Da war es vorbei mit der Billigfliegerei – Strecke Karlsruhe-Stockholm bei Ryanair wird eingestellt

Es fällt nicht leicht, nette Dinge über Ryanair zu schreiben. Die Airline ist oft billig, manchmal nicht. Sie versucht, ihre Passagieren mit immer neuen Tricks das Geld aus der Tasche zu ziehen, quetscht sie in abwaschbare, nicht verstellbare Sitze und verkauft ihnen Lose.

Trotzdem tut sie eines: sie fliegt, und zwar meist dahin, wohin viele gar nicht wollen, aber es trotzdem tun, um dann den nächsten Bus von dort weg zu nehmen.

In meinem Fall trifft sich das ganz gut, denn sie fliegen seit ca. 2007 ab Stockholm-Skavsta nach Karlsruhe-Baden, was meinem Heimatort außerordentlich nahe ist.

Leider werden sie das in Kürze nicht mehr tun. Die Strecke, die schon vor einiger Zeit auf zwei Flüge die Woche reduziert wurde, findet sich im Winterflugplan nicht mehr. Am 29. Oktober gehen die letzte Flüge. Der Baden-Airport hat mir geschrieben, dass die Strecke bis auf weiteres aus dem Programm genommen wurde. Mit einer Rückkehr ist also nicht akut zu rechnen.

Natürlich sollte ich es nicht ganz so egoistisch sehen: die Ryanair-Option war für mich nur so gut, weil nur die Anfahrtskosten (ins weit abgelegene) Skavsta anfielen, denn direkt nach Landung war ich schon zuhause. Rechnet man fair, schaffte man die Reise mit Gepäck selten unter 130 €.

Das Dumme ist nur, dass allgemein Alternativen für Reisen nach Baden-Württemberg nun recht dünn gesät sind. Die Flüge ab Stuttgart nach Stockholm, die es noch 2007 gab, sind schon lange eingestellt worden.

Was bleibt sonst noch?

  • Andere Ryanair-Flughäfen. Da wären Frankfurt-Hahn und Memmingen zu nennen. Das ist aber nur interessant, wenn man einigermaßen passende Reiseziele hat. Hahn liegt weitab der Bahn und allem sonst, wie man manchmal denken könnte. Ab Memmingen zahlt man auch gut und gerne 60 €, um zum Ziel zu kommen. Hinzu kommen die vergleichsweise hohen Kosten für die Busse nach Skavsta. Das kann interessant sein, aber von Tür zu Tür kommen da schonmal über 9 Stunden Reisedauer zusammen – und 150 € dürften am Schluss auch weg sein.
  • Flüge über Frankfurt. Also der Flughafen, der wirklich in Frankfurt ist und nicht nur so heißt. Mit Rail&Fly ist das noch einigermaßen angenehm. Kostenpunkt ist aber auch gut 150 € (billigstenfalls 100 € für den Flug plus 50 € für den Zug), und das auch nur, wenn keine Kosten für die Anreise zum Flughafen Arlanda anfallen.
  • Umsteigeflüge. Da wären v.a. Air Berlin und Germanwings zu nennen. Air Berlin fliegt sogar nach Karlsruhe/Baden, aber verlangt dafür auch nur mit Glück weniger als 170 € – teilweise muss man dafür in Wien (!) unsteigen. Bei Germanwings geht es über Berlin-Schönefeld nach Stuttgart, aber die Kosten sind nicht geringer. Im Gegenteil: billiger als 170 € scheint es nicht zu sein, und Gepäck kostet extra.
  • Flüge über Kopenhagen. Ab Kopenhagen wird das Angebot erheblich breiter. Unter 140 € für die Flüge kommt man aber auch nur, wenn man nach Basel mit EasyJet fliegt. Die Rechnung wird da auch nicht viel besser, denn der Flug mag mit Gepäck nur um die 70 € kosten. Für eine Fahrt nach Kopenhagen legt man aber mindestens 40 € hin, und für die Fahrt ab Basel zum Zielort nochmal ca. genauso viel. Da spart man vielleicht ein bisschen, aber dafür sind die Wege endlos.
  • Züge über Kopenhagen. Ja, es gibt tatsächlich einen Nachtzug von Kopenhagen in den Südwesten. Das ist umweltfreundlich und bequem, wenn man von der Anreise nach Kopenhagen absieht. Aber: selbst im Liegewagen ist man schnell 60 € pro Strecke los, selbst wenn man sofort nach Verfügbarkeit (leider erst 92 Tage vor Abfahrt) bucht. Auf 160 bis 170 € summiert es sich also auch.

