänglichkeit begründet sein.

Leider ist damit auch wieder ein Trend zu beobachten, den das Internet schon lange zeigt: Zentralisierung. Es gab früher auch andere Suchmaschinen als Google, andere Buchhändler als Amazon und andere Auktionsplattformen als Ebay. Doch gingen sie unter, und warum sollte das bei den sozialen Netzwerken anders sein.

Der Sommer ist da: Guter Wein, Vaxholm und übersäuerte Waden

Das schwedische Wetter ist wie ein Lichtschalter: es gibt nur an und aus, nichts dazwischen. War hier vor 4 Wochen noch Winter, hat man heute hochsommerliche Gefühle. Strahlender Sonnenschein und wolkenfreier Himmel.

Wir haben die Saison mit unseren neuen Sitzgarnitur auf dem bislang ungenutzten Balkon begonnen. Zwar ist der weder groß noch sonderlich schön, aber der Ausblick ganz in Ordnung. Mit leckerem Essen und einem Gläschen Wein lässt es sich gut aushalten.

Für unseren einzigen richtig freien Tag gestern haben wir uns für eine Radtour nach Vaxholm entschlossen. Dorthin sind es eigentlich nur ca. 15 km, aber dazwischen liegt Wasser, was den kürzesten Weg mit dem Auto ca. 60 km lang macht. Als Fahrradfahrer hat man freilich nichts von der Autobahn, so dass man den geografisch kürzesten Weg wählt: die 222 bis zum Strand nach Grisslinge, dann weiter auf der 274 Richtung Stenslätten. Das ist das nordwestliche Ende der Insel, auf der wir wohnen, gut 20 km von hier entfernt.

Ab dort fährt dann eine Autofähre nach Rindö, eine Insel, die schon zu Vaxholm gehört und die historisch bedeutend ist, weil sich dort Festungsanlagen befanden. Auch heute kann man noch eine Festung besichtigen. Die Insel ist aber auch sonst ungewöhnlich. Obwohl sie auch im Westen nur über eine Autofähre angebunden ist, wohnen rund 1000 Menschen auf ihr. Es gibt eine Buslinie, die einige Male am Tag fährt, eine Schule, einen kleinen Supermarkt und zwei Restaurants. Die Hauptstraße in der Mitte ist gut ausgebaut und verfügt sogar über weite Teile über einen Radweg. Die Westfähre verkehrt fast rund um die Uhr. Ein ziemlicher Kontrast zu vielen Schäreninseln, wo nur eine Handvoll Leute leben, Schotterpisten die Regel sind und ohne Boot fast nichts zu machen ist.

Kein Wunder also, dass man dort Ausbaupläne für eine Art Schärenstadt hat. Nebenan auf Vaxholm ist es auch schon ziemlich voll. Allerdings ist anscheinend kein Bau einer festen Straßenverbindung in Sicht.

Also fuhren wir Fähre an der Festung vorbei nach Vaxholm hinüber. Rund 33 km betrug die ganze Strecke (ein Weg, wohlgemerkt). Nach kurzem Spaziergang, Mittagessen und Eis ging es wieder zurück. Der Rückweg war freilich anstrengender, weil man schon spürt, wenn man solche Strecken nicht öfters fährt. Wir waren auch die einzigen, die auf die Idee kamen. Zwischen Grisslinge und Stenslätten begegneten wir praktisch keinen Radfahrern. Schade eigentlich, denn die Tour wäre es wert.

Nach insgesamt 8 Stunden waren wir wieder zurück. Hintern wund, Waden strapaziert – aber es hat sich gelohnt.

Die Wohnungsmarktrallye im Bild

Derzeit treiben mich die schwedischen Finanzen etwas um. Eine gute Gelegenheit, eine meiner Thesen zu überprüfen.

Mir erscheint der Crash deswegen annähernd unausweichlich, weil die Immobilienpreise schneller steigen als die Löhne. Irgendwann muss also der Punkt kommen, an dem sich der Bürger mit normalem Einkommen keine Immobilien mehr leisten kann. Immobilien finden keine Käufer mehr und der Markt kollabiert.

Das ist deswegen auch so kritisch, weil viele Leute in Schweden ihre Immobilien als eine Art Anlage mit Gewinngarantie kaufen. Sie gehen davon aus, dass der Wert ihrer Immobilien immer weiter steigt. Wenn man sie verkauft, streicht man also in jedem Fall einen Gewinn ein, ohne dass man mehr tun muss als die Zinsen zu bezahlen. Auf das Tilgen kann man verzichten. Wenn man so kalkuliert, kann man also viel höhere Kredite aufnehmen, denn es kommt ja nicht auf die Rückzahlung an. Die Banken tragen dieses Modell anscheinend auch mit. Nur wenn einmal der Verkaufswert sinken sollte, wird es problematisch.

Nun kann ich schlecht den genauen Bruchpunkt eines eventuellen Crashs vorhersagen. Aber einen Blick in das Verhältnis zwischen Löhnen und Immobilienpreisen wollte ich einmal werfen. Also habe ich die Verkaufspreisdaten von Mäklarstatik.segenommen und diese mit den Lohnangaben von ekonomifakta.se abgeglichen.

Das Ergebnis:

Immobilienpreise im Vergleich zu den Durchschnittslöhnen für den Zeitraum 1996-2009

Hier sieht man die Entwicklung der Löhne im Zeitraum 1996 bis 2009. Um einen Vergleich zu ermöglichen, habe ich einen Index verwendet, d.h. das Jahr 1996 hat bei allen Kurven den Wert 100. Wie man sieht, wachsen die Preise für Immobilien erheblich schneller. Vor allem bei Eigentumswohnungen gingen die Preise zwischen 2003 und 2007 durch die Decke.

