Schwedens nächster Regierungschef (?)

Håkan Juholt, voraussichtlicher nächster Parteivorsitzender der Sozialdemokraten (Bild: http://politik.in2pic.com/ , CC)

Ich habe es seither nicht mehr erwähnt, aber die Suche nach einem neuen Parteichef für die schwedischen Sozialdemokraten, der am 25. März gewählt werden soll, ging den ganzen Winter weiter.

Das gleiche Spiel setzte sich fort: keiner der Gefragten hatte Lust, den Job zu machen. Pär Nuder, ehemaliger Finanzminister, wurde mehrfach gefragt, und sagte konstant nein. Zuletzt wurde auch Leif Pagrotsky gehandelt, ein relativ bekannter Politiker und ebenso ehemaliger Minister. Aber auch er sagte gestern endgültig und definitiv Nein. Schon länger geisterte eine Liste von vier Personen durch die Presse:

  • Mikael Damberg, ehemaliger Jusochef und Reichstagsabgeordneter, der aber anscheinend im Jugendverband für allerlei Spannungen sorgte.
  • Thomas Östros, Ex-Minister und Ökonom
  • Sven-Erik Österberg, ein weiterer Ex-Minister, ebenso spezialisiert auf Wirtschaft
  • Håkan Juholt, ehemaliger Journalist, derzeit Reichstagsabgeordneter und Vorsitzender im Verteidigungsausschuss

Aus dieser bunten Resterampe wurde nun heute ausgerechnet Juholt auserkoren, den Job zu machen. „Juholt? Wer zum Teufel ist Juholt?“ dachte ich mir, als ich das las. Nicht dass ich ein besonderer Kenner der Politszene wäre, aber mich beschleicht das Gefühl, dass ich nicht der einzige bin, dem das so gehen dürfte. Juholt stand nicht einmal auf der doch recht langen Liste potenzieller Kandidaten, die letzten Herbst kolportiert wurde. Er hat keine hohen Ämter bekleidet, keine illustren Parteiposten gehabt. Er ist weder jung noch scheint er ein ausgeprägter Charismatiker zu sein:

Ein Blick in die Leserkommentare der Dagens Nyheter:

  • Hasse schreibt: „Vollkommen unbekannte Person für mich. Ist das ein intelligenter Mann? Vielleicht sogar mit Universitätsexamen?“
  • Jan Stavaeus: „Gab es keinen, der noch reaktionärer war? […] Juholt scheint erzkonservativ zu sein und hat nicht den Hauch einer Chance gegen die Modernisten Reinfeldt und Borg“
  • Kalle: „Ist heute 1. April?“
  • F.d. moderat (ehemaliger Moderater): „Das ist ein richtiger Kerl. […] Man fühlt sich schon sicher, wenn man ihn nur sieht.“
  • Curre: „Kann ja wohl nicht wahr sein!“
  • Lennart S.: „Es war wohl der Schnauzbart, der den Ausschlag gab.“

Kommentare sind natürlich nie repräsentativ, aber vielversprechend ist das trotzdem nicht. Er wirkt mir jedenfalls nicht wie ein Hoffnungsträger für eine Partei, die frischen Wind dringend brauchen könnte. Vielleicht ist eine dritte bürgerliche Regierungsperiode gerade wahrscheinlicher geworden.

Man soll den Mann aber nicht vorzeitig begraben. Ab 25. März darf er zeigen, was er kann.

Ein historischer Tag

Eine typische Semla: Schlagsahne, darunter versteckt Mandelfüllung, eingepackt in luftigen Teig (Bild: Frugan/CC-2.0)

Die Titanen der B-Feiertage haben sich heute versammelt.

Zunächst einmal ist Fettisdag (Fettdienstag) bzw. Semladag (Semmeltag). Gäbe es ihn nicht, würde man von Fasnacht hierzulande keine Notiz nehmen. Wie die Fasnacht (ursprünglich) auch bezieht sich der Fettisdag (ursprünglich) auf die ab morgen anstehende Fastenzeit. Während man dies anderswo mit tagelangem Alkoholkonsum und sinnfreier Musik begeht, ist man in Schweden ganz pragmatisch und schlägt sich noch einmal den Bauch voll, und zwar mit einer Semla. Wie man dem Bild oben und der Beschreibung entnehmen kann, handelt es sich um eine Fett- und Zuckerbombe ersten Ranges. Früher als noch tatsächlich gefastet wurde, gab es dieses Gebäck auch nur am Fettisdag. Heute fastet kaum noch einer, und im Gegenzug werden die Semlor Wochen vor- und nachher allerorten verkauft. Es handelt sich also um einen Beitrag zur Volksgesundheit. Schmecken tun sie trotzdem.

