Heute wurde mir dankenswerterweise dieses Video über die alltägliche Arbeit der Palme-Mordkommission zugetragen. Nicht alles ist gut übersetzbar und einige Details setzen das schwedische Allgemeinwissen zum Palme-Mord voraus, aber ich habe zur besseren Verständlichkeit ein paar Untertitel eingefügt.
Das Schlimme ist: dieses Video ist vermutlich gar nicht mal so weit weg von der Realität.
Das Svenska Dagbladet hat übrigens viele Menschen befragen lassen und hat sie (wortwörtlich) gefragt, ob sie glauben, dass „jemals irgendjemand wegen des Palmemordes verurteilt werden“ wird. Vielleicht war es diese sehr allgemeine Fragestellung, dass beachtliche 5% mit Ja geantwortet haben. Ich hätte eher gedacht, dass niemand mehr ernsthaft daran glaubt.
Denn skandinavischer (Männer-)Fußball ist weder erfolgreich noch glänzen die Akteure mit Eleganz oder anderen attraktiven Attributen (die Damen werden mir vielleicht widersprechen). Aber fair spielen sie, wie Trainer Baade zurecht feststellt: seit der Einführung der UEFA-Fair-Play-Wertung im Jahr 1995 machte 6mal Schweden den ersten Platz und 5mal Norwegen. Gewertet werden hierbei von der UEFA veranstaltete Spiele.
Von denen gibt es für Schweden naturgemäß nicht so viele, weil die Vereinsteams alle ziemlich schnell ausscheiden. Aber fair scheiden sie aus, und so profitiert Schweden häufig doppelt, denn die bestplatzierten Verbände in der Fair-Play-Wertung erhalten einen Startplatz in der UEFA Europa League extra.
Wer die Ehre hat, für Schweden schnell (und fair) aus dem Wettbewerb zu fliegen, ist Sache des Verbandes. Anscheinend war Gefle IF letztes Jahr würdig und durfte mitspielen. Die Mannschaft konnte den knüppelharten Gegner NSÍ Runavík von den Färöer-Inseln mit einem 2:1 besiegen. Leider ging es danach nicht weiter, denn der georgischen Fußballgroßmacht Dinamo Tiflis mussten sie sich mit 1:2 geschlagen geben. Trotzdem hat die Mannschaft die Erwartungen erfüllt: während die beiden Gegner insgesamt 6 gelbe Karten kassierten, blieb Gefle unbekartet.
Wer meine süffisante Beschreibung des ganzen für ketzerisch hält, hat vermutlich recht. Es fällt mir schwer, das ernstzunehmen, denn meine Erwartungen an den schwedischen Fußball sind nicht sonderlich hoch.
Aber auch prinzipiell finde ich die Sache ein wenig albern. Die Absichten dahinter, fair spielende Verbände mit zusätzlichen Startplätzen zu belohnen, mögen ja nobel sein. Das ändert aber nichts an dem Faktum, dass in aller Regel Vereine in den Wettbewerb gelangen, die nicht weit kommen. Die Botschaft ist also nicht, dass Fairness sich auszahlt, sondern vielmehr, dass für fair gespielten Fußball traurigerweise nur Krümel übrig bleiben.
Umgekehrt ist es eine der wenigen Hoffnungen, endlich einmal internationalen Fußball abseits der Länderspiele in Stockholm erleben zu dürfen. Vielleicht gewinnt Schweden dieses Jahr wieder die Fair-Play-Wertung.
Ich wollte es aber etwas genauer wissen, und stellte noch eine Frage:
[…] Mein Einspruch wurde abgelehnt […] und die Begründung beinhaltet:
Diese Genehmigung muss sich im Fahrzeug befinden und laut den Vorschriften gut sichtbar und voll von außen lesbar in der Windschutzscheibe platziert sein.
Ich frage mich, wo diese Vorschriften zu finden sind. Auf eurer Homepage gibt es nur das Gesetz, aber dort steht nichts von Windschutzscheibe und Lesbarkeit.
