Wenn ich Bilder in Aussicht stelle, ist das im Allgemeinen kein Grund, freudig erregt zu sein. Dieses Mal ist nicht direkt eine Ausnahme, aber ich dachte mir, ich lasse endlich mal die Panoramen zur Geltung kommen. Wenn man unten auf die Panoramen klickt, öffnet sich das Bild in voller Größe in einem Fenster, wo man ähnlich einer Karte alle Details begutachten kann. Die Dateien sind richtig groß (bis zu 5 MB), aber die Bilder eben auch. Viel Spaß damit.
Vom DN-Hochhaus in Richtung Osten, also Innenstadt, Altstadt und Södermalm:
Dasselbe in Richtung Westen – hier sieht man die Essinge-Inseln und Bromma:
Blick von Kastellholmen aus nach Norden, wo man eine schöne Aussicht auf die Attraktionen auf Djurgården (Skansen, Vasamuseet, Gröna Lund) hat:
Und dasselbe nochmal nach Süden Richtung Södermalm und Altstadt:
Ich wünschte, gestern wäre auch nur halb so gutes Wetter gewesen wie letzte Woche. Es stürmte und regnete den ganzen Tag, weswegen einem besonders die Läufer im Stockholm-Marathon leid tun konnten. Ein Spitzenläufer musste gar 4 Kilometer vor dem Ziel aufgeben, weil seine Körpertemperatur auf 32 Grad (!) gesunken war. Er kann wohl froh sein, dass er das überlebt hat.
Die Unterstützung am Rand hielt sich in Grenzen, weil bei dem Wetter natürlich niemand draußen sein wollte. Einen Glückwunsch an alle, die es trotz dieser Umstände überstanden haben.
Disclaimer: zahlreiche der Fotos, die ich hier zeige, sind nicht von mir gemacht, aber ich gehe mal von einer impliziten Zustimmung aller Beteiligten aus, zumal viele der Fotos schon vorher veröffentlicht wurden.
Ich bin traurig, irgendwie. Gestern habe ich erfahren, dass THSRadio, das Studentenradio meiner alten Universität KTH, Ende dieser Woche wohl für immer schließen wird.
Dies bedeutet auch das Ende von Hello Everybody, einer Show von internationalen Studenten, an der ich lange Zeit mitgewirkt habe und bei der ich zuletzt im Februar hinter dem Mikrofon stand.
Hello Everybody hat ein simples Konzept: die Crew trifft sich im Studio und schlägt eine Stunde mit mehr oder weniger gehaltvollem Geschwätz tot. Regeln gab es wenige bis keine. Das hatte den unschlagbaren Vorteil großer kreativer Freiheiten, aber den Nachteil, dass man manchmal echt keine Ahnung hatte, was man nun bringen könnte. Lief es gut, hatte man einen tollen Gast, der angenehme Musik mitbrachte. Lief es schlecht, stand einer alleine im Studio, spielte Musik ohne Ende und erzählte irgendwas vom Pferd, damit nicht nur Musik lief. In solchen Phasen produzierte ich die Show sogar zuhause vor und warf sie einfach in den CD-Player.
Die schönsten Momente waren daher die, an denen man gemeinsam Spaß hatte. War die Crew in Stimmung, lief auch die Show. Die beste Crew war für mich natürlich die erste. Wir hatten alle keine Ahnung und alles war noch frisch. Bei dem Präsentationstag der Studentenvertretung im Spätsommer 2005 blieb ich am Stand des Radios hängen. Es verband mich schon eine gewisse Faszination mit dem Medium. Sinnigerweise hatte ich seit 2002 ja beim Südwestrundfunk beim Radiosender DASDING in der Internetredaktion gewirkt. Das war höchst spannend für mich, aber Mikrofonangst und orale Komplikationen ließen mich nicht im Traum darauf hoffen, einmal selbst Radio zu machen.
Einmal richtiges Radio machen
Es kam anders, zumindest ein bisschen. Am darauffolgenden Freitag stand ich im Studio bei Remi, einem französischen Austauschstudenten, der noch ein klein wenig vorher rekrutiert worden war. Ich bekam den Mund nicht auf, aber das legte sich bald. Wenige Wochen später waren wir mehr: Constantinos und Evangelos (genannt Vaggos) aus Griechenland, Francisco aus Venezuela und Mohammed aus dem Libanon stießen hinzu.
Anfangs bemühten wir uns noch, richtig gutes Radio zu machen. Immerhin waren wir auf 95,3 MHz im Süden und Zentrum Stockholms zu hören. Da wurden Themen vorbereitet, wir besorgten uns illustre Gäste, wählten Musik aus. Wir produzierten Jingles – durch Zufall fand ich Werbung aus den 1940er oder 1950er Jahren für das amerikanische Shampoo „Halo“. Die Musik hatte den Refrain „Halo Everybody, Halo“, was fast genauso klang wie „Hello Everybody“.
Der Slogan des Shampoos war „the shampoo that glorifies your hair“. Daraus wurde dann mit der Zeit immer wieder mal „the show that glorifies your hair“. Erfrischend absurd, das Ganze. Wer sich über den seltsamen Namen wundert: 2005 startete zwar Remi (und der Folge unsere erste Crew) die Sendung neu, aber es hatte wohl zumindest ein Jahr zuvor (wenn nicht schon früher) ein Team gegeben, das anscheinend jede Moderation mit „Hello Everybody!“ begann – so kam die Show zu ihrem Namen, den wir ohne nachzudenken übernahmen.
Mit der Zeit lief alles etwas aus dem Ruder. Eine Show starteten wir mit intensivem Alkoholkonsum, was damit endete, dass mehrere Teammitglieder ihre nackten Hintern in die Webcam hielten.
Die zunehmend enthemmte Attitüde hatte auch einen Grund. Hello Everybody lief Freitag abends von 22 bis 23 Uhr, also ziemlich genau dann, wenn niemand Radio hört, schon gar nicht irgendeinen Bürgerradiokanal mit schwacher Sendeleistung. Einmal boten wir Geld dafür, dass jemand in der Show anruft – vergeblich. Jenseits von erwarteten Anrufen blieb die Leitung tot. Zwar muss schon rein statistisch irgendjemand in einem Einzugsraum von über 400.000 Menschen zugehört haben, aber es fühlte sich so an, als würde man für eine Wand Radio machen.
