Auswandererguide Teil XIV: Studieren in Schweden – Allgemeines

IMG_3323

Beweis meiner bezahlten Beiträge: Studentenausweise

Es ist wieder einmal Zeit für eine lange geplante, aber immer wieder verschobene neue Staffel des Auswandererguides. Bei meinen Aktivitäten in Schwedenforen kommen öfters Fragen auf, wie man in Schweden studieren kann.

Die individuellen Fälle sind dabei sehr vielfältig – manche kommen nur für ein Jahr in Schweden, andere möchten ein Fortsetzungsstudium machen. Einige ganz ambitionierte wollen ihr ganzes Studium in Schweden absolvieren. Prinzipiell geht das alles, aber die Informationen hierzu zu finden ist mühsam.

Diese und die folgenden Seiten werden hoffentlich etwas erleuchtend diesbezüglich sein.

Allgemeines

Wenn man Berichte wie diesen liest, mag man in den Glauben verfallen, an schwedischen Hochschulen herrschten ganz und gar paradiesische Zustände. In der Tat ist einiges verschieden von deutschen Hochschulen, soweit ich dies aus meinen Erfahrungen an der KTH und der Stockholmer Universität im Vergleich zur Uni Karlsruhe, an der ich früher studiert habe, sagen kann.

Studiengebühren gibt es in diesem Sinne nicht. Es gab Diskussionen, sie für Nicht-EU-Bürger einzuführen, aber weit gediehen ist dies nicht. Zahlen muss man lediglich die sogenannte „kåravgift“, die der Studentenschaft zukommt. Die Höhe dieser Abgabe ist verschieden. Bei der KTH lag sie bei ca. 30 €, an der Stockholmer Universität ist sie etwas höher. An der KTH war zudem ein Teil der Abgabe optional. Wollte man z.B. das Studentenradio unterstützen (was ich natürlich tat), konnte man den Beitrag um einen festgelegten Satz erhöhen. Anscheinend ist es jedoch so, dass man auch studieren kann, wenn man die Abgabe nicht bezahlt. Will man jedoch sein Abschlusszeugnis beantragen, braucht man einen Nachweis, dass man gezahlt hat. Die Zahlungsmoral kann also von regelmäßig bis alles zum Schluss schwanken.
Die Abgabenpflicht soll aber nach dem Willen der derzeitigen Regierung zum Sommer 2010 abgeschafft werden. Und wie ich diese Regierung kenne, wird das auch so kommen.

Das Konzept von Abschlussprüfungen ist in Schweden anscheinend nicht bekannt. Viele Kurse werden in Seminarform abgehalten, und die klassische allesentscheidende Klausur am Ende gibt es zwar in manchen, aber längst nicht in allen Kursen. Ein Dozent sagte zu uns sogar mal ganz offen, dass dies im Arbeitsleben ja auch nicht passiere, dass man vom Chef 4 Stunden lang in ein Zimmer gesperrt wird und dann ohne Hilfsmittel ein Problem lösen muss. Diese Art von Praxisbezogenheit war mir in Deutschland nie begegnet. Studienabschlussprüfungen, bei denen man praktisch alles, was man einmal gelernt hat, parat haben muss, existieren daher meines Wissens nicht. Das Studium ist kumulativ angelegt, d.h. man sammelt seine Punkte in Pflicht- und Wahlkursen. Sobald man eine gewisse Punktzahl zusammen hat, kann man mit dem Schreiben einer Abschlussarbeit beginnen. Man kann während des Schreibens und danach weiterhin an Kursen teilnehmen, um alle Anforderungen des Studiengangs letztendlich zu erfüllen.

Die Abschlussarbeit hat je nach Fach und akademischem Grad unterschiedliche Bezeichnungen. Bacheloraspiranten schreiben beispielsweise einen „C-uppsats“ (C-Aufsatz), Magister einen „D-uppsats“. Ich schrieb eine Examensarbete, was wohl in technischen Fächern die übliche Bezeichnung ist. Daher spricht man auch vom „Exjobb“, wobei es sich aber nicht um einen echten Job handelt, denn viele dieser Stellen sind unbezahlt. Das ist auch mit ein Grund, dass es zumindest in meinem Fach Physik nicht unüblich ist, diese Arbeit extern, also beispielsweise in einer Firma zu schreiben. Welche Firma hat nicht gerne einen jungen Forscher, der annähernd kostenneutral etwas entwickelt, was von Nutzen für den eigenen Betrieb sein könnte?

Das Studieren selbst läuft auch etwas anders ab. Eine Massenvorlesung habe ich noch nicht erlebt. Es gibt zwar eine Reihe größerer Vorlesungssäle, aber sowohl in Format als auch in der Anzahl war ich aus Karlsruhe anderes gewohnt. Der Kontakt mit den Dozenten ist wie in Schweden üblich von flachen Hierarchien und damit direktem Kontakt geprägt.

An Leseplätzen u.ä. hat es mir eigentlich nie gemangelt, wobei dies natürlich nicht repräsentativ sein kann. Was die Lehrmittel angeht, ist es jedoch ein erheblicher Unterschied zu Karlsruhe insofern, als dass dort die Standardkursliteratur in zigfacher Ausfertigung in den Regalen der Bibliothek stand und sich daher fast jeder Student für die Dauer des Kurses eines ausleihen konnte. In der Bibliothek hier gibt es bestenfalls zwei oder drei Ausgaben, wobei eigentlich nur ein weiteres Buch angeschafft wird, wenn eine neue verbesserte Auflage verfügbar ist. Mehrere Bücher identischen Inhalts wird man also kaum finden.

Einen Typus Student habe ich hier bislang kaum gesehen: den Bummelanten. Während einige Leute in Karlsruhe es sich zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben, die Aktivitäten im selbstverwalteten Wohnheim zu unterstützen, und die üblichen Verdächtigen, ihres Zeichens Studenten im 35+ Semester, regelmäßig in den einschlägigen Kneipen versumpften, habe ich hier zwar schon Studenten jeden Alters gesehen, aber keiner schien mir einer zu sein, der im Studium hängengeblieben ist. Dies mag auch an der Art der Studienförderung hier liegen (dazu mehr auf den folgenden Seiten).

Das Alter ist durchaus ein interessanter Aspekt, denn das lebenslange Lernen scheint in Schweden deutlich stärker vertreten zu sein als in Deutschland. Als ich hier anfing, hatte ich einen Kommilitonen jenseits der 40, und auch in anderen Vorlesungen saßen ernsthafte Studenten, die rund 10 Jahre älter als ich waren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.