Zahlenspiele am Wochenende: die 40-Punkte-Faustregel

Bundesliga-Experten sagen nicht nur, dass der Ball rund ist und das Spiel 90 Minuten dauert, sondern sie postulieren auch, dass 40 Punkte für den Klassenerhalt reichen.

Diese Weisheit wird so oft kolportiert, dass ich mich schon öfters gefragt habe, ob das eine fundamentale mathematische Gewissheit ist oder eine simple Faustregel. Sprich: reichen die 40 Punkte immer oder einfach nur üblicherweise.

Rechnerisch ist das nicht so leicht zu bewerkstelligen – ein Mathematiker in dem Bereich kann das sicherlich ohne Probleme, aber ich jedenfalls nicht. Zudem kann man bei solchen Dingen schnell in falschen logischen Schlüssen landen. Aber man kann es immer mit etwas simplem Ausprobieren angehen.
Da ich heute ausnahmsweise etwas Zeit habe, dachte ich mir, ich lasse das einfach von einem simplen Programm machen.

Wie simpel es sein darf, ist dabei schwer zu beurteilen. Schließlich ist die Bundesliga nicht die Ziehung der Lottozahlen – bestimmte Spielausgänge sind wahrscheinlicher als andere. So wird eine Mannschaft, die eine halbe Saison nur verloren hat, nicht plötzlich anfangen, jedes Spiel zu gewinnen. Heimspiele werden eher gewonnen als Auswärtsspiele.

Dennoch wollte ich es erst einmal mit dem simpelstmöglichen Modell versuchen. Dieses sieht so aus:

  • Das Torverhältnis wird nicht beachtet. Schon alleine mit den drei Spielausgängen Gewonnen-Unentschieden-Verloren ist die Zahl der möglichen Saisonverläufe enorm. Eine Bundesligasaison hat 306 Spiele. Mit nur drei Spielausgängen landet man schon bei 3306 Möglichkeiten. Das entspricht ca. 10146
  • Bei Punktgleichheit bestimmt der Zufall die Platzierung.
  • Heimsieg, Auswärtssieg und Unentschieden sind gleich wahrscheinlich.

Ich ließ eine Million Saisons generieren mit einem recht guten Zufallsgenerator (für Programmierer: der libc-Zufallsgenerator stieß schon nach 8192 Saisons an seine Grenzen). Das dürfte auch in der Nähe dessen sein, was bei meiner technischen Lösung (PHP mit einer MySQL-Datenbank) überhaupt noch Sinn macht, denn alleine die Aufzeichnung der Endstände frisst so fast 1 Gigabyte Speicher. Zudem veränderten sich die Zahlen zum Schluss nur noch minimal – es müsste also eine ausreichende Stichprobe sein.

Das Ergebnis: in 80,7 % der Fälle reichten 40 Punkte für den Klassenerhalt. In diesem Szenario hat eine solche Leistung also eine sehr gute Chance – jedoch ist es keine Garantie, denn in knapp 20% der Fälle war mehr erforderlich. Es konnten sogar zwei Fälle gefunden werden, in denen 46 Punkte benötigt wurden. Diese zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass die ganze Liga sehr ausgeglichen war und eben nur drei Mannschaften deutlich schlechter aussahen.

Umgekehrt reichten im Schnitt 59,1 Punkte für die Meisterschaft aus. Ab 50,3 Punkte gab es einen UEFA-Cup-Platz, wobei aber bis zu 60 Punkte benötigt werden können.

Während die Durchschnitte und Wahrscheinlichkeiten eine Aussagekraft haben, sind die anderen Angaben nicht absolut. So mag es sein, dass unter den unzähligen Saisonverläufen auch einer ist, der mehr als 46 Punkte für den Klassenerhalt benötigt. Es ist sogar relativ einfach, so einen zu konstruieren: wenn jeder Verein der Liga jeweils 17 Spiele gewinnt und 17 verliert, dann haben alle Vereine der Liga 51 Punkte. Hier wären also nicht einmal 51 Punkte eine Garantie für den Nichtabstieg. Freilich ein rein theoretisches Beispiel.

Um etwas realistischere Werte zu bekommen, habe ich das Verfahren so abgeändert, dass 50% aller Spiele mit Heimsiegen enden, 25% mit Auswärtssiegen und 25% mit Unentschieden. Das ist nicht abwegig, denn laut Wikipedia waren in der Saison 07/08 ganze 46,7% aller Spiele Heimsiege, während jeweils rund ein Viertel der Spiele auf Auswärtssiege und Unentschieden entfielen.