Der Kampf mit der „Obrigkeit“
Bei der Programmleitung hatte man dafür wenig Verständnis. Die Zeit sei doch der perfekte Start vor dem Ausgehen am Abend. Da Stockholm aber nicht New York ist und um vier Uhr Sperrstunde hat, war das natürlich Quatsch. Allgemein konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Programmchef Eric, ein anscheinend bei der KTH angestellter Amerikaner, unsere Show und insbesondere mich nicht mochte. Wir kamen mit unseren Vorschlägen nicht weit. Aus der Station wurde ich ohnehin nie ganz schlau. Man betrieb Rocket, eine englischsprachige Rocksendung und Erics Lieblingsprojekt, als sei es ein eigener Sender – vielleicht war es das auch, denn die Strukturen waren da nicht wirklich klar. Rocket wird auch kommende Woche aktiv bleiben. Die restlichen Sendungen wurschtelten in ihrer Sendezeit vor sich hin. Die Werbebemühungen bestanden im Wesentlichen aus der Einrichtung einer MySpace-Seite. Es fehlte schlicht an Substanz für eine adäquate Bestückung der Sendestunden – umso seltsamer, dass man uns mit dem undankbarsten Sendeplatz versah.
Im Wesentlichen zusammengehalten wurde das von Catrin, die trotz ihres vor geraumer Zeit erfolgten Abschlusses an der KTH nicht wirklich um einen Einstieg ins Arbeitsleben bemüht war und stattdessen irgendwie den Laden ohne nennenswertes Budget mit seinem veralteten Equipment am Laufen hielt. Sie verstand da auch keinen Spaß, war wenig flexibel, fast schon peinlich naiv in Sachen Erfolg des ganzen. Jede Konversation endete in langen Vorträgen – aber man muss ihr Respekt dafür zollen, denn ohne sie wäre das Studio schon seit Jahren nur noch Schrott gewesen.
Auch ich blieb dabei, auch wenn die Luft etwas raus war. Wir machten unser eigenes Ding, befolgten die Regeln, wo wir es für sinnvoll hielten – die Werbung in der Mitte der Stunde brachte schließlich ein wenig Geld für den Sender – und ignorierten sie, wo wir es nicht einsahen – insbesondere die Regel, 6 Titel aus der hauseigenen Rotation spielen zu müssen, befolgten wir nur, wenn wir es verpennt hatten, unsere eigenen CDs zu brennen.
Sommer für Sommer: Rekrutieren für das Überleben der Show
Es gelang, im Sommer 2006 einige neue Leute zu rekrutieren. Diejenigen, die blieben, bildeten weiter das Rückgrat der Sendung. Ich machte mehrere Sendungen mit Freunden aus Deutschland, die auch beim SWR arbeiteten und in Stockholm waren. Um mich selbst etwas weiter zu entwickeln, übernahm ich die „Top 20“, die internen Charts der schwedischen Studentenradios, die in der Stunde vor Hello Everybody liefen. Auch das hatte erstaunlich nachhaltige Wirkung: die Crew von Hello Everybody übernahm bis noch in dieses Jahr hinein zeitweise die Top 20.
Für die Sendung zu rekrutieren war nicht einfach, was nicht zuletzt daran lag, dass ich gnadenlos ehrlich war, was Qualität des Programms und Hörerzahlen anging. Von den vielen Interessenten, die kamen, blieben aber immer ein paar. Der Sommer 2008 war außergewöhnlich erfolgreich. Ganz unverhofft hieß es plötzlich, wir könnten die Stunde am Samstag von 20 bis 21 Uhr haben. Wir hatten so viele neue Teammitglieder, dass wir über einige Zeit zwei Sendeplätze füllen konnten. Nach einem Jahr war aber Schluss: Eric zweifelte daran, ob wir weiterhin auch den Samstagstermin haben sollten. Nachdem er die Sendung angeblich angehört hatte, zog er uns den Stecker und uns blieb nur Freitag. Mir kam es wie eine billige Ausrede vor.
Geschenk für die Show: Justin
Im Sommer 2008 stieß auch Justin, ein aus Taiwan stammender Student, zu uns. Er sollte die Show nach und nach übernehmen, als ich mich zunehmend demotiviert und durch den Busfahrerjob auch anderweitig eingespannt langsam zurückzog. Für die Show war er ein Glücksfall. Nicht weil daraus plötzlich eine durchorganisierte durchweg hörenswerte Sendung geworden wäre. Er schaffte es auf bewundernswerte Weise, die Show mit wenigen Neurekrutierungen über Jahre am Laufen zu erhalten.
Das Ende
Ich machte irgendwann im Jahr 2009 eine letzte Sendung und verfolgte deren Geschicke nur noch sporadisch. Am Herzen lag sie mir aber immer irgendwie. Als ich dieses Frühjahr an Freitagabenden einen Kraulschwimmkurs hatte, nutzte ich die Gelegenheit, wieder einmal vorbeizuschauen. Ich war einmal Gast zum Thema „Laufen“ und machte sogar noch einmal eigene Shows. Die letzte war der Versuch, ein Revival zu machen: Constantinos und Mohammed kamen ins Studio. Vaggos musste krankheitsbedingt wegbleiben, und auch bei Remi klappte es leider nicht mit der geplanten Liveschalte per Skype.
Dennoch: ein würdiger Abschluss.
Wir waren ein letztes Mal im Studio vereint, bedienten ungelenk und eingerostet die Regler. Irgendwie passend, dass nicht lange danach die Show auch ihr Ende finden würde. Ich hatte gedacht, dass einen schönen Tages auch der letzte verbliebene Student von dannen ziehen und die Show nach einem Sommer einfach nicht zurückkehren würde.
Doch letzten Endes wurde sie nicht Opfer der widrigen Umstände. Nicht der Exodus der Crew beendete die Show, nicht die unbequemen Rahmenbedingungen von oben. Die Show überlebte den Sender, nicht umgekehrt. Auf der Facebook-Seite heißt es zwar, die Zukunft des Studios sei noch unklar, aber meines Wissen will die Studentenvereinigung ihre Räume zurück, und die Alternative wäre eine Abkehr von UKW und ein noch kleineres Studio.
Die Hello Everybody Show geht nach mindestens 8 Jahren On Air in die ewigen Jagdgründe des Äthers. 33 Jahre THSRadio gehen wohl gleichzeitig zu Ende, fast die Hälfte davon unter dem jetzigen Programmchef. Für die Show ist es der denkbar würdigste Radiosendungstod.
Danke, Hello Everybody, für tolle Jahre, in denen sogar ich einmal „richtiges“ Radio machen durfte. Danke für tolle Leute, für schönen Erlebnisse und spannende Gäste. Ich möchte nichts davon missen.
Die Hello Everybody Show geht diesen Freitag um 22 Uhr zum letzten Mal auf Sendung. Wer es anhören möchte, kann dies in Stockholm auf 95.3 MHz tun. Im Internet kann man es auf thsradio.se oder narradio.se hören. Ich selbst werde voraussichtlich bestenfalls per Telefon dabei sein.
