Aha: die Gegend um Fukushima strahlt also „wie Tschernobyl“

Die Belastung der Gegend um Tschernobyl 10 Jahre nach dem Unglück: über 50% höher als in Fukushima (Bild: Sting/Creative commons share alike attribution 2.5 given by User:Sting)

Die taz gibt sich heute die Ehre mit einem leider beispielhaften Artikel über das Unglück in Fukushima.

Dort heißt es:

Es war eine dürre Zeile im x-ten Absatz einer Pressemeldung: „Die zugänglichen Resultate zeigen eine Kontamination im Bereich 0,2 bis 0,9 MBq pro Quadratmeter.“ Dieser für Laien unverständliche Satz deutet eine mögliche Katastrophe für die Bewohner der Region rund um das japanische AKW Fukushima Daiichi an. Übersetzt heißt das nämlich, dass an den Messpunkten in der Region Strahlenwerte gemessen werden wie an den berüchtigten „Hotspots“ der evakuierten Zone rund um den ukrainischen Katastrophenreaktor Tschernobyl.

Eine mittlerweile drei Tage alte Pressemeldung herauszukramen ist schon fragwürdig an sich.

Zwar fragt der Autor Reiner Metzger immerhin Fachleute, aber eine wichtige Sache wird – nicht ganz zufällig, wie man bei dem Titel vermuten kann – unterschlagen: in Tschernobyl sind diese Werte nach 25 Jahren so hoch, in Fukushima sind aber erst wenige Tage vergangen.

Wäre das strahlende Material ausschließlich Cäsium-137, dann wäre die Panikmache nachvollziehbar, denn dieses hat eine Halbwertszeit von rund 30 Jahren. Das andere wichtige strahlende Element in dieser Sache ist jedoch Jod-131, und das zerfällt in rund 8 Stunden Tagen zur Hälfte.
Während also dieser Artikel erscheint, ist das vor drei Tagen noch vorhandene Jod-131 schon zu über 99% zu 23% zu Xenon-131 zerfallen. Dass also irgendwo kürzlich 0,9 MBq pro Quadratmeter gemessen wurde, sagt kaum etwas über die heutige Strahlenbelastung aus.

Man kann sich ausmalen, welche gigantischen Mengen von I-131 und Cs-137 um Tschernobyl niedergegangen sein müssen. Wenn man einen Taschenrechner bemüht, dann kann man anhand einfach zugänglicher Quellen ersehen, dass in Tschernobyl noch im Jahr 1996 die Belastung an einigen Stellen bei über 1,5 GBq pro Quadratmeter gelegen hat. Auf die Idee ist aber Reiner Metzger offenkundig nicht gekommen.
Die Strahlung in Tschernobyl war also 10 Jahre nach dem Unglück an den Hotspots mindestens 50% höher als in Fukushima nach einigen Tagen.

Fukushima in dieser Hinsicht allen Ernstes mit Tschernobyl vergleichen zu wollen zeugt entweder von Unwissenheit oder grandioser Sensationshascherei.

Eigentlich hatte ich den Eindruck, dass die wissenschaftliche Qualität der Fukushima-bezogenen Nachrichten etwas besser wurde in den letzten Tagen. Leider ist das nicht durchweg so.

Nachtrag: Wenn man Nachlässigkeiten anderer kritisiert, muss man zu seinen eigenen stehen. Jod-131 hat natürlich eine Halbwetszeit von 8 Tagen, nicht Stunden. 99% sind also erst nach 53,3 Tagen zerfallen, nicht schon nach 3 Tagen. Das ändert am Grundproblem aber nichts: in zwei Monaten wird das Jod verschwunden sein, und erst dann kann man überhaupt sehen, wie stark die Gegend wirklich dauerhaft belastet ist.

Palme-Nachschlag

Meine Beiträge zum 25. Jahrestag der Ermordung des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme waren natürlich nicht die einzigen zum Thema.