Wenn man diese Verteilung berücksichtigt, sollte die Simulation also etwas realistischer werden. Allerdings lässt sie nach wie vor außer Acht, dass nicht jede Mannschaft eine gleich große Chance hat, einen Auswärtssieg zu erringen.

Wahrscheinlichkeit, mindestens Platz 15 zu erreichen in Abhängigkeit von der Punktzahl.

Dennoch sind die Ergebnisse interessant. Zum Einen steigen die jeweiligen Punktzahlen für die Plätze um einen Punkt an – was kein Wunder ist, weil Unentschieden erheblich seltener werden. Das betrifft auch die 40 Punkte. Sie reichen hier gerade einmal zu einer gut 50%igen Chance auf Klassenerhalt.

Dies widerspricht wiederum den Erfahrungen aus der Realität, die eher weniger als 40 Punkte nahelegen. Um solche Korrekturen anzubringen, braucht man also vermutlich mehr Details über Details und die Dynamik einer Bundesligasaison.

Der Schluss lautet also, dass 40 Punkte keineswegs eine Versicherung sind, aber in jedem Falle eine gute Chance geben.

Wie groß diese ist, ist freilich schwer zu bestimmen. Bis die Bundesliga 1 Million Saisons gespielt haben wird, kann man sich darüber Gedanken machen.

Raabs Melodifestivalen

Lernfähigkeit kommt manchmal unerwartet. Nachdem man beim NDR 5 Jahre lang zugeschaut hat, wie Deutschland jedes Mal in der unteren Hälfte des Feldes beim Eurovision Song Contest gelandet ist, sind nun alle voll des Lobes angesichts des derzeitig laufenden Versuches mit Stefan Raab.

Nicht nur, dass man doch tatsächlich den Leuten eine echte Wahl geben will, wer nach Oslo geschickt werden soll. Die Daten wirken sogar im Vergleich zu Schweden beeindrucken: 3 Tage länger für die Auswahl und 2 Shows mehr.

Das Konzept ist freilich ein anderes, und die geradezu utopischen Einschaltquoten in Schweden (30% der Gesamtbevölkerung) wird „Unser Star für Oslo“ nie im Leben erreichen. In jedem Fall aber ist es ein vielversprechender Ansatz.

Man kann wohl annehmen, dass Raabs Leute einen Blick nach Schweden geworfen haben. Vielleicht nehmen sie ja noch etwas anderes aus Schweden: wie ich gerade gelesen haben, hat eine schwedische Musikfirma einige Titel eingeschickt, von denen es vielleicht einer unter die 20 Titel in die Endrunde schafft.

Übrigens: diesen Samstag beginnt das diesjährige Melodifestivalen.

Frage

Eine Kollegin ist vermutlich gerade Mutter geworden. Auf den Seiten des Danderyds Sjukhuset und des Karolinska Sjukhuset kann man neugeborene Kinder im Bild sehen – „Webbisar“ nennt sich das dort.

Was ich mich nun frage: die neuesten Kinder in Danderyd heißen „Bebban2“ [sic!], „Pjutten“, „Tilde“, „Pojke“ und „Rockis“. Kommt es nur mir so vor, oder sind diese Namen irgendwie nicht die allerglücklichsten? Mein Kind allen Ernstes „Pojke“ („Junge“) zu nennen käme mir jedenfalls nie in den Sinn.

Popo auf Grundeis

Ja, mich hat es nach knapp 5 Jahren in Schweden zum zweiten Mal auf dem Eis hingehauen. Der Sprint, der dem vorausging, war allerdings angebracht. Denn ich hatte meinen Bus so unglücklich geparkt, dass ein weiterer Bus nicht durchkam – und da war eine schnelle Rückkehr zum Gefährt notwendig. Jedoch sei für das Protokoll angemerkt, dass der Kollege durchaus hätte vorbeikommen können, wenn er entsprechend in die Gasse gefahren wäre.

Aber eigentlich soll es darum nicht gehen, sondern um ein Erlebnis meines potenziell letzten Arbeitstages als Busfahrer. Der war gestern. Mein Arbeitsvertrag läuft heute aus.

