85 Jahre Palme

Vor wenigen Tagen wäre Olof Palme 85 Jahre alt geworden – wenn er nicht 1986 ermordet worden wäre. Zu diesem Anlass brachte eine meiner Lieblingsradiosendungen, WDR Zeitzeichen, ein Porträt des Politikers, das erfreulicherweise nicht nur auf seinen tragischen Tod eingeht, sondern auch auf das Leben davor.

Hier kann man es per Mediathek abrufen, hier direkt.

Winter auf Djurgården, betrachtet durch ein Stück Plastik

Sonntagmorgen zeigte das Thermometer in der Küche knackige -22°C. Das ist sogar für mich ein bisschen kalt. Ich musste aber raus, und so packte ich mich warm ein und zog los. Später am Morgen hatte ich Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang – und für das Ausprobieren eines neuen Spielzeugs. Wer sich nämlich wundert, dass die Fotos in der Galerie noch unschärfer und schlechter sind als normalerweise: ich habe ein ganz besonderes Objektiv verwendet.

Die Kameras der Marke „Holga“ kommen aus China und werden seit 30 Jahren als erschwingliche Volkskamera für den chinesischen Markt produziert. Um den niedrigen Preis zu erreichen, ist daran auch alles billig: sie ist aus Plastik, auch die Linse. Die Fotos haben daher allerlei Fehler. Die Abbildung ist nicht sonderlich scharf, die Farben sind oft verfälscht und zum Rand hin wird es erheblich dunkler. Gerade diese Schwächen machen sie zum Kult – angeblich wurden damit schon Fotopreise gewonnen.

Kürzlich entdeckte ich, dass es von der Firma auch Objektive gibt, die man auf modernen DSLR-Kameras anbringen kann. Ich bestellte mir das Objektiv „HL-C“ für meine Canon-Kamera, ein 60 mm-Objektiv mit einer Öffnung von f/8. Damit lässt sich auch eine teure moderne Kamera in eine Holga verwandeln. Autofokus und anderen Schnickschnack gibt es nicht – fokusieren ist ohnehin Glückssache. Ich kaufte mir gleich noch zwei Extras hinzu: ein Weitwinkelobjektiv und ein Teleobjektiv. Beides sind freilich nur Aufsteckplastiklinsen, die die Brennweite modifizieren. Zu beiden gibt es übrigens schicke Köcher und eine Anleitung, die eher zum Amüsement beiträgt. Alles drei kostete bei Ebay zusammen 36 € inkl. Versandkosten.

Die HL-C ist sehr dunkel – in Innenräumen lässt sich damit nur schwerlich fotografieren. Da ich normalerweise ein Weitwinkelonjektiv verwende, blieb die Telelinse gleich in der Tasche, weil mir so schon zu wenig auf das Bild passte. Stattdessen nahm ich meist das Weitwinkelobjektiv. Da natürlich weder Fokus noch Öffnung automatisch einstellbar sind – mit den Aufstecklinsen soll man ohnehin den Fokus auf unendlich setzen – bleibt nur noch ISO und Belichtungsdauer als relevante Einstellungen. Die automatische Bestimmung der Belichtungsdauer versagte auch völlig. Ich landete bei ISO 200 und einer Belichtungsdauer von 1/320s bis 1/30s, je nach Lichtverhältnissen.

Das Ganze ist wie Hipstamatic oder Instagram, nur eben ohne irgendwelche Filter.

Ich startete von Waldermarsudde auf Djurgården aus Richtung Blockhusudden am östlichen Ende der Insel – obwohl man natürlich ab und zu immer wieder nach Djurgården kommt, war das ein Teil der Insel, den ich selbst noch nie erkundet hatte. Schade eigentlich, denn es ist sehr schön dort. Traurig ist einzig, dass das Restaurant bei Biskopsudden im Jahr 2009 abgebrannt ist und die Ruine, mittlerweile aller intakter Glasscheiben beraubt, praktisch unverändert dort steht, nur notdürftig durch einen Bauzaun abgesperrt.

Die Tour endete bei Blockhusudden, Endhaltestelle der einst von mir geschätzten Linie 69, die ich früher öfters fahren durfte. Es sollte mehr solcher Sonntage geben – wenn auch nicht unbedingt immer mit derartigen Fotos.