So endet zumindest für mich die Ära der Billigfliegerei. Die Preise steigen, und alle angebotenen Strecken sind zumindest für mich umständlicher. Da bleibt für mich nur zu hoffen, dass die eine oder andere Strecke wieder eingeführt wird. Gefallen würde mir auch ein verlängter Nachtzug ab Stockholm nach Süddeutschland, aber darauf hoffen kann man nicht ernsthaft.

Schweden feiert Street View?

Die taz berichtet heute über die schwedische Begeisterung über Street View. Zwar stimmt in dem Bericht vieles, aber er übergeht mit Allgemeinplätzen, dass außer einer Einzelmeldung aus Örnsköldsvik nichts Aktuelles darin zu finden ist.

In der Tat werden solche Dienste im relativ offenen Schweden gut aufgenommen. Es gibt mit hitta.se und eniro.se sogar zwei lokale Konkurrenten mit vergleichbaren Diensten.

Daraus aber abzuleiten, dass die Begeisterung in Örnsköldsvik ein Beweis dafür ist, dass Schweden Street View „feiert“, halte ich für eine gewagte These.

Dass sich Örnsköldsvik über Google freut, wundert mich nämlich nicht, denn der Ort hat gerade einmal 28.000 Einwohner und liegt im dünn besiedelten Norden des Landes. Die ganze Kommune rangiert mit gut 55.000 Einwohnern in der Größe einer deutschen großen Kreisstadt – aber auf eine Fläche verteilt, die mehr als doppelt so groß wie das Saarland ist. Anders gesagt: Örnsköldsvik steht nicht gerade im Verdacht, Anzugspunkt zu sein oder bald zu werden, und kann der Googleschen Aufmerksamkeit daher auch mehr abgewinnen. Insbesondere, weil der weltläufige Suchmaschinenriese in ihre Stadt kommt, während die nationale Konkurrenz hitta.se und eniro.se noch keinen Wagen geschickt hat.

Von der Verwunderung über die deutsche Debatte, die in der Überschrift erwähnt wird, ist im Bericht nichts zu lesen. Gerade die hätte mich aber interessant.

Räkkryssning

Gestern abend stand meine erste Räkkryssning (Krabbenkreuzfahrt) oder auch Räkafton (Krabbenabend) an. Der Name ist Programm: außer den Krabben gibt es nur Mayonnaise, Brötchen und Margarine. Für nicht so große Freunde des Schalentiers wurden alternativ Tacos angeboten. Vegetarier gucken bis zum Nachtisch in die Röhre, zu dem man uns Weintrauben, Kekse und Käse auftischte. Ein echter Beitrag zur ausgewogenen Ernährung also. Währenddessen schipperten wir nach Vaxholm und zurück. Das Ganze kostete 260 kr pro Person – zuzüglich Getränken, versteht sich.

Dazu spielte der Alleinunterhalter Janne Y. Andersson. Die Hintergrundmusik kam vom Synthesizer, während er Gitarre spielte und dazu sang. Kein hochkulturelles Ereignis, aber anhörbar. Sein Konzept war interessant: er spielte anfangs ein paar Lieder und zog sich dann in das Kabuff hinter der Bühne zurück, um erst wieder aufzutauchen, als die ganze Truppe an Bord ordentlich was getrunken hatte und daher sofort die Tanzfläche stürmte. Am Schluss wurde dann sogar eine Zugabe verlangt. Der Mann versteht was vom Showbusiness, was man auch daran zweifellos erkennen konnte, dass er je nach Genre den Hut wechselte.