Was für ein Wochenende – es war nicht nur bombiges Wetter, wie man von dieser Jahreszeit im Schweden geradezu als Gegenleistung für den grauen Winter erwartet.
Es war so eine Art Tag des offenen Denkmals. So etwas gibt es zwar meines Wissens in Schweden nicht, aber die letzten beiden Tage kamen recht nahe dran (für meinen Teil).
Am Samstag veranstaltete „Statens Fastighetsverk“, eine Immobilienverwaltungsbehörde des schwedischen Staates, einen Tag der offenen Tür unter der Bezeichnung „Hemliga Rum“ („Geheime Räume“). Viele der verwalteten Gebäude sind nämlich ehemalige Militäranlagen, die früher wohl gar nicht und heute nicht oft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. So öffnete man am Samstag in insgesamt 15 Anlagen im ganzen Land geschlossene Bereich. Der Großraum Stockholm kam dabei als alles andere als zu kurz.
Ich schaute mir Oscar Fredriksborg an, eine ehemalige Festung auf der Insel Rindö an. Ich bin ein kleiner Fan jener Insel, denn sie ist irgendwie eine Schärenkuriosität. Nicht übermäßig groß und ohne Brücke sollte man nicht erwarten, dass man etwas mehr als ein paar Ferienhäuser vorfindet. Durch die militärischen Anlagen kam jedoch bemerkenswerte Infrastruktur dorthin. Es gibt eine für Schärenverhältnisse riesige Grundschule. Auf der Insel stehen Mehrfamilienhäuser wie sonst eigentlich nur in größeren Orten des Stockholmer Umlandes. Es gibt mehrere gastronomische Betriebe, einen kleinen Laden, und bis 2008 sogar eine Schwimmhalle, die aber wegen Renovierungsbedarfs schließen musste. Ungewöhnlich auch die Verkehrsanbindung: es gibt zwei Fährenrouten, die als Teil des öffentlichen Wegenetzes kostenlos Autos, Fahrräder und Fußgänger transportieren. Die westliche hat zwei Fähren und schafft die Anbindung nach Vaxholm fast rund um die Uhr. Die östliche fährt zu meinem Wohnort Värmdö, steht aber nachts. Das ganze ist sogar Teil einer wichtigen Lkw-Ausweichstrecke für die Umfahrung Stockholms. Zudem gibt es eine Buslinie über die Insel, die auf manchen Touren mit der Fähre nach Vaxholm übersetzt. Man hat also eine Schäreninsel mit Annehmlichkeiten, die man sonst nicht erwarten sollte.
Am östlichen Ende ist Oscar Fredriksborg, strategisch gut gelegen an der Durchfahrt Oxdjupsleden. Es handelt sich um eine enge Wasserstraße, die aber von den großen Schiffen auf dem Weg nach Stockholm befahren wird. Durch die Sicherung dieser Stelle würde es einem Angreifer schwerfallen, die Hauptstadt anzugreifen. Die Gefahr ist heute freilich nicht mehr so akut. Die Festung wurde schon vor vielen Jahren aufgegeben. Lange verfiel sie, aber in jüngerer Zeit sind Restaurierungsarbeiten im Gange, die man am Samstag begutachten konnte – siehe auch die Fotos.
Stockholm von oben
Als Abonnent der Dagens Nyheter erhält man die DN-Karte, die im Normalfall irgendwo herumlungert, ohne viel von Nutzen zu sein. Zweimal im Jahr ist der Nutzen jedoch erheblich. Im Winter findet „under jord“ („unter der Erde“) statt, bei dem unterirdische Anlagen für Karteninhaber geöffnet werden.
Und gestern war „från ovan“ („von oben“). Über ein Dutzend hohe Gebäude waren für Karteninhaber geöffnet, und man konnte bis zu drei Personen mitnehmen. Leider waren die beiden Kirchen, die teilnahmen, schon frühzeitig ausgebucht.
Wir wählten drei Gebäude aus:
Stockholms Konserthus: das Konzerthaus am Hötorget von 1926 war zur Zeit des Baus das höchste Gebäude in der Umgebung, aber heute ist es nur noch eines von vielen. Daher sieht man vom Dach aus zwar einiges, aber nicht so viel, wie man glauben sollte. Trotzdem ein schöner Einblick in die Stockholmer Innenstadt.
DN-Skrapan: Stockholms siebtgrößtes Hochhaus – wenn man Globen als solches rechnet – ist der Sitz von Dagens Nyheter. Direkt unter den Buchstaben im 23. Obergeschoss befindet sich ein Restaurant mit Aussichtsplattform. Der Ausblick ist der beste: auf der einen Seite hat man den Blick auf alle Sehenswürdigkeiten, auf der anderen bietet sich dem Stockholmkenner eine gute Aussicht über den Westen der Stadt. Vom Gesamteindruck das Beste der drei.
Das Kastell auf Kastellholmen: die kleine Insel im Hafen von Stockholm war wie die Nachbarinsel Skeppsholmen noch bis in das späte 20. Jahrhundert hinein im Besitz der schwedischen Streitkräfte. Ich muss gestehen, dass ich früher zwar den Bus, der an der Brücke nach Kastellholmen endet, öfters gefahren habe, aber selbst noch nie auf Kastellholmen war. Gestern also nun die Premiere mit einem Besuch im Kastell, das anscheinend immer noch von irgendeiner Seefahrervereinigung betrieben wird, aber in erster Linie für Konferenzen dient. Der Ausblick vom Dach ist schön, v.a. auf das nebenan gelegene Djurgården.
Ein tolles Angebot von Dagens Nyheter – dass man die DN-Karte braucht, ist natürlich ein echter Vorteil, denn die hat schließlich nicht jeder, was den Andrang reduzierte und kurze Wartezeiten erlaubte. Eigene Fotos kommen bei Gelegenheit.
Euphorie
Ja, und dann war da noch die „Euphorie“ um den Eurovision Song Contest. Dass Schweden, das nachweislich ESC-verrückteste Land des Kontinents, dieses Jahr gewonnen hat, ist nun kein Geheimnis. Ich gehe davon aus, dass die Veranstaltung in Stockholm stattfinden wird, auch wenn die Eishockey-WM zur gleichen Zeit sein wird. Es sind also zwei Wochen im Ausnahmezustand zu erwarten, aber was für ein Spaß.
Ich selbst hatte den Titel nicht so hoch eingestuft. Beim Vorentscheid hatte ich ihn nicht gewählt, und die Dynamik des ESC-Finales ist mir ohnehin schleierhaft. Wie diese Heulboje aus Albanien auf einen 5. Platz kommen konnte, entzieht sich meinem Verständnis. Ich hatte die lustigen Russinnen gewählt – und rein musikalisch wäre Italien bei mir ganz oben gewesen. Die Briten können einem auch fast leid tun: der solide Titel hatte ganz gute Kritiken und wurde trotzdem wieder abgestraft. Vielleicht überlegen die sich jetzt auch endlich mal, wie man mehr Schwung in die Sache bringt. Deutschland ist damit ja recht erfolgreich, denn auch wenn man dieses Mal nicht gewonnen hat, braucht man sich mit einem 8. Platz definitiv nicht zu verstecken.