Schwedens neue Tarnboote

Als ich das hier eben sah, dachte ich mir, dass ich da dem geneigten Leser nicht vorenthalten kann.

Die Seite psdisasters.com sammelt offensichtlich stark verunglückte Ergebnisse, die zumindest anzunehmenderweise mit dem Marktführer unter den Bildbearbeitungsprogrammen, Adobe Photoshop, fabriziert wurden.

Dieses Mal ist eine Anzeige für die Bootmesse in Stockholm im Blickpunkt. Irgendwie fehlt jedoch etwas auf dem Bild: das Boot ist abwesend. Die gezeigte Familie hat wohl ein Wunderwerk der Tarntechnik erworben.

Das schwedische Du (und sein vermeintlicher Niedergang)

Werden noch gesiezt: König Carl XVI. Gustaf und seine Frau Silvia (Foto: Holger Motzkau 2010, Wikipedia/Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0)

Gerade kam mir dieser Artikel in der FAZ unter. Dort schreibt Sebastian Balzter darüber, dass die schwedische formelle Anrede, vergleichbar mit dem deutschen Siezen, wieder etwas in Mode käme.

Er beginnt mit einem Klischee, das aber meiner Erfahrung nach stimmt: viele Deutsche, die in Schweden Urlaub machen, finden es so schön, unkompliziert und freundlich, dass man sich in Schweden gemeinhin duzt. Mit Ausnahme der königlichen Familie gilt das Duzen hier schließlich für alle.

Aber dann:

Seit einigen Jahren aber greift unter den jungen Schweden eine Unsicherheit um sich, die diese positiven Vorurteile in Frage stellt. Gesiezt wird zwar auch weiterhin niemand zwischen Malmö und Kiruna. Das Nizen aber macht dem Duzen zusehends Konkurrenz. „Wenn wir darüber reden, gibt es immer Streit“, berichtet die Stilratgeberin Magdalena Ribbing, die in der Tageszeitung „Dagens Nyheter“ eine Kolumne über gute Manieren schreibt.

Vor allem im Geschäftsleben, in Restaurants und Kaufhäusern, gebrauchen nach ihrer Erfahrung jüngere Angestellte gegenüber älteren Kunden oder Gästen zunehmend die altertümliche Anredeform „Ni“. Dazu werden sie bisweilen sogar von ihren Vorgesetzten aufgefordert.

Ich war doch einigermaßen verwirrt – das „Ni“ hielt ich für eine vollkommen abgeschaffte Anrede, und im Alltag ist sie mir in den letzten Jahren noch nicht bewusst begegnet. Allerdings bin ich wohl noch nicht alt genug, dass man mir so begegnen würde.

Nach einer Recherchen ist mir der Begriff des „Ny-Niandet“ („Neusiezen“) untergekommen. Besonders im Dienstleistungsbereich sei das so. In der Kolumne der erwähnten Magdalena Ribbing ging es auch schon öfters darum. Soweit stimmt das also.

Jedoch denke ich, dass Balzter ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen ist. Eine „Debatte“, wie sie die FAZ erkannt haben will, würde ich das nicht nennen. Dahingehende Blogeinträge sind teilweise über 5 Jahre alt, und für mich ist nicht ersichtlich, was nun plötzlich eine „Unsicherheit“ hervorrufen sollte. Es mag sein, dass der Sprachrat, der im Artikel erwähnt, irgendwann langsam tätig werden musste und das vielleicht irgendeine nachrichtenrelevante Rolle spielt – aber bei dem wurde ich auch nicht fündig.

Es ist aus meiner Sicht eine Randerscheinung, ein vorübergehender Trend – da hat der Artikel wiederum recht – aber keine Sache, die an den Fundamenten rüttelt, die Ende der 1960er Jahre gelegt wurden. Es fehlt schlicht der Neuigkeitswert, und auch der gesellschaftliche Disput, der da suggeriert wird.

Ein Punkt stellt der Artikel auch leider nicht richtig, was sehr bedauerlich ist. Ich konnte immer nur mit Kopfschütteln auf die deutsche Interpretation des schwedischen Du reagieren. Die Begeisterung der Deutschen für diesen schwedischen Brauch rührt beruht meines Erachtens nämlich auf einem grundlegenden Missverständnis.