Daher noch einige Hinweise auf weitere interessante Fundstücke, die mir untergekommen sind:

  • Der Deutschlandfunk berichtet in seinem Hintergrund gewohnt fundiert und unaufgeregt über das Thema. Besonders erfreulich finde ich, dass sie sich nicht auf eine These stürzen, sondern verschiedene Aspekte streifen.
  • Genau letzteres kann man über zwei weitere Beiträge nicht sagen. Einer wurde mir dankenswerterweise über die Kommentare zugetragen: der Artikel „Mordsmäßiges Schweigen“ von Henrik Andersson, der im Tagesspiegel veröffentlicht wurde. Nachdem der Autor konstatiert, dass immer wieder dubiose Theorien zum Mord auftauchen, präsentiert er direkt seine eigene, die selbstverständlich nicht dubios ist. Andere Kandidaten werden mit schnellen Bemerkungen zur Seite gewischt, und stellenweise grenzt das Ganze an Verschwörungstheorie.
  • Ähnlich gingen vor 10 Jahren die Macher des Films „Mord in Stockholm“ vor. Da läuft es auch so heraus, dass es doch glasklar sei, wer Palme ermordet habe. Die Sendung lief auf BR Alpha am 27. Februar, aber ist online anscheinend nicht verfügbar.
  • Bayern 2 hingegen weist darauf hin, dass Palme doch tatsächlich vor seiner Ermordung ein Leben geführt hat, über das es auch etwas zu erzählen gibt. Es ist ein schönes Palme-Porträt geworden mit einigen schönen Abschnitten, in denen er sein mit großem Wortschatz ausgestattetes, fast fehlerfreies, aber stark schwedisch eingefärbtes Deutsch spricht.

Übrigens: Chatroulette lebt wieder

Schon längst vergessen ist der Trend des Frühjahrs 2010: Chatroulette.

Wer dieser Tage hineinschaut, findet nicht nur ein aufgehübschtes Interface vor, sondern kann feststellen, dass es sogar funktioniert.

Und nicht nur das: sogar nette Youtube-Videos werden immer noch erstellt.

Die (männliche) Genitaliendichte ist hingegen beträchtlich gesunken. Wem das nicht gefällt, der dürfte sich beim Alternativportal CamZap wohlfühlen.

[via Geeks are Sexy]

Ein unmoralisches (Internet-)Angebot

Bushaltestellenwerbung von VictoriaMilan

Bist du verheiratet?

Mache das Leben lebendig
– habe eine Affäre

Mit diesen, nun ja, ungewöhnlichen Worten wird derzeit an vielen Bushaltestelle geworben. Eine Kontaktseite für Seitensprünge, die sich so ins Licht wagt – man ist erstaunt.

Interessant ist der Aufstellungsort: mir scheint, die Plakate wurden besonders häufig in Östermalm platziert. Das wundert mich auch nicht sonderlich, denn die Affärenwahrscheinlichkeit ist proportional zur Dicke des Geldbeutels. Finanzielle Nöte sind in Östermalm selten, wenn nicht gerade der 5er für den Einkaufswagen aus dem Porsche Cayenne verschwunden ist.

Das wohl wichtigste Anliegen der potenziellen Nutzer steht gleich daneben:

100% vertraulich [und] anonym

Die Informationsseite dieses Portals erklärt auch, wie das geht. Kontaktdaten sind im Profil nicht erlaubt, und beim Bilderupload kann man sein Gesicht verfremden. Weiterer Tipps: keine erkennbaren Klamotten oder Schmuck tragen.

Nur die Abschaltung des schlechten Gewissens gehört nicht zum Angebot und wird deswegen auch nicht erwähnt.

Die Anmeldung ist kostenlos, aber etwas versteckt heißt es, dass es ein „Upgrade“ für die Mitgliedschaft gäbe. Das heißt letzten Endes wahrscheinlich nichts anderes, als dass man wie bei allen Bezahlseiten ohne Einsatz von finanziellen Mitteln so gut wie nichts darf.

Mein Forscherdrang endete aber an diesem Punkt aus hoffentlich nachvollziehbaren Gründen. Interessierte Leser dürfen aber gerne weitergehen und von ihren Erfahrungen berichten. 100% vertraulich und anonym, versteht sich.

Fukushima, Tschernobyl, Bumm, alle tot

Mit Grauen lese ich derzeit die Nachrichten. Das bezieht sich aber nicht nur auf die schrecklichen menschlichen Dimensionen, sondern auch und vor allem auf die Berichterstattung über die Vorgänge im Kernkraftwerk Fukushima.

