Skärtorsdag – Schweden und seine Halbfeiertage

Das umfängliche Gründonnerstagprogramm im Albanova Universitätszentrum: Nichts

Der Schwede hat sich seine Freizeit sehr pragmatisch eingerichtet. Zwar rechnet er sich selbst vor, dass er doch gar nicht so viel frei habe, aber man behilft sich anderweitig.

Man umgeht das „Problem“ der eher spärlich gesäten „echten“ Feiertage dadurch, dass die Tage vor den Feiertagen nur halbe Arbeitstage bzw. gar keine Arbeitstage sind. Schweden hat nämlich nur folgende gesetzliche Feiertage:

  • Neujahr, 1. Januar
  • Trettondedag jul (also der „dreizehnte Tag Weihnachten“), 6. Januar
  • Långfredagen (Karfreitag)
  • Påskdagen (Ostersonntag)
  • Annandag påsk („der zweite Tag Ostern“, also Ostermontag)
  • Första maj, 1. Mai (wird seit 1939 und trägt also auch hier keinen beschönigenden Namen)
  • Kristi himmelsfärdsdag (Christi Himmelfahrt)
  • Pingstdagen (Pfingstsonntag)
  • Sveriges nationaldag (Schwedischer Nationalfeiertag), 6. Juni; dieser wurde 2005 zum arbeitsfreien Feiertag erklärt, wodurch der Pfingstmontag wegfiel
  • Midsommardagen (Mittsommertag), der immer am Samstag nach dem längsten Tag des Jahres gefeiert wird
  • Alla helgons dag (Allerheiligen), der aber im Gegensatz zu Deutschland nicht am 1. November gefeiert wird, sondern an dem Samstag, der zwischen 31. Oktober und 6. November liegt
  • Juldagen (Weihnachtstag, d.h. der erste Weihnachtsfeiertag), 25. Dezember
  • Annandag jul („der zweite Tag Weihnachten“, zweiter Weihnachtsfeiertag), 26. Dezember

Von diesen 13 Tagen fallen aber 4 ohnehin auf das Wochenende, so dass es de facto nur 9 sind.

Also hat man sich etwas Geniales einfallen lassen: man macht die Tage vor Feiertagen auch arbeitsfrei – schließlich muss man sich mental auf das Ereignis vorbereiten. Heute morgen war der Bus zur Arbeit zum ersten Mal in den zwei Jahren, seit ich auf Värmdö wohne, leer, als ich einstieg.

Der Gründonnerstag („Skärtorsdag“) ist nämlich so ein Tag. Das durfte ich vor drei Jahren am eigenen Leib erfahren, als meine lang erhoffte Fisteloperation auf diesen Tag gelegt wurde. Ich sagte meine lukrativen Osterarbeitstage als Busfahrer ab, weil mit Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen war. Nur um dann zu erfahren, dass ihnen aufgefallen ist, dass sie am Gründonnerstag ja gar nicht arbeiten und folglich auch nicht operieren. Total unvorhersehbar natürlich, dass das so ein Tag ist! Adé schönes Osterzubrot.

Ähnlich ist es an Midsommar. Während technisch gesehen der Midsommarafton, also der Freitag vor dem Midsommartag, ein normaler Arbeitstag sein sollte, wird an diesem Tag die nationale Schnapsreserve dezimiert und um eine Stange getanzt. Gearbeitet wird aber nicht.

Brückentage, insbesondere natürlich der offensichtliche Tag nach Christi Himmelfahrt, sind oft auch einfach so frei, ohne dass man dafür einen Urlaubstag opfern müsste. Das Ganze soll ja nicht die lebenswichtigen 4 Wochen (und mehr) Urlaub im Sommer gefährden. Ich selbst habe bescheidene 31 (!) Tage Urlaub im Jahr.

Bevor das hier zu einer Lästertirade wird: das trifft nicht auf alle zu – mein Urlaub ist verhältnismäßig lang – und die Schweden schaffen es auf offenkundig auf bewundernswerte Weise, ihre Arbeitszeit effektiv zu nutzen, denn produktiv ist man schließlich.

Es verwundert mich nur immer wieder, wie man Werktage einfach so landesweit zu Quasifeiertagen gemacht hat. Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis jemand auf die Idee kommt, „Nationaldagsafton“, also dem Tag vor dem Nationalfeiertag, nicht mehr zu arbeiten. Das wird wohl noch ein paar Jährchen warten müssen.

Bis dahin: ich schreite nun zur grundonnerstäglichen Nichtarbeit und wünsche Frohe Ostern (bzw. Glad Påsk)!

Deutsche arbeiten weniger…

Heute morgen fand ich auf dem Frühstückstisch folgenden Artikel in der Zeitung Dagens Nyheter (DN) vor:

Ausriss: Dagens Nyheter

Die Deutschen arbeiten laut dieser Schlagzeile also am wenigsten in der EU. 38,1 freie Tage soll der gemeine Deutsche so haben, während es der EU-Durchschnitt lediglich auf 33 Tage bringe. Die Schweden liegen mit 36 Tagen auf Platz 4. Hier die ganze Liste (Angaben in Tagen):

  • Deutschland: 38,1
  • Italien: 37,1
  • Luxemburg: 37,1
  • Dänemark: 37,0
  • Schweden: 36,0
  • Portugal: 35,8
  • Malta: 35,0
  • Österreich: 34,9
  • Spanien: 34,5
  • Slowakei: 33,8
  • Tschechien: 33,3
  • EU-Durchschnitt: 33,0
  • Litauen: 33,0
  • Griechenland: 33,0
  • Finnland: 32,8
  • Irland: 32,2
  • Lettland: 32,0
  • Norwegen: 31,9
  • Frankreich: 31,5
  • Zypern: 31,4
  • Slowenien: 31,0
  • Bulgarien: 31,0
  • Großbritannien: 30,5
  • Polen: 30,0
  • Ungarn: 30,0
  • Niederlande: 29,6
  • Estland: 29,0
  • Belgien: 28,2
  • Rumänien: 28,0

Da frage ich mich natürlich: wie kommt man denn auf diese Idee? Das nicht nur, weil es zum deutschen Selbstverständnis gehört, dass man arbeitet bis man nicht mehr kriechen kann, was sich natürlich hervorragend in die große Nachkriegssaga vom Wirtschaftswunderland einfügt. Vielmehr bin ich überrascht, weil ich Schweden an der Spitze erwartet hätte. Schließlich nehmen die Schweden nicht selten über einen Monat am Stück im Sommer frei. An Brückentagen oder Tagen vor hohen Feiertagen wird wenn überhaupt nur eingeschränkt gearbeitet.