Das deutsche Sie drückt zwar auch Respekt gegenüber Mitmenschen aus, insbesondere älteren. Jedoch ist ein weiterer wichtiger Aspekt die Schaffung eines Abstands zwischen einem selbst und der gesiezten Person. Das Sie drückt aus, dass man der angesprochenen Person nicht nahesteht. Das Du hat hingegen einen jovialen Charakter und findet bei einer Begegnung auf Augenhöhe zwischen jüngeren Menschen Anwendung.

Die Deutschen, die sich über das schwedische Du so freuen, glauben, es sei dasselbe wie das Deutsche. Ist es nicht. Wenn buchstäblich jeder mit Du angesprochen wird, dann hat es keine Bedeutung mehr. Der Polizist spricht einen Mörder bei der Verhaftung genauso mit Du an wie die Braut ihren Ehemann bei den Flitterwochen. Es ist vollkommen wertungsneutral. Wenn man also in Schweden geduzt wird, dann ist das vielleicht ein Bekenntnis zu geschwundenen Klassenunterschieden, aber es wohnt dem im Prinzip nichts joviales oder freundliches inne. Es geht nicht darum, eine Nähe zu schaffen, und wenn man glaubt, dem wäre so, dann ist das die Interpretation des Empfängers, nicht die Absicht des Senders.

Im Umkehrschluss würde ich auch davon ausgehen, dass das schwedische „Ni“ – übrigens die zweite Person Plural, nicht die dritte wie im Deutschen – eine prinzipiell eher untertänige und respektvolle Haltung transportiert. Ich möchte bezweifeln, dass einem schwedischen Polizisten einfallen würde, einen Mordverdächtigen mit Ni anzusprechen, denn Respekt hat er für den sicherlich nicht.

Das Problem, das einige der verlinkten Webseiten ausdrücken, ist, dass das Ni von älteren Menschen auch falsch als kränkend empfunden werden kann – wohl in dem Sinne, dass junge Menschen ironisch Ni verwenden und sich der angesprochene veralbert fühlt. Interessanterweise hat sich daher noch eine weitere Form herausgebildet, nämlich die Anrede in der dritten Person Singular mit Titeln. Das habe ich schon bei Interviews mit dem König gesehen, dem dann statt z.B. statt der dann statt z.B.

Was sagen Sie dazu?

gefragt wurde

Was sagt der König dazu?

Klingt seltsam, aber hat sich anscheinend etabliert.

Jenseits aller Missverständnisse und Feinheiten muss aber auch eines gesagt werden: die schwedische Lösung ist mir deutlich lieber als die deutsche. Dieses Herumrätseln, ob man nun schon Du sagen darf, weil man es mal angeboten bekommen hat, oder eben nicht, fand ich immer schwierig. Man hat im Schwedischen immer eine Lösung, ohne überlegen zu müssen. Zudem finde ich diese Konsequenz, mit der man versucht hat, eine gleichgestellte Gesellschaft zu erreichen, beachtlich. Zwar wird eine Gesellschaft dadurch nicht automatisch gleicher, aber es kann als Symbol durchaus dienen. Ich sehe auch nicht, wieso man das in Deutschland nicht könnte. Immerhin hat man es geschafft, das Fräulein abzuschaffen. Dann sollte es doch auch möglich sein, das Siezen loszuwerden.

Update 5.2.: Asche auf mein schnellschreibendes Haupt. Der letzte Aspekt des missverstandenen Du seitens der Deutschen wird in dem Artikel am Ende durchaus noch angesprochen.

So einfach ist das also

Ich und meine Frau haben jeweils eine Wohnung für unsere Kinder gekauft. Das können alle Eltern machen. Unsere Kinder sind sehr zufrieden

Der ehemalige Wohnungsminister Mats Odell, zitiert in „Hem & Hyra“, dem Mitgliedermagazin der Hyresgästföreningen

Bei meinen gestrigen Überlegungen fehlte freilich ein wichtiger Aspekt: dass die Leute ihr Heil auf dem Immobilienmarkt und in unvernünftigen Krediten suchen, ist zu guten Teilen natürlich der allgemeinen Wohnungsknappheit geschuldet, mehr noch der Mietwohnungsknappheit. Deswegen sprang die Opposition auch gleich mit der Gegenforderung zu Nordin hervor, man solle doch mehr Mietwohnungen bauen.

