Baden-Baden zum Hinlegen

Wenn man einen Schweden nach "Baden-Baden" fragt, denkt er an das: einen Liegestuhl. (Bild: Killibupp, PD)

Kürzlich bei der Montage im Labor. Ein Kollege sagt zu einem anderen Kollegen, der gerade in höchst unbequemer Lage unter der Anlage sitzt und etwas verschraubt: „Brauchst du einen Baden-Baden?“

Das machte mich stutzig – v.a. angesichts dem hier – und ich recherchierte nach. In der Tat: „Baden Baden“ ist kein Name für besagten Liegestuhl, sondern die schwedische Bezeichnung für solche Liegestühle im Allgemeinen.

Wie die Schweden zu dieser obskuren Wortschöpfung gekommen sind, ist mir vollkommen rätselhaft.

Bostadsbubblan: ein Vergleich mit bemerkenswerten Parallelen

Zum Thema Wohnungsmarkt in Schweden hat mir Holger (Danke!) ein nettes Video zugesandt:

Nun ist das Auslegen von bedruckten A4-Seiten nicht gerade der neueste Stand der Technik, und den rauschenden Ton kann man gerne auch ausschalten. Der Inhalt verdient aber in jedem Falle Beachtung. Ich habe versucht, die ganzen Texte als Untertitel passend einzufügen, und hoffe, dass man es gut lesen kann.

Die Methodik ähnelt meiner in einem Vergleich neulich. Doch hat der Macher auch noch eine weitere Parallele zu Japan gezogen, dessen Wohnungsmarkt sich vor 16 Jahren recht ähnlich dem heutigen in Schweden verhielt. Das Ergebnis in Japan war, dass der kaum durch Rezessionen gebremste Preisanstieg einen Crash verursachte. Immobilien verloren über Jahre stetig an Wert.

Natürlich kann man an der Methodik einige Zweifel haben. Dass das Bruttoinlandsprodukt nicht der allerbeste Maßstab sein könnte, räumt der Ersteller selbst ein. Auch kann man nicht davon ausgehen, dass zwei wirtschaftlich und strukturell stark unterschiedliche Länder das gleiche Verhalten an den Tag legen. Sprich, die Ähnlichkeit der Kurven kann auch Zufall sein. Die Feststellung, dass es 1991 bestimmt auch viele Analysten gegeben habe, die nicht an eine Blase geglaubt hatten, ist zudem der Wortwahl nach zu urteilen eine Vermutung. Das kann man allerdings getrost übergehen: Crashs haben die Eigenschaft, dass sie vorher die wenigsten kommen sehen.

Der Vergleich scheint mir ingesamt gar nicht so unpassend. Japan ist zwar ein mit hoher Dichte besiedeltes Land und Schweden so ziemlich genau das Gegenteil davon. Jedoch konzentriert sich die Bevölkerung in beiden Ländern auf geographisch eng begrenzte Bereiche. Schweden ist schließlich in weiten Teilen fast unbesiedelt. Die Situation, dass viele Leute in dieselbe Region ziehen wollen und so die Preise nach oben treiben, ist also schon irgendwo vergleichbar.

Sollte es wie in Japan kommen, wäre das höchst bedenklich. Die ganze Kreditsystematik in Schweden würde in sich zusammenfallen.

Ich selbst habe auch nochmal meine Statistik von neulich angeschaut und vier Änderungen auf Basis von SCB-Daten eingebaut:

  1. Die Verkaufspreise für Kleinhäuser (Småhus) ersetzen die vorige Kurve für Hauspreise. Dafür gibt es keinen spezifischen Grund – ich hatte die alte Kurve gerade nicht zur Hand. Die Preise beziehen sich auf die Häuser im Allgemeinen. Es wird also kein Bezug pro Quadratmeter oder derlei gemacht. Angesichts der Masse der verkauften Immobilien und der Annahme, dass die Häuser wohl auch ähnlich groß geblieben sind, dürfte das ein brauchbarer Wert sein.
  2. Leider gibt es die Verkaufspreise nicht nach Regionen getrennt. Deswegen habe ich noch den Fastighetsprisindex (Immobilenpreisindex) für den Großraum Stockholm eingefügt. Man kann nun einwenden, dass ich auch die landesweiten Verkaufspreise in diesem Index gezeigt werden sollten. Das stimmt, aber der Verlauf ist annähernd identisch, wie ich in einem Test gesehen habe. Insofern ist es egal, was man verwendet.
  3. Um auch den gewünschten Vergleich mit den Mieten zu machen, habe ich den Quadratmetermietpreis für Neubauwohnungen eingefügt. Leider stehen diese nur für die Jahre 1997 bis 2007 zur Verfügung. Ich habe diese Kurven daher mit einem Wert von 102 starten lassen, um die Vergleichbarkeit mit den Löhnen zu erhalten. Aus irgendeinem Grund werden zwei Kategorien ausgewiesen: „exploatering“ (ich nehme an, die Neuerschließung von Gebieten) und „sanering“ (ich nehme an, Sanierung von bestehenden Beständen).
  4. Zwischendrin versteckt sich noch eine kleine Kurve, die ich auch an den Index angepasst habe und die die allgemeine Miete pro Quadratmeter zeigt. Ich bin nicht sicher, was ich davon halten soll. Sie stand auch nur für wenige Jahre zur verfügung, weswegen ich hier auch eine Indexanpassung vornahm.