Eine wahrscheinliche Erklärung gibt der Bericht selbst. Eurofound, das diese genaue Statistik (die Genauigkeit wird sehr deutlich hervorgehoben) erstellt hat, hat die Zahl der Feiertage im Kalender genommen und den gewerkschaftlich ausgehandelten Urlaubsansprich hinzugefügt. Vermutlich hat man sich hier die Feiertagsstruktur genau angesehen – so ist Mittsommer immer an einem Samstag, und 1. Mai und Nationalfeiertag können durchaus auch mal am Wochenende liegen. Fronleichnam und Pfingstmontag hingegen sind eben immer unter der Woche. So gibt es in Deutschland bis zu 6 wochentagssichere Feiertage, in Schweden hingegen nur 4. Aber auch hier sollte man die Kirche im Dorf lassen. Schweden hat nämlich 10 gesetzliche Feiertage. 9 der 16 Bundesländer haben aber auch nur 9 oder 10 Feiertage. Selbst wenn man nach Bevölkerungsmengen gewichtet, kommt man auf im Schnitt 10,9 Feiertage in Deutschland.

Damit wäre also mindestens die Hälfte der 2,1 Tage Differenz erklärt. Und die andere Hälfte? Hier wird es schwammig, denn Schweden hat anscheinend keinen gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaubsanspruch. Meine Erklärung ist, dass die in deutschen Tarifverträgen ausgehandelten Urlaubsansprüche wohl leicht umfänglicher sind als die in den schwedischen.

Bei der geradezu unheimlichen Stärke der schwedischen Gewerkschaften ein überraschender Schluss, der aber nicht einer gewissen Logik entbehrt. Denn ich sehe bei der ganzen Sache zwei Knackpunkte:

  1. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist in Deutschland anzunehmenderweise weit geringer als in Schweden. Während hier selbst jede Imbissbude mit geradezu erpressungsartigen Methoden in die Tarifverträge gezwungen werden, sind weite Teile des deutschen Mittelstandes bestenfalls in Form eines Betriebsrats organisiert. Tarifverträge dürfte dort nur eine untergeordnete Rolle spielen.
  2. Arbeitstag ist nicht gleich Arbeitszeit. Das allgemein übliche Kaffeetrinken hierzulande („fika“), das sich anscheinend am Tag gerne mal auf 2×30 Minuten summiert, würde einen deutschen Chef auf die Palme bringen. Zudem sind Arbeitszeiteinschränkungen, um z.B. Kinder vom Kindergarten abzuholen, hierzulande weitaus üblicher als in Deutschland, wie mir scheint.

Die Verallgemeinerung von tariflich festgelegten Arbeitstagen zur allgemeinen Arbeitszeit der Bevölkerung scheint mir also nur bedingt möglich.

Die Fakten des Artikels scheinen also zu stimmen – die Überschrift hingegen ist irreführend.

Nachtrag 14:13 Uhr: Ich habe mich an die Autorin des Artikels gewandt und meine Einwände gegenüber der Überschrift dargelegt. Sie hat mittlerweile geantwortet und ist meiner Meinung. Sie hat sich schon beim Redakteur beschwert, der die Überschrift ausgewählt hat.
Nachtrag 15:25 Uhr: Wie ich gerade vernommen habe, sagt Eurofound, dass die Zahlen von letztem Jahr sind und nur sagen, wieviele Tage frei sind, nicht wieviele Stunden wirklich gearbeitet werden. Ein neuer Bericht mit mehr Details soll in den nächsten Wochen kommen.

A ferry tale

Man kann es erahnen: ich war im Urlaub.

Wie ich vor einiger Zeit erfahren musste, stirbt man früher, wenn man nicht vier Wochen am Stück Urlaub im Jahr hat. Dreißig Prozent der Einwohner Schwedens müssen unter solchen vermeintlich unwürdigen Umständen leben. Aus deutscher Sicht wirkt sie grotesk.

Nun, auch ich muss mit einem frühen Tod rechnen, denn ich habe nur zwei Wochen Urlaub gehabt, und erholsam waren sie nicht unbedingt – aber gut.

Wegen einer wichtigen Familienfeier, zu der meine Freundin nach Leipzig musste, hatten wir ein großes Programm zusammengestellt, das wir komplett mit dem Auto bzw. Fähre absolvierten:

  • Nach Nynäshamn, einer Stadt am südlichsten Ende der Region Stockholm (73 km). Ab dort fährt eine Fähre der polnischen Gesellschaft Polferries nach Danzig. Das hatte schlicht den Vorteil, dass wir zu Beginn wenig fahren mussten. Von der Fähre hatte ich mir nicht viel versprochen – die Baltivia ist nicht gerade das neueste Schiff, und schnell wurde auch klar, wer das Stammklientel darstellt: zuallererst polnische Gastarbeiter in Schweden und Lkw-Fahrer. Dementsprechend gab es an Bord wenige Familien und das Ambiente war schlicht. Uns hatte man mit dem Hinweis, Zwei-Bett-Kabinen seien ausgebucht, eine teurere Drei-Bett-Kabine gegeben. Allerdings musste ich feststellen, dass es Zwei-Bett-Kabinen entweder gar nicht oder nur in sehr geringer Zahl gab. Etwas ärgerlich war auch, dass man trotz noch an Land erhaltener Bordkarte nochmals an der Rezeption an Bord einchecken musste, um in die Kabine zu gelangen. Zudem roch das Bad dort ziemlich streng. Die Freizeitangebote an Bord waren ausgesprochen bescheiden. Der Bordshop war klein und hatte nur wenige Stunden am Morgen geöffnet. Die Cafeteria war das einzige Restaurant an Bord und servierte reichlich matschige und fettige Speisen. Das Frühstück war allerdings in Ordnung. Wir verbrachten die meiste Zeit der 19 Stunden an Bord mit Lesen und Schlafen, denn viele Alternativen hätte es ohnehin nicht gegeben. Einzig die weite Strecke rechtfertigte den Fahrtpreis von gut 300 €. In Danzig checkten wir nach einer kleinen Irrfahrt (Navi hielt Fußgängerbrücke für Straße) ins Hotel ein und gingen in die Stadt. Sehr schön. Eine Schiffsfahrt zur Westerplatte und zurück gönnten wir uns auch noch. Das Hotel La Petite kann man nur empfehlen – freundliches Personal, guter Preis, gutes Frühstück, saubere moderne Zimmer mit Fernseher, großes Bad, ein kleiner Parkplatz draußen und die Innenstadt ca. 30 Minuten zu Fuß weg.
  • Am nächsten Morgen dann weiter von Danzig nach Bad Muskau (548 km). Wir wussten vorher schon, dass das eine lange Fahrt werden würde, denn Polen hat praktisch keine Autobahnen. Unser neues Navigationssystem (Garmin Nüvi 205T) interpretierte das wohl so, dass alle Landstraßen ja gleich sind und folglich der kürzeste Weg der beste sein müsse. Wir landeten teilweise in der tiefsten Provinz, weitab von den größeren Verkehrswegen, die wir normalerweise genommen hätten. So haben wir viel von Polen gesehn, u.a. zahlreiche Störche, aber auch das waghalsige Verhalten polnischer Autofahrer. Wenn man in einem Land mit Landstraßen lebt, hat man offenkundig viel Zeit, Überholmanöver zu üben. Bad Muskau liegt direkt an der polnischen Grenze und ist nahezu umgeben vom Fürst-Pückler-Park, der mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und durch dessen Mitte die Neiße fließt, wodurch der Park halb in Polen, halb in Deutschland liegt. Neben den schönen Parkanlagen fand ich vor allem diese Grenze interessant. Nicht nur, weil man sie unkontrolliert überqueren kann, sondern der annähernd orientalische Markt auf der polnischen Seite. Da werden in Wellblechhütten unter Beschallung mit billigstem deutschen Schlager allerlei Waren angeboten, an deren Qualität man zweifeln kann, die aber auf alle Fälle in harten Euros ausgezeichnet sind. Das Ganze ist so eng bebaut, dass dort permanenter Verkehrsstau, insbesondere vor der Tankstelle, zu herrschen scheint.
  • Weiter nach Leipzig (236 km). Dort schöne 4 Tage mit Bowling, Familienfesten und Stadtführung.
  • Über das malerische Städtchen Greiz in Thüringen zu meinen Eltern nach Rastatt (592 km). Dort dann ein paar Tage in der Umgebung verbracht, wobei die Schwarzwälder Kirschtorte am Mummelsee eine herbe Enttäuschung war – Boden angebrannt, Sahne alt. Da das vormalige Mummelsee-Hotel vor einem Jahr abgebrannt ist, muss man das wohl den Umständen der provisorischen Bewirtung zuschreiben. Die Tage nutzten wir auch, das Auto auf Vordermann zu bringen – es hat jetzt einen neuen Kotflügel und eine neue Tür. Insofern war die Abwrackprämie ausnahmsweise zu irgendwas gut.
  • Dann weiter nach Norderstedt (676 km) – wobei die Streckenangabe hier reine Makulatur ist. Die anvisierten 6 Stunden Fahrt verdoppelten sich staubedingt auf 12 Stunden, was in erster Linie einer Vollsperrung der A7 bei Göttingen geschuldet war. Deren Ursache bleibt im Dunkeln, denn sie schien vorbereitet gewesen zu sein. Mangels Vertrauen in unser Navigationssystem fuhren wir zu früh wieder auf die Autobahn, was mehrere Stunden kostete. Immerhin konnten wir noch einen guten halben Tag in Hamburg verbringen.
  • Zur Fähre nach Lübeck-Travemünde (82 km) – wir hatten im Vorfeld beschlossen, auch auf dem Rückweg eine der größeren Fähren zu nehmen, da wir so noch länger in Hamburg bleiben konnten. Die Nacht würde zwar kurz sein, denn Abfahrt ist um 22 Uhr und Ankunft schon um 7 Uhr. Die Fährgesellschaft Nordö-Link meinte, wir sollten spätestens 2 Stunden vor Abfahrt dort sein. Nach den Erfahrungen vom Vortag planten wir großzügige Reserven ein – umso ärgerlicher, dass der Check-In 2 Stunden vor Abfahrt noch nicht einmal begonnen hatte, und als er dann begann, doch sehr gemächlich vor sich ging. An Bord war das Unterhaltungsangebot auch nicht viel größer als auf der ersten Fähre, was aber angesichts der späten Abfahrt kaum eine Rolle spielte. Das Erstaunlichste war jedoch unsere Kabine – die hatte ca. 20 Quadratmeter und 4 Betten, obwohl wir nur zu zweit waren. Den im Informationsmaterial erwähnten Fernseher gab es nicht, aber interessanter- und eigentlich auch unnötigerweise eine Minibar. Das Frühstück hatten wir dazu gebucht – man musste freilich schon um 6 Uhr morgens beginnen, denn die Fähre kam pünktlich an. Sollte ich das nochmal machen, werde ich dazu eine Kamera mitnehmen, denn man fährt währenddessen unter der Öresundbrücke hindurch. Die 200 € für die Fahrt sind nur auf den ersten Blick teuer, denn die Fähre Puttgarden-Rödby und die Öresundbrücke hätten zusammen rund 100 € gekostet. Wenn man dann noch Spritkosten und den Service einer Nacht mit Frühstück an Bord einrechnet, dann schmilzt der Preisunterschied stark zusammen – dass man ausgeruht in Schweden ankommt, wiegt es letztendlich ganz auf.
  • Nach einem Brotkauf in der deutschen Bäckerei im Hauptbahnhof von Malmö (hatten wir in Deutschland vergessen) ging es auf den letzten Abschnitt nach Hause (632 km).