Recht haben sie, aber das Problem löst das alles nicht. Solange es finanziell nicht attraktiv ist, Mietwohnungen zu bauen, wird es nie genug davon geben. Beide Maßnahmen zusammen könnten helfen, sofern man sich bequemen würde, die fehlgeleitete Mietpreisregulierung zu ändern.

Müsste, könnte, sollte – am Ende wird wahrscheinlich gar nichts passieren, und obiges Bonmot ist ein Indiz dafür, wieso nicht.

Letzte Rate bezahlt am 31.12.2127 – oder nie

Verlangt ganz Unerhörtes: Sten Nordin, Stockholms Bürgermeister (Foto: "foto:"/CC-BY-SA 3.0)

Sten Nordin, der Bürgermeister Stockholms, hat letzte Woche mit einem geradezu unverschämten Vorschlag Wellen gemacht: die Schweden sollen künftig dazu verpflichtet werden, ihre Immobilienkredite auch wirklich abzubezahlen. Dass diese Selbstverständlichkeit überhaupt diskutiert wird, zeigt die Perversion der hiesigen Immobilienmarktverhältnisse auf.

Schon seit einiger Zeit gibt es das sogenannte „Bolånetak“ (Wohnkreditdach), eine Obergrenze dafür, wieviel man von der Kaufsumme für eine Wohnung oder Haus per Kredit finanzieren darf. 15% muss man seit der Einführung selbst mitbringen. Davor war es nicht unüblich, 10%, 5% oder sogar überhaupt nichts an Eigenkapital einzubringen. Man konnte also praktisch mittellos eine Wohnung erwerben und zahlte eben statt der Miete die Zinsen des Kredits.

Wenig verwunderlich sind die Immobilienpreise bei solchen Verhältnissen in den letzten 15 Jahren um 300% und mehr gestiegen. Das Bolånetak hat nun für eine merkliche Abkühlung gesorgt: um 11 Prozent gingen die Preise im letzten Jahr im ganzen Land zurück, in Stockholm immerhin um 3 Prozent. Eine wichtige Verschnaufpause und eine gute Gelegenheit für die Löhne, wieder etwas aufzuholen.

Ich würde mir wünschen, dass es noch eine Weile so weitergeht. Nicht nur, dass mir das vielleicht selbst irgendwann nützen würde. Mir scheint, dass ökonomische Vernunft und simple Zusammenhänge, die im Alltag jeder nachvollziehen kann, irgendwie keine Rolle mehr zu spielen scheinen, sobald es um Kredite und ganz besonders Immobilienkredite geht.

Vor Augen führte mir das vor kurzem diese Meldung: bei Eigentumswohnungen werden in Schweden im Schnitt pro Jahr 0,85 Prozent getilgt. Mit anderen Worten dauert es im Durchnitt 125 Jahre, bis eine Wohnung abbezahlt ist.

Wer sich nun fragt, wie das gehen soll: das ist ganz einfach zu erklären. Die Banken verleihen das Geld im Wissen, dass der Wert der Wohnung höchstwahrscheinlich steigen wird. Sie haben also eine Sicherheit, das Geld auch bei Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers zurückzubekommen. Zudem ist die Fluktuation bei Eigentumswohnungen groß. Die meisten Kredite werden vorzeitig ausgelöst durch Verkauf der Wohnung. Auf die Art können sich viele Leute mit wenig Geld vollkommen überteuerte Wohnungen leisten. Die niedrigen Anforderungen in Sachen Tilgung treiben die Preise nach oben.
Der Haken bei der ganzen Angelegenheit ist leicht zu finden. Das kann nur solange gut gehen, wie der Wert des Objekts zumindest gleich bleibt. Ist das nicht mehr der Fall, dann müssen die Banken Zinsen anheben und kürzere Tilgungszeiträume einfordern. Das werden sich wiederum viele nicht mehr leisten können.

Genau das stellt auch das Problem und den Kern der Frage dar, ob hier eine Spekulationsblase entstanden ist. Denn die Preisrallye wird irgendwann den Punkt erreichen, an dem die Leute es selbst unter diesen vorteilhaften Bedingungen nicht mehr finanzieren können. Die Preise werden sinken, und wenn sie das zu schnell tun, kann dies einen Crash auslösen.