Das Ergebnis:

Preisverlauf im Wohnungsmarkt im Vergleich zur Lohnentwicklung

Das Bild des Ganzen ist ernüchternd. Neubauwohnungen wurden zeitweise sogar billiger (!) und steigen langsamer als die Löhne, was nur allzu gut ins Bild passt: es lohnt sich nicht, Mietwohnungen zu bauen.

Ich würde mir wünschen, das Ganze einmal im Kontext der Expertise eines echten Immobilienmarktsexperten dargestellt zu bekommen. Dieses Zusammenschustern eingeholter Datenserien kann korrekt sein, aber es ist keineswegs garantiert.

Eine weitere interessante Grafik hier:

Bevölkerungsentwicklung im Vergleich zum Wohnungsbau; rote Linie: Bevölkerungswachstum, grüne Balken: Wohnungsbau (Foto: Holger Motzkau, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0)

Man sieht deutlich, dass seit rund 40 Jahren jedes Jahr weniger Wohnungen gebaut werden als die Bevölkerung eigentlich bräuchte.

Das alles komplettiert das Bild weiter und macht wenig Hoffnung auf Besserung: der Markt rennt in den Kollaps hinein, und es gibt kaum Anzeichen, dass dies aufgehalten wird.

Nächster Halt Baku

Der beste Beitrag kam gleich zu Beginn des Abends:

Besser geht’s nicht – Raab ist einfach großartig, und zwar so sehr, dass man über das eher peinliche Englisch hinwegsehen kann. Man merkte auch: das Moderationsteam hat sich aufeinander abgestimmt. Raab schien mir am Donnerstag als überschüssig – Rakers und Engelke hätten die Show auch alleine geschmissen. Gestern war er Gold wert.

Die meisten Beiträge waren ja schon bekannt. Das zweite Halbfinale, welches an dieser Stelle noch nicht behandelt wurde, fand ich im Allgemeinen eher schwach. Während ich im ersten Halbfinale auf Anhieb eine Reihe brauchbarer Titel fand, fiel mir das beim zweiten schwer.

Auch die Titel der Big Five plätscherten größtenteils an mir vorbei. Mit dem italienischen Titel konnte ich nicht so wahnsinnig viel anfangen, aber dass er etwas ambitionierter ist, merkte man schon. Man musste Italien fast eine Stimme geben, damit sie den Wettbewerb nicht wieder für die nächsten 15 Jahre boykottieren. Beim französischen Titel schien es mir so, dass sich da einer in der Tür geirrt hat. Blue waren im Vorfeld genauso unnötig hochgejubelt wurden wie die gefönten Iren. Und Spanien trat wie immer mit einem netten Titel an, der nachher auf den hinteren Plätzen an.

Und dann Lena.

In Sachen Show war er definitiv einer der besten Titel. Musikalisch nicht der schlechteste. Aber ob man damit nochmal den gesamteuropäischen Nerv treffen kann, war mehr als fraglich.

Saades Titel fand ich von Anfang an ganz ok, aber nicht großartig. Er ist eben zu sehr Euro-Dance-Trash, der einem vom ESC so bekannt vorkommt: dort erfolgreich, aber eben nur dort. Irgendwie passend dazu ist das Ergebnis.

Mir schien kaum vorstellbar, dass der Titel so einschlagen würde, aber als der Sieg möglich schien, hoffte ich natürlich darauf. Im Globen den ESC zu haben wäre schon cool. Trotzdem: es wäre schade irgendwo, wenn man ausgerechnet mit einem Beitrag gewonnen hätte, dem einfach irgendwo das Format fehlte.

