Åland Halbmarathon 2010

Es ist zu einer Tradition geworden: jedes Jahr Ende Oktober geht es pünktlich zur Zeitumstellung nach Åland, um den wahrscheinlich langweiligsten Halbmarathon Skandinaviens zu bestreiten.
Was es mit diesen Inseln auf sich hat und warum der Lauf im Grunde so uninteressant ist, gibt es schon in meinen Berichten aus den Jahren 2007, 2008 und 2009 zu lesen.

Weltgeschichtliche Kuriosität, Exotik und (relativ) billiges Bier – da habe ich auch dieses Jahr nicht nein gesagt, wie auch meine Mitstreiter. Es waren dieses Jahr drei, wobei einer wie ich den Halbmarathon lief, einer den „Fun Run“ über 10 km, und einer als Unterstützer dabei war.

Also kehrten wir bei Akilles Taverna ein, dem mit Abstand besten griechischen Restaurant von ganz Grisslehamn. Nach 2 Stunden Fährfahrt, 40 km Autofahrt, dem obligatorischen Pastadinner ruhten wir im Hotell Adlon – wie der Name schon sagt, eine vorzügliche Adresse mit angeschlossener Pizzeria und Sportsbar.

Den Versuch, einen Vorsprung auf meine Wunschzeit herauszulaufen, um dann nachher davon zehren zu können, habe ich in den letzten Jahren mehrfach vergeblich unternommen. Am Schluss macht ein Krampf schnell mal jede Zeitplanung zunichte. Stattdessen habe ich beschlossen, etwas unter dem Limit zu laufen, um länger durchzuhalten.

Bis Kilometer 18 ging das auch ganz gut. Dann wurden die Beine sehr schwer und ich ging ein Stück. Als ich wieder laufen wollte, tat das Sprunggelenk mächtig weh, so dass ich nur noch kurze Abschnitte schaffte. Am Krampf bin ich zwar mehrfach vorbeigeschrammt, aber ich musste nie stehenbleiben. Immerhin.

Die Zeit war dennoch nicht berauschend: fast 2:30 Stunden und damit mein zweitschlechtester Halbmarathon überhaupt.

Dennoch bin ich nicht niedergeschlagen. Das Sprunggelenk wollte mir nämlich sagen, dass ich zuviel wiege, und damit hat es verdammt recht. Bei meiner aktuellen Fitness und Körperfülle kann ich froh sein, überhaupt durchgehalten zu haben. Ich hoffe nur, dass ich den Winter so trainierend überstehe, dass ich vielleicht doch noch einen Marathon im kommenden Jahr machen kann.

Mein Halbmarathonmitstreiter musste schon früh abbrechen, weswegen ich groteskerweise mit meiner Leistung unsere Fahne hochgehalten habe. Der 10-km-Lauf ging aber gut.

Nach einer umfänglichen Åland-Rundfahrt – mittlerweile habe ich sämtliche 4 Nationalstraßen durch – ging es mit der Fähre zurück. Auf der waren allem Anschein nach nicht viele Läufer, was auch die Verhältnisse beim Åland-Marathon widerspiegelt: zwar behauptet die Homepage steif und fest

Evenemanget har vuxit rejält de senaste åren.

also

Die Veranstaltung ist in den letzten Jahren unheimlich gewachsen.

Worin dieses Wachstum aber bestehen soll, ist fraglich. In den letzten 5 Jahren war die Veranstaltung mindestens genauso groß, wenn nicht sogar größer: jeweils 200 Läufer bei Marathon und Halbmarathon, zuzüglich ca. 40 Läufer beim Fun Run.