Also ist ein langsames Absinken, wie das im vergangenen Jahr zu beobachten war, ein erstrebenswerter Zustand. Sollten die Preise in Kürze wieder anziehen, dann sollten die Bedingungen erneut verschärft werden, um den Markt weiter Richtung solidere Kreditbedingungen zu drängen.

Leider fehlt aber vor allem eines: ein Mentalitätswechsel. Während Nordin nämlich anscheinend verstanden hat, dass die derzeitige Situation keine nachhaltige Lösung ist, ist dies bei weitem nicht überall so. Mir kommt es so vor, als nehme man die Banken als Teil eines sozialen Netzes wahr, das zwar irgendwie schon nach kapitalistischen Regeln funktioniere, aber letzten Endes eine soziale Aufgabe erfüllen soll, die der Mietwohnungsmarkt durch systematische Konstruktionsfehler nicht wahrnehmen kann. Die Annahme, dass ein tragfähiges System darauf beruhen kann, dass man bei Krediten nur die Zinsen bedient, scheint weit verbreitet zu sein. Als wäre es ein Bürgerrecht, einen Wohnungskredit zu erhalten. Als wäre es pure Schikane, 15 % Eigenkapital und eine Tilgung zu verlangen. Kein Wunder also, dass die simple Lebensweisheit, dass man sich nur Dinge kauft, die man auch bezahlen kann, hier irgendwie außer Kraft gesetzt werden soll.

Die Banken argumentierten, dass es Flexibilität geben müsste, denn wenn eine finanzielle Notlage aufträte, wäre es erstmal sinnvoller, andere Kredite zu bedienen. An sich ein valides Argument, jedoch in dem Kontext wenig vertrauenserweckend. Das Problem ist schließlich nicht, dass die Tilgung unterbrochen wird, sondern dass so gut wie gar nicht getilgt wird. Ohne Regulierung darauf zu bauen, dass die Banken künftig ihre Kunden zu mehr Disziplin anhalten, ist also leichtsinnig. Und, unnötig anzumerken: ein Kreditnehmer, der so knapp wirtschaftet, dass er praktisch permanent die Tilgung aussetzen muss, hätte erst gar nicht einen Kredit erhalten dürfen.

Für mich persönlich lässt das nur zwei Schlüsse zu: erstens will sehr gut überlegt sein, die jetzige Mietwohnung aufzugeben. Und zweitens würde ich nur dann etwas kaufen, wenn der Preis eine Abzahlung in realistischen Zeiträumen zulässt.

(via Bobubbla?)

Die U-Bahn kommt – besser spät als nie

Zwei vorgeschlagene Routen für die neue U-Bahn, grob skizziert (Bild: Openstreetmap, CC-BY-SA 2.0)

Wie der Zufall es will, wurde gestern ein Thema in den Zeitungen groß präsentiert, das ich vorgestern angerissen hatte: Schienenverkehr dahin, wo ich derzeit lebe. Die Frage, ob die U-Bahn überhaupt ausgebaut werden soll, wurde von den regierenden Moderaten lange Zeit mit „Nein“ beantwortet. Man betrachtete das Netz als abgeschlossen, und überhaupt seien Straßenbahnen viel toller. Dann kam heraus, dass der zuständige Minister nebenberuflich auch Lobbyist für Straßenbahnen ist, was ihn dann doch zu der Ansicht veranlasste, dass U-Bahnen auch ganz ok seien.

Nun wird eine Voruntersuchung eingeleitet, damit irgendwann nach 2020 mit dem Bau eines östlichen Zweigs der blauen U-Bahn-Linie begonnen werden kann. Vorher ist kein Geld da, denn die Kosten werden deutlich jenseits einer Milliarde Euro liegen. Die zwei vorgeschlagenen Wege sind in dem Bild oben skizziert. Für Nacka ist das ohne Frage ein Fortschritt, auch wenn er erst sehr spät kommen wird. In dem Bericht ist schon die Rede davon, dass die Brücke nach Stockholm schon jetzt an der Kapazitätsgrenze ist. Es wird also Zeit, etwas zu untenehmen.

Ich finde ja, man hätte die Tvärbana an die Saltsjöbanan ankoppeln können, was irgendwann auch mal gemacht werden soll – aber sei’s drum: U-Bahn ist super.