Für den semlafreien Rest der Welt war übrigens heute der internationale Pfannkuchentag, wie die Dagens Nyheter heute zu berichten wusste.

Außerdem ist heute der Weltfrauentag, der dank des 100jährigen Jubiläums auch in Deutschland etwas Aufmerksamkeit fand, wenn auch nicht mehr ganz so viel wie früher in einem Teil (siehe Video). In Schweden ist er eine relativ große Nummer. An der Bushaltestelle wurde von der Linkspartei kostenloses Frühstück für die Frauen ausgegeben. Ich fühle mich diskriminiert, denn ich muss wohl davon ausgehen, dass der nächste Montag anstehende Schnitzel-und-Blowjob-Tag mal wieder konsequent ignoriert werden wird.

Diese Konstellation ist übrigens extrem selten. Das Osterdatum muss hierzu auf den 24. April fallen, und das ist der zweitspäteste Termin, der möglich ist. Wir werden unseren Kindern berichten können, dass wir den großen Semla-Weltfrauen-Doppelwhopper-Waffeltag 2011 erlebt haben, auf einer Stufe mit dem Halleyschen Kometen und dem Sieg im Eurovision Song Contest. Die Nachwelt wird Sagen darüber schreiben.

Wann es das nächste Mal so einen Tag geben wird, steht natürlich schon fest. Wenn meine Berechnungen stimmen, wird dies erst wieder in den Jahren 2095 und 2163 eintreffen. Da wir bis dahin alle schon verblichen sind oder zumindest nicht mehr so agil: feiert noch schön.

Das E10-Debakel und warum es sich in Schweden wohl nicht wiederholen wird

Die E10 ist eine Fernstraße von Luleå in Nordschweden nach Å in Nordnorwegen.

Die Abkürzung dürfte in diesen Tagen mit etwas ganz anderem assoziiert werden: dem neuen Sprit an Deutschlands Tankstellen, bestehend aus 90% herkömmlichen Super-Kraftstoffs und 10% Ethanol.

Deutschland ist mit diesem Schritt nicht alleine. Auch in Schweden wird ab Mai 2011 das herkömmliche als „95“ bezeichnete Super durch E10 ersetzt.

Der Ansatz in Sachen Biosprit könnte aber anders nicht sein. Ich gehe davon aus, dass das nicht so chaotisch verlaufen wird wie derzeit in Deutschland.

Das E an der Tankstelle ist kein Unbekannter in Schweden. Schon seit einigen Jahren wird fast flächendeckend E85 verkauft – man kann es sich denken: das sind 85% Ethanol und 15% Super. Schadstoffarme Autos, die auch mit diesem Sprit fahren können, sind erheblich steuerlich begünstigt und von der Maut in Stockholm ausgenommen. Auch der Verbraucher hat etwas davon, denn ein Auto, das von 0% bis 85% Ethanol alles schluckt, ist nicht auf ein dichtes Ethanoltankstellennetz angewiesen, was ja bei anderen Kraftstoffen wie Biogas immer ein Problem darstellt. Das alles zeigt Wirkung: die Autos verkaufen sich gut und haben auch als Gebrauchtwagen kaum Wertverlust.

Außerdem ist das für die Hersteller eine elegante Lösung, weswegen sie sich nicht sonderlich anstrengen brauchten. Da nur sich nur wenige Werkstoffe mit Ethanol nicht vertragen, mussten in erster Linie die Zündmechanismen angepasst werden. So leicht konnte man noch nie auf Bio machen.