Andreas vom Läuferblog „Spring, för faaan!“ begeisterte es jedenfalls so sehr, dass er in Anlehnung an Kennedy schreibt: „Ich bin ein Mariehamner“. Das Gefühl habe ich mittlerweile auch, denn nach 4 Teilnahmen bei dem Lauf kenne ich die Innenstadt Mariehamns hinreichend, und es beschleicht mich leider die Ahnung, dass es auf der Hauptinsel Ålands nicht viel mehr zu sehen gibt – zumindest nicht zu dieser Jahreszeit. Nächstes Jahr wird es wohl eine Kirchentour werden, um Fotos der schönen Åländer Kirchen zu schießen.

Ein paar Fotos hat Andreas auch online gestellt.
Apropos Fotos: Danke an die Unterstützer für Bilder und Streckenrandmotivation!

Stockholm, Stockholm, wir fahren nach Stockholm

Nach durchwachsenen Partien in der schwedischen Erstliga „Allsvenskan“ wollten wir uns mal ein echtes Highlight geben: Pokalhalbfinale, und das Losglück brachte die Partie nach Stockholm.

Es spielte für uns Hammarby IF aus dem gleichnamigen Stockholmer Stadtteil, der der beste Verein von, nun ja, ganz Hammarby ist. Traditionell der kleinste der drei großen Stockholmer Vereine mit nur einem Meistertitel bislang ist „Bajen“, wie sie genannt werden, letztes Jahr in die zweite Liga abgestiegen. Da sind sie immer noch, denn von einem Aufstiegsplatz können sie nur träumen.

Wie das aber so ist: der Pokal hat seine eigenen Gesetze (Pling! 10 Kronen ins Phrasenschwein).

Nach zwei formidablen 3:1-Siegen gegen Trelleborg und Elfsborg wurde es für die Spieler gegen die Brommapojkarna, eine akute abstiegsgefährdete Erstligamannschaft aus dem Nordwesten der Stadt, schwierig: 2:2 nach Verlängerung, und auch das Elfmeterschießen wurde erst mit 7:6 entschieden.

Der Fall gegen Kalmar schien klar: die sind Siebte in der ersten Liga und haben noch rechnerische Chancen, in den Europa-League-Bereich vorzudringen. Da würde Hammarby verlieren. Zeitweise war Kalmar in der Tat besser, aber nach einer starken Phase in der ersten Halbzeit stand es 2:0. Hammarbys Fans konnten schon frohlocken.
Dann aber ein böser Fauxpas. Ein Spieler von Hammarby blieb verletzt liegen, der Schiedsrichter sah es nicht und auch nicht der direkt daneben stehende Linienrichter. Er pfiff nicht ab, und schon war es passiert: 2:1. Es folgt eine sehr nervöse Phase von Bajen. Nach regulärer Spielzeit stand es 2:2, und auch die Verlängerung konnte nichts daran ändern.

Beim Elfmeterschießen zeigten beide Mannschaften schwache Nerven: auf beiden Seiten gingen 2 Schüsse daneben. Dann in der 6. Runde traf Hammarby und Kalmar verschoss. Hammarby im Finale, Kalmar am Boden.

Ich muss sagen, nach dem langweiligen Gegurke, das ich bei AIK und Djurgården betrachten durfte, war das Spiel eine Wohltat. Die Stimmung war auch gut. Leider ist wohl zu befürchten, dass das mehr der Pokaleffekt ist. Auf der anderen Seite: die Tickets bei Hammarby sind billig.
Das geringe Interesse finde ich erstaunlich. Obwohl es bei diesem Wettbewerb einen Europa-League-Platz zu holen gibt, war das Stadion nicht voll, und das Spiel wurde auch nicht im Fernsehen übertragen.

Mittlerweile ist auch entschieden, wie es weitergeht. Im anderen Halbfinale hat Helsingborg den Verein aus Mjällby mit 2:0 besiegt. Das Finale wurde als Heimbegegnung für Hammarby zugelost, denn im Gegensatz zu Deutschland gibt es keinen festen Austragungsort. Also ist das Finale in Stockholm – prima!