Nicht dass ich der größte Kernkraftspezialist wäre. Aber im Gegensatz zu den allermeisten Menschen habe ich im Rahmen meines Studiums schon Kurse in Reaktorphysik absolviert. Da ist es erschreckend, wie Kernkraft in den Medien dargestellt wird.

Die Angst vor der Kernschmelze

In einem Erklärstück gestern im ZDF sah ich, wie das mit der Kernschmelze funktionieren soll: die Reaktorstäbe sind schwierig zähmbare Biester, und wenn das Wasser um sie herum weg ist, bricht die Hölle los. Die Darstellung spielt dem Verständnis von Kernkraft in der Allgemeinheit in die Hände, dass sie wie ein Löwe nur im Normalfall ungefährlich sei, aber sobald die Käfigstäbe brechen, unkontrollierbar werde.

Daran stimmt leider so einiges nicht. Das Hauptschwierigkeit mit der Kernspaltung ist nämlich nicht, sie zu stoppen, sondern sie überhaupt erst in Gang zu bringen. Wer sich schon einmal gefragt hat, woher die Neutronen herkommen, die das Uran spalten: aus dem Uran selbst, denn bei den Zerfallsprozessen entstehen Neutronen. Nur sind diese viel zu schnell, um eine Kernspaltung auszulösen. Man muss sie abbremsen, und das macht in modernen Reaktoren gewöhnliches Wasser. Kocht das Wasser ab, endet auch die Kernspaltung. Das Problem behebt sich also ab einem gewissen Punkt von selbst. Die Kernschmelze ist letztendlich nichts anderes, als dass der Reaktorkern bei diesem Vorgang äußerst heiß wird und sich verformt.

Dadurch ist auch nicht die Schwierigkeit das „Durchbrennen“ des Reaktors an sich, sondern zu verhindern, dass in so einem Fall die Hülle des Reaktors aufbricht und radioaktives Material austritt. Dafür sollte jeder vernünftig konstruierte Reaktor ausgelegt sein.

Die Angst vor Tschernobyl

Betrüblich ist aber, dass sofort der erste „Tschernobyl“ schreit und behauptet, alle Kernkraft sei per se unsicher. Das ist so, als wäre das Sinken der Titanic für sich genommen ein Grund dafür, den Schiffsverkehr dauerhaft einzustellen. Das bedeutet zwar nicht, dass es generell nicht gut wäre, den Schiffsverkehr einzustellen. Nur ist das Sinken eines Schiffes ohne Kenntnis und Analyse der genauen Fakten kein Grund dafür.

Genauso ist es auch hier. Die Katastrophe von Tschernobyl war kein Ausrutscher, wie sie in jedem modernen Kraftwerk passieren könnte. Es war keineswegs so, dass man vorher nicht wisste, dass die Kiste hochgehen könnte. Alles, was man wissen musste, um die Unsicherheit dieses Reaktors zu sehen, war schon lange bekannt gewesen. Dieser Reaktor war schon von seinen Konstruktionsprinzipien her unsicher, und ich wage zu behaupten, das wussten die Konstrukteure auch ganz genau. Die Ursachen der Katastrophe waren vielfältig, aber im Zentrum stehen letztendlich drei Dinge: In Tschernobyl fand die Moderation durch Graphitstäbe statt. Diese kochen natürlich nicht weg, wenn der Reaktor durchgeht. Zum Zweiten waren die Eigenschaften so, dass die „Bremsen“ für die Kettenreaktion durchaus auch als Gaspedal wirken konnten. Zum Dritten wurde der Reaktor von dilettantisch agierendem Personal außerhalb der zulässigen Grenzwerte betrieben. Letzteres sorgte dafür, dass die Bremsen überhaupt erst gebraucht wurden – und das Unglück nahm seinen Lauf.

Als Krönung hatte der Bautyp aber auch keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen gegen austretendes radioaktives Material. Das Dach wurde weggesprengt, und die Graphitstäbe brannten an der freien Luft.

Leider wird gerne übersehen, dass so eine Katastrophe nur weil sie in einem Reaktor passiert ist, nicht in jedem Reaktor passieren kann.