Letzte Nacht hatte es nach Schneefall (mal wieder) irgendetwas um die -14°C. Dass die Traktionskontrolle ganz praktisch ist, durfte ich schon vor Weihnachten feststellen. Dass man aber mit einem Gelenkbus kaum noch vom Fleck kommt, war dann doch ein ganz neues Erlebnis. Auch, dass man mal eben so 20 Meter weiter rutscht als geplant.

Letzter Block, letzte Runde. An einer relativ steilen Stelle kommt mir ein Bus entgegen. Es ist zudem sehr eng, weil die parkenden Autos wegen des Schnees viel näher an der Straßenmitte parken.

Ich versuche, zurückzusetzen. Normalerweise lässt sich ein Gelenkbus fahren wie ein Auto mit Anhänger. Doch in dem Fall ist das vergebens, denn das Einlenken, um die Ausrichtug des hinteren Teils zu steuern, funktioniert bei einer glatten Fahrbahn kaum. Der Bus rutscht seitlich weg. Nach 10 Minuten gelingt es mir, die Kiste soweit rechts in den Schneehaufen hinein zu steuern, dass der andere Bus sich knapp vorbeischieben kann.

Geschafft? Leider nein. Die Aktion hat solange gedauert, dass der nächste Bus gleich dahinter kommt. Mittlerweile stehe ich noch unglücklicher. Wir beschließen, dass ich versuche, an ihm vorbeizufahren. Das Resultat: er steht mit leicht ausgeschwenktem Hinterteil in der Bushaltestelle, ich direkt daneben.

Ich hätte jetzt gesagt, dass die Situation im wahrsten Sinne des Wortes festgefahren ist. Da kommen wir beide nicht mehr weg, solange nicht die Autos weggefahren werden.
Der Kollege ist aber ein alter Hase. Er begutachtet die Lage und meint: „Das passt! Ich weise dich ein.“.

Alleine wäre ich da nicht durchgefahren – schon weil das Auto rechts ein Porsche Cayenne war. Da wollte ich keinen Sachschaden riskieren. Meinen letzten „Unfall“ – wenn man Entlangschrammen an einer Laterne überhaupt so bezeichnen kann – hatte ich im Sommer 2008. Der letzte Unfall mit Feindberührung war im Herbst 2007. Wenn ich meinen Langzeit-Nicht-Auf-Dem-Eis-Hinfall-Rekord schon nicht mehr einstellen kann, dann wollte ich doch zumindest meine Unfallstatistik sauber halten.

Der Kollege hat aber recht: es passt, wenn auch nur mit wenigen Zentimetern links und rechts.

So komme ich mit 16 Minuten Verspätung doch noch an. Und darf eine halbe Überstunde kassieren. Vielleicht die letzte.

Tobias Registret – die schwedische Knochenmarkspenderdatei

68% aller Deutschen kennen die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, kurz DKMS.

Ich weiß nicht, wieviele das schwedische Pendant Tobias Register kennen. Viele können es nicht sein, denn während die DKMS mittlerweile rund 2 Millionen Einträge hat, kommt das Tobiasregister auf bescheidene 40.000. Selbst wenn man die kleinere Bevölkerung in Betracht zieht, ist die DKMS ca. fünfmal so erfolgreich.

Ich stehe schon seit 1999 in der DKMS. Eine junge Frau aus meiner Heimatgegend war an Leukämie erkrankt, und wie bei der DKMS üblich startete die Aktionswelle: eine Schule öffnete einen Tag ihre Räume, damit dort Blutproben genommen werden konnten. Im Gegensatz zu der Darstellung in einer immer noch in der Welt da draußen herumschwirrenden Kettenbriefmail ist nämlich nicht die Blutgruppe entscheidend für die Eignung als Spender, sondern einige andere Merkmale des Bluts. Diese werden in der Datenbank registriert, so dass man diese Daten nur mit den Anforderungen des jeweiligen Leukämiekranken abgleichen muss.

Ich rief also meinen Abiturjahrgang auf, hinzugehen – und eine Menge gingen, ob nun des Aufrufs wegen, sei dahingestellt.

In den folgenden Jahren habe ich mich über die DKMS mehrfach geärgert. Man erhält unnötige Werbung, die auch noch mit dem Hinweis versehen war, dass diese Werbung nicht aus meinen Spenden finanziert worden sei, sondern aus Krankenkassenbeiträgen – na dankeschön. Ohne Frage ist die DKMS aber eine sinnvolle Sache, weswegen man über so etwas wohl hinwegsehen muss.