Der Gegner ist allerdings eine harte Nuss: Helsingborg ist Tabellenzweiter mit besten Chancen auf die Meisterschaft. Sollten sie Meister werden, wäre Hammarby auf alle Fälle in der Europa League. Das wäre natürlich eine feine Sache, auch wenn europäische Wettbewerbe meist bedeuten, dass die schwedischen Mannschaften spätestens in der zweiten Runde gegen den moldawischen Meister oder so rausfliegen.

Gewinnt Hammarby hingegen die Partie – wovon ich natürlich fest ausgehe – dann ist der Platz auf alle Fälle sicher. Man könnte glatt Fan werden…

Wenn Journalisten langweilig wird

Was macht man, wenn eine neue Staffel einer Sendung anläuft, die sich erhebliche Verdienste für den Untergang des Abendlandes erworben hat?
Genau: man versucht zu erklären, wieso die Menschen diesen Unsinn sehen wollen.

Mal lustig

Der SPIEGEL verrät, warum 'Bauer sucht Frau' so viel Erfolg hat; Ausriss: spiegel.de

mal weniger

Der Stern verrät, warum 'Bauer sucht Frau' so viel Erfolg hat; Ausriss: stern.de

Ähnlichkeiten sind sicher Zufall.

Leben auf der Überholspur

Ich sage Euch, liebe Leser: Woodstock war langweilig im Vergleich zu meinem Leben.

Gestern beispielsweise habe ich zwei Wagenheber gekauft. Ja: zwei. Das Wetter ist schon winterlich, und da wollte ich nicht mehr mit Sommerreifen herumfahren, auch wenn ich nächste Woche schon einen Termin zum Reifenwechseln ausgemacht hatte. Mit meinem familiären Hintergrund ist das eigentlich schon eine Frage des Stolzes. Daher traf es sich ganz gut, dass die Tankstelle einen Wagenheber (bis 3 Tonnen!) im Angebot für 30 € hatte. Da griff ich zu und fing an. Problem: das Gerät ist zu hoch. Kaum zu glauben, dass allen Ernstes ein Wagenheber verkauft wird, der nicht unter einen stinknormalen Golf passen will. Der Wagen stand etwas schräg – hinten ging es scheinbar besser, und so versuche ich es. Ergebnis: ein gewechseltes Rad, eine große Delle. Peinlich, und ein weiteres Problem: so konnte ich jetzt natürlich schlecht fahren. Also habe ich bei Biltema einen weiteren Wagenheber besorgt, Kostenpunkt 18 €. Der war zwar wiederum fast zu klein, aber es ging. Nun muss ich nur noch die Delle versorgen, was aber heute durch permanenten Regen vereitelt wird.

Dieser wiederum sorgt dafür, dass der Schnee wegschmilzt. Was die ganze Aktion ins Absurde führt.

Als wäre das noch nicht Aufregung genug, durfte ich gestern abend zum ersten Mal seit langem eine neue Linie fahren: die 53 mit prächtiger Aussicht zwischendrin. Wicked.

Und jetzt dieser verregnete Sonntag. Braucht jemand noch einen ziemlich hohen Wagenheber?

Betrug mit deutschen Autokennzeichen in Schweden

Ungültige Kennzeichen im schwedischen Straßenverkehr

Der größte Lump im ganzen Land ist bekanntermaßen der Denunziant. Dementsprechend habe ich mir überlegt, ob ich überhaupt etwas schreiben soll, aber es dreht sich nicht gerade um ein Kavaliersdelikt. Ich habe es auch mal der Zeitung gesteckt, damit sie der Sache nachgeht, aber die scheint nicht interessiert.

Ich bin es aber, denn was man oben sieht, geschieht mit System und ist nicht nur ein Fall von Steuerhinterziehung und Versicherungsbetrug, sondern auch eine potenzielle Gefährdung des Straßenverkehrs. Das wirklich Schlimme ist aber, dass dieses Auto mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in keiner Polizeikontrolle gestoppt würde. Diese laufen in Schweden nämlich immer gleich ab: Führerscheinkontrolle, Alkoholkontrolle, und während das abläuft, schaut der Kollege im Auto nach, ob das Auto gestohlen gemeldet wurde.