Lieber eine schnelle Information als eine korrekte Information

Insofern ist es nicht gerade ein Glanzstück des Journalismus, wenn sofort irgendwelche alten Tschernobyl-Beiträge herausgekramt werden. Zur Stunde weiß offenbar keiner, was genau passiert ist und warum es passiert ist. Eines steht jedenfalls fest: an der freien Luft brennende Reaktorstäbe wird es nicht geben. Nur sagt das keiner.

Stattdessen darf man auch in seriösen Medien Interviews mit Vertretern von Greenpeace und IPPNW sehen, die natürlich das sagen, was man von ihnen erwartet: Kernkraft ist Teufelszeug. Garniert wird das mit Spitzenpolitikern, die versichern, dass man das jetzt in keiner innenpolitischen Debatte instrumentalisieren werde, aber natürlich sogleich anhängen, dass man seine Position bestätigt sieht.

Das Ganze trägt weniger zur Information als zur Desinformation bei. Untaugliche historische Vergleiche in Unkenntnis der wissenschaftlichen Fakten und der genauen Vorgänge in Japan schaden letzten Endes mehr als sie nutzen. Zu einer rationalen Bewertung der Lage tragen sie jedenfalls wenig bei.

Nachtrag: Ich hatte in meinen Ausführungen nicht bedacht, dass das Hauptproblem hier ein anderes ist. Die Steuerstäbe konnten anscheinend eingefahren werden, so dass die Kettenreaktion schon seit längerem steht. Das Problem ist, dass die Zerfallswärme der Spaltprodukte die Kernschmelze zu verursachen droht. Einen informativen Beitrag zum Thema gibt es hier: Why I am not worried about Japan’s nuclear reactors. (auf deutsch, sofern nicht gerade überlastet: hier)

Schwedens nächster Regierungschef (?)

Håkan Juholt, voraussichtlicher nächster Parteivorsitzender der Sozialdemokraten (Bild: http://politik.in2pic.com/ , CC)

Ich habe es seither nicht mehr erwähnt, aber die Suche nach einem neuen Parteichef für die schwedischen Sozialdemokraten, der am 25. März gewählt werden soll, ging den ganzen Winter weiter.

Das gleiche Spiel setzte sich fort: keiner der Gefragten hatte Lust, den Job zu machen. Pär Nuder, ehemaliger Finanzminister, wurde mehrfach gefragt, und sagte konstant nein. Zuletzt wurde auch Leif Pagrotsky gehandelt, ein relativ bekannter Politiker und ebenso ehemaliger Minister. Aber auch er sagte gestern endgültig und definitiv Nein. Schon länger geisterte eine Liste von vier Personen durch die Presse:

  • Mikael Damberg, ehemaliger Jusochef und Reichstagsabgeordneter, der aber anscheinend im Jugendverband für allerlei Spannungen sorgte.
  • Thomas Östros, Ex-Minister und Ökonom
  • Sven-Erik Österberg, ein weiterer Ex-Minister, ebenso spezialisiert auf Wirtschaft
  • Håkan Juholt, ehemaliger Journalist, derzeit Reichstagsabgeordneter und Vorsitzender im Verteidigungsausschuss

Aus dieser bunten Resterampe wurde nun heute ausgerechnet Juholt auserkoren, den Job zu machen. „Juholt? Wer zum Teufel ist Juholt?“ dachte ich mir, als ich das las. Nicht dass ich ein besonderer Kenner der Politszene wäre, aber mich beschleicht das Gefühl, dass ich nicht der einzige bin, dem das so gehen dürfte. Juholt stand nicht einmal auf der doch recht langen Liste potenzieller Kandidaten, die letzten Herbst kolportiert wurde. Er hat keine hohen Ämter bekleidet, keine illustren Parteiposten gehabt. Er ist weder jung noch scheint er ein ausgeprägter Charismatiker zu sein:

Ein Blick in die Leserkommentare der Dagens Nyheter:

  • Hasse schreibt: „Vollkommen unbekannte Person für mich. Ist das ein intelligenter Mann? Vielleicht sogar mit Universitätsexamen?“
  • Jan Stavaeus: „Gab es keinen, der noch reaktionärer war? […] Juholt scheint erzkonservativ zu sein und hat nicht den Hauch einer Chance gegen die Modernisten Reinfeldt und Borg“
  • Kalle: „Ist heute 1. April?“
  • F.d. moderat (ehemaliger Moderater): „Das ist ein richtiger Kerl. […] Man fühlt sich schon sicher, wenn man ihn nur sieht.“
  • Curre: „Kann ja wohl nicht wahr sein!“
  • Lennart S.: „Es war wohl der Schnauzbart, der den Ausschlag gab.“

Kommentare sind natürlich nie repräsentativ, aber vielversprechend ist das trotzdem nicht. Er wirkt mir jedenfalls nicht wie ein Hoffnungsträger für eine Partei, die frischen Wind dringend brauchen könnte. Vielleicht ist eine dritte bürgerliche Regierungsperiode gerade wahrscheinlicher geworden.

Man soll den Mann aber nicht vorzeitig begraben. Ab 25. März darf er zeigen, was er kann.

Ein historischer Tag

Eine typische Semla: Schlagsahne, darunter versteckt Mandelfüllung, eingepackt in luftigen Teig (Bild: Frugan/CC-2.0)

Die Titanen der B-Feiertage haben sich heute versammelt.

Zunächst einmal ist Fettisdag (Fettdienstag) bzw. Semladag (Semmeltag). Gäbe es ihn nicht, würde man von Fasnacht hierzulande keine Notiz nehmen. Wie die Fasnacht (ursprünglich) auch bezieht sich der Fettisdag (ursprünglich) auf die ab morgen anstehende Fastenzeit. Während man dies anderswo mit tagelangem Alkoholkonsum und sinnfreier Musik begeht, ist man in Schweden ganz pragmatisch und schlägt sich noch einmal den Bauch voll, und zwar mit einer Semla. Wie man dem Bild oben und der Beschreibung entnehmen kann, handelt es sich um eine Fett- und Zuckerbombe ersten Ranges. Früher als noch tatsächlich gefastet wurde, gab es dieses Gebäck auch nur am Fettisdag. Heute fastet kaum noch einer, und im Gegenzug werden die Semlor Wochen vor- und nachher allerorten verkauft. Es handelt sich also um einen Beitrag zur Volksgesundheit. Schmecken tun sie trotzdem.

Für den semlafreien Rest der Welt war übrigens heute der internationale Pfannkuchentag, wie die Dagens Nyheter heute zu berichten wusste.

Außerdem ist heute der Weltfrauentag, der dank des 100jährigen Jubiläums auch in Deutschland etwas Aufmerksamkeit fand, wenn auch nicht mehr ganz so viel wie früher in einem Teil (siehe Video). In Schweden ist er eine relativ große Nummer. An der Bushaltestelle wurde von der Linkspartei kostenloses Frühstück für die Frauen ausgegeben. Ich fühle mich diskriminiert, denn ich muss wohl davon ausgehen, dass der nächste Montag anstehende Schnitzel-und-Blowjob-Tag mal wieder konsequent ignoriert werden wird.

Diese Konstellation ist übrigens extrem selten. Das Osterdatum muss hierzu auf den 24. April fallen, und das ist der zweitspäteste Termin, der möglich ist. Wir werden unseren Kindern berichten können, dass wir den großen Semla-Weltfrauen-Doppelwhopper-Waffeltag 2011 erlebt haben, auf einer Stufe mit dem Halleyschen Kometen und dem Sieg im Eurovision Song Contest. Die Nachwelt wird Sagen darüber schreiben.

Wann es das nächste Mal so einen Tag geben wird, steht natürlich schon fest. Wenn meine Berechnungen stimmen, wird dies erst wieder in den Jahren 2095 und 2163 eintreffen. Da wir bis dahin alle schon verblichen sind oder zumindest nicht mehr so agil: feiert noch schön.

Das E10-Debakel und warum es sich in Schweden wohl nicht wiederholen wird

Die E10 ist eine Fernstraße von Luleå in Nordschweden nach Å in Nordnorwegen.