Das Wetter war nur mittelprächtig, wie man an obigen Fotos gut sehen kann. Die ganze Sache war auch eine gute Gelegenheit, mein neues GPS-Spielzeug auszuprobieren. Hier die Route:


Visa Räkkryssning på en större karta

Gerne hätte ich Karte und Fotos kombiniert, aber eine einigermaßen brauchbare Lösung konnte ich nicht auftreiben.

Botschaft zieht um

Wie ich gerade lese, zieht die deutsche Botschaft nach über 2 Jahren in der Artillerigatan 64 wieder zurück in ihr altes Domizil, das Botschaftsgebäude in der Skarpögatan 9. Von 3. bis 6. September ist deswegen geschlossen, und ab 7. September wird der Betrieb dort aufgenommen.

Das alte Botschaftsgebäude ist geschichtsträchtig, denn dort versuchte die RAF im Jahr 1975, durch eine Geiselnahme im Gefängnis einsitzende RAF-Mitglieder freizupressen. Zwei Botschaftsmitarbeiter wurden dabei ermordet und zwei RAF-Mitglieder kamen um. Die Botschaft behielt aber auch nach dieser Tragödie ihren Sitz in dem Gebäude im Botschaftsviertel von Stockholm.

Leider ist wohl nicht zu erwarten, dass die Grundsanierung die Immobilie so hübsch gemacht hat wie z.B. die italienische Botschaft.

Oakhill, Sitz der italienischen Botschaft in Stockholm; Quelle: Holger.Ellgaard, CC-3.0

Sie ist nämlich ein nicht gerade sehr ansehnlicher Zweckbau vom Ende der 1950er Jahre.

Gebäude der Deutschen Botschaft; Quelle: Holger.Ellgaard/CC-3.0

Der vorübergehende Sitz in der Artillerigatan ist allerdings auch nicht viel hübscher, was nicht nur an der Bildqualität in folgendem Foto liegt.

Vorübergehendes Gebäude in der Artillerigatan

Viel Grund zu Wehmut gäbe es eigentlich nicht. Jedoch ist die neue Lokalität für Menschen, die dort etwas wollen, weit weniger gut gelegen. Nicht nur, weil man ein ziemliches Stück laufen muss, wenn man mit der U-Bahn dort hin will. Bei Passanträgen verlangt die Botschaft zudem die Gebühren in bar und Passfotos im richtigen Format. Das konnte man bislang alles im nahegelegenen Fältöversten beschaffen. In der Skarpögatan gibt es aber mit Sicherheit weder Geldautomat noch Fotogeschäft, was die ganze Sache weitaus beschwerlicher macht.

Es gilt also, die Merkblätter vor dem Besuch gründlichst zu lesen und alles wichtige mitzubringen, damit man keine langen Märsche antreten muss.

Butler in der U-Bahn

Der Jugendverband der derzeit regierenden bürgerlichen Moderaten MUF hat dieses Video zum neuesten Vorschlag der Stockholmer Sozialdemokraten, eine „Butler“-Dienste in der U-Bahn einzuführen, gedreht. Man muss ihnen ein Kompliment machen: das Ergebnis ist nicht zum fremdschämen, und das kann man bei kreativen Auswüchsen von politischen Jugendverbänden schon als Erfolg betrachten.

Ich weiß nicht so recht, was ich von dem Vorschlag halten soll. Neue Einrichtungen in den U-Bahnen finde ich nicht verkehrt. Mir fällt spontan nur ein Geschäft ein, das sich auf dem Bahnsteig befindet: ein Schlüssel- und Schuhdienst in der Station Karlaplan. Wenn es da ungenutzte Räume gibt, spricht nichts dagegen, diese zu nutzen, sei es nun für Geschäfte oder eben Dienstleister. Den Vorschlag aber als „Butler“-Dienst zu bezeichnen, der Stockholmern helfen soll, ihre Freizeit besser zu nutzen, erscheint mir aber etwas weit hergeholt. Das erinnerte mich an das etwas unnötig erscheinende Bahnsteigspersonal des neuen U-Bahn-Betreibers MTR.