Dabei ist der Umweltnutzen umstritten. Dass zur Herstellung Lebensmittel verwendet werden, was ethisch fragwürdig ist, und dass fast mehr zur Energie zur Herstellung gebraucht wird als nachher herauskommt, sind nur zwei Aspekte. Aber selbst wenn das nicht so wäre: das Umweltbewusstsein der Leute endet im Geldbeutel. Der Verbrauch mit E85 ist nämlich rund 30% höher, was soviel bedeutet, dass sich das nur lohnt, wenn die Ersparnis das ausgleicht. Solange der Ölpreis moderat ist, wird man der Bequemlichkeit halber beim Benzin bleiben, denn dann hält der Tank länger. Nur wenn die Preise in den Himmel schießen, rennen alle zu E85, was dann schonmal zu Knappheit führt.

Insgesamt kann man wohl trotzdem von einem Beispiel einer gelungenen Einführung sprechen, denn die neuen Autos sind in jedem Falle umweltfreundlicher als die alten.

Dem steht das deutsche Modell diametral entgegen, wie mir scheint. Es tut so gut wie nichts, um die Anschaffung schadstoffarmer und/oder biospritbetriebener Autos zu fördern. Das beginnt schon damit, dass man auch nach der letzten Reform daran festhielt, die Kfz-Steuer immer noch zu erheblichen Teilen nach dem Hubraum zu bemessen. Ein Sinn dahinter ist nicht zu erkennen, aber man kann wohl davon ausgehen, dass man in typisch deutscher Manier keinem auf die Füße treten wollte. Also führte man einen schadstoffbezogenen Teil in das System ein, aber sorgte dafür, dass Luftverpester nicht allzu schlecht wegkommen. Von dem Irrwitz der Abwrackprämie will ich erst gar nicht anfangen.

Nun also das Debakel mit der Einführung von E10. Natürlich war nicht Umweltfreundlichkeit die treibende Kraft hinter dem Entschluss der Einführung, sondern die Unabhängigkeit von Mineralöl. Eigentlich sollte es kein Problem darstellen, denn E5 hatte man ja schon seit längerem, und fast alle Autos vertragen den Sprit.

Dennoch war das Debakel absehbar. Der deutsche Verbraucher ist preisbewusst, und die Aussichten auf steigenden Verbrauch behagen ihm nicht. Die Preise sind derzeit allgemein sehr hoch, und als Schnäppchen kann man so den neuen Treibstoff kaum empfinden. Zudem sind Autos heilig, und die Unsicherheit über die Verträglichkeit des Stoffes kommt hier negativ hinzu. Kein Wunder also, dass alle lieber Super Plus tanken.

In Schweden hingegen sind beträchtliche Teile des Fuhrparks schon ethanoltauglisch und somit erst gar nicht betroffen. Ethanol ist nicht die große Unbekannte, die vielleicht die Autos zerstört. Es ist Normalität, und so wird das hierzulande wohl alles sehr unaufgeregt ablaufen.

Vielleicht sollte sich die deutsche Politik auch einmal überlegen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen.

Beim schwedischen Kinderkanal

Irgendwas stimmt heute nicht so recht im Kinderprogramm.

Die Untertitel sind von mir. Die Comedy-Serie war „Pentagon“ und lief 1997 auf TV4.

Zwar wurden in Switch Reloaded auch Nazis mittlerweile aufs Korn genommen, aber ich bezweifle, dass man sich so etwas im deutschen Fernsehen trauen würde.

Ein Tag bei der Palme-Mordkommission

Heute wurde mir dankenswerterweise dieses Video über die alltägliche Arbeit der Palme-Mordkommission zugetragen. Nicht alles ist gut übersetzbar und einige Details setzen das schwedische Allgemeinwissen zum Palme-Mord voraus, aber ich habe zur besseren Verständlichkeit ein paar Untertitel eingefügt.

Das Schlimme ist: dieses Video ist vermutlich gar nicht mal so weit weg von der Realität.

Das Svenska Dagbladet hat übrigens viele Menschen befragen lassen und hat sie (wortwörtlich) gefragt, ob sie glauben, dass „jemals irgendjemand wegen des Palmemordes verurteilt werden“ wird. Vielleicht war es diese sehr allgemeine Fragestellung, dass beachtliche 5% mit Ja geantwortet haben. Ich hätte eher gedacht, dass niemand mehr ernsthaft daran glaubt.

Schwedischer (und norwegischer) Fußball ist spitze…

…wenn man nicht auf die Spielergebnisse schaut.