Alles in Butter also, und die königliche Palastwache war auch ganz begeistert:
Es ist nicht zwingend investigativ, wenn Journalisten sich ein paar statistische Daten kommen lassen und daraus ein Thema basteln. Das Ergebnis kann dennoch interessant sein.
Meine tägliche Zeitung, die in Stockholm erscheinende Dagens Nyheter, hatte Ende 2009 den Lokalteil abgeschafft. Auf Anfrage sagte man mir, dass man die entsprechenden Themen lieber auf die entsprechenden Fachrubriken verteilen wolle. Das fand ich nicht so gut, und viele andere wohl auch nicht. Seit dem neuen Layout, das wohl so vor ca. einem Jahr eingeführt wurde, gibt es wieder einen umfänglichen Stockholmer Lokalteil.
Teil der Chronistenpflicht ist natürlich, festzustellen, wie sich die Region entwickelt. Das tat die Zeitung vorige Woche auf mehreren Seiten zu dem Thema, woher die Einwanderer stammen, die mittlerweile gut 20% der Bevölkerung des Großraum Stockholms ausmachen. Das Ergebnis ist eine Doppelseite mit allerlei Grafiken. Woher die Daten stammen, steht zwar nicht direkt dabei, aber es kann dafür nur eine Quelle geben: die Statistikbehörde Statistiska Centralbyrån (SCB). Diese erhebt u.a. die Staatsbürgerschaft und das Geburtsland der Einwohner. Letzteres ist ein gutes Maß für die Zahl der Einwanderer, auch wenn es z.B. natürlich im Ausland geborene Schweden gibt.
Schweden hat sich erst spät zum echten Einwanderungsland entwickelt – heute ist es eines der wenigen Länder, die das Asylrecht sehr ernst nehmen und entsprechend handeln. Daher gibt es viele Einwanderer aus dem Irak, Somalia und anderen Krisenregionen. Lange Zeit kamen Einwanderer aber vor allem aus einem Land: Finnland, das seit jeher eine schwedischsprachige Minderheit hat und zudem erst in letzter Zeit so wohlhabend wurde.
Bis heute sind die Finnen in 23 der 26 Gemeinden im Großraum Stockholm die größte Einwanderergruppe, aber das ändert sich langsam aber sicher. Einwanderung aus und Auswanderung nach Finnland ist praktisch ausgeglichen, so dass die aus Finnland stammenden Menschen langsam aber sicher in der Mehrheitsgesellschaft aufgehen und andere Einwanderergruppen stärker werden. In Botkyrka gibt es mittlerweile deutlich mehr Türken. Södertälje ist mittlerweile für die Aufnahme von Irakern bekannt, die dort mittlerweile fast 10% der Bevölkerung ausmachen. In Sollentuna sind die Iraner knapp stärker vertreten. In Huddinge werden die Iraker die Finnen wohl auch bald überholt haben. Wachsende Einwanderergruppen sind die Polen, die zumindest im Sommer die schwedischen Baustellen bevölkern, und Asiaten, neben Einwanderern aus dem Nahen Osten.
Warum ich diese Erhebung so interessant finde? Als deutscher Einwanderer finde ich es spannend, zu sehen, wie die Deutschen hier vertreten sind und ob es irgendwelche Verdichtungen gibt. Nach Kommunen aufgeschlüsselt sind diese Daten kostenlos bei SCB nicht verfügbar. So kann ich zwar anhand der dortigen Datenbank herausfinden, dass es 48442 in Deutschland geborene Menschen in Schweden gibt (Stand: 2011), aber nicht, wie diese regional verteilt sind, denn diese Daten sind wiederum nur allgemein auf im Ausland geborene Menschen verfügbar, aber nicht nach Herkunftsland aufgeschlüsselt. Die Deutschen sind eine kleine, aber nicht unerhebliche Einwanderergruppe. Über uns wird wenig gesprochen, so dass es für mich umso interessanter ist, zu sehen, wo wir sind und welchen Anteil an der Bevölkerung wir stellen.
Die Tabellen der Dagens Nyheter geben hier einen Einblick. Laut denen waren 2011 insgesamt 11757 in Deutschland geborene Menschen in der Provinz Stockholm wohnhaft – das ist ja schonmal eine deutsche Kleinstadt und reicht für einen siebten Platz hinter Finnland, Irak, Polen, Iran, der Türkei und Chile. Mit Ausnahme von Botkyrka im Südwesten, Upplands Väsby im Norden und der flächenmäßig kleinsten schwedischen Gemeinde Sundbyberg direkt nördlich der Hauptstadt sind die Deutschen in den Top 10 der Einwanderernationen.
Bleibt die Frage, wie sie sich auf die Region verteilen. Dazu habe ich zwei Grafiken ähnlich denen in der DN erstellt. Es entsteht der Eindruck einer relativ gleichmäßigen Verteilung, der aber angesichts der geringen Zahlen etwas täuscht. Zwar machen die Deutschen ungefähr 0,6 % der Gesamteinwohnerschaft aus und sind nirgendwo komplett abwesend, aber die Schwankungsbreite liegt in den 23 erfassten Kommunen zwischen 0,3 % und 0,8 %.
Interessant ist, dass es kein klares Muster gibt – die 10 Gemeinden mit dem höchsten Anteil an Deutschen sind:
Lidingö: 0,84 % (371 in Deutschland geborene)
Danderyd: 0,84 % (268)
Södertälje: 0,83 % (731)
Täby: 0,81 % (520)
Österåker: 0,75 % (297)
Solna: 0,68 % (473)
Vallentuna: 0,63 % (193)
Salem: 0,60 % (94)
Upplands-Bro: 0,60 % (144)
Nacka: 0,58 % (527)
(Anmerkung: in Botkyrka ist die Anzahl unbekannt, aber der Anteil liegt irgendwo im Intervall 0 % bis 0,74 %)
Es scheint im Wesentlichen zwei Kategorien zu geben:
Gutsituierte Vorortgemeinden: Lidingö, Danderyd, Täby und Nacka sind wohlhabende Vorortgemeinden. Dass die Deutschen eher dort wohnen, mag daran liegen, dass es sich bei ihnen den tendenziell um besser ausgebildete und damit auch besser verdienende Einwanderer handelt. Es dürfte aber auch etwas damit zu tun haben, dass diese Gemeinde allgemein unterdurchschnittlich viele Einwanderer haben.