Letzten Endes also Aserbaidschan, was bemerkenswerterweise einer meiner Favoriten war. Aber: mit Finnland und Schweiz lag ich vollkommen daneben. Finnland hatte auch den Nachteil des frühen Startplatzes. Für die Schweiz gilt das freilich nicht. Ich hatte nicht gedacht, dass dieses nette Lied mit der ebenso netten Sängerin derart abgestraft wird. Es zeigt sich wieder einmal, dass die Halbfinals hervorragende Vorsortierer sind: der Schweizer Beitrag hatte es mit nur einem Punkt Vorsprung ins Finale geschafft.

Deutschland braucht sich nicht zu schämen: ein passabler 10. Platz und eine gute Show.

Nächstes Jahr also Baku, und das ist das einzig bittere daran: Aserbaidschan ist ein autoritär regierter Staat und damit nicht viel besser als Weißrussland. Man wird damit einem höchst fragwürdigen Regime eine Bühne bieten.
Ich finde, man (d.h. Deutschland oder Schweden) sollte deshalb nächstes Jahr wieder gewinnen, damit der Wettbewerb nicht in falsche Hände gerät 🙂

Trosa

Der Sommer ist da – ich holte mir gestern beim Ausflug prompt einen Sonnenbrand. Ziel war Trosa, eine Stadt am Meer, knapp südlich der Region Stockholm in Sörmland, die sich den etwas seltsamen Slogan „Världens Ände“ („Das Ende der Welt“) angeeignet hat und sogar auf dem Ortsschild präsentiert. Es ist eine typische schwedische Stadt, wenn man Inga-Lindström-Tauglichkeit als Kriterium anlegt. Die Geschäfte sind freilich auf den Tourismus ausgerichtet. Einen Sonntagsausflug kann man aber auf alle Fälle einmal dorthin machen.

Cat Stevens in Stockholm

Das Schöne daran, in einer Hauptstadt zu leben, ist, dass so gut wie jeder interessante internationale Gast hier Halt macht. Man braucht eigentlich nur mit wachen Augen durch die Straßen zu gehen und wird früher oder später ein Plakat entdecken, das ein vielversprechendes Event anpreist. Ich wäre neulich z.B. gerne zu den Söhnen Mannheims gegangen. Nicht weil ich sie besonders mag, aber wann verirren sich schon einmal mittelmäßig bekannte deutsche Künstler nach Schweden?

An internationaler Bekanntheit dürfte es Cat Stevens freilich nicht mangeln. Aber diese kommt frei Haus mit dem Wissen, dass er seit 30 Jahren Yusuf Islam heißt und sich mehr der religiösen Erleuchtung als der Musik widmet. Daher zögerte ich nicht, als ich die Anzeige für sein Konzert auf einer Werbefläche eines Parkscheinautomaten sah: da muss ich hin.

Plätze waren nicht leicht zu bekommen, was aber nicht zuletzt an der grottenschlechten Platzsuchesoftware von Ticnet liegt. So wurden es sündhaft teure Tickets mit guter Sicht am linken Rand.

Stimme: immer noch so gut – Konzept: vielleicht nicht ganz so

Der Mann ist zwar gealtert – 62 ist er mittlerweile, und er wirkt mit Sicherheit keinen Tag jünger – aber seine Stimme ist so gut wie vor 35 Jahren. Das Konzept des Konzerts war allenfalls etwas durcheinander: erst begann er autobiographisch über seine Anfänge zu erzählen. Dabei erwähnte er auch zur Freude des Publikums, dass er in Gävle einmal zur Schule ging – seine Mutter war Schwedin – aber leider kaum noch schwedisch spricht. Er streute aber immer wieder kleine Fetzen schwedisch ein. Er wechselte thematisch dann zu einem Musical, das er anscheinend gerade schreibt und neue wie alte Lieder kombiniert. Die Bühne füllte sich nach und nach, beginnend mit seinem alten Weggefährten Alun Davies. Zur Pause standen 8 Musiker auf der Bühne.

Bis dahin waren von den richtig bekannten Titeln nur „Matthew & Son“ und „The First Cut is the deepest“ gekommen – er stachelte das Publikum etwas an, indem er auf die Titel „Moonshadow“ und „Father & Son“ hin leitete, sie anspielte und dann abrupt sagte, dass er das für später aufhob. Zwischendrin begannen schon einige Zuschauer nach bekannten Titeln zu rufen, worauf Yusuf sie zu vertrösten suchte.