Bei dem oben gezeigten Auto ist das aber wohl nicht so, denn es war nie angemeldet und kann daher kaum auffallen. Die Stelle, wo die Registrierungsplakette sitzen müsste, ist noch komplett jungfräulich. Mit anderen Worten: das Kennzeichen wurde offenkundig allein zum Zweck beschafft, damit illegal in Schweden herumzufahren.

Nun wäre das nicht schlimm, wenn es ein Einzelfall wäre. In den 5 Jahren hier sind mir immer wieder Autos mit ungültigen deutschen Kennzeichen aufgefallen. Meistens standen sie aber vor einem Autohändler herum, an dem ich jeden Tag vorbeikomme. Wenn die mit ihren entstempelten Schildern mal ein paar Meter bewegt werden – geschenkt. Aber im letzten halben Jahr habe ich mehrfache Fälle wie den oben abgebildeten gesehen, die sich ganz normal im Straßenverkehr bewegten.

Das lässt nur den Schluss zu, dass dahinter eine Menge krimineller Energie steckt. Die Polizei tut anscheinend nichts dagegen, oder kann vielmehr nichts tun, weil sie die ungültigen Schilder erst gar nicht erkennt. Ich kann nur hoffen, dass diese Autos nicht in Unfälle verwickelt sind.

Alles Schall und Rauch oder wie man sich die Medienwelt zurechtbiegt

Google Reader ist eine praktische Erfindung: man abonniert Blogs und ist so über alles, was dort publiziert wird, informiert. Man sagt der Blogosphäre nach, dass sie den Bürgerjournalismus zum Durchbruch verholfen hat. Nicht nur etablierte Medien finden Gehör, sondern auch alternative Publikationen, so dass kein Meinungsmonopol entstehen kann. Das klingt in der Theorie gut, aber bedeutet auch, dass man mit allen Gewächsen dieser Möglichkeiten leben muss.

Ein solches ist „Alles Schall und Rauch“. Man könnte es als Zentralorgan der Verschwörungstheorie bezeichnen und läge damit wohl gar nicht mal so falsch. Die Themenpalette ist im Wesentlichen USA, Israel, 9/11 was an inside job, Israel, Bilderberg regiert die Welt, Palästina, Welt geht unter, 9/11, Klimawandel ist Blödsinn, usw. usf.

Also nicht gerade meine Baustelle, um es mal milde auszudrücken. Aber man soll ja auch Offenheit bewahren, und dazwischen finden sich auch immer mal wieder interessante Dinge, wie z.B. eine Liveübertragung von den Protesten gegen Stuttgart 21.

Traurig wird die Geschichte aber irgendwo dann, wenn die vermeintlichen Aufklärer an ihren eigenen Standards scheitern. Damit meine ich nicht, dass diese Leute gar keine unabhängige 9/11-Untersuchung wollen, sondern eine, die genau das sagt, was sie ohnehin zu wissen glauben.

Ich meine damit, dass in dem Milieu so ziemlich alles, was durch etablierte Medien verbreitet wird, von vorneherein suspekt, um nicht zu sagen falsch, ist. Wenn die Medien aber ausnahmsweise mal das berichten, was gerne gehört wird, ist es anscheinend die pure Wahrheit.

Gestern erschien so eine Geschichte: Krebs ist eine moderne Krankheit.

Die Quelle des Blogeintrags ist nicht genannt, aber man braucht nicht lange nach ihr zu suchen. Es ist dieser Artikel der zweitgrößten britischen Tageszeitung Daily Mail. Da sagen die zwei Wissenschaftler Rosalie David und Michael Zimmerman, derzeit tätig an der Universität Manchester, mit einer bemerkenswerten Deutlichkeit: Krebs ist das Werk des Menschen, ein Produkt der Industriegesellschaft.