Landschaftlich attraktive ländliche Gemeinden: bei Södertälje, Vallentuna, Österåker, Salem und Upplands-Bro dürfte sich vor allem das Bullerbü-Syndrom Wirkung zeigen: es handelt sich um großflächige, eher ländliche Kommunen, wo man sich den Traum vom roten Holzhäuschen im Grünen erfüllen kann, ohne weit von den Arbeitsplätzen in der Stadt entfernt zu sein. Zudem sind die Häuser dort relativ gut bezahlbar. Man muss aber auch sagen, dass man Nacka und Täby hier auch hinzurechnen kann – die Immobilienpreise sind zwar hoch, aber die Struktur ist in weiten Teilen schon recht ländlich.
Solna passt in keine der Kategorien. Ich kenne Deutsche, die dort leben, aber wieso gerade diese Gemeinde deutlich weiter oben steht ist mir nicht ersichtlich. Eine Erklärung ist vielleicht, dass Solna de facto eigentlich ein Teil Stockholms und nur aus historischen Gründen administrativ eigenständig ist. Das Gemeindegebiet schließt sich unmittelbar an das Stockholmer Stadtgebiet hat und ist sehr dicht besiedelt. Meine Vermutung ist, dass Solna damit am ehesten den mittelständischen und gut bürgerlichen Teilen Stockholms entspricht, in denen deutsche Einwanderer etwas überdurchschnittlich anzutreffen sind, während in anderen städtisch geprägten Gemeinden wie Stockholm, Sundbyberg oder Botkyrka auch große Mietshaussiedlungen, nicht selten soziale Brennpunkte, die Deutschen etwas weniger anziehen oder sie zumindest nicht lange halten.
Hier zeigt sich auch die Schwäche einer solchen Erhebung: die Gemeinden in sich selbst sind natürlich auch nicht homogen. Stockholm hat mit Östermalm das wohl teuerste Wohngebiet des ganzen Landes, aber mit z.B. Rinkeby und Tensta eben auch große soziale Brennpunkte. Södertälje ist als Anziehungspunkt für irakische Flüchtlinge bekannt, hat aber auch eine große Fläche, wo Einfamilienhäuser die Regel sind. Ein Gesamtdurchschnitt der Gemeinde kann dies nicht wiedergeben.
Interessant ist ein Blick auf die Platzierungen unter den Einwanderergruppen. Nirgends sind die Deutschen die größte Gruppe, aber in Danderyd und Täby schaffen sie es auf Platz 4, in Österåker und Lidingö auf Platz 3. Der zweite Platz wird aber nur in einer Gemeinde erreicht: Värmdö (auf den Karten ganz rechts mit den Inseln), mein Wohnort. Nun wird vielleicht jemand unken, ich hätte mich hier in ein Nest von Landsmännern begeben – die Grafiken oben zeugen vom Gegenteil. Die Erklärung ist simpel. Värmdö ist trotz seines gewaltigen Wachstums in den letzten Jahrzehnten noch sehr klassisch strukturiert: beim Einwandereranteil liegt die Kommune mit 11% auf Platz 23 (von 26), und die Finnen übertreffen alle anderen Einwandergruppen bei weitem. So leben hier 1342 Finnen, die also gut ein Viertel der 4337 hier lebenden im Ausland geborenen Einwohnern stellen. Weit abgeschlagen folgen dann die 211 Deutschen.
Das Fazit ist also ein bisschen so wie erwartet: es gibt zwar deutliche Unterschiede, aber ein deutsches Nest gibt es wahrscheinlich nirgends, und wenn, dann bräuchte man noch feiner aufgeschlüsselte Daten.
Also mal ernsthaft: für die Verhältnisse von Inga Lindström handelte es sich beim heutigen Herzschmerz-ZDF-Film um hochwertige Kost. Da werden echte Beziehungsprobleme erörtert, anstatt den alten einfach für den einzig richtigen in den Wind zu schießen. Und das, obwohl der Film von 2009 ist, als die Geschichten doch anscheinend noch viel seichter waren als ohnehin schon.
Ja, ich habe es mir einmal wieder angetan: Pseudo-Schwedin Inga Lindström schrieb ein Schmonzette, die in Pseudo-Schweden spielt. Der Film heißt „Mia und ihre Schwestern“ und ist angeblich „nach der gleichnamigen Erzählung“. Das ist natürlich Schmarrn, denn die „Erzählung“ existiert in erster Linie als Drehbuch. Dass daraus auch mal gedruckte Schmöker werden, ist ein Nebenprodukt.
Wie der Titel nahe legt, geht es um Mia und ihre ausgesprochen gut aussehenden zwei Schwestern. Diese haben auch eine Mutter, die passenderweise von Gaby Dohm gespielt wird. Die konnte auch schon früher die starke Mutter spielen, aber das war im Gegensatz hierzu große Fernsehunterhaltung (ich gestehe: da mag ich falsch liegen, denn meine Erinnerungen an die Schwarzwaldklinik sind doch sehr vage).
Jede der vier hat ein mehr oder weniger gravierendes Problem. Die Mutter hat sich im fortgeschrittenen Alter mit dem Klassikmusikproduzenten Franz verlobt, der es wagt, nicht aus Schweden zu kommen, sondern extrem subversiv bei der Konkurrenz in Oslo wohnt. Sie traut sich aber nicht so recht, das ihrer Familie zu sagen. Agneta ist wegen nicht weiter spezifizierten Symptomen bei einem Arzt. Gott allein weiß, wie sie es hinbekommen hat, am Telefon nicht abgewimmelt („Nehmen sie etwas Paracetamol und legen sie sich hin“) zu werden. Der Arzt hat ein unglaubwürdig schickes und großes Büro, das er in dem Fall dazu verwenden darf, Agneta mitzuteilen, dass sie schwanger ist. Das passt ihr so gar nicht, denn mit einem Kind hatte sie angesichts vermuteter Unfruchtbarkeit nicht mehr gerechnet. Sie möchte nicht alleinerziehend sein und der Vater ist verheiratet.
Anna ist die zweite Schwester. Sie ist mit dem unverschämt gut aussehenden Jan verheiratet, der so unschuldig neckisch um seine Schwägerinnen herumscharwenzelt, dass man Böses vermuten müsste, wenn er nicht so ein sympathischer Kerl wäre.
Und dann gibt es da noch Mia, die Fotografin ist und eigentlich schon immer in Jan verliebt. Was zu weiteren Komplikationen führt, da Anna ihren Mann kürzlich betrogen hat. Die beiden haben sich auseinander gelebt, und da kann man auch schon mal die Schwester anschauen, denkt sich Jan – bleibt schließlich in die Familie. Wirklich schlecht kommt dabei aber keiner weg, auch wenn das jetzt erstmal so klingt. Ein Wochenende bei der Mutter sortiert das alles schön.