Das Musical wurde in Teilen präsentiert, aber es blieb bei einer Art Vorschau. Es folgte eine 30-minütige Pause, nach der ich eigentlich einen Gassenhauer nach dem anderen erwartete.

Das Warten auf „Wild World“

Daraus wurde leider erstmal nichts. Für meinen Geschmack dauerte das zu lange – aber es ist auch irgendwo verständlich, denn wie jeder Altkünstler hat Stevens das Problem, dass alle nur kommen, um die bekannten Uralthits zu hören. Zwar verfügt Cat Stevens über ein beachtliches Œuvre, aber die bekannten Titel füllen eben keinen Abend. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, er hätte wie in der ersten Hälfte mehr Hits eingestreut. Indem er die Spannung bis zum Schluss aufhob, war das Publikum dann aber auch schlagartig begeistert, als er „Morning Has Broken“ spielte, gefolgt von „Wild World“ – da standen die Leute schon – und „Father & Son“. Die Zugabe enthielt dann auch noch „Moonshadow“ und „Peace Train“.

Das stark durchwachsene Fazit von Anders Dahlbom von Expressen würde ich jedenfalls nicht teilen. Man kriegte im Endeffekt das, für das man bezahlt hatte, wenn auch etwas später als erwartet. Die Rezension in DN war auch freundlicher, ist aber leider nicht online.

Da ich mich vor dem Konzert damit nicht beschäftigt hatte, erfuhr ich erst jetzt, dass es sich um das erste Konzert der ersten Europa-Turnee seit 30 Jahren handelt. Ab Morgen ist er übrigens in Deutschland, später auch noch in Rotterdam, Paris, Wien und Brüssel. Das sollte man nicht verpassen – es könnte das letzte Mal sein.

Nachtrag: Die Rezension von Dagens Nyheter ist mittlerweile auch online.

Eine unabhängige Meinung zu Eric Saade

Wer es noch nicht gemerkt hat, sei darauf hingewiesen: in weniger als einer Woche startet der Eurovision Song Contest, und zwar in Düsseldorf – eine Folge der fast für unmöglich gehaltenen Tatsache, dass Deutschland diesen Wettbewerb im letzten Jahr gewann, obwohl damit in den nächsten 5000 Jahren nicht mehr zu rechnen war.

Der streitbare Medienjournalist Stefan Niggemeier und sein Kollege Lukas Heinser sind nach ihrer grandiosen Oslo-Reportageserie im letzten Jahr nach Düsseldorf gepilgert, um zwei Wochen lang das ganze Elend in Ton und Bild der Menschheit zu bringen. Das Resultat ist wie immer unterhaltsam.

Besonders auffällig ist in der gestrigen Folge das ausgiebige Bashing des schwedischen Teilnehmers Eric Saade. Das beginnt eher harmlos mit einer Frage eines Journalisten, der nahelegt, dass sein Beitrag nicht nur Frauen-, sondern auch bestimmte Männerherzen höher schlagen lässt, und sich erkundigt, ob dies denn Absicht oder Zufall sei.

Zufall, versichert Saade, was mich nicht verwundert, denn in Schweden schwärmen die Mädels für ihn. So sieht er aus:

Eric Saade, Interpret des diesjährigen schwedischen Beitrags im Eurovision Song Contest (Bild: Janwikifoto, http://artist.in2pic.com ; Lizenz: CC)

Das ist auch wohl der Hauptgrund seines Sieges beim nationalen Vorentscheid. Der Junge wurde ziemlich hochgejubelt, und als die Glasscheiben zersplitterten, hatte er den Sieg in der Tasche.

Mein Favorit war übrigens dieser Titel hier:

Wenn die Schweden aber mal einen Titel gewählt haben, dann stehen sie zu ihm und glauben, es sei der beste Titel des Jahrhunderts – mindestens. Da erfreut es fast schon, das eher mittelmäßig vernichtende Urteil der beiden aus Düsseldorf zu hören, um nicht allzu hohe Erwartungen zu haben.

Gut möglich, dass es wirklich ein Debakel gibt und sich ganz Schweden wieder einmal fragt, wie das nur passieren konnte. Aber vielleicht liegen die beiden auch falsch – in diesem Wettbewerb ist schließlich alles möglich.