Dass man als registrierter Spendewilliger in die engere Auswahl für eine Spende kommt, ist nicht übermäßig wahrscheinlich. Nur rund 5% aller Registrierten werden innerhalb von 10 Jahren zur Spende gebeten.

Mir ist es nun schon zweimal passiert.

Vor zweieinhalb Jahren meldete sich die DKMS bei meinen Eltern, dass ich als Spender in Frage käme. Ich dachte, man würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um herauszufinden, ob ich geeignet bin. Zu meiner Überraschung nahm das Interesse aber schlagartig ab, als ich verkündete, mittlerweile in Schweden zu leben. Man meinte, da könne man mich ja streichen.

Es kam etwas anders. Man übersandte mir meinen Datenbankauszug per Brief mit der Bitte, es an das Tobias Register weiterzureichen. So gelangte ich also in diese Datenbank. Die Anfrage der DKMS schien sich aber erledigt zu haben. Ich hoffe, sie haben jemanden gefunden.

Gestern meldete sich das Tobias Register erneut bei mir. Ich komme wieder als Spender in Frage und solle mich baldmöglichst melden. Beigelegt war ein Fragebogen, bei dem man sich nach jeder Frage etwas kränker fühlt.

Ob ich schon einmal Rückenprobleme hatte; mit wem ich Sex oder auch nicht; ob ich schonmal in England war und wann…. Genügend Fragen sind darunter, die auch bei der Blutspende in Schweden gestellt werden, weswegen ich hier nicht spende.

Aber hier mache ich natürlich gerne eine Ausnahme, denn im Falle, dass ich ein passender Spender bin, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Datenbank noch einen weiteren geeigneten Kandidaten enthält.

Die Dame am Telefon freute sich sehr über meine Spendenbereitschaft. Donnerstag geht es zur Blutabnahme.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

Überprüft

Der schwedische TÜV ist jedes Jahr fällig, und so durfte ich ziemlich genau ein Jahr nach der Ummeldung meines Autos vorfahren.

Das ganze Verfahren ist typisch schwedisch effizient. Man kann einen Termin online buchen, und als mir der geplante Termin dann doch nicht so gut lag, konnte ich bequem umbuchen. Die Suche ist auch auf so etwas abgestimmt und zeigt andere Stationen in der Umgebung gleich mit an. Allerdings wird das wohl nur hier in Stockholm so gut funktionieren, wo zahlreiche Stationen angesiedelt sind. So landete ich also nicht in Nacka, wo ich ursprünglich hin wollte, sondern in Sundbyberg.

Vor dem Eingang steht ein Anmeldungsautomat, wo man mit Hilfe der Nummer des Kennzeichens „einchecken“ kann. Digitalanzeigen weisen dann den Weg, sobald eine Einfahrt frei ist. Großartig.

Der Kontrolleur wollte das Warndreieck sehen. Meines ist zwar wohl älter als das Auto selbst, aber einwandfrei, was ich aber erst in diesem Moment herausfand. Kontrolliert wurden auch die Türen und die Sicherheitsgurte. Bei ersteren war ich ganz froh, dass es nur -1°C hatte, denn andernfalls hätte es gut sein können, dass die Türen nicht zu öffnen gewesen wären, womit ich nicht durchgekommen wäre. Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal vor Wintereinbruch vorfahren, um das Problem zu umgehen.

Zum Abschluss nahm der Kontrolleur den Wagen zum Bremsentest mit.

Ergebnis: alles OK – die Stoßdämpfer sind anscheinend schon etwas abgenutzt, aber noch in Ordnung. Begeisternd auch, dass der Kontrolleur gleich noch das Licht eingestellt hat, das etwas zu hoch.

Beeindruckender Zusatzservice, und das alles für schlappe 300 kr.

Einziger Nachteil der Aktion: um den Termin am früheren Nachmittag wahrzunehmen, den ich ursprünglich hatte, bin ich zum ersten Mal mit dem Auto zur Uni gefahren. Das kostete nicht nur Maut, sondern auch ein Vermögen an Parkgebühren – alles unnötig im Nachhinein.