Lage Gustavsberg im Verhältnis zur vorgeschlagenen Strecke (Bild: Openstreetmap, CC-BY-SA 2.0)

Nur hat die Sache auch Schwächen – neben den horrenden Kosten betrifft es v.a. diejenigen, die hinter der U-Bahn wohnen – also z.B. mich. Denn sollten in Zukunft die Busse in Nacka enden statt in der Stockholmer Innenstadt, dann würden sich die Pendlerzeiten wohl eher verlängern als verkürzen. Statt in 30 Minuten zu einem zentralen Anknüpfungspunkt in der Innenstadt gebracht zu werden würde man nur zwei Drittel des Weges kommen, müsste mit Zeitverlust umsteigen und dann eher langsam mit der U-Bahn Richtung Stadt fahren. Wie die obige Karte zeigt, ist Gustavsberg, der Hauptort Värmdös, viel weiter draußen. Darauf weisen daher auch die Politiker Värmdös in der heutigen Zeitung hin – man sei auf den gut funktionierenden Busverkehr angewiesen und dränge daher auch eher darauf, die Brückenanbindung zu Nacka zu verbessern.

Von optimistischen Planungen, dass der neue U-Bahn-Zweig irgendwann bis Orminge reichen würde, ist man anscheinend abgerückt, bzw. das ist so weit in der Zukunft, dass ich schon Rentner bin, bis das aktuell wird.
Trotzdem erfreulich, dass die Planungen weitergehen. 15 Jahre lang ohne jeden Ausbau oder zumindest konkrete Planung die U-Bahn so zu belassen war ein großer Fehler, und ich hoffe, dass sich da in Zukunft einiges tun wird.

Wachsen, dass es kracht

Hat in den letzten Jahren 30 Jahren 35,1% seiner Bevölkerung verloren: Åsele (Bild: Flickr-Benutzer utomjording, CC-BY-NC-SA 2.0)

Die Hauptstadt hat im Rest Schweden angeblich keinen besonders guten Ruf. Man sage den Stockholmern nach, sie seien arrogant. Aus erster Hand wurde das zwar noch nie an mich herangetragen, und als Zugewanderter bin ich nicht unmittelbar tangiert, aber man kann das Ganze schon etwas nachvollziehen.
Ohne irgendjemanden herabwürdigen zu wollen: es handelt sich wohl um eine Art Minderwertigkeitskomplex. Nicht umsonst kokettiert die schwedische Nummer zwei in Sachen Bevölkerung, Göteborg, gerne, sie sei die „Vorderseite“ Schwedens, was im geografischen Umkehrschluss bedeutet, dass Stockholm die Rückseite sein muss.

Man kann es sich aus deutscher Sicht vielleicht gar nicht so recht vorstellen, aber Schweden kein ungefähr gleichmäßig dicht besiedeltes Land. Natürlich gibt es auch in Deutschland dünn bevölkerte Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern. Die Dimensionen sind in Schweden aber ganz anders.
Die vier nördlichsten Provinzen haben rund 55% der Fläche, aber nur gut 9% der Bevölkerung. Im Großraum Stockholm hingegen leben rund 20% der Bevölkerung – auf Deutschland übertragen wäre das ungefähr so, als wären die 30 größten deutschen Städte allesamt im Großraum Berlin versammelt. Man kann also erahnen, wie groß der Kontrast ist und dass dies bedeutet, dass in den Großstadtregionen und insbesondere Stockholm viel passiert und im Rest des Landes eben wenig. Die Ballungsräume sind Anziehungspunkte.

Vor kurzem hat die Zeitung Dagens Nyheter die Bevölkerungsstatistik genommen der Jahre 1981 und 2011 genommen und daraus eine interessante Grafik erstellt. Sie zeigt, wie sich die Bevölkerungszahl der 290 schwedischen Kommunen entwickelt hat.
Das Ergebnis ist deutlich und zeigt ein großes Problem dieses Landes. Nicht nur, dass es eine Kluft zwischen Stadt und Land gibt. Dieser Unterschied wird immer größer. Nordschweden hat prozentual sogar noch am meisten verloren. Zwar kann diese Erhebung nicht zeigen, ob sich die Entvölkerung eingebremst hat, aber das Gesamtbild ist deutlich.