Bemerkenswert deswegen, weil mir der Artikel der beiden vorliegt, den sie diesen Monat in Nature Reviews Cancer veröffentlicht haben, dem Ableger der höchst angesehenen Zeitschrift Nature für die Krebsforschung.

Der Titel des Artikels von David und Zimmerman lautet:

Cancer: an old disease, a new disease or something in between?

zu deutsch:

Krebs: eine alte Krankheit, eine neue Krankheit oder etwas dazwischen?

Bei der Fragestellung bleibt es über weite Strecken auch. Der Artikel stellt eine Art Zusammenfassung des Forschungsstandes dar: die Seltenheit von Krebs in Fossilien und Mumien mit einem Durchgang verschiedener Erklärungsansätze und einer Reihe von etablierten Fakten.

Nur: die Behauptung, Krebs sei „purely man-made“, sucht man vergebens.

Stattdessen liest man beispielsweise

Im Allgemeinen unterstützt die Seltenheit von Krebs in den ältesten sterblichen Überresten die Theorie, dass das Sterbealter, die Ernäherung und Umweltfaktoren die Häufigkeit von Krebs in Menschen erheblich beeinflussen. Allerdings gehören die Einschränkungen der Diagnosemethoden, die von frühen Forschern verwendet wurden, und die unzureichende Datengrundlage zur Ermittlung einer zuverlässigen Krebshäufigkeit zu den andere möglichen Faktoren zur Erklärung dieses Fehlens von Beweisen.
(Generally, the scarcity of cancer in the earliest remains supports the theory that age at death, diet and environmental factors substantially influence the incidence of cancer in humans. However, other possible factors to explain this lack of evidence include the limitations of the diagnostic methods used by early investigators to study these remains, and the insufficiency of data to provide a reliable rate of cancer incidence.)

oder

Es muss auch daran erinnert werden, dass in modernen Gesellschaften Knochentumore vorwiegend die Jungen betreffen, so dass ein ähnliches Muster in antiken Gesellschaften zu erwarten wäre. Deshalb könnte die Seltenheit von Tumoren in antiken Gesellschaften ein Ergebnis anderer Faktoren als der Lebenserwartung sein.
(It must also be remembered that, in modern populations, tumours arising in bone primarily affect the young, so a similar pattern would be expected in ancient populations. Therefore, the rarity of tumours in ancient populations could be a result of factors other than life expectancy.)

In der Zusammenfassung heißt es schlicht

Es ist zu hoffen, dass Forschung in der Paläopathologie zur Aufklärung der Krankheitsentstehung von Krebs beitragen werden. Die Veröffentlichung der ersten histologischen Krebsdiagnose in einer ägyptischen Mumie ist ein Schritt auf diesem Weg. Trotz der Tatsache, dass andere Erklärungen wie die unzureichenden Techniken zur Krankheitsdiagnose ausgeschlossen werden können, legen die verfügbaren paläopathologischen und literarischen Beweise die Seltenheit von bösartigen Tumoren in der Antike nahe. Dies könnte mit der Verbreitung von Karzinogenen in modernen Gesellschaften zusammenhängen.
(It is hoped that research in palaeopath­ology will contribute to the elucidation of the pathogenesis of cancer. The publication of the first histological diagnosis of cancer in an Egyptian mummy is one step along the way. Despite the fact that other explanations, such as inadequate techniques of disease diagnosis, cannot be ruled out, the rarity of malignancies in antiquity is strongly suggested by the available palaeopathological and literary evidence. This might be related to the prevalence of carcinogens in modern societies.)

Es gibt also allerhand, was darauf hindeutet, aber die Forscher sind weit davon entfernt, ein abschließendes Urteil zu fällen.