Es kostete aber auch Zeit. Mit dem Auto brauchte ich genauso lange wie mit öffentlichen Verkehrsmitteln. All diejenigen, die behaupten, die Umgehung für den Großraum Stockholm sei unnötig, sind anscheinend noch nie morgens dort unterwegs gewesen.

Ich bin ganz froh, dass ich mir dieses zweifelhafte Vergnügen nicht öfter geben muss.

Tunnelbana mit neuem Betreiber – Kurzbilanz

Die Hongkonger MTR hat den Betrieb der Stockholmer U-Bahn übernommen. Das ist nichts neues, denn es geschah schon Anfang November.

Jedoch ist nach gut zwei Monaten Betrieb Zeit, ein kleines Resümee zu ziehen. Es fällt gut aus, denn die U-Bahn fährt genauso gut wie vorher, und das ist ja schonmal was, insbesondere nach dem Wetter der letzten Wochen.

MTR hat auch viel versprochen. So sollten die ganzen Bahnsteige gereinigt werden, was wohl auch passiert sein soll. Einen nennenswerten Unterschied macht dies bei meiner täglichen U-Bahn-Fahrt jedoch nicht.

Was aber seither auffällt, sind die „tågvärdar“. Das ist in diesem Fall zusätzliches Betreuungspersonal, dessen Aufgabe darin besteht, auf dem Bahnsteig herumzustehen und nichts zu tun. Das machen sie dafür aber sehr professionell.

Manche von ihnen stehen auch am Eingang und versuchen, hilfsbereit auszusehen. Ich sah auch schon einen, der dem Fahrkartenkontrolleur und -verkäufer in der Verkaufsbude etwas die Arbeit abnahm und Tickets stempelte. Gelegentlich schauen auch diejenigen, die auf dem Bahnsteig herumstehen, dass alle im Zug sind.

Nicht nur, dass der bisherige Betrieb genauso gut und sicher ohne funktioniert hat. Man muss sich auch fragen, wie MTR zum gleichen Preis wie andere Mitbewerber dieses ganze Personal finanziert. Vielleicht gefällt auch der soziale Anstrich, dass man jetzt mehr Leuten eine Arbeit gibt. Jedoch muss ich mich da fragen, ob es nicht eher einer Erniedrigung gleichkommt, Leuten solche offenkundig sinnlose Jobs zu geben. Es ist schon schlimm genug, dass die Leute in den Verkaufsbuden seit jeher ihre Erfüllung in einem Job suchen müssen, den theoretisch ein Fahrkartenautomat genauso gut erledigen könnte. Dass man nun Leute zum offensichtlichen Nichtstun anstellt, ist aber ein Hohn.

Irgendwie scheint mir, dass dieses Konzept nicht den ganzen Vertragszeitraum von MTR wird überstehen können. Schon jetzt scheint mir die Zahl der Tåvärdar abzunehmen.

Gelesen: Volksparteien ohne Volk

Seit knapp einem Jahr verbringe ich fast an jedem Werktag eine Stunde in einem Direktbus nach Slussen. Das ist bequem. Insbesondere erlaubt es mir, viel zu lesen. Etwas, das ich in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt habe.

Bis vor kurzem las ich „Volksparteien ohne Volk. Das Versagen der Demokratie“ von Hans-Herbert von Arnim.

Da steht wohl auch viel Wahres darin. Gut recherchiert ist es allemal.

Jedoch gibt es einige Dinge, die schon alleine vom Stil her auffallen. Der Autor pflegt gerne die Selbstreferenzierung. Da heißt es, der Autor habe dies oder jenes gemacht. Das alles mit dem Unterton, dass schon ein Beitrag seinerseits eine öffentliche Debatte erzeuge.
Ähnlich unschön ist die ausgeprägte Redundanz des Buches. So wird oft innerhalb von 20 Seiten der gleiche Fakt mehrfach aufgetischt – als könne man damit einen Effekt erzielen. Es ließe sich ja mutmaßen, dass dieses Buch noch vor der Bundestagswahl erscheinen sollte und deswegen etwas nachlässig lektoriert wurde. Aber daran kann die ständige Wiederholung nicht liegen, denn sie wird meist mit dem Hinweise „siehe Seite XX“ versehen. Ich habe es daher auch gegen Ende weggelegt, weil ich wusste, dass auf den letzten 30 Seiten nichts mehr kommen wird.