In jedem Fall lohnt es sich, als Einstimmung auf das Spektakel täglich Duslog.tv anzuschauen.

Die Wohnungsmarktrallye im Bild

Derzeit treiben mich die schwedischen Finanzen etwas um. Eine gute Gelegenheit, eine meiner Thesen zu überprüfen.

Mir erscheint der Crash deswegen annähernd unausweichlich, weil die Immobilienpreise schneller steigen als die Löhne. Irgendwann muss also der Punkt kommen, an dem sich der Bürger mit normalem Einkommen keine Immobilien mehr leisten kann. Immobilien finden keine Käufer mehr und der Markt kollabiert.

Das ist deswegen auch so kritisch, weil viele Leute in Schweden ihre Immobilien als eine Art Anlage mit Gewinngarantie kaufen. Sie gehen davon aus, dass der Wert ihrer Immobilien immer weiter steigt. Wenn man sie verkauft, streicht man also in jedem Fall einen Gewinn ein, ohne dass man mehr tun muss als die Zinsen zu bezahlen. Auf das Tilgen kann man verzichten. Wenn man so kalkuliert, kann man also viel höhere Kredite aufnehmen, denn es kommt ja nicht auf die Rückzahlung an. Die Banken tragen dieses Modell anscheinend auch mit. Nur wenn einmal der Verkaufswert sinken sollte, wird es problematisch.

Nun kann ich schlecht den genauen Bruchpunkt eines eventuellen Crashs vorhersagen. Aber einen Blick in das Verhältnis zwischen Löhnen und Immobilienpreisen wollte ich einmal werfen. Also habe ich die Verkaufspreisdaten von Mäklarstatik.segenommen und diese mit den Lohnangaben von ekonomifakta.se abgeglichen.

Das Ergebnis:

Immobilienpreise im Vergleich zu den Durchschnittslöhnen für den Zeitraum 1996-2009

Hier sieht man die Entwicklung der Löhne im Zeitraum 1996 bis 2009. Um einen Vergleich zu ermöglichen, habe ich einen Index verwendet, d.h. das Jahr 1996 hat bei allen Kurven den Wert 100. Wie man sieht, wachsen die Preise für Immobilien erheblich schneller. Vor allem bei Eigentumswohnungen gingen die Preise zwischen 2003 und 2007 durch die Decke.

Es bleiben für den Arbeitnehmer drei Möglichkeiten:

  1. Mehr arbeiten
  2. Mehr Kredit aufnehmen
  3. Kleinere Immobilien kaufen

Es wird wohl eine Mischung aus allem drei gewesen sein. Da man aber nicht in einer Schuhschachtel wohnen kann und auch nicht viermal soviel arbeiten, bietet der höhere Kredit den größten Spielarum. Glücklicherweise scheint die Kurve langsam abzuflachen, aber dass sie so lange stagniert, bis die Lohnentwicklung einigermaßen nachgezogen hat, scheint mir doch unwahrscheinlich.

Für mich bedeutet das letztendlich, dass ich extrem lange Zeiträume werde warten müssen, um einen Kredit unter Bedingungen aufnehmen zu können, wie ich sie mir wünsche.

PS: Wer sich fragt, was „K/T“ sein soll: das ist die Kaufsumme pro Taxierungswert. In Schweden wird für die steuerliche Veranlagung der Wert eines Haus taxiert. Der Taxierungswert (Taxeringsvärde) soll dabei 75% des Marktpreises betragen – allerdings werden Durchschnittspreise verwendet, die schon etwas älter sind. Der Wert ist also relativ stabil gegenüber kurzfristigen Ausreißern, wächst jedoch mittelfristig mit dem Markt mit. Ich würde daher annehmen, dass der Preisanstieg in der Grafik eher unterbewertet ist.

Mehr Geld im Geldbeutel – ein kleiner Nachtrag

Ich hatte eigentlich nicht vor, diese Wirtschaftsthemen zu einer Serie auszubauen, aber gestern morgen sprang mir eine Zahl in einem Zeitungsartikel entgegen: 2030 Milliarden. Das ist eine Menge, finde ich, denn soviele Kronen Kredit haben schwedische Privathaushalte aufgenommen. Nach aktuellem Stand sind das 228 Milliarden Euro, oder mit anderen Worten: rund 25.000 Euro pro schwedischem Einwohner!