Wie man das eben als Wissenschaftler sagt, der seine Datenlage einer kritischen Betrachtung unterzieht und auf deren Basis Schlüsse zieht. Was da in der Daily Mail steht, ist also entweder in einem Anfall von Sensationslust der beiden Wissenschaftler entstanden, oder Fiona Macrae von der Zeitung gingen einfach die Pferde durch beim Schreiben – beides nicht gerade schmeichelhaft für die Zeitung.

Soweit hat aber weder der Schreiber bei „Alles Schall und Rauch“ gegraben noch irgendeiner der Kommentatoren zum Artikel. Der Nature-Artikel ist zwar nur für Abonnenten (z.B. über Universitätsbibliotheken) in voller Länge erhältlich, aber auch am Abstract hätte man erkennen können, dass der Fall keineswegs so sonnenklar ist. Also habe ich kommentiert, um darauf hinzuweisen. Weil es in den Spielregeln zu den Kommentaren heißt, dass auch mal etwas verloren geht, habe ich den Kommentar später noch einmal neu formuliert abgeschickt, als der erste nicht erschien.

Zur Stunde ist keiner der beiden veröffentlicht. Da in der Zwischenzeit einige andere erschienen sind, ist wohl davon auszugehen, dass da nichts mehr kommen wird.
Im Kopf der Seite heißt es:

Es ist die Pflicht eines jeden Menschen immer gut informiert zu sein, damit man die richtigen Entscheidungen treffen kann

Offenkundig sind aber nur bestimmte Informationen genehm.

Schwedenwochen bei SWR2

In den letzten Monaten gab es eine kleine Häufung von schwedenbezogenen Themen bei SWR2. Die Podcasts dürften für interessierte Kreise hörenswert sein. Hier eine Zusammenstellung:

  • IKEA möbelt auf – Eine Weltfirma und ihr Image: eine interessante Reportage über IKEA und dessen Gründer Ingvar Kamprad. Es geht u.a. auch über sein nicht zu zerstörendes Image in Schweden, obwohl IKEA heute nur noch zu Teilen in Schweden sitzt und ansonsten ein undurchsichtiges Geflecht aus Stiftungen in steuerlich billigeren Ländern ist und Kamprad selbst seit Jahrzehnten in der Schweiz wohnt – wenn auch nicht gerade im steuerlich günstigsten Teil, wie man der Fairness halber anmerken sollte.
  • Selma Lagerlöf – Dichterin des Nordens: ein Feature über die Nobelpreisträgerin, die eine von Schwedens größten Schriftstellern ist. Dem Durchschnittsschweden dürfte sie trotzdem in erster Linie wegen Nils Holgersson und ihrer Abbildung auf dem 20-Kronen-Schein bekannt sein, der deswegen auch Selman genannt wir. Dort findet sich aber auch ein Hinweis auf ihre anderen literarischen Leistungen, nämdlich der legendäre erste Satz aus „Gösta Berling“: „Endlich stand der Pfarrer auf der Kanzel.“
  • Morden im Norden – Das Geheimnis der Schwedenkrimis: dieses Feature geht der Frage nach, wieso Krimis ausgerechnet aus dem Land so gerne gelesen werden, das sonst als pure Idylle gesehen wird. U.a. wird auch auf das Bullerbü-Syndrom eingegangen.

Abmahnung vom Spammer

Wenn du glaubst, es kommt nichts mehr…

Gestern fand ich folgende Mail in meinem Spamordner vor:

Guten Tag,

in obiger Angelegenheit zeigen wir die anwaltliche Vertretung und Interessenwahrung der Firma Videorama GmbH,
Munchener Str. 63, 45145 Essen, an.

Gegenstand unserer Beauftragung ist eine von Ihrem Internetanschluss aus im sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerk
begangene Urheberrechtsverletzung an Werken unseres Mandanten. Unser Mandant ist Inhaber der ausschliesslichen
Nutzungs- und Verwertungsrechte im Sinne der §§ 15ff UrhG bzw. § 31 UrhG an diesen Werken, bei denen es sich um
geschutzte Werke nach § 2 Abs 1 Nr. 1 UrhG handelt.