Denn skandinavischer (Männer-)Fußball ist weder erfolgreich noch glänzen die Akteure mit Eleganz oder anderen attraktiven Attributen (die Damen werden mir vielleicht widersprechen). Aber fair spielen sie, wie Trainer Baade zurecht feststellt: seit der Einführung der UEFA-Fair-Play-Wertung im Jahr 1995 machte 6mal Schweden den ersten Platz und 5mal Norwegen. Gewertet werden hierbei von der UEFA veranstaltete Spiele.

Von denen gibt es für Schweden naturgemäß nicht so viele, weil die Vereinsteams alle ziemlich schnell ausscheiden. Aber fair scheiden sie aus, und so profitiert Schweden häufig doppelt, denn die bestplatzierten Verbände in der Fair-Play-Wertung erhalten einen Startplatz in der UEFA Europa League extra.

Wer die Ehre hat, für Schweden schnell (und fair) aus dem Wettbewerb zu fliegen, ist Sache des Verbandes. Anscheinend war Gefle IF letztes Jahr würdig und durfte mitspielen. Die Mannschaft konnte den knüppelharten Gegner NSÍ Runavík von den Färöer-Inseln mit einem 2:1 besiegen. Leider ging es danach nicht weiter, denn der georgischen Fußballgroßmacht Dinamo Tiflis mussten sie sich mit 1:2 geschlagen geben. Trotzdem hat die Mannschaft die Erwartungen erfüllt: während die beiden Gegner insgesamt 6 gelbe Karten kassierten, blieb Gefle unbekartet.

Wer meine süffisante Beschreibung des ganzen für ketzerisch hält, hat vermutlich recht. Es fällt mir schwer, das ernstzunehmen, denn meine Erwartungen an den schwedischen Fußball sind nicht sonderlich hoch.

Aber auch prinzipiell finde ich die Sache ein wenig albern. Die Absichten dahinter, fair spielende Verbände mit zusätzlichen Startplätzen zu belohnen, mögen ja nobel sein. Das ändert aber nichts an dem Faktum, dass in aller Regel Vereine in den Wettbewerb gelangen, die nicht weit kommen. Die Botschaft ist also nicht, dass Fairness sich auszahlt, sondern vielmehr, dass für fair gespielten Fußball traurigerweise nur Krümel übrig bleiben.

Umgekehrt ist es eine der wenigen Hoffnungen, endlich einmal internationalen Fußball abseits der Länderspiele in Stockholm erleben zu dürfen. Vielleicht gewinnt Schweden dieses Jahr wieder die Fair-Play-Wertung.

Eine Frage, drei Monate und keine Antwort

Nach meinem ärgerlichen Strafzettel neulich habe ich letztendlich bezahlt – es blieb mir kaum etwas anderes übrig.

Ich wollte es aber etwas genauer wissen, und stellte noch eine Frage:

[…] Mein Einspruch wurde abgelehnt […] und die Begründung beinhaltet:

Diese Genehmigung muss sich im Fahrzeug befinden und laut den Vorschriften gut sichtbar und voll von außen lesbar in der Windschutzscheibe platziert sein.

Ich frage mich, wo diese Vorschriften zu finden sind. Auf eurer Homepage gibt es nur das Gesetz, aber dort steht nichts von Windschutzscheibe und Lesbarkeit.

Wenn ich schon aufgrund eines fragwürdigen Gesetzes und irgendwelcher Vorschriften dazu verdonnert werde, einen überteuerten Strafzettel zu bezahlen, dann will ich diese Vorschriften gefälligst sehen. Das muss in einem Rechtsstaat so sein.

Das ist aber offenkundig zu hoch für meine Sachbearbeiterin Ewa H bei Q-Park. Die Antwort auf meine Frage, die ich vor fast 3 Monaten gestellt habe, lautet:

Wegen deiner Einwände gegen unseren früheren Beschluss wird mitgeteilt, dass es an diesem keine Änderung geben wird, weil keine neuen Angaben gemacht wurden, die eine Änderung rechtfertigen würden.

Sie hat meine Mail offenkundig nicht gelesen. Ich habe ja gar nichts eingewendet. Ich hatte nur eine Frage.

Wer eine Genehmigung hat, muss sich informieren, was für die Genehmigung gilt. In diesem Fall […] Windschutzscheibe […]

Um das mal zusammenzufassen: auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz gibt es Vorschriften, über die man sich informieren muss. Die Vorschriften kann die Parkfirma aber offenkundig nicht vorlegen.