Den Rest des Herzschmerzes erspare ich dem geneigten Leser: Agneta behält das Kind trotz der Probleme, Anna und Jan trennen sich wegen intensiver Auseinandergelebtheit, und Mia probiert es mit Jan. Die Mutter zieht ganz unverschämt vom Naturidyll in die böse böse Großstadt (in dem Fall ausnahmsweise Oslo), und Agneta will ihr Kind in dem Haus aufziehen. Der Eierkuchen muss dieses Mal wegbleiben, aber alle arrangieren sich am Ende.
Wie gesagt ist alles ganz in Ordnung, wenn man die Maßstäbe entsprechend ansetzt.
Man sehe mir meine Pedanterie nach, aber es ist wieder einmal witzig, wenn man als Einwohner der Region sieht, wie die Örtlichkeiten in vollkommen absurder Anordnung lustig aneinandergebastelt werden, wie schon bei der überschallschnellen Prinzessin geschehen. Das dürfte sogar dem aufmerksamen Stockholmtouristen auffallen.
So wohnt Jan mit Frau und Kind im schicken, neuen und sehr umweltfreundlichen Hammarby Sjöstad, wo sie ihr Auto direkt am Wasser parken. Das kann man durchaus, vorausgesetzt, man ist bereit, ca. 150 € in der Woche für Knöllchen zu zahlen. Von dort aus geht es los zur Kanzlei der Eltern, und in der nächsten Szene fahren sie von Skeppsholmen herunter. Die Familienkutsche muss ein Amphibienfahrzeug sein.
Um das zu illustrieren:
Anderes ist hingegen erstaunlich plausibel. So muss man, um zu dem Haus der Mutter zu kommen, erst Drottningholm passieren und dann eine Autofähre nehmen. Eine solche Fähre gibt es sogar, und sie fährt tatsächlich wie im Film behauptet um 8:30 Uhr – soviel Realitätsnähe ist vermutlich Zufall. Das Haus – die Bezeichnung Palast im schlanken 1,5 Mio. Euro-Preissegment trifft es wohl eher – muss daher eigentlich auf der Insel Adelsö stehen. Was hingegen gar nicht dazu passt, ist Mias Ausflug in den „Hafen“. Dieser scheint in Trosa zu sein, was 80 km entfernt ist.
Aber wer will denn über solchen Unsinn nachdenken, wenn Stadt und Land so schön sind?
An Kungsholmen Runt hatte ich bislang nur einmal teilgenommen – es war ein Debakel. Ich bekam Krämpfe und legte eine miserable Halbmarathonzeit hin. Nachher wusste ich, es wäre schlauer gewesen, statt der Halbmarathonstrecke besser nur 10 km zu machen. Passend dazu stieg der KSC in die 2. Liga ab.
Das war 2009, und seither gab es noch eine Menge miserable Läufe. Am Samstag war wieder Kungsholmen Runt, und um den KSC steht es noch schlechter – gestern konnte er sich gerade so vor dem direkten Abstieg in die 3. Liga auf den Relegationsplatz retten, was zumindest noch Hoffnung gibt. Denkbar schlechte Vorzeichen für einen neuen Start in dem Lauf. Immerhin hatte ich mich dieses Mal für die 10 km entschieden. Eine Strecke, die ich vor nicht allzu langer Zeit schon geschafft hatte.
Am Start zeigte sich, wie gewaltig die Veranstaltung gewachsen war. Es gab gestaffelte Startgruppen und zwei Startzeiten. Das war wohl vor drei Jahren nicht ganz so.
Der Mittelteil war wie erwartet hart. Dazu kam stellenweise starker Gegenwind. Insgesamt lief es aber äußerst gut. Es reichte noch gut für einen Schlusssprint. Das Minimalziel war eine Verbesserung, und die habe ich erreicht: 57:52 Minuten war meine Zeit, und damit über 5 Minuten schneller als bei der Premiärmilen im März, und die beste Zeit seit dem Hässelbyloppet im Oktober 2010. Das freute mich, schien mir aber nicht so überragend.
Ein Blick in die GPS-Daten und in meine Laufliste ergab aber ein anderes Bild. Der Hässelbyloppet ist traditionell der schnellste Lauf des Jahres. Er hat eine sehr flache Strecke und ist am Ende der Saison, so dass man viel Zeit zu trainieren hatte. Also suchte ich nach Läufen ähnlich früh in der Saison, bei denen ich solche Zeiten erreicht habe – und fand keine. Am nähesten kam noch der Midnattsloppet 2008, aber der war nach der Sommerpause (hat aber auch die härteste Strecke). Hinzu kommt noch, dass zumindest laut der GPS-Daten bei Kungsholmen Runt 196 Meter Steigung überwunden werden mussten. Bei Premiärmilen und meiner privaten Runde sind es nur rund 140 Meter – allerdings fällt es mir schwer, dies zu glauben, denn die Strecke am Samstag schien mir recht flach.
Wie dem auch sei: das alles ist super, v.a. gemessen daran, dass ich massives Übergewicht habe, schlimmer als bei jedem anderen Lauf, bei dem ich vergleichbare Leistungen erbracht habe. Es ermutigt, weiter zu machen.
Dennoch ist bei aller Freude auch etwas trauriges dabei. Am Samstag kollabierte ein Läufer kurz vor dem Ziel und verstarb trotz schneller Hilfe noch bevor er das Krankenhaus erreichte. Es führt nach den zwei Toten beim Midnattsloppet 2010 erneut vor Augen, dass das nicht immer ein harmloser Spaß ist. Bei solchen Belastungen können die Grenzen des eigenen Körpers überschritten werden. Sicherlich können es auch unentdeckte Krankheiten sein – der Tote bei Kungsholmen Runt war Jahrgang 1975, und auch beim Midnattsloppet 2010 war einer der beiden Toten bestens trainiert und noch sehr jung. Manche brechen sich Knochen, bei vielen reißen Bänder, werden Gelenke in Mitgliedschaft – und im schlimmsten Fall stirbt jemand. Wenn ich daran denke, bin ich sehr dankbar dafür, nie auch nur mehr als einen Krampf gehabt zu haben. Trotzdem ist es auch für mich eine Mahnung, mich nicht zu überschätzen und Warnsignale ernst zu nehmen.