Alles in allem also alleine auf diesen Wegen über 2800 km. Mit den ganzen Fahrten dazwischen landeten wir bei weit über 3000 km. Das kann man nicht jedes Jahr machen – dementsprechend war das Auto mit deutschen Leckereien beladen.

Wieder zuhause

Ich hatte es zuvor verschwiegen, aber ich glaube, eine Woche nur mit Fotos hat dem sonst doch sehr textlastigen Blog nicht geschadet.

Das Reiseziel war Schottland, genauer gesagt den hohen Norden dort.

  • Es fühlte sich seltsam an, aber es war höchste Zeit: in der Tat war es die erste Reise seit 3 Jahren, die ich nicht innerhalb Skandinaviens (inkl. Finnland), dem Baltikum oder als Heimatbesuch in Deutschland unternommen habe.
  • Zudem war es die erste Campingreise seit langem. Mein sündhaft teures Zelt, das ich im Frühjahr 2002 erworben hatte, war nur einmal im Einsatz gewesen, und zwar im Sommer 2002. Trotz der allgemeinen Wettererwartungen in Schottland konnten wir viermal zelten. Zwar hatte ich in John o’Groats den Eindruck, uns fliegt das Zelt gleich weg, was den Schlaf erheblich störte, aber dank moderner Einrichtungen wie selbstaufblasbaren Isomatten, kompakten Schlafsäcken und eben dem superleichten Zelt erreichte man einen bemerkenswert hohen Schlafkomfort. Es ist auch kaum zu überbieten, morgens aufzuwachen und aufs offene Meer und die Highlands blicken zu können.
  • Apropos Wetter: das Wetter auf der Fahrt zum Flughafen in Skavsta war so mies, wie ich es in Schweden in meiner Erinnerung noch nie erlebt habe. Wir waren pitschnass, als wir eincheckten. IN Schottland hatten wir zwar auch ein paar mal Regen, aber an die Extreme vom Anreisetag reichte das bei weitem nicht heran. Gestern abend nach der Rückkehr war es ähnlich schlimm.
  • Wir hatten ein Mietauto für die Fahrt gebucht. Der versprochene Ford Fiesta war aber gerade nicht verfügbar, so dass wir einen Ford Mondeo erhielten. Da kann man sich natürlich nicht beschweren. Dass man rechts sitzt und links fährt, hängt freilich nicht vom Autotyp ab. Mir machte vor allem das fehlende Gefühl für die Breite des Autos zu schaffen, das sich erst nach zwei Tagen richtig einstellte.
    Man gewöhnt sich daran, und so habe ich es geschafft, rund 1100 Meilen (ca. 1750 km) unfallfrei zu fahren. Man muss den Briten auch das Kompliment machen, den Kreisverkehr zu einer Wissenschaft gemacht zu haben. Ich konnte innerhalb der Woche nicht herausfinden, wie man sich ganz korrekt verhält, was aber auch daran liegt, dass sich sonst wohl auch keiner korrekt verhält. Die Komplexität der Kreisverkehre übersteigt die der zweispurigen Kreisverkehre in Schweden bei weitem – und in Deutschland kann freilich nichts mithalten. Bemerkenswert ist auch, dass der schottische Straßenverkehr vollkommen jeder Einbindung ins metrische System trotzt. Als Längeneinheiten dienen ausschließlich Yards und Meilen.
  • In den Highlands ist das aber alles egal, denn dort gibt es auf weiten Teilen des Straßennetzes nur eine Spur. Das heißt, man muss bei Gegenverkehr abbremsen und sich an einem speziell verbreiterten „Passing Place“ passieren. Notfalls muss man zurücksetzen. Das Ganze bremst die Reisegeschwindigkeit auf vielleicht 50 km/h herunter. Der Spritverbrauch steigt, und da man nicht weiß, ob der nächste Weiler eine Tankstelle hat, muss man vorplanen. Leider kann man die Landschaft bei dieser Fahrweise nicht viel mehr genießen, weil man dauernd aufpassen muss, keinen Frontalcrash zu verursachen.
  • Trotzdem haben wir insgesamt 572 Fotos gemacht. Dazu habe ich mir eine Canon EOS-450D gekauft, weil ich bei einem Sonderangebot nicht warten wollte, und die Entwicklungskosten für analoge Fotografie mittlerweile exorbitant sind. Eine Auswahl der Fotos kommt bald.
  • Wir haben fast vollständig auf Sightseeing in klassischer Weise verzichtet – unsere Ausgaben für Museen und dergleichen lagen annähernd bei Null. Wir waren ja wegen der Landschaft gekommen, und man muss sich auch nicht jedem Touristenquatsch hingeben. Wenn es nicht Loch Ness wäre, hätten wir uns sicher die Runde um diesen See geschenkt, denn auf der einen Seite wimmelt es nur so von Touristen – dabei weiß ja jeder, dass man Nessie nicht zu Gesicht bekommen wird.
  • Das Essen ist sehr fettig – schon das schottische Frühstück hat irrsinnig viele Kalorien. Ich wollte es mir aber nicht nehmen lassen, Black Pudding, Bohnen, Ei und Wurst zum Frühstück zu essen. Haggis konnte ich mir leider nur in fritierter Form genehmigen. Zum Ausgleich gab es die übrigen Tage fast nur Brot und irgendwelches fertigessen, das wir mit unserem Campingkocher zubereitet haben.