Die Angelegenheit wird hiermit als bezahlt und abgeschlossen betrachtet.
Wir bitten um Entschuldigung für die lange Bearbeitungszeit.

Ja, du mich auch.

Ich habe mich neulich mit einem Freund, der Jurist ist, über das Thema unterhalten. Interessanterweise gibt es in Schweden kein Verfassungsgericht. Es gibt also keine Möglichkeit, ein Gesetz für ungültig erklären zu lassen, weil es fundamentalere Grundsätze verletzt. Was der Reichstag beschließt, gilt.

Ein Gesetz wie das in Schweden gültige wäre in Deutschland vermutlich undenkbar, weil es zum einen erlaubt, dass jedes Vergehen mit voller Härte bestraft wird, was den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit außer Acht lässt. Zum anderen würde es vermutlich schon daran scheitern, dass hier Richter und Staatsanwalt in einer Person vereinigt sind.

In Schweden kann man hier aber nichts machen. Anscheinend werden solche Fälle meist darüber geknackt, dass man versucht, das Gesetz vor Gericht als nicht anwendbar einstufen zu lassen.

Witzigerweise wäre das hier sogar vielleicht möglich. Denn anhand von nicht zugänglichen und vielleicht nicht existenten Vorschriften kann man schlecht zu Strafzahlungen verurteilt werden.

Aber ich werde nicht Don Quichote spielen. Keine Zeit, kein Geld und vor allem keine Lust. Da wird sich wohl ein anderer Rächer der Knöllchen finden müssen.

Da das Geld aber bezahlt ist, werde ich die Gelegenheit nutzen, ein bisschen unverschämt noch etwas nachzubohren. Jede Arbeitsstunde, die ich diesem Laden abringen kann, ist es wert.

Mord verjährt auch in Schweden nicht (mehr)

Es ist eine Binsenweisheit, die sich ins deutsche Bewusstsein eingefressen hat: ein Mord verjährt nie.

Dabei war das keineswegs immer so. Bis 1965 gab es eine Verjährungsfrist von 20 Jahren. Da man den 8. Mai 1945 als frühestmögliches Datum für die Verfolgung von Nazi-Verbrechen nahm, drohte sie auszulaufen. Diese Verbrechen ungesühnt lassen wollte man aber nicht. Das Anfangsdatum wurde zunächst auf 31. Dezember 1949 versetzt, was also eine Verlängerung bis 1969 bedeutete. Dann wurde die Frist auf 30 Jahre angehoben, und 1979 wurde die Verjährung endgültig abgeschafft. Heute ist dies praktisch unumstritten.
Sinnigerweise sind es die Neonazis, die jeden August mit Spruchbannern „Mord verjährt nicht“ durch die Lande ziehen, um zu proklamieren, dass man ihren verblichenen Helden Rudolf Heß ermordet haben soll – was freilich auf einer nur sehr dürftig mit Fakten untermauerten Verschwörungstheorie fußt.

Olof Palme in den 1970er Jahren. Der Mord an ihm wird wohl nie aufgeklärt werden. (Bild: Oiving, CC)

In Schweden, weit weg von solchen Dingen, verjährte Mord seit jeher nach 25 Jahren. Im Normalfall spielt das keine Rolle, denn nach 25 Jahren werden kaum noch Morde aufgeklärt. Aber es gibt einen, der noch immer großes Interesse hervorruft: der Mord an Schwedens Regierungschef Olof Palme am 28. Februar 1986, der an jenem Tag nach einem Kinobesuch von einem Unbekannten niedergeschossen wurde und noch vor Ort verstarb.

Damals ging viel bei der Ermittlung schief, aber wohl nicht nur deswegen ist bis heute nicht klar, wer der Täter war. Die abstrusesten Theorien wurden aufgestellt: die Südafrikaner, die RAF – alle wollen und können es gewesen sein. Erst neulich wollte ein ehemaliger jugoslawischer Geheimdienstmann die Welt wissen lassen, dass natürlich sein Geheimdienst Palme getötet habe. Mit Christer Pettersson, ein schon einmal wegen Totschlags verurteilter Drogenabhängiger, konnte man einen Verdächtigen präsentieren, der aber letztinstanzlich freigesprochen wurde. Er ist bis heute einer der wahrscheinlichsten Kandidaten, schon weil Palmes Witwe ihn identifizierte und es als es recht sicher gilt, dass er in der Umgebung des Kinos war. Aber selbst wenn er es war, wird man es nie klären können: er verstarb 2004.