Das ist wohlgemerkt der Durchschnitt. Nun kann es sein, dass mir das mangels direkter Vergleichsmöglichkeiten als sehr hoch erscheint und andere europäische Länder ebenso ordentlich in der Kreide stehen. Trotzdem finde ich den Betrag beängstigend hoch, v.a. wenn man berücksichtigt, was im Nebensatz erwähnt wird. Dort steht nämlich, dass die Hälfte davon zu beweglichen Zinsen aufgenommen wurde.

Der Durchschnittsschwede hat also gut 12.000 Euro Schulden, bei denen er nicht weiß, wie hoch die Zinsen sein werden. Das finde ich doch schon ein bisschen bedrückend. Für meine Geschmack ist da schon eine Menge Vabanque dabei.

Geradezu beispielhaft finde ich auch den Rest des Artikels. Die dort präsentierte Familie macht es sich ganz einfach: wenn die Zinsen steigen, zahlen wir den Kredit eben langsamer ab.

Man kann nur hoffen, dass die meisten Schuldner ein entsprechendes Polster haben, um so reagieren zu können.

Skärtorsdag – Schweden und seine Halbfeiertage

Das umfängliche Gründonnerstagprogramm im Albanova Universitätszentrum: Nichts

Der Schwede hat sich seine Freizeit sehr pragmatisch eingerichtet. Zwar rechnet er sich selbst vor, dass er doch gar nicht so viel frei habe, aber man behilft sich anderweitig.

Man umgeht das „Problem“ der eher spärlich gesäten „echten“ Feiertage dadurch, dass die Tage vor den Feiertagen nur halbe Arbeitstage bzw. gar keine Arbeitstage sind. Schweden hat nämlich nur folgende gesetzliche Feiertage:

  • Neujahr, 1. Januar
  • Trettondedag jul (also der „dreizehnte Tag Weihnachten“), 6. Januar
  • Långfredagen (Karfreitag)
  • Påskdagen (Ostersonntag)
  • Annandag påsk („der zweite Tag Ostern“, also Ostermontag)
  • Första maj, 1. Mai (wird seit 1939 und trägt also auch hier keinen beschönigenden Namen)
  • Kristi himmelsfärdsdag (Christi Himmelfahrt)
  • Pingstdagen (Pfingstsonntag)
  • Sveriges nationaldag (Schwedischer Nationalfeiertag), 6. Juni; dieser wurde 2005 zum arbeitsfreien Feiertag erklärt, wodurch der Pfingstmontag wegfiel
  • Midsommardagen (Mittsommertag), der immer am Samstag nach dem längsten Tag des Jahres gefeiert wird
  • Alla helgons dag (Allerheiligen), der aber im Gegensatz zu Deutschland nicht am 1. November gefeiert wird, sondern an dem Samstag, der zwischen 31. Oktober und 6. November liegt
  • Juldagen (Weihnachtstag, d.h. der erste Weihnachtsfeiertag), 25. Dezember
  • Annandag jul („der zweite Tag Weihnachten“, zweiter Weihnachtsfeiertag), 26. Dezember

Von diesen 13 Tagen fallen aber 4 ohnehin auf das Wochenende, so dass es de facto nur 9 sind.

Also hat man sich etwas Geniales einfallen lassen: man macht die Tage vor Feiertagen auch arbeitsfrei – schließlich muss man sich mental auf das Ereignis vorbereiten. Heute morgen war der Bus zur Arbeit zum ersten Mal in den zwei Jahren, seit ich auf Värmdö wohne, leer, als ich einstieg.

Der Gründonnerstag („Skärtorsdag“) ist nämlich so ein Tag. Das durfte ich vor drei Jahren am eigenen Leib erfahren, als meine lang erhoffte Fisteloperation auf diesen Tag gelegt wurde. Ich sagte meine lukrativen Osterarbeitstage als Busfahrer ab, weil mit Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen war. Nur um dann zu erfahren, dass ihnen aufgefallen ist, dass sie am Gründonnerstag ja gar nicht arbeiten und folglich auch nicht operieren. Total unvorhersehbar natürlich, dass das so ein Tag ist! Adé schönes Osterzubrot.

Ähnlich ist es an Midsommar. Während technisch gesehen der Midsommarafton, also der Freitag vor dem Midsommartag, ein normaler Arbeitstag sein sollte, wird an diesem Tag die nationale Schnapsreserve dezimiert und um eine Stange getanzt. Gearbeitet wird aber nicht.