Insgesamt eine tolle Woche, die Lust darauf macht, auch Irland einmal zu umfahren. Nächstes Jahr sind allerdings schon einige andere Reisen in der näheren Auswahl.

Auswandererguide Teil XII – Die Bürokratie: Geld verdienen und Kaffee trinken

Großartig einen Job in Schweden suchen musste ich bisher noch nicht. Dennoch ist mir einiges begegnet, was das Arbeitsleben hier deutlich von Deutschland unterscheidet.

Jobsuche

Es wäre sehr schwer, hier eine komplette Liste von Jobsucheportalen anzubieten – von einer Beurteilung der Seriösität ganz zu schweigen.

Hier einige Beispiele, bei denen ich von einer einigermaßen Seriösität ausgehe, da die meisten dieser Portale namhafte Partner haben:

Natürlich sind viele Jobanzeigen dieser Seiten für hochqualifizierte Jobs, die international ausgeschrieben werden.
Es gibt natürlich auch eine schwedische Entsprechung der Arbeitsagentur, die Arbetsförmedlingen. Die Datenbank mit Jobanzeigen findet man unter „Platsbanken“. Dort ist die Bandbreite vielleicht etwas größer.

Diee Suche vom Ausland aus ist wohl auch EURES interessant, wo Stellen EU-weit ausgeschrieben werden.

Bewerbung

Wenn man fündig geworden ist, ist es vielleicht wert, die Eigenheiten einer Bewerbung in Schweden ein bisschen zu kennen. Soweit mir das zugetragen wurde, sieht man das erheblich lockerer als in Deutschland.

Daher geht es dabei weniger um schwedische als um deutsche Eigenarten. Das hat einfach den Hintergrund, dass man in Deutschland eine unglaubliche Wissenschaft um die Jobsuche betreibt. Nicht nur, dass man am besten sein ganzes Leben mit Zeugnissen vom Kindergarten bis zum Altersheim dokumentieren soll. Die Zeugnisse werden dazu auch noch in einer Geheimsprache geschrieben, bei der jedes Komma über Absage oder Vorstellungsgespräch entscheiden kann. Nicht zu reden von dem Zwang zu Bewerbungsfotos, die natürlich vom Profifotografen aufgenommen werden müssen.
In Schweden ist man im Vergleich dazu unglaublich locker. Eine Bewerbung besteht in der Regel aus einem Anschreiben und einem Lebenslauf. Ein Foto ist nicht Pflicht, und wenn man eines beilegt, sollte man lediglich darauf achten, dass es kein Party- oder Urlaubsfoto ist. Das Anschreiben kann in vielen Fällen auch vollkommen formlos sein und nach dem Muster „Hallo, ich heiße … und möchte mich als … bewerben.“ erstellt werden. Die deutsche Unterwürfigkeit kann man hier also auch erheblich reduzieren. Der Lebenslauf muss auch nicht jedes Detail enthalten und etwas kompakter sein – das in Amerika praktizierte Prinzip, Unwesentliches und weniger Schmeichelhaftes zu verschweigen und dafür positive Punkte hervorzuheben, gilt hier in ähnlicher Form.
Als Krönung des Ganzen ist es anscheinend auch nicht selten von Erfolg gekrönt, einfach zum potenziellen Arbeitgeber hinzugehen und zu sagen „Hallo, ich suche einen Job.“

Trotz allem sollte man sich keine Illusionen machen: Arbeitsplätze kriegt man selten hinterhergeworfen.

Anstellung

Hat man denn eine Arbeitsstelle, verläuft alles weitere wieder sehr schnell und unbürokratisch. Der Arbeitsvertrag ist häufig ein einzelnes DIN A4-Blatt. Das hat seinen Hintergrund darin, dass in Schweden die meisten Branchen in Tarifverträgen organisiert sind, in denen alle weiteren arbeitsrechtlichen Details geregelt sind.
Ist die Gewerkschaft im eigenen Betrieb, kriegt man eventuell gleich einen Einführungstermin dort, wo einem die Mitgliedschaft angeboten wird. Die Möglichkeit, in die sogenannte Arbeitslosigkeitskasse, kurz „A-Kassa“ einzutreten, wird dort auch gleich beworben – dazu aber gleich mehr. Freilich sind viele Firmen nicht in einem Tarifvertrag, so dass man nicht überall auf unglaublich arbeiterfreundliche Bedingungen trifft. Allerdings sind die Gewerkschaften sehr aggressiv unterwegs. Ein leuchtendes Beispiel ist die Belagerung einer Salatbar in Göteborg, die sich doch frecherweise geweigert hatte, für ihre ganze Belegschaft (2 Mitarbeiter) einen Tarifvertrag abzuschließen. Letztendlich musste sie schließen.