Damit ist auch das Dilemma dieses Verbrechens schon beschrieben: es ist soviel gesagt, geschrieben und gemutmaßt worden, dass man den Täter nie finden wird.

Normalerweise hätte man sagen können: eine Woche noch, dann sind die 25 Jahre um und das Thema damit gegessen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dann einer vortritt und sagt, wie es wirklich war, ist verschwindend gering. Vor einem Jahr beschloss aber der Schwedische Reichstag, dass alle Morde, die nach dem 1. Juli 1985 begangen wurden, nicht mehr verjähren. Das Gesetz trat am 1. Juli 2010 in Kraft, womit Verbrechen, die eigentlich schon verjährt waren, nicht wieder „entjährt“ werden.

Die Motivation hierzu ist offiziell, dass die internationalen Rechtsnormen sich mit der Zeit gewandelt hätten und deswegen Mord und Völkermord nicht mehr verjähren sollen. Dass damit der Palme-Mord auch nicht mehr verjährt, ist aber wohl kaum Zufall. Eins ist jedenfalls sicher: damit hat man der schwedischen Polizei ein ziemliches Ei gelegt.

Anders ist die kuriose Pressekonferenz, die gestern abgehalten wurde, kaum zu erklären. Die Presse war in voller Stärke angerückt, um genau das zu hören, was sie erwartet hatte: es gibt nichts Neues zum Palme-Mord, aber es wird weiter ermittelt – auf schwedisch nennt sich das sinnigerweise auch noch „förundersökning“ („Voruntersuchung“), was natürlich nach so einer langen Zeit ein schlechter Witz ist.

Sehr amüsant auch die Antwort auf die Frage eines Journalisten, wie alt denn die Ermittler seien. Um die 60 sind sie, und damit alle kurz vor der Pension. Die Ermittlungen gingen natürlich weiter in den Händen von Nachfolgern, wurde sogleich versichert, aber es drängte sich schon der Verdacht auf, dass die Palme-Kommission ein ruhiger Arbeitsplatz für die etwas älteren Semester der Polizei ist. Nicht dass die nichts zu tun hätte: zwei bis drei Hinweise kommen täglich immer noch herein . Aber etwas Neues ist selten dabei, und so kann man die allermeisten sofort zu den Akten legen. Von welcher „Qualität“ die meisten Tipps sind, kann man nicht nur an solchen Räuberpistolen wie dem oben erwähnten jugoslawischen Geheimdienstkomplett ersehen, sondern auch daran, dass in den 25 Jahren nicht weniger als 130 Personen den Mord an Palme gestanden haben. Dummerweise konnte keiner von denen das glaubwürdig vermitteln.

Es sieht so aus, dass die Polizei hier auf lange Zeit ein paar Planstellen für Polizisten einrichten muss, die Freude daran haben, wertlose und skurrile Hinweise zu bearbeiten, aber ohne Ermittlungserfolge leben können. Die entsprechenden Beamten rechnen nach der heutigen Medienaufmerksamkeit schon damit.

Prinzipiell halte ich es für richtig, dass Mord niemals verjährt. Das hier ist einer der Fälle, wo man das Prinzip auch dann noch hochhalten muss, wenn als Kollateralschaden Steuergelder für eine offenkundig aussichtslose Ermittlung ausgegeben werden.

Reiche Kanalauswahl

Bei Canal Digital gibt es eine Menge Kanäle, aber einen nicht, wie man in obigem Video sehen kann. Interessant, dass die schwedischen Werbemacher für so etwas Verschrobenes Deutsche verwendet haben. Vielleicht sind wir allseits bekannte Allergiker – wäre mir jedenfalls neu.

Es erinnert mich jedoch an einen schweren Entschluss, den ich kürzlich getroffen habe: vor ziemlich genau 2 Jahren verabschiedete ich mich nach und nach von Comhem, dem größten Kabelfernsehbetreiber Schwedens, über dessen Netz wir auch Internet und Festnetztelefon hatten. Vorangegangen war eine Preiserhöhung, bei der Comhem nicht den Mumm hatte, zuzugeben, dass es wirklich eine ist. Stattdessen wurde sie als „Kartengebühr“ verschleiert.