Wenn ich schon aufgrund eines fragwürdigen Gesetzes und irgendwelcher Vorschriften dazu verdonnert werde, einen überteuerten Strafzettel zu bezahlen, dann will ich diese Vorschriften gefälligst sehen. Das muss in einem Rechtsstaat so sein.
Das ist aber offenkundig zu hoch für meine Sachbearbeiterin Ewa H bei Q-Park. Die Antwort auf meine Frage, die ich vor fast 3 Monaten gestellt habe, lautet:
Wegen deiner Einwände gegen unseren früheren Beschluss wird mitgeteilt, dass es an diesem keine Änderung geben wird, weil keine neuen Angaben gemacht wurden, die eine Änderung rechtfertigen würden.
Sie hat meine Mail offenkundig nicht gelesen. Ich habe ja gar nichts eingewendet. Ich hatte nur eine Frage.
Wer eine Genehmigung hat, muss sich informieren, was für die Genehmigung gilt. In diesem Fall […] Windschutzscheibe […]
Um das mal zusammenzufassen: auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz gibt es Vorschriften, über die man sich informieren muss. Die Vorschriften kann die Parkfirma aber offenkundig nicht vorlegen.
Die Angelegenheit wird hiermit als bezahlt und abgeschlossen betrachtet.
Wir bitten um Entschuldigung für die lange Bearbeitungszeit.
Ja, du mich auch.
Ich habe mich neulich mit einem Freund, der Jurist ist, über das Thema unterhalten. Interessanterweise gibt es in Schweden kein Verfassungsgericht. Es gibt also keine Möglichkeit, ein Gesetz für ungültig erklären zu lassen, weil es fundamentalere Grundsätze verletzt. Was der Reichstag beschließt, gilt.
Ein Gesetz wie das in Schweden gültige wäre in Deutschland vermutlich undenkbar, weil es zum einen erlaubt, dass jedes Vergehen mit voller Härte bestraft wird, was den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit außer Acht lässt. Zum anderen würde es vermutlich schon daran scheitern, dass hier Richter und Staatsanwalt in einer Person vereinigt sind.
In Schweden kann man hier aber nichts machen. Anscheinend werden solche Fälle meist darüber geknackt, dass man versucht, das Gesetz vor Gericht als nicht anwendbar einstufen zu lassen.
Witzigerweise wäre das hier sogar vielleicht möglich. Denn anhand von nicht zugänglichen und vielleicht nicht existenten Vorschriften kann man schlecht zu Strafzahlungen verurteilt werden.
Aber ich werde nicht Don Quichote spielen. Keine Zeit, kein Geld und vor allem keine Lust. Da wird sich wohl ein anderer Rächer der Knöllchen finden müssen.
Da das Geld aber bezahlt ist, werde ich die Gelegenheit nutzen, ein bisschen unverschämt noch etwas nachzubohren. Jede Arbeitsstunde, die ich diesem Laden abringen kann, ist es wert.
Es ist eine Binsenweisheit, die sich ins deutsche Bewusstsein eingefressen hat: ein Mord verjährt nie.
Dabei war das keineswegs immer so. Bis 1965 gab es eine Verjährungsfrist von 20 Jahren. Da man den 8. Mai 1945 als frühestmögliches Datum für die Verfolgung von Nazi-Verbrechen nahm, drohte sie auszulaufen. Diese Verbrechen ungesühnt lassen wollte man aber nicht. Das Anfangsdatum wurde zunächst auf 31. Dezember 1949 versetzt, was also eine Verlängerung bis 1969 bedeutete. Dann wurde die Frist auf 30 Jahre angehoben, und 1979 wurde die Verjährung endgültig abgeschafft. Heute ist dies praktisch unumstritten.
Sinnigerweise sind es die Neonazis, die jeden August mit Spruchbannern „Mord verjährt nicht“ durch die Lande ziehen, um zu proklamieren, dass man ihren verblichenen Helden Rudolf Heß ermordet haben soll – was freilich auf einer nur sehr dürftig mit Fakten untermauerten Verschwörungstheorie fußt.