Dieser Quasi-Zwang zum Tarifvertrag bedingt auch, dass es in Schweden keinen Mindestlohn gibt und auch keine Debatte darum entstehen wird. Ein weiterer Nebeneffekt davon ist auch, dass das Lohngefälle recht gering ist. Überspitzt gesagt gibte es keinen Niedriglohnsektor. Ein Busfahrer verdient rund 20000 kr brutto im Monat (ca. 2200 €), ein qualifizierter Akademiker häufig kaum mehr als 30000 kr. Umgekehrt verdienen hochqualifizierte Berufe deutlich weniger im Verhältnis. So verdient ein Rundfunkredakteur kaum mehr als ein Busfahrer, und ein ausgebildeter Arzt kommt auch nur auf das Doppelte. Das ist zwar beileibe nicht gleich viel, aber wenn man bedenkt, dass in Schweden ein Lohngefälle von 1:2 herrscht, in Deutschland jedoch eines von 1:4 oder 1:5, dann sind die schwedischen Verhältnisse geradezu egalitär. Selbst die Ackermanns Schwedens verdienen nicht soviel – in einer Auflistung von Dagens Nyheter vom 13. Oktober 2007 wird als bestverdienendes Firmenvorstandsmitglied Marcus Wallenberg genannt. Sein Gehalt: 6.850.000 kr (ca. 750.000 €). Ackermann erhält mehr als das Zehnfache.
Tätigkeiten ohne Qualifikationsanforderungen liegen ungefähr bei 16000 kr im Monat, so dass man auch da nicht am Hungertuch nagen muss, obwohl die Lebenshaltungskosten deutlich höher sind als in Deutschland. Für die vielzitierten 3,50 € in der Stunde macht ein Schwede jedenfalls keinen Finger krumm.

Urlaub

Ein massiver Unterschied zu Deutschland ist der Urlaub. Während in Deutschland ja nie mehr als ein paar Prozent der Bevölkerung gleichzeitig in Urlaub sind, stirbt das öffentliche Leben in Schweden regelrecht aus.
Von Midsommar, also Ende Juni, bis Mitte August ist Sommerloch angesagt. Viele Geschäfte schließen über weite Teile dieses Zeitraums, der Nahverkehr hat einen reduzierten Sommerfahrplan, und oft wirkt alles wie ausgestorben.
Das Gesetz garantiert drei zusammenhängende Wochen Urlaub. Die Statistik zeigt, dass rund ein Drittel der Schweden mindestens fünf Wochen im Sommer Urlaub haben. Eine weitere typische Urlaubszeit ist der „Sportlov“ – das sind die einwöchigen Schulferien im Frühjahr.
Irgendwoher müssen die Urlaubstage allerdings kommen. Laut Wikipedia haben die Schweden im Schnitt stolze 33 Tage Urlaub im Jahr. Als Doktorand werde ich voraussichtlich 28 Tage Urlaub im Jahr haben werden. Mit zunehmendem Alter werden es entsprechend mehr.

Hinzu kommt eine weitere schwedische Einrichtung. An Brückentagen („Klämdagar“) und Tagen vor Feiertagen ist es üblich, einen oder einen halben Urlaubstag geschenkt zu bekommen. So wird u.a. am Gründonnerstag und am Tag vor Midsommar („Midsommarafton“) bestenfalls ein halber Tag gearbeitet.

Im Gegensatz zu Deutschland ist es nicht so, dass man zwingend Urlaubstage nehmen muss. Als Teilzeitangestellter, der nach der Stunde bezahlt wird, erhält man 13% der Lohns als Urlaubsgeld hinzu. Den Urlaub kann man sich dann nach entsprechender Übereinkunft nehmen, erhält aber dann kein weiteres Geld in diesem Zeitraum.

Eine weitere Besonderheit ist, dass man auch freinehmen kann, wenn das eigene Kind krank ist. Man muss hierfür also nicht besonders Urlaub nehmen, aber es gelten dann ähnliche Bedingungen wie wenn man selbst krank ist.

Steuern

Man geht ja immer davon aus, dass man in Nordeuropa unglaublich viel verdiene und damit trotz irrsinnig hoher Steuern noch sehr gut davon leben könne. Wie man oben sieht, sind die Gehälter aber nicht abgehoben. Auch das mit den Steuern stimmt nur teilweise. Generell ist das schwedische Steuersystem erheblich simpler und ähnelt dem Modell, das dereinst Friedrich Merz mit einem Bierdeckel propagierte.

Steuersatz Wann zu entrichten
25 % Bei kurzzeitiger Arbeit in Schweden (z.B. Erntehelfer)
ca. 31 % Auf alle Einkünfte
20 % Einkünfte, die über 360.000 kr im Jahr hinausgehen
25 % Einkünfte, die über 460.600 kr im Jahr hinausgehen

Diese Angaben beziehen sich auf das Steuerjahr 2006. Die genauen Grenzen ändern sich jedes Jahr.

Man muss also auf jede verdiente Krone diese ca. 31% bezahlen. Hat man im Jahr 2006 beispielsweise 360.001 kr verdient, dann werden die 360.001 kr mit ca. 31% besteuert. Auf die über 360.000 kr hinausgehende Krone zahlt man noch 20% zusätzlich. Es gibt also keine abrupten Steuersprünge, sondern für jede Krone brutto erhält man auch mehr netto – nur die Geschwindigkeit des Anstiegs bremst sich immer mehr ein. In diesem vereinfachten Beispiel sind allerdings bestimmte Abzüge für die Pensionskasse usw. nicht eingerechnet.
Dass dort ca. 31% steht, hat den Grund, dass diese Summe nicht an den Staat als Gesamtes, sondern an die Kommunen entrichtet wird. Je nachdem, wie dort die einzelnen Steuersätze für das Län und die Kommune festgelegt sind, schwankt dieser Steuersatz. In Stockholm liegt dieser derzeit bei ca. 31%, in Lund bei ca. 32,6 % und in Kiruna bei 33%. Ist man Kirchenmitglied, erhöht sich der Steuersatz noch geringfügig. Dies ist ähnlich wie in Deutschland organisiert, d.h. man ist automatisch in der Gemeinde Mitglied, die für den eigenen Wohnbezirk zuständig ist. Eine Ausnahme ist, wenn man in einer „nicht-territorialen“ Gemeinde Mitglied ist. Dies sind u.a. die deutschen Gemeinden in Stockholm und Göteborg. Die genaue Kirchensteuer ist wiederum von der Gemeinde abhängig.