Brückentage, insbesondere natürlich der offensichtliche Tag nach Christi Himmelfahrt, sind oft auch einfach so frei, ohne dass man dafür einen Urlaubstag opfern müsste. Das Ganze soll ja nicht die lebenswichtigen 4 Wochen (und mehr) Urlaub im Sommer gefährden. Ich selbst habe bescheidene 31 (!) Tage Urlaub im Jahr.

Bevor das hier zu einer Lästertirade wird: das trifft nicht auf alle zu – mein Urlaub ist verhältnismäßig lang – und die Schweden schaffen es auf offenkundig auf bewundernswerte Weise, ihre Arbeitszeit effektiv zu nutzen, denn produktiv ist man schließlich.

Es verwundert mich nur immer wieder, wie man Werktage einfach so landesweit zu Quasifeiertagen gemacht hat. Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis jemand auf die Idee kommt, „Nationaldagsafton“, also dem Tag vor dem Nationalfeiertag, nicht mehr zu arbeiten. Das wird wohl noch ein paar Jährchen warten müssen.

Bis dahin: ich schreite nun zur grundonnerstäglichen Nichtarbeit und wünsche Frohe Ostern (bzw. Glad Påsk)!

Mehr im Geldbeutel – was die Regierung so plant

Nach dem gestrigen Beitrag sollte man vielleicht noch erklären, was die Regierung genau vorhat. Schweden kommt ziemlich gut aus der Krise, und das will die Regierung gleich zu weiteren Steuersenkungen nutzen.

Eine Reihe Reformen wurde gerade auf den Weg gebracht:

  1. Weitere Senkung der Einkommenssteuer: Nachdem die Regierung schon in der vorigen Legislaturperiode die Steuern gesenkt hat, will sie das wieder tun. Soweit ich das verstehe, funktioniert das so, dass je nach Bruttoeinkommen ein Teil des Einkommens als eine Art Grundfreibetrag abgezogen wird. Dieser Teil soll nun nochmals erhöht werden. Genaueres kann man hier berechnen lassen.
  2. Die Grenze zur staatlichen Einkommenssteuer wird erhöht: im schwedischen Steuersystem wird abzüglich der erwähnten Freibeträge alles Einkommen einer Steuer unterworfen, die an die Kommunen und die Provinzen geht. Erst ab einer gewissen Grenze wird das darüber hinausgehende Einkommen mit eine Steuer belegt, die an den Gesamtstaat geht. Diese Grenze soll nun angehoben werden.
  3. Für im Ausland Wohnende wird die Steuer gesenkt: wer sich weniger als das halbe Jahr in Schweden aufhält, unterliegt einer anderen Besteuerung. Dies soll nun auch gesenkt werden.
  4. Absenkung der Mehrwertsteuer für Catering- und Restaurantdienste
  5. Steuersenkung für Pensionäre: diese profitieren nicht von den oben erwähnten Steuersenkungen und erhalten getrennt eine Senkung.
  6. Mehr Geld an die Justiz
  7. Weiterhin gesenkter „Vorteilswert“ für umweltfreundliche Autos (bis 2013): besonders umweltfreundliche Autos werden in einigen Bereichen steuerlich besser gestellt. Der „Vorteilswert“ (Förmånsvärde) betrifft Dienstwagen. Da die Bereitstellung eines solchen einen geldwerten Vorteil darstellt, wird der Wagen berechnet wie eine Art zusätzliches Einkommen, das dann zu versteuern ist. Der „Vorteilswert“ gibt die Höhe dieses zusätzlichen Einkommens an. Durch den gesenkten Vorteilswert ist es also steuersparend, einen solchen Dienstwagen zu haben anstatt eines weniger umweltfreundlichen Modells.
  8. Absetzbarkeit von Spenden an gemeinnützige Organisationen: bisher kann man spenden, soviel man will – steuerlich macht es keinen Unterschied.
  9. Steuern auf Alkohol und Tabak werden erhöht: die einzige Steuererhöhung, die mir bislang untergekommen ist. Zigaretten wird 10% höher besteuert, Snus 13%, Wein und Bier 12,7% sowie Spirituosen mit 5%.