In Schweden, weit weg von solchen Dingen, verjährte Mord seit jeher nach 25 Jahren. Im Normalfall spielt das keine Rolle, denn nach 25 Jahren werden kaum noch Morde aufgeklärt. Aber es gibt einen, der noch immer großes Interesse hervorruft: der Mord an Schwedens Regierungschef Olof Palme am 28. Februar 1986, der an jenem Tag nach einem Kinobesuch von einem Unbekannten niedergeschossen wurde und noch vor Ort verstarb.
Damals ging viel bei der Ermittlung schief, aber wohl nicht nur deswegen ist bis heute nicht klar, wer der Täter war. Die abstrusesten Theorien wurden aufgestellt: die Südafrikaner, die RAF – alle wollen und können es gewesen sein. Erst neulich wollte ein ehemaliger jugoslawischer Geheimdienstmann die Welt wissen lassen, dass natürlich sein Geheimdienst Palme getötet habe. Mit Christer Pettersson, ein schon einmal wegen Totschlags verurteilter Drogenabhängiger, konnte man einen Verdächtigen präsentieren, der aber letztinstanzlich freigesprochen wurde. Er ist bis heute einer der wahrscheinlichsten Kandidaten, schon weil Palmes Witwe ihn identifizierte und es als es recht sicher gilt, dass er in der Umgebung des Kinos war. Aber selbst wenn er es war, wird man es nie klären können: er verstarb 2004.
Damit ist auch das Dilemma dieses Verbrechens schon beschrieben: es ist soviel gesagt, geschrieben und gemutmaßt worden, dass man den Täter nie finden wird.
Normalerweise hätte man sagen können: eine Woche noch, dann sind die 25 Jahre um und das Thema damit gegessen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dann einer vortritt und sagt, wie es wirklich war, ist verschwindend gering. Vor einem Jahr beschloss aber der Schwedische Reichstag, dass alle Morde, die nach dem 1. Juli 1985 begangen wurden, nicht mehr verjähren. Das Gesetz trat am 1. Juli 2010 in Kraft, womit Verbrechen, die eigentlich schon verjährt waren, nicht wieder „entjährt“ werden.
Die Motivation hierzu ist offiziell, dass die internationalen Rechtsnormen sich mit der Zeit gewandelt hätten und deswegen Mord und Völkermord nicht mehr verjähren sollen. Dass damit der Palme-Mord auch nicht mehr verjährt, ist aber wohl kaum Zufall. Eins ist jedenfalls sicher: damit hat man der schwedischen Polizei ein ziemliches Ei gelegt.
Anders ist die kuriose Pressekonferenz, die gestern abgehalten wurde, kaum zu erklären. Die Presse war in voller Stärke angerückt, um genau das zu hören, was sie erwartet hatte: es gibt nichts Neues zum Palme-Mord, aber es wird weiter ermittelt – auf schwedisch nennt sich das sinnigerweise auch noch „förundersökning“ („Voruntersuchung“), was natürlich nach so einer langen Zeit ein schlechter Witz ist.
Sehr amüsant auch die Antwort auf die Frage eines Journalisten, wie alt denn die Ermittler seien. Um die 60 sind sie, und damit alle kurz vor der Pension. Die Ermittlungen gingen natürlich weiter in den Händen von Nachfolgern, wurde sogleich versichert, aber es drängte sich schon der Verdacht auf, dass die Palme-Kommission ein ruhiger Arbeitsplatz für die etwas älteren Semester der Polizei ist. Nicht dass die nichts zu tun hätte: zwei bis drei Hinweise kommen täglich immer noch herein . Aber etwas Neues ist selten dabei, und so kann man die allermeisten sofort zu den Akten legen. Von welcher „Qualität“ die meisten Tipps sind, kann man nicht nur an solchen Räuberpistolen wie dem oben erwähnten jugoslawischen Geheimdienstkomplett ersehen, sondern auch daran, dass in den 25 Jahren nicht weniger als 130 Personen den Mord an Palme gestanden haben. Dummerweise konnte keiner von denen das glaubwürdig vermitteln.
Es sieht so aus, dass die Polizei hier auf lange Zeit ein paar Planstellen für Polizisten einrichten muss, die Freude daran haben, wertlose und skurrile Hinweise zu bearbeiten, aber ohne Ermittlungserfolge leben können. Die entsprechenden Beamten rechnen nach der heutigen Medienaufmerksamkeit schon damit.