Auf der einen Seite könnte insbesondere der nördliche Teil Schwedens Probleme bekommen, Teile der öffentlichen Infrastruktur mit so wenigen Leuten aufrechtzuerhalten. Wenig verwunderlich war ein Randthema in der letzten Wahl, diese Gebiete durch Steuervergünstigungen attraktiv zu machen. Durchaus möglich, dass dies in kommenden Jahren bei der Verschärfung der Problematik eine wichtige Frage werden wird.

Zwischen 1981 und 2011 um 114,4% in der Einwohnerzahl gewachsen: Värmdö

Auf der anderen Seite wächst die Infrastruktur nicht hinreichend mit, wie ich schon mehrfach thematisiert habe.

Besonders augenfällig war für mich die Liste schlicht deswegen, weil meine Wohnsitzkommune Värmdö auf Platz 1 ist. Mit 114,4 Prozent Bevölkerungswachstum ist sie die einzige Gemeinde Schwedens, die in den letzten 30 Jahren ihre Einwohnerschaft mehr als verdoppelt hat. Trotzdem ist sie immer noch recht ländlich, was annehmen lässt, dass hier draußen früher außer der Porzellanfabrik, Ferienhäusern und Schäreninseln nichts war. Ich hätte vermutet, dass dies durch einen zwischenzeitlichen Bau der Autobahn hierher begünstigt wurde – diese existierte aber schon vor 1981. Es sieht also mehr so aus, dass durch das allgemeine Wachstum der Region vormals abgelegene Ecken attraktiv wurden, und Värmdö hatte und hat schlicht eine Menge Platz für den Ausbau.

Mich macht das etwas nachdenklich. Die Busse sind so schon gut ausgelastet, und mit den weiteren geplanten Ausbauten wird Gustavsberg in den kommenden Jahren große Mengen Einwohner gewinnen, die alle irgendwie zur Arbeit wollen. Das Terminal des neuen Slussen soll zwar die Kapazität von 50.000 Passagieren täglich auf 80.000 Passagiere erhöhen. Jedoch glaube ich, dass dies bedenklich nahe an die Grenze dessen geht, was mit Bussen noch vernünftig zu machen ist. Ich würde mir eine S-Bahn hier wünschen, aber alles, was geplant ist, ist eine U-Bahn-Linie, die im letzten Ausbaustadium bis Orminge Centrum am Westende unserer Insel reichen soll – und da reden wir von 2030 oder später, denn das ist noch ein großes Fragezeichen, ob es denn überhaupt so kommen wird. Gut möglich, dass die Lebensqualität dadurch ein gutes Stück sinken wird.

Dass ich bis dahin noch hier leben werde, ist leider stark zu bezweifeln. Denn obwohl die allgemeine Situation hier vielleicht schlechter werden könnte, so ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Immobilienpreise hinreichend sinken werden, um hier etwas zu erwerben.

Was mich zu einem Thema bringt: der Zustand des Wohnungsmarktes, der derzeit wieder in der Diskussion ist – aber dazu mehr ein anderes Mal.

Integrität (nicht) zu verkaufen

Frage:

Hallo Fabian ,

ich wollte nachfragen, ob Interesse besteht, auf deinem Blog (http://delengkal.de/) Sponsored Posts zu veröffentlichen.

Wir zahlen zwischen 40 und 100 Euro pro Beitrag, abhängig von Leserzahlen, Postfrequenz, Aktualität usw. usf. Auf unsere Homepage findest du noch ein paar Informationen zum Procedere. Bei Fragen einfach fragen 😉

Ich würde mich sehr über deine Rückmeldung freuen.

Liebe Grüße
Sandra

Antwort: Nein.

Schweden twittert im Wechsel

Eine kleine Geschichte am Rande, die mir kürzlich unterkam: Schwedens offizielles Twitter-Konto wird nicht etwa von einer PR-Truppe gemacht, sondern von normalen Schweden. Jede Woche ist jemand anderes dran.

Über Sinn und Unsinn kann man sich streiten – als ich eben hineinschaute, antwortete die dieswöchige Twitter-Schwedin „Annakarin“ eigentlich nur auf andere Tweets von Benutzern. Das macht es zwar nicht gerade leicht lesbar und informativ, aber immerhin scheint das Interesse vorhanden zu sein.

(via Boing Boing)