Die Abkürzung dürfte in diesen Tagen mit etwas ganz anderem assoziiert werden: dem neuen Sprit an Deutschlands Tankstellen, bestehend aus 90% herkömmlichen Super-Kraftstoffs und 10% Ethanol.

Deutschland ist mit diesem Schritt nicht alleine. Auch in Schweden wird ab Mai 2011 das herkömmliche als „95“ bezeichnete Super durch E10 ersetzt.

Der Ansatz in Sachen Biosprit könnte aber anders nicht sein. Ich gehe davon aus, dass das nicht so chaotisch verlaufen wird wie derzeit in Deutschland.

Das E an der Tankstelle ist kein Unbekannter in Schweden. Schon seit einigen Jahren wird fast flächendeckend E85 verkauft – man kann es sich denken: das sind 85% Ethanol und 15% Super. Schadstoffarme Autos, die auch mit diesem Sprit fahren können, sind erheblich steuerlich begünstigt und von der Maut in Stockholm ausgenommen. Auch der Verbraucher hat etwas davon, denn ein Auto, das von 0% bis 85% Ethanol alles schluckt, ist nicht auf ein dichtes Ethanoltankstellennetz angewiesen, was ja bei anderen Kraftstoffen wie Biogas immer ein Problem darstellt. Das alles zeigt Wirkung: die Autos verkaufen sich gut und haben auch als Gebrauchtwagen kaum Wertverlust.

Außerdem ist das für die Hersteller eine elegante Lösung, weswegen sie sich nicht sonderlich anstrengen brauchten. Da nur sich nur wenige Werkstoffe mit Ethanol nicht vertragen, mussten in erster Linie die Zündmechanismen angepasst werden. So leicht konnte man noch nie auf Bio machen.

Dabei ist der Umweltnutzen umstritten. Dass zur Herstellung Lebensmittel verwendet werden, was ethisch fragwürdig ist, und dass fast mehr zur Energie zur Herstellung gebraucht wird als nachher herauskommt, sind nur zwei Aspekte. Aber selbst wenn das nicht so wäre: das Umweltbewusstsein der Leute endet im Geldbeutel. Der Verbrauch mit E85 ist nämlich rund 30% höher, was soviel bedeutet, dass sich das nur lohnt, wenn die Ersparnis das ausgleicht. Solange der Ölpreis moderat ist, wird man der Bequemlichkeit halber beim Benzin bleiben, denn dann hält der Tank länger. Nur wenn die Preise in den Himmel schießen, rennen alle zu E85, was dann schonmal zu Knappheit führt.

Insgesamt kann man wohl trotzdem von einem Beispiel einer gelungenen Einführung sprechen, denn die neuen Autos sind in jedem Falle umweltfreundlicher als die alten.

Dem steht das deutsche Modell diametral entgegen, wie mir scheint. Es tut so gut wie nichts, um die Anschaffung schadstoffarmer und/oder biospritbetriebener Autos zu fördern. Das beginnt schon damit, dass man auch nach der letzten Reform daran festhielt, die Kfz-Steuer immer noch zu erheblichen Teilen nach dem Hubraum zu bemessen. Ein Sinn dahinter ist nicht zu erkennen, aber man kann wohl davon ausgehen, dass man in typisch deutscher Manier keinem auf die Füße treten wollte. Also führte man einen schadstoffbezogenen Teil in das System ein, aber sorgte dafür, dass Luftverpester nicht allzu schlecht wegkommen. Von dem Irrwitz der Abwrackprämie will ich erst gar nicht anfangen.

Nun also das Debakel mit der Einführung von E10. Natürlich war nicht Umweltfreundlichkeit die treibende Kraft hinter dem Entschluss der Einführung, sondern die Unabhängigkeit von Mineralöl. Eigentlich sollte es kein Problem darstellen, denn E5 hatte man ja schon seit längerem, und fast alle Autos vertragen den Sprit.

Dennoch war das Debakel absehbar. Der deutsche Verbraucher ist preisbewusst, und die Aussichten auf steigenden Verbrauch behagen ihm nicht. Die Preise sind derzeit allgemein sehr hoch, und als Schnäppchen kann man so den neuen Treibstoff kaum empfinden. Zudem sind Autos heilig, und die Unsicherheit über die Verträglichkeit des Stoffes kommt hier negativ hinzu. Kein Wunder also, dass alle lieber Super Plus tanken.