Prinzipiell halte ich es für richtig, dass Mord niemals verjährt. Das hier ist einer der Fälle, wo man das Prinzip auch dann noch hochhalten muss, wenn als Kollateralschaden Steuergelder für eine offenkundig aussichtslose Ermittlung ausgegeben werden.
Frohe Kunde aus der Heimat: wie meine Stammzeitung Badisches Tagblatt („Baden’s finest news source“) heute morgen berichtet, wurden die verschlissenen badischen Fahnen auf dem Rastatter Schloss durch brandneue ersetzt. Ein wichtiges Anliegen, das ich mit der aktionistischen Gründung der Facebook-Gruppe „Badische Fahnen auf dem Rastatter Schloss“ unterstützt habe, wurde damit umgesetzt. Das Volk freut sich und tanzt auf den Straßen.
Natürlich war das nicht überraschend: letztendlich stellte es sich eher als ein Irrtum der zuständigen Behörde heraus, dass die Fahnen verschwinden sollten.
Eigentlich könnte ich die Gruppe jetzt schließen, aber das geht anscheinend nur, wenn ich erst alle Mitglieder – mittlerweile 53 an der Zahl – hinauswerfe. Das will ich der treuen Gefolgschaft dann doch nicht antun. Außerdem: auch die aktuellen Fahnen werden irgendwann verschlissen sein.
Bei Canal Digital gibt es eine Menge Kanäle, aber einen nicht, wie man in obigem Video sehen kann. Interessant, dass die schwedischen Werbemacher für so etwas Verschrobenes Deutsche verwendet haben. Vielleicht sind wir allseits bekannte Allergiker – wäre mir jedenfalls neu.
Es erinnert mich jedoch an einen schweren Entschluss, den ich kürzlich getroffen habe: vor ziemlich genau 2 Jahren verabschiedete ich mich nach und nach von Comhem, dem größten Kabelfernsehbetreiber Schwedens, über dessen Netz wir auch Internet und Festnetztelefon hatten. Vorangegangen war eine Preiserhöhung, bei der Comhem nicht den Mumm hatte, zuzugeben, dass es wirklich eine ist. Stattdessen wurde sie als „Kartengebühr“ verschleiert.
Der kleinste Tarif, Small, war von dieser Gebühr nämlich befreit, und die meisten Kanäle nutzten wir ohnehin nicht. Eigentlich hätten wir über unseren Vermieter fast alle Kanäle auch (analog) so bekommen können, aber wir behielten des ZDF wegen das digitale Basisabonnement.
In der Zwischenzeit hat sich die Situation aber geändert. Vor einem Jahr wurden praktisch sämtliche Kanäle, die in Small enthalten sind, allgemein auch digital freigeschaltet. Damit bezahlten wir de facto die Monatsgebühr von 39 kr nur, um für nochmal 29 kr mehr das ZDF buchen zu können. 68 kr (gut 7 €) im Monat für einen einzigen Kanal also.
Nun erreichte uns die nächste Änderung. Das im Grunde wertlose Small-Paket wird auch noch teurer: 49 kr soll es nun kosten. Das Motiv ist wohl ziemlich klar: man will auch die letzten Kunden aus diesem Tarif vertreiben.
Nun sind es also 78 kr für einen einzigen Kanal. Die Frage ist nun, wie man darauf reagiert. Satellitenfernsehen scheidet aus, weil keine freie Sicht besteht. Das ZDF über das Internet zu besorgen funktioniert in der Theorie, aber in der Praxis nur allzu oft nicht – viele Sendungen gibt es gar nicht, und ohne deutschen Proxy würde man von einigem Material ausgeschlossen werden. Man sollte außerdem noch in der Lage sein, den Fernseher einfach einzuschalten, was dann auch nicht mehr möglich wäre.
Gerne würden wir zum Internetfernsehen unseres Anbieters Bredbandsbolaget wechseln. Aber dort gibt es kein internationales Angebot, und national sind wir weitgehend durch den Vermieter abgedeckt. Das macht wenig Sinn.