Ab einer gewissen Schwelle absetzbar sind die Fahrtkosten, sonst aber kaum etwas. Da ist also nichts mit dem Sammeln von Quittungen, um auch noch die letzte Packung Kopierpapier auf die Steuer angerechnet zu bekommen. Steuerklassen je nach Familienstand sind ebenso unbekannt. Das schwedische System arbeitet hier nämlich nicht mit indirekten Subventionen wie Steuernachlässen, sondern nur mit direkten Subventionen wie der Bereitstellung von Kindergarten- und Krippenplätzen sowie Ganztagesschulen. Jeder zahlt also gleich viel Steuern.

Auch wenn die obigen Ausführungen illustrieren dürften, dass das schwedische Steuersystem auch nicht unbedingt auf einen Bierdeckel passt, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass es deutlich weniger komplex ist als das deutsche System, weil es auf allerlei Sonderregelungen verzichtet. Insofern ist es auch klar das bessere System, da ein einfacher Bürger mit etwas Mühe in der Lage ist, alles, was seine Steuer betrifft, zu verstehen. Steuerberater mag es wohl geben, aber nicht so, wie man es aus Deutschland kennt. Laut meinem Wörterbuch heißt „Steuerberater“ auf Schwedisch „skatterådgivare“. Sucht man danach im Internet, stößt man auf Beratungsangebote von Firmen. Das Heer von Steuerberatern, das in Deutschland damit beschäftigt ist, für teures Geld noch mehr teures Geld dem Fiskus vorzuenthalten, wird hierzulande nicht gebraucht.

Eine Steuererklärung muss man trotzdem machen. Sie ist auch nicht halbfreiwillig wie in Deutschland, sondern man erhält eine vorläufige Abrechnung zugeschickt, die gleichzeitig auch das Formular zur Steuererklärung ist. Das ganze Dokument umfasst gerade mal eine beidseitig bedruckte Seite. Da man meist sowieso nichts abzusetzen hat und daher auch nichts mehr ändern braucht, geht es oft einfach nur darum, der vom Skatteverket erstellten Zusammenstellung zuzustimmen. Dies kann man mittlerweile sogar per SMS tun.

Hat man dennoch etwas hinzuzufügen, liegt eine Broschüre bei, die im Wesentlichen alle wichtigen Informationen enthält. Auch per E-Mail kann man Hilfe erhalten – im besten Fall innerhalb von wenigen Stunden. Dass man Quittungen und dergleichen einschicken muss, ist auch nicht zwingend erforderlich.

Die Steuererklärung geht also schneller und viel einfacher. Bei einer Sache sind die Behörden aber knallhart: die Deadline, die üblicherweise kurz nach dem 1. Mai ist, muss eingehalten werden – ansonsten muss man Strafe zahlen.

Das Steuersystem ist also simpler als in Deutschland, und wenn man vergleicht, was man in Deutschland in Steuerklasse 1 an den Fiskus und für die Krankenversicherung zahlen muss, sind die schwedischen Steuersätze auch nicht sonderlich hoch.

Dennoch muss das Geld ja irgendwo herkommen. Die Vermögenssteuer wurde abgeschafft. Die Frage ist, wie lange das bleibt, denn bei einem Wahlsieg der Sozialdemokraten bei der nächsten Wahl 2010 dürfte es eines der ersten Projekte sein, die Steuer wieder einzuführen. Bleiben nur noch spezielle Steuern wie die Fahrzeugsteuer – und natürlich die Mehrwertsteuer, die in Schweden bei rekordverdächtigen 25 % liegt. Wer will sich da noch über 19 % beschweren?
Die reale Steuerlast kann man sich bei diesem Rechner ausrechnen.

Auch ohne dies sind die Lebenshaltungskosten in Schweden höher als in Deutschland. Dies hat etwas mit den deutschen Marktgegebenheiten und Einkaufgewohnheiten zu tun. Marktforscher sagen: der Engländer achtet auf die Auswahl, der Franzose auf die Qualität und der Deutsche auf den Preis. Da ist auch etwas dran, denn in Deutschland sind Teile des Lebensmittelmarktes von einem ruinösen Wettbewerb geprägt, was für den Verbraucher billige Preise bedeutet, aber gleichzeitig auch schlechtere Qualität und brotlose Zeiten für die Erzeuger. In Schweden ist man hingegen gerne bereit, mehr zu zahlen, solange das Ganze dann etwas mehr „rättvis“ („gerecht“) ist. Das ist wohl auch ein Grund, warum LIDL trotz günstiger Preise nie wirklich bei den Schweden angekommen ist und in nur wenigen der mittlerweile 170 Märkte alle Kassen besetzen muss.

LIDL läuft auch mit seinem Verständnis von Arbeit und Bezahlung dem schwedischen Wesen deutlich zuwider. Mein Eindruck ist, dass hierzulande manchmal ein Arbeitsklima herrscht, bei dem in Deutschland irgendwann der Chef käme und riefe „Sagt mal, für was bezahle ich euch eigentlich?“. Der „Fika“, also das gemeinsame Kaffeetrinken, ist nämlich essentieller Bestandteil des Arbeitstages. Bevor man morgens anfängt, wird erst einmal eine halbe Stunde Kaffee getrunken und geredet. Um halb zwölf geht es dann in die Kantine, um dann um 14 Uhr nochmals Kaffee zu trinken. Ab 16 Uhr gehen dann die meisten nach hause, da ja auch die Kinder vom Kindergarten oder Schule abgeholt werden müssen. Dennoch arbeitet die schwedische Wirtschaft mit hoher Effizienz – wie das geht, ist mir manchmal ein Rätsel.

Nicht-Arbeiten

Manche Leute müssen aber aus unterschiedlichen Gründen ihren Kaffee zuhause trinken.