Im September erschien unter dem Titel „Inte bara spioner… Stasi-infiltration i Sverige under kalla kriget“ („Nicht nur Spione… Die Infiltration durch die Stasi in Schweden während des Kalten Krieges“) ein Buch über Stasispitzel in Schweden. Die Verfasserin Birgitta Almgren ist Wissenschaftlerin an der Södertörns Högskola, eine vor gut 15 Jahren gegründete Hochschule im Süden Stockholms, und hat sich anscheinend auf das Thema Verbindungen zwischen der DDR und Schweden spezialisiert. Schon 2009 veröffentlichte sie „Inte bara Stasi – relationer Sverige – DDR 1949-1990“ („Nicht nur Stasi – Beziehungen zwischen Schweden und der DDR 1949-1990“), das zufällig auf meinem Bücherregal herumlungert und intensiv Staub ansetzt. So spannend das Thema, so dröge fand ich die Umsetzung. Das Buch war schlicht zu lang. Hätte sie sich etwas mehr auf das Wesentliche beschränkt und das Ganze etwas mitreißender verfasst, wäre daraus ein spannendes Stück Zeitgeschichtenbearbeitung geworden. So stellte ich es leider nach dem ersten Drittel wieder weg.
Spannend oder nicht – das neue Buch ist eingeschlagen wie eine Bombe. Almgren gelang es, einen bislang einzigartigen Datenzugriff zu erhalten. Nicht nur konnte sie in die Stasi-Unterlagen der Gauck/Birthler/Jahn-Behörde schauen. Die schwedische Säpo, Geheimdienstabteilung der schwedischen Polizei, warf um 2001 einen tiefen Blick in das eigene Archiv, um Stasi-Tätigkeiten in Schweden zu untersuchen und aufzuarbeiten. Almgren wurde nun erlaubt, Einblick in das Archiv zu erhalten. Bedingungen: alle beschriebenen Personen müssen anonym bleiben und Almgrens Aufzeichnungen müssen vernichtet werden.
Dem leistete sie auch Folge, aber die Anonymität konnte nicht gewahrt werden. Anscheinend konnten Journalisten anhand der Angaben im Buch einzelne Personen ausfindig machen. Die Sache zog weitere Kreise.. Am sichtbarsten war die von Reporter des Expressen gefundene Marianne Ersson. Laut dem Buch könnte die Flucht ihres Ex-Mannes aus Ostdeutschland im Jahr 1961 nur eine Finte gewesen sein, um sie im Stil eines Romeo-Agenten anzuwerben. Sie hat unter anderem als Fluglotsin gearbeitet und als Lehrer für deutsch und schwedisch an einer ostdeutschen Universität. In ersterer Funktion habe sie die schwedische Abwehr ausgespäht, in letzterer geriet sie ins Visier der Säpo. Diese konnte jedoch nie irgendwelche Beweise finden, obwohl sie den Fall dreimal aufnahm. Laut dem Buch fanden die Ermittler aber, dass daran etwas seltsam sei – konkretisiert konnten sie es anscheinend nicht. Ersson wehrt sich mit aller Kraft gegen diese Vorwürfe. Interessanterweise gibt sie aber eine Geheimdiensttätigkeit zu, nur eine ganz andere: sie habe für den schwedischen Dienst SSI verschiedene Anlagen in der DDR fotografiert. Später kam zudem heraus, dass die Stasi-Unterlagenbehörde anscheinend gar keine Akte zu Ersson hat. Auch ihr Ex-Mann Freimut Möschler äußerte sich später und wies alle Anschuldigungen als „Lügen“ zurück.
Vermutlich enthält das Buch also allerlei Schlüsse, die nicht durch Fakten gedeckt sind oder auf Mutmaßungen der Säpo basieren. Was nun genau daran ist, kann man nur schwerlich sagen. Mehrere Anzeigen gingen ein, und gegen die Autorin Almgren wurde sogar ermittelt – meines Wissens bislang aber ohne Ergebnis. Diese wehrt sich ebenso, weil sie der Maßgabe zur Anonymisierung nachgekommen sei.
Viel interessanter ist, welche Debatte hieraus entstanden ist. Es kann nämlich schon merkwürdig erscheinen, dass ein Land, in dem das Öffentlichkeitsprinzip Verfassungsrang hat, restriktiv mit den Akten seiner Polizei- und Geheimdienste umgeht. Mit anderen Worten: sollten Forschung und Betroffene nicht auch Gelegenheit erhalten, das zu erfahren, was die Stasi nach Wissen der Säpo in Schweden angestellt hat? Schließlich, und das ist wohl die eigentliche Problematik hier, waren es oft Schweden, die im Auftrag der Stasi andere Schweden ausspionierten und so gegen das eigene Land und seine Menschen arbeiteten.
Natürlich ist das Thema nicht mehr so heiß wie im Herbst, aber es schwelt, und man kann wohl davon ausgehen, dass auch in Zukunft noch allerlei Dinge ans Tageslicht kommen werden, spätestens wenn es eine allgemeine Regelung zur Akteneinsicht geben wird.
Über dem Tunnel bei Fredhäll auf der Essingeleden hängen öfters irgendwelche Banner herum. Ich sehe sie nicht oft, da ich selten mit dem Auto in die Stadt fahre. Heute tat ich es aber, just an dem Tag, an dem ein gewisser Adolf Hitler vor 123 Jahren geboren wurde. Das scheint irgendwelche Neonazispacken so zu begeistern, dass sie dort gleich einen zweiteiligen Banner mit der dezenten und unglaublich erhellenden Botschaft „Heil Hitler“ samt irgendeines dämlichen Symbols aufgehängt haben.
Widerlich. Leider ist auch Schweden nicht frei von solchen Idioten.
Ich habe die Polizei angerufen. Die wussten schon davon und werden sich darum kümmern.
Der Vergleich liegt eigentlich nahe, wird aber selten gemacht: während die deutsche Piratenpartei derzeit in aller Munde ist und bei einer Fortsetzung des Trends im Herbst 2013 locker 65 Prozent der Stimmen einheimsen wird, schaut keiner mehr auf die Wurzeln dieser Bewegung: Schweden.
Hier wurde dereinst im Jahr 2006 die erste Piratenpartei gegründet. Der Name stammte von der Trackerseite The Pirate Bay, die Links zu allerlei urheberrechtlich geschütztem Material anbietet. Gegen die Verantwortlichen der Seite wurden im Januar 2008 hierfür angeklagt. Eigentlich begann an diesem Punkt die Geschichte der schwedischen Piratenpartei erst richtig. Scharen von jungen Menschen traten der Partei bei, was freilich nicht zuletzt damit zu tun hatte, dass die Mitgliedsbeiträge freiwillig sind.
Als von Februar bis April 2009 der Prozess stattfand, war diese Welle auf dem Höhepunkt. Kurz danach, im Juni 2009, fanden die Europawahlen 2009 statt, und die Piratenpartei holte stolze 7,1 Prozent.