Es bleiben für den Arbeitnehmer drei Möglichkeiten:

  1. Mehr arbeiten
  2. Mehr Kredit aufnehmen
  3. Kleinere Immobilien kaufen

Es wird wohl eine Mischung aus allem drei gewesen sein. Da man aber nicht in einer Schuhschachtel wohnen kann und auch nicht viermal soviel arbeiten, bietet der höhere Kredit den größten Spielarum. Glücklicherweise scheint die Kurve langsam abzuflachen, aber dass sie so lange stagniert, bis die Lohnentwicklung einigermaßen nachgezogen hat, scheint mir doch unwahrscheinlich.

Für mich bedeutet das letztendlich, dass ich extrem lange Zeiträume werde warten müssen, um einen Kredit unter Bedingungen aufnehmen zu können, wie ich sie mir wünsche.

PS: Wer sich fragt, was „K/T“ sein soll: das ist die Kaufsumme pro Taxierungswert. In Schweden wird für die steuerliche Veranlagung der Wert eines Haus taxiert. Der Taxierungswert (Taxeringsvärde) soll dabei 75% des Marktpreises betragen – allerdings werden Durchschnittspreise verwendet, die schon etwas älter sind. Der Wert ist also relativ stabil gegenüber kurzfristigen Ausreißern, wächst jedoch mittelfristig mit dem Markt mit. Ich würde daher annehmen, dass der Preisanstieg in der Grafik eher unterbewertet ist.

John Cleese in Stockholm – ein amüsanter Abend des Geldes wegen

Es ist ein bisschen so, wie wenn Paul McCartney ein neues Album veröffentlicht: er braucht nicht so zu tun, als sei es sein bestes. Er weiß, dass es das nicht ist und er hat die Größe, zu wissen, dass das auch gut so ist.

Wenn also John Cleese mit seinen 71 Jahren noch einmal die Bühne besteigt, dann braucht man nicht zu erwarten, dass der Flying Circus hier fortgeführt wird. Seine Motivation für die ganze Sache ist banal: seine Ex-Frau hat bei der Scheidung ganz unbescheiden Alimente von 20 Millionen Dollar (!) herausgeschlagen, und irgendwoher muss das Geld ja kommen. Mir ist zwar schleierhaft, welche nachvollziehbare Begründung es für diese irrwitzige Summe geben könnte, aber ein gute Sache hat es: es brachte einen der größten Komiker des 20. Jahrhunderts nach Stockholm.

Ich kann nicht behaupten, das Publikum hätte sich weggeschmissen vor Lachen. Darum geht es auch nicht, denn was Cleese präsentierte, war ein humorvoller Rückblick auf seine Karriere, beginnend mit seinem Elternhaus bis zu einem „Fisch namens Wanda“. Das war streckenweise amüsant und vor allem immer kurzweilig.

Wenn er in seinen Ausführungen abfällig über seine Frau spricht – was er auch nur anfangs tat – dann hat er natürlich keine ausgewogene Sicht darauf. Aber eine Frau, die 20 Mio. Dollar kassiert, muss diesen Spott ertragen. Wenn er über Marketing und BBC-Verantwortliche spricht, dann kann ich ihm in jedem Falle nur beipflichten: der Mut, eine unausgegorene Idee wie den Flying Circus ohne Konzept gleich mit 13 Folgen ins Programm zu nehmen, wäre heute nur noch selten zu finden.

Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass nicht nur 71 Jahre Lebenserfahrung sondern auch ein klarer Verstand hier Einsichten ergeben, zu denen ein Mario Barth nie fähig sein wird. Vielleicht ist es ganz gut, dass die Halle nicht einmal halb voll war. Diese Show war eher etwas für den interessierten Fan als für den unbedarften Zuschauer, der einen Gag nach dem anderen erwartet.

Als ich in der Zeitung davon las, dass Cleese in der Stadt ist und drei Abende auftreten wird, war ich fast panisch, weil ich befürchtete, keine Tickets mehr zu kriegen. Vermutlich hat der Artikel einige Zuschauer angelockt, aber die Gefahr des Ausverkaufs bestand wohl zu keiner Zeit. Als wir ankamen, hieß es, unsere Plätze – die billigsten mit eingeschränkter Sicht – wären geschlossen und wir sollten stattdessen in eine der Logen direkt an der Bühne sitzen. Wir bekamen also einen erstklassigen Blick.

Der Rest ist Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes. Cleese sprach viel über seine Eltern und Graham Chapman, der Ende der 1980er Jahr an Krebs verstarb. Seine frühe Karriere fand viel Beachtung sowie die Serie Fawlty Towers. Dafür verwandte er wenig Zeit auf den Flying Circus – was man natürlich als Fan der Serie etwas schade findet. Auch die späteren Jahre mit Ausnahme der berühmten Black-Knight-Szene aus Monty Python and the Holy Grail (im Deutschen bekannt unter dem albernen Namen „Die Ritter der Kokosnuss“) kamen nicht vor. Aber vielleicht ist es auch sein Wunsch, eben nicht nur immer der Cleese von Monty Python zu sein, sondern auch Beachtung für anderes findet. Alles, was nach „Ein Fisch namens Wanda“ kam, handelte er in einem 3-minütigen Videoclip ab. Das noch ähnlich breit zu besprechen hätte auch noch sehr lange gedauert.

Versprochen war ein „galen helafton med John Clesse“ („verrückter ganzer Abend mit John Cleese“). Letzten Endes waren es rund 90 Minuten, die sich gelohnt haben. Nicht weil der Abend wirklich verrückt gewesen wäre, sondern eher, weil man mit einem der ganz Großen seiner Zunft noch einmal auf das zurückblicken durfte, was schon vor 15 Jahren ein Kulturgut war.