In Schweden hingegen sind beträchtliche Teile des Fuhrparks schon ethanoltauglisch und somit erst gar nicht betroffen. Ethanol ist nicht die große Unbekannte, die vielleicht die Autos zerstört. Es ist Normalität, und so wird das hierzulande wohl alles sehr unaufgeregt ablaufen.

Vielleicht sollte sich die deutsche Politik auch einmal überlegen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen.

Beim schwedischen Kinderkanal

Irgendwas stimmt heute nicht so recht im Kinderprogramm.

Die Untertitel sind von mir. Die Comedy-Serie war „Pentagon“ und lief 1997 auf TV4.

Zwar wurden in Switch Reloaded auch Nazis mittlerweile aufs Korn genommen, aber ich bezweifle, dass man sich so etwas im deutschen Fernsehen trauen würde.

Serengeti Tag 1

Die Nacht war kühl am Ngorongoro-Krater. Das fand ich sogar, obwohl ich kurz zuvor noch -10°C in Stockholm gehabt hatte. Das war es aber nicht, was einen nachts zweimal überlegen ließ, das Zelt zu verlassen. Das war das Wissen, dass es da draußen wilde Tiere gibt und der Zeltplatz nachts unbeleuchtet und unbewacht war. Eine andere Gruppe kam gerade aus der Serengeti zurück und hatte die Nacht davor Giraffen am Zelt gehabt. Oben am Krater gab es nicht so viel, aber wenn tagsüber die Elefanten kommen, kann man nachts nicht ausschließen, dass sich auch mal etwas anderes ins Lager verirrt.

Gefährliche Tiere kamen dann im Serengeti-Nationalpark. Der dürfte jedem seit Bernhard Grzimek ein Begriff sein, auch wenn man natürlich keine konkrete Vorstellung davon hat. Der Name Serengeti kommt aus der Massai-Sprache und bedeutet „endloses Land“. Das ist auch ziemlich treffend, denn es ist im Wesentlichen eine riesengroße Ebene. Zunächst ist sie aber vor allem eines: staubig, denn die Steppe, durch die man bis zum Eingangstor fährt, ist schon sehr trocken.

Auf dem Weg in die Serengeti

Das Tor selbst steht auch mitten im Nirgendwo. Davor sitzen dann die letzten Massai, denn ab der Grenze zum Nationalpark ist jede Bewirtschaftung verboten. Wer sich dort dauerhaft aufhält, tut dies im Normalfall zum arbeiten. Bis man zur Station am Eingang kommt, sind es noch einige Kilometer. Dort ist ein kleines Besucherzentrum, ein kleiner Laden und ein Aussichtspunkt – alles schön gelegen auf einem bewachsenen Hügel mitten in der Steppe.

Dort machen aber nicht nur die Safariautos Pause. Die Serengeti liegt auch auf der Strecke von einigen Langstreckenbussen, die dann über die staubige Piste brettern. Derzeit ist auch eine Straße im Gespräch, die durch die Serengeti gebaut werden soll. Verständlicherweise ist das sehr umstritten, weil das die Tiere natürlich erheblich behindern würde.

Die ersten „neuen“ Tiere sahen wir dann auch noch in der Steppe: zwei Geparden. Das ist nicht so häufig, denn Geparden sind wie Leoparden meist Einzelgänger. Lediglich die Männchen bilden manchmal kleinere Gruppen.

Wie alles, was ich hier zu den Tieren erzähle, ist das nur mit Vorbehalt. Hat man einen so guten Guide bei einer Safari, wie wir ihn hatten, wird man jeden Tag mit einer Menge Informationen gefüttert, die man nachher nur noch in Teilen und dann auch nicht unbedingt korrekt erinnert. Ich habe mir zwar ein Buch mit den wichtigen Tierarten besorgt, aber beim Beschriften der obigen Fotos war ich oft sehr unsicher. V.a. bei den Vögeln mit den vielen Unterarten, die sich teilweise nur in kleinen Details unterscheiden, bin ich mir keineswegs sicher, was ich da vor der Linse hatte.