Es liegt also nahe, dass der in Stockholm sitzende ARD-Korrespondent Albrecht Breitschuh einen Blick auf die schwedischen Piraten warf. Ich schätze seine Arbeit im Allgemeinen sehr, aber dieses Stück ist doch irgendwie ziemlich misslungen.
Bei ihm geht die Geschichte ungefähr so: auf einmal waren die 2009 da und alle waren total überrascht. Dann hat der Vorsitzende vorgeschlagen, auch Kinderpornos zu legalisieren, und Bumm waren sie weg, bekamen nur noch 0,7 Prozent im Jahr 2010 bei den Reichstagswahlen. Seither siecht die Partei.
Nicht ganz so, aber doch zumindest in Ansätzen ähnlich geht ein Artikel des Spiegels vor, der die verschiedenen europäischen Piratenparteien zum Thema hat. Dort ist die Geschichte verkürzt auf: erst ging’s hoch, dann runter. Flankiert wird das von einem wenig vertrauenserweckenden Foto der schwedischen Piratenvorsitzenden Anna Troberg.
Das alles ist – freundlich ausgedrückt – bestenfalls die halbe Wahrheit. Die Piraten schafften es aus genau zwei Gründen in das Europaparlament:
Seien wir realistisch: die Europawahlen interessieren keine Sau. Die Wahlbeteiligung ist niedrig und die Chancen für irgendwelche populistischen Quatschbananen (z.B. FDP und deren entdoktorierte blonde Vorzeigefrau) groß. In Schweden schaffte es so 2004 die „europakritische“ Juniliste souverän ins Parlament und 2009 ebenso souverän wieder hinaus. Die Piraten fallen genau in dieses Schema, dass bestimmte Wählergruppen sich bei solchen wenig beachteten Wahlen leichter hervortun können.
Die Unterstützung basierte einzig und allein auf dem Thema Pirate Bay. Jugendliche, die weiterhin frei Sachen aus dem Netz ziehen wollen, wählten eine Partei, die genau für dies eintrat.
Dummerweise lässt sich auf so einer Plattform nicht lange bestehen, und genau das ist das Problem der schwedischen Piratenpartei. Die zigtausend Menschen, die ihrer Partei beitraten, haben sie genauso schnell wieder verlassen. Denn in Zeiten der Klickdemokratie war eine Partei, die keine zwingenden Mitgliedsbeiträge hat, perfekt für Leute, die keinesfalls etwas für ihre Downloads bezahlen wollen. Diese wollen aber auch keinen Aufwand betreiben, und so hatte man nicht plötzlich Scharen von Aktivisten, die Plakate klebten, demonstrierten und Flyer verteilten, sondern ein Mitgliederdatenbank voller Karteileichen.
Die schwedischen Gepflogenheiten in Sachen Parteienmitgliedschaft tun ihr übriges. Eintrittsanträge muss man nämlich genauso wenig stellen wie Austrittsanträge. Wer Mitglied werden bzw. bleiben will, zahlt, wer nicht, eben nicht. Die schwedischen Piraten machen dies ähnlich: die Mitgliedschaft gilt immer 365 Tage. Wer sie nicht erneuert, fliegt automatisch raus – und genau das ist offenkundig tausendfach passiert.
Es handelte sich also nicht um einen Massenexodus, sondern um eine geplatzte Scheinmitgliederblase.
Man braucht eben mehr als ein Thema, mehr als nur einen vielbeachteten Gerichtsprozess. Zum Zeitpunkt der Reichstagswahl 2010 waren die Leute von der Pirate Bay schon lange verurteilt. Das kurz danach verkündigte Ergebnis der Revision (schuldig) fand so gut wie kein Interesse mehr. Dummes Geschwätz des Vorsitzenden hatte auf den Untergang wenig Einfluss, denn die Wähler, die sie gebraucht hätten, waren da schon lange entschwunden.
Der Unterschied zu den deutschen Piraten
Genau diese Gemengelage macht auch den Unterschied zu den deutschen Piraten aus. Ich gebe gerne zu, dass ich den Piraten noch vor kurzem nicht viel zugetraut habe. Mir erschien es unwahrscheinlich, dass eine Partei mit so einem seltsamen Namen und für den Normalbürger so exotischen Themen wie der Netzpolitik punkten kann. Zudem galten sie als ziemlich zerstritten.
Doch passen sie sehr gut in die Zeit von Stuttgart 21 und dem Wutbürger, der sich von der Politik nicht mehr hinreichend repräsentiert fühlt. Die deutschen Piraten kommen daher mit ihren Zielen an. Genau dies fehlt den schwedischen Piraten aber. Der schwedische Bürger empfindet zumindest noch nicht eine so große Kluft zu seinen Politikern, und mangelnde Transparenz kann auch nur wenig beklagt werden, nicht zuletzt wegen des Öffentlichkeitsprinzips. Die schwedische Allgemeinheit – wohl auch dank der umfänglichen Auswahl von ganzen 8 Parteien – hat anscheinend nicht das Bedürfnis nach noch einer Partei. Solange die schwedischen Piraten nicht irgendein nachhaltig relevantes Thema finden, haben sie keine Chance.
Der oben gezeigte Artikel aus Dagens Nyheter – leider anscheinend nicht online – zeigte nun auch die schwedische Sicht auf die deutschen Piraten. Die fällt nüchtern aus: sympathisch, aber ohne richtiges Programm und wahrscheinlich auch nicht mit dem Potenzial, sich dauerhaft zu etablieren. Ich bezweifle, dass die schwedischen Wähler ihre Piraten da wiedererkennen werden.
Denn das ist der Punkt: der Vergleich zwischen deutschen und schwedischen Piraten ist einer zwischen Äpfel und Birnen. Außer den gemeinsamen Wurzeln haben sie nichts miteinander gemein. Die schwedische Öffentlichkeit schaffte für kurze Zeit ein höchst fragiles Biotop für das zarte Pflänzchen – als dieses vorteilhafte Klima schnell zusammenbrach, war es vorbei. Die deutsche Piraten hingegen wuchsen unter kühlen Bedingungen langsam heran, um dann bei der nun schon etwas länger anhaltenden Wärme zu gedeihen.
Ob sie danach genügend Kraft haben werden, auch den Winter zu überstehen, wird sich freilich noch zeigen.
Ich weiß nicht, ob Guinness ein Leichtbier produziert. Wenn sie es nicht tun – dieser frevelhafte Vergleich sei erlaubt – dann kommt dieses Bier am nähesten dran. Es ist dunkel, leicht süßlich, und man sollte nicht meinen, dass es ein Leichtbier ist. Da das echte Guinness aber so schwer ist, dass man es fast schon mit Besteck zu sich nehmen muss, ist es nicht verwunderlich. Mir schmeckt es.