Das alles macht auf mich den Eindruck, die Sozialdemokraten verfolgen als Wahlkampstrategier, jede Woche eine neue Sau durchs Dorf (bzw. die Stadt) zu treiben. Vielleicht haben sie Angst, dass ambitionierte Nahverkehrspläne nicht ausreichen, und glauben, man müsse nun mit plakativen Forderungen eins draufsetzen. Erst kürzlich versprachen sie, Kinder bis 12 gratis fahren zu lassen und die Fahrkartenpreise zu senken. Außerdem soll der nach der letzten Wahl abgeschaffte Einheitstarif für alle Fahrten in der Region wieder kommen.

Das Problem ist nur, dass das alles Geld kostet. Der Einheitstarif wurde nämlich nach nur einem Jahr abgeschafft, weil er SL Verluste bescherte. Mit der Freigabe der U-Bahn-Stationen für externe Anbieter kann man vielleicht etwas einnehmen, aber das kann die ganzen anderen Pläne kaum finanzieren. Die Frage ist: hat die Region Stockholm denn so viel Geld?

Söderköping und Ekenäs Slott

Es ist eine bedauerliche Tatsache, dass die Motivation, Schweden zu erkunden, bei mir seit meinem Umzug hierher erheblich abgenommen hat. Wenn man in Deutschland lebt, ist der Schwarzwald schließlich auch nicht so spannend.

Ab und zu kommt es aber doch vor. Letztes Wochenende warem wir in dem schmucken Städtchen Söderköping, das eine gute Kulisse für einen Film von Inga Lindström abgeben würde. Am Göta-Kanal gibt es dort auch das „Glassrestaurang Smultronstället„, das ausschließlich Eis auf der Karte stehen und nur von Mai bis Ende August geöffnet hat. Wir haben uns aber nur etwas mitgenommen, denn es ist so beliebt, dass man für einen Platz anstehen muss.

Im Umland der Stadt ist das alte gräfliche Schloss Ekenäs – auch einen Besuch wert, finde ich.

Parteinähenteststest

Ich darf den Reichstag nicht mitwählen. Eine aktive Teilhabe an dieser Gesellschaft beinhaltet für mich aber trotzdem, mich mit den Parteien und ihren Zielen auseinanderzusetzen. Zudem darf ich schließlich in Kommune und Län mitentscheiden.

Es wird also Zeit, sich die Themen dieser Wahl anzuschauen und Position zu beziehen. Die Allzweckkeule hierfür ist natürlich der Wahl-O-Mat. Den gibt es in Schweden nicht zentral von einer Stelle, sondern von verschiedenen Anbietern. Was dazu anregt, alle einmal durchzumachen und zu vergleichen.

Mein Ergebnis beim Test von Dagens Nyheter (Ausriss: dn.se)

Der Test von Dagens Nyheter ist recht schlicht. Man hat zu jeder der 28 Thesen zwei ablehnende und zwei zustimmende Optionen. Außerdem kann man wählen, dass man keine Ansicht hierzu hat.

Hier bin ich also Sozialdemokrat, was mich fast etwas überrascht. Vor einiger Zeit habe ich diesen Test schonmal gemacht, und da stand ich bei der Linkspartei hoch im Kurs.

Mein Ergebnis bei Aftonbladet (Ausriss: aftonbladet.se)

Aftonbladet hat bei seinem Test offenbar den Anbieter des EUProfilers gewinnen können.

Er versucht viel mehr ins Detail zu gehen und erlaubt genauere Analysen. Bei jeder der 30 Thesen gibt es zwei zustimmende, zwei ablehnende und eine neutrale Stufe sowie die Möglichkeit, sich nicht zu äußern. Zum Schluss soll man die Parteichefs auf Skalen von 0 bis 10 bewerten – diese Erhebung wird aber getrennt ausgewertet.

Das Ergebnis wird, wie oben dargestellt, auf zwei Achsen gezeigt, so dass man die eigene politische Heimat etwas genauer verorten können sollte.