Neues Spielzeug

Apropos Linse: ich hatte mir vor der Reise ein Sigma-Objektiv 70-300 mm mit optischem Stabilisator besorgt. Im Nachhinein sind die Ergebnisse auf dem großen Bildschirm nicht so überragend, wie sie vielleicht auf der Kameraanzeige aussahen. Aber der optische Stabilisator war Gold wert, denn bei den Bedingungen ohne Stativ und teilweise während der Fahrt auf Schotterpisten Bilder zu machen wäre anders kaum möglich gewesen. Einziges Manko ist freilich, dass man damit natürlich keine kurzen Brennweiten hat und in so einer staubigen Umgebung das Objektiv wechseln muss. Ich behalf mir damit, das Objektiv nach Möglichkeit während der Tierbeobachtung die ganze Zeit drauf zu lassen, und irgendwelche Panoramafotos und dergleichen am Morgen oder am Abend zu machen. So musste ich nur zweimal am Tag einen Objektivwechsel machen. Das Ding ist jedenfalls sein Geld wert, und ich hätte es bitter bereut, wenn ich das billigste Objektiv genommen hätte.

Eine weitere „Überraschung“ war auch ein anderer Aspekt der Kamera. Ich hatte mir vor der Fahrt neben meiner vorhandenen 4-GB-Karte noch zwei langsame 16-GB-Karten von Sandisk geholt. Dass die Geschwindigkeit nicht hoch ist, merkt man höchst selten. Mir erschien das als blanker Wahnsinn, Karten mitzunehmen, die fast 3000 Fotos fassen. Immerhin hatte ich es zuvor kaum geschafft, auch nur die 4-GB-Karte einmal vollzukriegen. Die Erfahrung war aber, dass die Karte bei so einer Fahrt ohne Probleme vollzukriegen war. Wir kamen mit über 4000 Fotos alleine von meiner Kamera zurück. Das Risiko ist lediglich, dass eine solche große Karte im Falle eines Hardwareschadens oder Diebstahls natürlich auch einen großen Verlust darstellt.

Es gab schon eine Menge zu knipsen an diesem ersten Tag, darunter v.a. einige Nilpferde und Elefanten. Es waren freilich nicht die letzten, die wir sahen.

Elefanten sind so ziemlich die einzigen Tiere, die den Jeeps der Safaritouren gefährlich werden könnten. Ihre Gutmütigkeit wird dennoch strapaziert, denn die Autos veranstalten regelrechte Verfolgungsjagden, wenn eine Familie in Sicht kommt. Die Tiere stoßen dabei einen Ton aus, den man von Elefanten nicht kennt. Er übermittelt aber unmissverständlich, dass ihnen das nicht gefällt.

Es scheint aber so, dass Tiere und Safaritouristen sich arrangiert haben. Die letzte Etappe des Tages, das Serengeti-Besucherzentrum, war durch keinen Zaun geschützt. Das einzige Tier, das uns da begegnete, war ein Klippschliefer, der entgegen der Erwartung keinerlei Angst vor uns hatte.

Das Besucherzentrum und der anschließend angesteuerte Campingplatz „Dik-Dik“ haben übrigens eines gemeinsam: die sanitären Anlagen sind erste Sahne. Das Wasser kommt aus dem schwarzen Tank oben auf dem Dach, was für eine angenehme Temperatur sorgt, und das Gefälle in der Leitung sorgt für hinreichenden Fluss. Strom gab es freilich keinen (auf dem Campingplatz). Unser Koch war vermutlich deswegen auch so wenig gesprächig: er würde die folgenden zwei Tage dort herumsitzen, und die einzige Ablenkung war anscheinend sein Handy.

Für uns sorgte das natürlich schon für etwas Abenteuergefühl, dort draußen zu sein. Nach Einbruch der Dunkelheit wagten wir uns nicht mehr auf den Weg zum Toilettenhäuschen.

Die Nacht war aber auch nicht lang. Der Grund für das Ansteuern des Besucherzentrums war nämlich das Geschenk zu meinem 30. Geburtstag: eine Ballonfahrt über der Serengeti. Und so ein Flug beginnt sehr früh am Morgen.

Aber dazu später mehr.