Am meisten Wellen schlägt freilich die zuerst genannte Steuersenkung für Arbeitnehmer – daher auch der gestrige Beitrag. Von linker Seite wird kritisiert, dass diese Steueränderungen die Reichen begünstigen. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Geschönte Zahlen

Das Finanzministerium führt nämlich in seinen Berechnungen auf, dass eine Pflegehelferin mit 23.200 kr Bruttoeinkommen im Monat um ganze 189 kr Steuern erleichtert wird. Klingt gut, aber der Haken ist: man muss erstmal eine Pflegehelferin finden, die derart viel verdient, um ihr die frohe Botschaft mitzuteilen. Schon 20.000 kr im Monat sind für diesen Job ziemlich ambitioniert. Auch die Krankenschwester mit 28.800 kr ist die absolute Ausnahme. Allgemein hat die Regierung also die Zahlen etwas aufgehübscht, um die Steuersenkungen größer aussehen zu lassen.

Ich bin allgemein sehr skeptisch gegenüber diesen Änderungen. Zwar entlasten sie den Bürger, aber wie ich gestern dargelegt habe, darf durchaus bezweifelt werden, dass dies zur Verbesserung der finanziellen Situation der Haushalte beiträgt. Es dürfte in erster Linie den Konsum ankurbeln.

Verkomplizierung des Steuersystems

Besonders kritisch sehe ich es in der Hinsicht, dass die Stärke des schwedischen Steuersystems die Einfachheit ist. Mit zusätzlichen Detaillösungen und Korrekturen wird es komplizierter – und wie das deutsche System eindrücklich zeigt, haben solche Verschiebungen oftmals kaum positive Effekte, machen das System aber weniger gerecht und erhöhen den bürokratischen Aufwand.

Ich frage mich auch, ob man damit nicht den Kommunen das Leben schwermacht. Die Einkommenssteuer geht schließlich größtenteils an die Kommunen, und mit einem weiteren Freibetrag sinkt das Steueraufkommen in diesem Bereich.

Mehrwertsteuersenkung für Restaurants: Unfug

Ziemlich ärgerlich finde ich die Mehrwertsteuersenkung für Restaurants und Catering.

Ich bin der Meinung, dass jegliche Mehrwertsteuerausnahmen nicht sinnvoll sind. Sie werden vom Verbraucher nicht wahrgenommen, weil sie in der allgemeinen Preisentwicklung untergehen – der Markt ist viel schneller als die Steuergesetzgebung, und jede Steuersenkung ist bald kaum noch wahrnehmbar. Will man sie abschaffen, ist das fast nicht mehr möglich, weil die betroffenen Gruppen aufschreien.

Das gilt insbesondere in diesem Fall. In Frankreich hat vor knapp zwei Jahren die Mehrwertsteuer in Restaurants massiv von 19,6% auf 5,5% gesenkt. Dort wurde das heftig diskutiert, weil man zurecht befürchtete, die Restaurants würden einfach ihre Gewinnmarge erhöhen. Man verpflichtete die Restaurants zu Preissenkungen, und dies wird bis heute auf vielen Speisekarten dem Gast präsentiert.

Genau dies wird in Schweden angesichts der geringen Aufmerksamkeit kaum passieren. Ich gehe davon aus, dass schon wenige Monate nach der Steuersenkung die Preise wieder das vorige Niveau erreicht haben werden. Es landet dann nicht mehr im Steuersäckel sondern irgendwo anders – vermutlich nicht in den Lohntüten der Arbeitnehmer.

Steuerbefreiung von Spenden

Auch für die Steuerbefreiung von Spenden kann ich nicht viel erübrigen. Mir kommt gerade dies in Deutschland immer als eine Art Schattenwirtschaft vor, bei dem die Gelder hin- und hergeschoben werden, wobei vollkommen unklar ist, wieviel das Ganze der Allgemeinheit wirklich bringt. Haben denn gemeinnützige Organisationen in Schweden Finanzprobleme? Das Thema scheint vom heiteren Himmel zu fallen.

Hätte man besser verwenden können

Ich hätte es wieder einmal begrüßt, wenn man zuerst geschaut hätte, was man mit den Überschüssen so alles machen kann, anstatt sie sofort in Kanäle zu leiten, die vermutlich keinen großen Nutzen erbringen werden.

Eigentlich hätte man erwarten müssen, dass die Regierung diese Änderungen erst kurz vor der nächsten Wahl macht, um Popularität zu gewinnen. Vielleicht will sie aber ihre Stammklientel beglücken, wie sie es schon vor vier Jahren machte. Restaurantbesuche, Dienstwagen und hohe Einkommenssteuer betreffen vor allem die Reichen. Man darf gespannt sein, welche Bonbons sie zum Ende der Legislaturperiode verteilen wollen.