Der einzige Ausweg ist, in den sauren Apfel zu beißen: wir wechseln in den Tarif Medium zurück, den es mittlerweile nur noch in der Version „8 Favoriter“ gibt. Dabei erhält man die Kanäle des Basispakets plus 8 annähernd frei wählbare Kanäle. Man kann die Kanäle jeden Monat austauschen, wenn man lieber etwas anderes haben möchte. Zu den wählbaren Kanälen gehören auch das ZDF und 3sat. Also werden wir das buchen, um für mehr Geld deutlich mehr Leistung zu bekommen.
Groteskerweise wäre nun auch zu überlegen, wieder mit Telefon und Internet zu Comhem zurück zu gehen. Zwar hatten wir einigen Ärger, und Bredbandsbolaget ist aufs Gesamte gesehen eher noch zuverlässiger. Jedoch zahlen wir nun 349 kr im Monat für 24 MBit/s, von denen in Wirklichkeit aber nur 16 bis 17 MBit durchkommen, was bei DSL ja auch nicht ungewöhnlich ist. Bei Comhem hatten wir früher aber in aller Regel 25 MBit. Deren Netz wird derzeit sogar so ausgebaut, dass es bis zu 200 MBit bringen kann.
Ein Wechsel zurück würde die Kosten etwas reduzieren. Die Frage ist nur, ob man sich das nochmal antun will.
Ich wollte es ja nie glauben, aber nun bin ich überzeugt: der Euro wird Schweden in den Ruin stürzen!
Das haben die Mathematiker der Schwedendemokraten herausgefunden, die erzählen, wie teuer so ein Euro nämlich ist. Und Margareta Sandstedt von dieser Partei hat den Mut, das im Parlament auch mal offen zu sagen.
Das ist in der Tat eine Menge Holz. Schweden muss also unbedingt bei der Krone bleiben, damit die Wurst nicht soviel wie kostet wie eine Reihenhaussiedlung.
Und Einwanderung muss gestoppt werden – aber das versteht sich ja von selbst.
Der Monat Februar gehört nach meiner bisherigen Erfahrungen nicht zu den akut schneechaosverdächtigen, aber man wird immer mal wieder überrascht. Da kam seit gestern abend so viel runter, dass heute morgen um 6:30 Uhr sämtlicher Busverkehr in der Provinz Stockholm eingestellt wurde. Nahverkehrsbahnen waren auch teilweise betroffen. Das habe ich so eigentlich noch gar nicht erlebt, aber ist wohl eine Reaktion auf das Chaos des letzten Winters: lieber die Busse reinholen als dass sie irgendwo festhängen.
Erst gegen die Mittagszeit wurde in unserer Richtung der Verkehr langsam wieder aufgenommen. Daher bin ich auch erst nachmittags los und kam mir vor der Haustür vor wie im Hochgebirge. Mittlerweile normalisiert sich die Situation wieder.
Es ist lustig, zu erleben, dass man mit dem, was man sich durch einfache Logik erschlossen hat, richtig liegt. Heute morgen hieß es in Dagens Nyheter: nach einer Umfrage haben 72% der Leute, die in der Warteliste für Mietwohnungen stehen, gar keinen Bedarf an einer Mietwohnung.
Zur Erinnerung:
Mieten sind in Schweden mit „Gebrauchswert“ fixiert, d.h. nicht die Lage in einer guten oder schlechten Gegend bestimmt den Preis, sondern der rein praktische Nutzwert (Fläche, Ausstattung, Nähe zu Supermarkt etc.).
Mieter sind fast unkündbar – wer seinen Mietvertrag nicht verletzt, kann wohnen bleiben.
Damit ist es wenig profitabel und interessant, zu vermieten – besonders in attraktiven Gegenden, wo Grundstückspreise und Baukosten hoch sind. Dort lohnt es sich weit mehr, Eigentumswohnungen zu errichten.
Eigentumswohnungen dürfen in aller Regel nicht untervermietet werden, was das Angebot an legal zu mietenden Wohnstätten massiv begrenzt.
Wohnungen werden in Stockholm per Warteschlange vergeben – wer am längsten drin steht, kriegt die Wohnung am leichtesten.