Der kleinste Tarif, Small, war von dieser Gebühr nämlich befreit, und die meisten Kanäle nutzten wir ohnehin nicht. Eigentlich hätten wir über unseren Vermieter fast alle Kanäle auch (analog) so bekommen können, aber wir behielten des ZDF wegen das digitale Basisabonnement.

In der Zwischenzeit hat sich die Situation aber geändert. Vor einem Jahr wurden praktisch sämtliche Kanäle, die in Small enthalten sind, allgemein auch digital freigeschaltet. Damit bezahlten wir de facto die Monatsgebühr von 39 kr nur, um für nochmal 29 kr mehr das ZDF buchen zu können. 68 kr (gut 7 €) im Monat für einen einzigen Kanal also.

Nun erreichte uns die nächste Änderung. Das im Grunde wertlose Small-Paket wird auch noch teurer: 49 kr soll es nun kosten. Das Motiv ist wohl ziemlich klar: man will auch die letzten Kunden aus diesem Tarif vertreiben.

Nun sind es also 78 kr für einen einzigen Kanal. Die Frage ist nun, wie man darauf reagiert. Satellitenfernsehen scheidet aus, weil keine freie Sicht besteht. Das ZDF über das Internet zu besorgen funktioniert in der Theorie, aber in der Praxis nur allzu oft nicht – viele Sendungen gibt es gar nicht, und ohne deutschen Proxy würde man von einigem Material ausgeschlossen werden. Man sollte außerdem noch in der Lage sein, den Fernseher einfach einzuschalten, was dann auch nicht mehr möglich wäre.

Gerne würden wir zum Internetfernsehen unseres Anbieters Bredbandsbolaget wechseln. Aber dort gibt es kein internationales Angebot, und national sind wir weitgehend durch den Vermieter abgedeckt. Das macht wenig Sinn.

Der einzige Ausweg ist, in den sauren Apfel zu beißen: wir wechseln in den Tarif Medium zurück, den es mittlerweile nur noch in der Version „8 Favoriter“ gibt. Dabei erhält man die Kanäle des Basispakets plus 8 annähernd frei wählbare Kanäle. Man kann die Kanäle jeden Monat austauschen, wenn man lieber etwas anderes haben möchte. Zu den wählbaren Kanälen gehören auch das ZDF und 3sat. Also werden wir das buchen, um für mehr Geld deutlich mehr Leistung zu bekommen.

Groteskerweise wäre nun auch zu überlegen, wieder mit Telefon und Internet zu Comhem zurück zu gehen. Zwar hatten wir einigen Ärger, und Bredbandsbolaget ist aufs Gesamte gesehen eher noch zuverlässiger. Jedoch zahlen wir nun 349 kr im Monat für 24 MBit/s, von denen in Wirklichkeit aber nur 16 bis 17 MBit durchkommen, was bei DSL ja auch nicht ungewöhnlich ist. Bei Comhem hatten wir früher aber in aller Regel 25 MBit. Deren Netz wird derzeit sogar so ausgebaut, dass es bis zu 200 MBit bringen kann.

Ein Wechsel zurück würde die Kosten etwas reduzieren. Die Frage ist nur, ob man sich das nochmal antun will.

[Dank an Thilo für den Tipp mit dem Video]

Schweden kann sich den Euro nicht leisten

Ich wollte es ja nie glauben, aber nun bin ich überzeugt: der Euro wird Schweden in den Ruin stürzen!

Das haben die Mathematiker der Schwedendemokraten herausgefunden, die erzählen, wie teuer so ein Euro nämlich ist. Und Margareta Sandstedt von dieser Partei hat den Mut, das im Parlament auch mal offen zu sagen.

Das kann sich kein Mensch leisten. Andere haben nachgerechnet: eine Wurst für 1 Euro kostet somit stolze 100 Millionen schwedische Kronen.

Das ist in der Tat eine Menge Holz. Schweden muss also unbedingt bei der Krone bleiben, damit die Wurst nicht soviel wie kostet wie eine Reihenhaussiedlung.

Und Einwanderung muss gestoppt werden – aber das versteht sich ja von selbst.

[Dank an Gardar]