So einleuchtend viele seiner Argumente sein mögen, so ambivalent sind sie oft bei näherem Hinsehen.
Das erklärt sich schon alleine an dem, was als seine innere Überzeugung durchscheint. Für ihn ist ein Parteienstaat anscheinend untauglich, die Interessen der Bürger zu vertreten.

Für ihn ist daher ein Wahlrecht automatisch undemokratisch, bei dem der Bürger nicht direkten Einfluss darauf hat, wer ihn vertritt. Sein Argumentationslinie ist dabei, der „politischen Klasse“, wie er sie gerne nennt, vorzuwerfen, sie würde systematisch darauf achten, dass die allermeisten von ihnen wieder im nächsten Bundestag sitzen würden. In der Tat gibt es dazu allerlei kritikwürdige Instrumente. In der Realität bestimmen die Parteien Listen- und Wahlkreiskandidaten, und da die viele Wahlkreise fest in der Hand einer Partei sind, ist eine Nominierung dort mit einer Wahl gleichzusetzen. Genauso ist es mit der Liste, auf deren Zusammensetzung der Wähler keinen Einfluss hat.

Dass aber die feste Belegung vieler Bundestagsplätze mit der kompletten Vorentscheidung durch die Parteien gleichgesetzt wird, ist fragwürdig. Dabei übersieht er, dass auch in ganz anders gestrickten Wahlsystemen die meisten gewählten Repräsentanten viele Jahre ihr Mandat behalten. Im Senat der Vereinigten Staaten haben mehr als die Hälfte der Abgeordneten ihr Mandat schon mehr als zwei Wahlperioden.

Auch wiederholt er mehrfach den Vorwurf, dass viele über die Liste eingezogene Kandidaten einen Wahlkreis vertreten, in dem sie selbst erfolglos als Kandidat für das Direktmandat angetreten waren. Von Arnim argumentiert also, diese Leute hätten gar keinen Anspruch, die Menschen dieses Wahlkreises zu vertreten. Jedoch wäre vermutlich er unter den ersten Kritikern, wenn Listenkandidaten gar keinen Wahlkreis vertreten würden, denn dies würde die vermeintliche Abgehobenheit der Abgeordneten noch weiter zementieren. Man kann es einem Listenkandidaten wohl kaum verdenken, dass er den Wahlkreis vertreten möchte, in dem er selbst angetreten ist, denn diesen kennt er auch am besten. Es ist ja auch keineswegs so, dass dies in allen Wahlkreisen so wäre.

Immer wieder legt er dar, wie ungeheuerlich sich die Politiker seiner Ansicht bei den Diäten bedienen. Er setzt blind voraus, dass Diäten unangemessen sind, wenn er sie dafür hält. Sein Hauptvorwurf ist, dass eine Entscheidung, die in eigener Sache getroffen wird, tendenziös sein muss. Folglich kann ein Politiker, der über sein eigenes Gehalt zu bestimmen hat, gar nicht objektiv handeln. Ein schlüssiger Punkt – jedoch bleibt unklar, wer denn sonst die Diäten festlegen soll. Eine genaue Festlegung schreibt das Bundesverfassungsgericht vor, und man kann wohl schwerlich den Verfassungsorganen ein Gremium vorsetzen, das über die Diäten zu bestimmen hat. Die Entscheidung in eigener Sache ist also ein notwendiges Übel. An Alternativvorschlage aus dem Buch kann ich mich nicht erinnern.

In vielen Dingen hat er allerdings recht. Wie kann es sein, dass die oberen Parteigremien praktisch alleine bestimmen, welche Personen in den Bundestag überhaupt einziehen können, während dem Bürger und selbst dem einfachen Parteimitglied nur tendenzielle Mitbestimmung gewährt wird?
Sollte der Bürger nicht auch die Möglichkeit haben, eine Partei zu unterstützen, ohne deren Personalauswahl widerspruchslos hinnehmen zu müssen?

Das sind wichtige Fragen, auf die von Arnim Antworten gibt, die vor allem in den Bereich des Mehrheitswahlrechts gehen.

Man muss mit seinen Lösungsvorschlägen nicht konform gehen, auch ich tue es nicht. Aber die Punkte, die er vorträgt, sollten diskutiert werden.

Allerdings ist fraglich, ob man dies am besten auf die Art tut, indem man über Hunderte von Seiten immer wieder die gleichen Argumente wiederholt.