Durch das Herunterladen urherberrechtlich geschutzer Werke haben sie sich laut § 106 Abs 1 UrhG i.V. mit
§§ 15,17,19 Abs. 2 pp UrhG nachweislich strafbar gemacht.
Bei ihrem Internetanschluss sind mehrere Downloads von musikalischen Werken dokumentiert worden.

Aufgrund dieser Daten wurde bei der zustandigen Staatsanwaltschaft am Firmensitz unseres Mandanten Strafanzeige
gegen Sie gestellt.

Aktenzeichen: 350 Js 483/10 Sta Essen

Ihre IP Adresse zum Tatzeitpunkt: 84.190.31.155

Ihre E-Mail Adresse: webmaster@fabian-seitz.de

Illegal heruntergeladene musikalische Stucke (mp3): 13

Illegal hochgeladene musikalische Stucke (mp3): 21

Wie Sie vielleicht schon aus den Medien mitbekommen haben, werden heutzutage Urheberrechtverletzungen
erfolgreich vor Gerichten verteidigt, was in der Regel zu einer hohen Geldstrafe sowie Gerichtskosten fuhrt.
Link: Urheberrecht: Magdeburger muss 3000 Euro Schadensersatz zahlen

Genau aus diesem Grund unterbreitet unsere Kanzlei ihnen nun folgendes Angebot:
Um weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und anderen offiziellen Unannehmlichkeiten wie Hausdurchsuchungen,
Gerichtsterminen aus dem Weg zu gehen, gestatten wir ihnen den Schadensersatzanspruch unseres Mandanten
aussergerichtlich zu loesen.
Wir bitten Sie deshalb den Schadensersatzanspruch von 100 Euro bis zum 18.10.2010 sicher und unkompliziert
mit einer UKASH-Karte zu bezahlen. Eine Ukash ist die sicherste Bezahlmethode im Internet und
fur Jedermann anonym an Tankstellen, Kiosken etc. zu erwerben.
Weitere Informationen zum Ukash-Verfahren erhalten Sie unter: http://www.ukash.com/de
Senden Sie uns den 19-stelligen Pin-Code der 100 Euro Ukash an folgende E-Mailadresse zahlung@rechtsanwalt-giese.info

Geben Sie bei Ihre Zahlung bitte ihr Aktenzeichen an!

Sollten sie diesen Bezahlvorgang ablehnen bzw. wir bis zur angesetzten Frist keinen 19- stelligen
Ukash PIN-Code im Wert von 100 Euro erhalten haben, wird der Schadensersatzanspruch offiziell
aufrecht erhalten und das Ermittlungsverfahren mit allen Konsequenzen wird eingeleitet. Sie erhalten
dieses Schreiben daraufhin nochmals auf dem normalen Postweg.

Hochachtungsvoll,
Rechtsanwalt Florian Giese

Ich will nicht sagen, dass ich geschluckt hätte – Musikstücke heruntergeladen habe ich sicherlich nicht, und selbst wenn, dann doch bestimmt nicht von der Videorama GmbH, einer Pornoproduktionsfirma. Insofern ist das schonmal entwarnend. Auch dass die angegebene IP eine von der Deutschen Telekom in Berlin ist, gibt Sicherheit.

Trotzdem ist das natürlich eine neue Form der Dreistigkeit, die dem oft verunsicherten Internetsurfer dieser Tage noch mehr aufbürdet. Ich meine, wenn solche Possen passieren, dann scheint irgendwann alles möglich, so absurd es auch sei.