Kredite für Häuser und Wohnungen werden zu äußerst günstigen Konditionen vergeben. Bis vor einiger Zeit war es möglich, fast die ganze Kaufsumme auf Kredit zu finanzieren. Zudem verlangen viele Banken nur, dass die Zinsen bedient werden. Eine Rückzahlung wird ins Unendliche hinausgeschoben, weil mit einer Wertsteigerung gerechnet wird.
Und nun die logischen Schlussfolgerungen:
Wer eine Wohnung hat, vermietet sie schwarz unter – das ist risikolos, denn aus einer Mietwohnung, die man nicht braucht, kann man so viel Kapital schlagen, und wenn das auffliegt, ist der rechtlose Untermieter der Leidtragende, nicht man selbst. Diese Schlussfolgerung wurde mir schon vor einem Jahr bestätigt, als bei einer Untersuchung großer Wohnungsgesellschaften herauskam, dass 40% der Wohnungen regelwidrig vermietet waren.
Das verknappte Mietwohnungsangebot sorgt für enorme Wartezeiten. Derzeit warten die meisten 4 bis 6 Jahre auf eine Wohnung.
Wer eventuell irgendwann mal eine Wohnung braucht, stellt sich in die Warteschlange für Wohnungen. Egal, ob aktuell Bedarf besteht oder nicht, denn in der Schlange zu stehen kostet wenig. Ich nenne das gerne den Trabi-Effekt, weil man in der DDR wohl auch kaum erst einen Trabi bestellte, wenn man einen brauchte, sondern am besten immer eine Bestellung laufen hatte, damit man im Falle eines Falles nicht mehr so lange warten musste. Dies ist durch den heutigen Artikel voll bestätigt: die meisten der Leute in der Warteschlange stehen dort nur sicherheitshalber. Und, ich bin da ganz offen: ich gehöre auch dazu, denn wenn ich mich erst dann in die Schlange stelle, wenn Bedarf abzusehen ist, dann kriege ich nie rechtzeitig eine brauchbare Wohnung.
Die Leute fliehen zum Eigentumswohnungsmarkt – denn dort regelt der Preis, wie man wohnt, nicht eine absurde Wartezeit.
Irgendwann wird der Eigentumswohnungsmarkt kollabieren – die Preise steigen seit langer Zeit schneller als die Löhne. Irgendwann werden die Kredite für normale Menschen untragbar werden. Dann bleibt nur der Zwangsverkauf. Die Wohnungspreise werden fallen, was Schuldenberge allerorten zurücklassen wird. In letzter Zeit ist immer wieder von einer „Bostadsbubbla“ („Wohnungsblase“) die Rede. Die Experten sind sich nicht sicher, ob sie kommen wird. Mir ist schleierhaft, wie sie nicht kommen kann bei diesen Verhältnissen.
Segregation wird zementiert: wer es sich leisten kann, wohnt innenstadtnah. Wer nicht, wohnt woanders. Passend dazu wurde kürzlich eindrücklich illustriert, dass die Einkommensunterschiede steigen und die Anzahl der Mietwohnungen sinkt.
Damit ist für mich klar: die Regulierung des schwedischen Wohnungsmarkts ist auf ganzer Linie gescheitert. Dieses System soll allen unabhängig von Einkommen und sozialer Herkunft Wohnungen bieten, die bezahlbar sind und gut liegen. Das genaue Gegenteil ist das Resultat: eine Segregation in arme und reiche Viertel, ein blühender Wohnungsschwarzmarkt, und eine Warteschlange, bei der die Wartezeit ein willkürliches Auswahlkriterium ohne Bezug zum realen Bedarf ist.
Es gibt aus meiner Sicht nur einen Weg: Abschaffung der festgesetzten Mietpreise und Lockerung der Mietregelungen, um dem Schwarzmarkt das Wasser abzugraben und den Bau von Mietwohnungen wirtschaftlich interessant zu machen.
Hier zeigt die schwedische Politik eine Angst vor unpopulären Entscheidungen, denn ich sehe niemanden, der so einen Weg gehen will oder einen anderen vorschlägt.