Es mag viele erstaunen, aber Kündigungsschutz ist im vermeintlichen sozialdemokratischen Paradies Schweden keineswegs so präsent wie in Deutschland. Es gibt eigentlich nur zwei verschiedene Anstellungsformen:

  • Tidsbegränsad anställning: Zeitlich begrenzte Anstellung
  • Tillsvidareanställning: Anstellung bis auf weiteres

So etwas wie eine Festanstellung, die einen praktisch unkündbar macht, gibt es also nicht. Allerdings schreibt das Arbeitsrecht auch vor, dass gute Gründe (Arbeitsmangel, Fehlverhalten) vorliegen müssen, um eine Tillsvidareanställning zu kündigen. Soweit ähnelt das ja auch dem deutschen System. Jedoch spielt die Größe der Firma keine Rolle, sondern alleine, wie lange man dort gearbeitet hat. Für jede Zweijahresperiode, die man dort gearbeitet hat, erhält man eine längere Kündigungsfrist.

Eine Arbeitslosenversicherung, die sogenannte A-Kassa, gibt es in Schweden nur auf einer freiwilligen Basis. Schließt man keine ab, dann landet man sofort bei der Sozialhilfe.

Organisiert ist das System ähnlich den Krankenversicherungen in Deutschland, d.h. es gibt eine Reihe quasistaatlicher Versicherungen, die zu gesetzlich vordefinierten Bedingungen ihre Mitglieder aufnehmen. Eine weitere Ähnlichkeit ist, dass hier auch die Arbeitgeber eingebunden sind. Sie müssen auch einen Beitrag zahlen und ziehen den Beitrag des Arbeitnehmers oft direkt vom Lohn ab.

Um Mitglied zu werden, muss man 4 Wochen lang mindestens 17 Stunden pro Woche gearbeitet haben und sollte dies auch weiterhin tun. Allerdings überprüft das anscheinend keiner – erreicht man diesen Schnitt danach nicht mehr, ist es also auch nicht tragisch. Allerdings muss man sich dann irgendwann fragen, ob man die Versicherung dann noch braucht, wenn es bei Verlust der Arbeit keinen großen Lohn gibt, der ersetzenswert wäre.

Ist man ein Jahr lang Mitglied, erhält man im Falle von Arbeitslosigkeit maximal 80% seines vorigen Lohns.

Die A-Kassa wurde von der bürgerlichen Regierung, die 2006 an die Macht kam, schon bald reformiert. Seither sind die Leistungen eingeschränkt und die Abgaben stark erhöht. Das hat viele aus der Versicherung getrieben, weil sie zunehmend unattraktiv geworden ist. Das wird sich aber wohl bei einem Regierungswechsel wieder ändern. So haben die Grünen vorgeschlagen, die A-Kassa verpflichtend für alle Arbeitnehmer zu machen.

Zusammengefasst

Diesen Bereich zusammenfassen ist schwierig. Zweifellos ist das Arbeitsleben formloser als in Deutschland, was von der Bewerbung bis zu den Strukturen geht. Dennoch sollte man diese Lockerheit nicht zu leicht nehmen – auch ein Chef, der im Büro nebenan sitzt und locker in jeder Kaffeepause plaudert, kann einen vor die Tür setzen.

Wenn man mit den neuen Begebenheiten umgehen kann, wird man sich sicher bald wohlfühlen. Großzügige Urlaubsregelungen und angenehme Arbeitszeiten machen das Leben sicher nicht unangenehmer.

Das Steuersystem ist angenehm einfach. Man zahlt zwar nicht wenig Steuern, aber im Allgemeinen genügend zum Leben. Das System ist auch sehr gut durchschaubar, so dass man es sich sparen kann, Sozialneid auf die zu haben, die mit Steuertrickserein zum Billigtarif beim Fiskus davon kommen. Spätestens, wenn man seine erste Steuererklärung in Schweden gemacht hat, möchte man nie wieder eine deutsche machen.

Milchmädchen

Meine neulich hier dargestellte, (zurecht) kritisierte und sogar referenzierte Milchmädchenrechnung, dass die Schweden eine relativ kurze Arbeitszeit haben und dazu noch recht häufig krank sind, hat unerwartet Unterstützung erfahren.

Zumindest, wenn man nach diesem Artikel in The Local geht, in dem eine Studie über das Krankfeiern zitiert wird. Dort heisst es, dass der Durchschnittsschwede 7,62 Tage im Jahr krankfeiert. Nur die Inder (8,64 Tage) machen das noch öfter.

Wenn man also die Rechnung weiterspinnt, meldet man sich hierzulande also alle 5 bis 6 Wochen einen Tag krank, ohne es zu sein. Angesichts dessen, dass in der Gesamtrechnung von 25 Krankheitstagen im Jahr auch chronisch Kranke enthalten sind, heisst das also, dass wohl einmal im Monat krankfeiern normal ist.

Richtig krass wird die Studie, finde ich, wenn man sich die Top 5 der Krankfeierer ansieht:

  • 1: Indien (8,64 Tage)
  • 2: Schweden (7,62)
  • 3: USA (3,07)
  • 4: Italien(2,20)
  • 5: Deutschland (1,83)
  • 19: Südkorea (1,00)
  • 20: Taiwan (0,99)
  • 21: Belgien (0,93)
  • 22: Türkei (0,73)
  • 23: Bulgarien (0,67)
  • 24: Mexiko (0,62)
  • 25: Ungarn (0,54)

Man sieht deutlich, dass die Abstände zwischen den Ländern im oberen Bereich enorm sind. Deutschland belegt zwar auch keinen rühmlichen Platz, aber wenn man bedenkt, dass Schweden 4mal so oft krank machen wie Deutsche, während die Lücke zu den Plätzen darunter sowohl absolut als auch relativ beträchtlich kleiner ist, ist schon bedenklich. Interessant wäre natürlich, zu wissen, ob die anderen Skandinavier auch in der Studie enthalten waren. Ich habe nämlich den Eindruck, dass dieses Verhalten nicht nur durch ein sehr wohlwollendes Sozialsystem hervorgerufen wird – sonst würden die USA sicher nicht so weit oben stehen.