Insofern kann man nur inständig hoffen, dass niemand auf diese plumpe Nummer reinfällt. Das Geld ist auf die in der Mail beschriebenen Art natürlich für immer weg – zumindest kann man schwer davon ausgehen. Wer die bereits genannten Fakten nicht recherchiert hat oder recherchieren konnte, dem fällt hoffentlich auf, dass der Ton nach dem sehr seriösen Anfang doch etwas salopp wird und am Ende regelrecht für dieses Ukash-Verfahren geworben wird. Dieses Verfahren scheint wie z.B. Western-Union-Geldtransfers eine Einbahnstraße zu sein. Die Gegenseite muss nur einen bestimmten Code wissen, und schon ist das Gegenteil Geld zu einer anonymen Gegenstelle überwiesen und damit für immer verschwunden. Eine beliebte Betrügermasche.

Also: ernstzunehmende Abmahner (von „seriös“ will ich in diesen Zeiten sowieso nicht mehr sprechen) schreiben Briefe und keine Mails. Vor allem aber haben sie eine Bankverbindung und eine Postadresse.

Den Rechtsanwalt Giese gibt es übrigens wirklich. Er sitzt in Hamburg und vertritt höchstwahrscheinlich keine Spammer, denn er warnt auf seiner Homepage ausdrücklich vor diesen Betrugsmails. Die oben genannte .info-Adresse ist ein Replikat seiner Seite, worauf allerdings alle Links tot sind.

Sinnigerweise ist es ausgerechnet Giese, der in diesem Fall wirklich Schadensersatz fordern könnte – denn was diese Spambetrüger tun, kann man wohl getrost als rufschädigend bezeichnen. Er hat auch schon Strafanzeige gestellt. Dass man den Missetätern habhaft werden kann, darf wohl bezweifelt werden.

Nämdö

Es ist eigentlich ein Jammer: da wohnt man schon praktisch mitten in den Schären, aber selbst nach 5 Jahren ist die Liste besuchter Inseln noch sehr kurz: Grinda, Sandhamn, Ålö, Utö und Finnhamn waren bislang die einzigen „richtigen“ Schäreninseln, die ich besucht habe. Daher habe ich letztes Wochenende einmal zum Anlass genommen, die Insel Nämdö zu besuchen und dabei auch gleich noch ein bisschen für openstreetmap.org zu kartografieren.

Die Insel ist deutlich größer als Sandhamn oder Grinda. Wir haben es in ein paar Stunden nur einmal bis zum anderen Ende geschafft, mussten aber einen Informationspfad zur anderen Seite auslassen. Wie Sandhamn vor einem Jahr war Nämdö eine kleine Überraschung. Es gibt nicht nur ein paar Häuschen, sondern auch eine Menge Infrastruktur. An einem Haus war ein abendlicher Pub angekündigt. An einer Anlegestelle gab es ein Café und einen voll ausgestatteten Supermarkt, der auch noch als Agentur für Systembolaget und die Apotheke diente. Wenn man also rechtzeitig bescheid sagt, kann man dort wohl alkoholische Getränke und Medikamente abholen.

Auch sonst gab es erstaunliches. Nämdö hat eine Schule, in die vermutlich die Grundschulkinder der umliegenden Inseln gehen. Eine Kirche gibt es ebenso, aber dort finden nur alle paar Wochen Gottesdienste statt. Fehlt eigentlich nur noch ein Arzt, dann ist das Dorf komplett.

Die Insel erinnert daran, wie lange die Besiedlung der Schären zurückgeht und wie man die Infrastruktur zum Leben eingerichtet hat, weil alle größeren Ansiedlungen viel zu weit weg waren und teilweise immer noch sind. Fehlt eigentlich nur noch ein Arzt und vielleicht ein Ableger des Hemtjänst, dann wäre das der perfekte Alterswohnsitz.

Ich wusste zwar, dass die deutsche Gemeinde in Stockholm irgendwo ein Haus in den Schären hat, aber ich hatte mich nicht näher damit auseinandergesetzt. Wie sich herausstellte, befindet es sich auf Nämdö. Da wäre es glatt eine Überlegung, dort einmal ein Wochenende zu verbringen.