Wie man sieht, habe ich eine solche nicht. Für die Linken bin ich zu unsozial, für die Rechten zu progressiv. Aber auch hier stehe ich den Sozialdemokraten relativ nahe, wenn man einmal von den Piraten absieht.

Zusätzlich zu dieser Grafik kann man nach Themengebieten getrennt analysieren, welchen Parteien man am nähesten steht. Sogar weitere biographische Angaben kann man machen – darauf habe ich dann aber verzichtet.

Mein Testergebnis von Makthavare.se (Ausriss: makthavare.se)

Auch das unabhängige Politikportal makthavare.se hat wieder einen Test, der gleich prominent auf der Startseite platziert ist. Hier gibt es 26 Thesen, denen man entweder in zwei Stufen zustimmen kann oder sie genauso abgestuft ablehnen kann. Dazwischen gibt es die Option „Weiß nicht“. Nach jedem Thesenklick kann man angeben, wie wichtig einem dieses Thema ist. Auch hier 5 Optionen: zwei Stufen für wichtig, zwei für unwichtig und eine „Weiß nicht“.

Am Ende steht ein Prozentsatz. Laut dem stehe ich also den Grünen nahe, aber auch den Sozialdemokraten und der Feministischen Initiative. Letztere Partei ist für mich immer noch einigermaßen unergründlich. Ursprünglich war das ja eine Abspaltung der Linkspartei. Sie ist notorisch erfolglos, aber erhält nach wie vor nicht unerhebliche mediale Aufmerksamkeit. Weder die ganz linke noch die feministische Ecke ist mein angestammter Platz – trotzdem wurde mir die Partei schon mehrfach bei solchen Tests als zu mir passend ausgespuckt.

Mein Testergebnis beim Wahlportal des Schwedischen Rundfunks (Ausriss: valpejl.se)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich auch nicht lumpen lassen und wartet mit dem Portal Valpejl.se (Wahlpeilung) auf. Neben vielen Details zu allen Kandidaten – u.a. wird aufgelistet, welcher Kandidat am besten verdient – bei dieser Wahl findet sich auch ein Test namens „kompassen“ (Übersetzung nicht notwendig).

Es gibt 50 Thesen zu begutachten. Zu jeder These kann man sagen, ob das ein guter Vorschlag oder ein schlechter Vorschlag ist – mit je 2 Stufen. Weiterhin kann man angeben, dass man nicht antworten möchte. Als Zusatz kann man bestimmte Fragen als Herzensfrage markieren, wenn einem dieses Thema besonders wichtig ist.

Wenn man fertig ist, sieht man ein Resultat wie das obige. Ich finde es betrüblich, dass ich soviel Übereinstimmung mit den Schwedendemokraten habe. Auch hier sind die Sozialdemokraten, Grünen und die Feministinnen gut im Rennen.

Der Clou an diesem Portal ist, dass alle Kandidaten dazu aufgerufen werden, sich auch zu äußern, so dass man individuell die Übereinstimmung überprüfen kann. Hier ist das Bild eindeutig:

Die Kandidaten, die mit mir am meisten übereinstimmen. (Ausriss: valpejl.se)

So stark entfremdet kann ich also von meiner Partei nicht sein.

Offen gestanden erstaunen mich diese ganzen Ergebnisse ein bisschen – dass ich trotz einiger Abweichungen am Ende doch so einmütig den Sozialdemokraten am nähesten stehe, hätte ich nicht gedacht.

Die Frage bleibt wie bei jedem Wahl-O-Mat, ob das wirklich als Wahlhilfe taugt. Schließlich sollte man sich als Wähler mit den Inhalten auseinandersetzen.

Dementsprechend ist der Ansatz des Aftonbladet-Tests sehr löblich, dass er politische Meinung nicht nur als Prozentzahl ausdrücken will. So kann man immerhin einigermaßen ersehen, in welchen Bereichen man welchen Parteien nahe steht. Er zeigt als einziger, dass ich in vielen Dingen zwischen den Blöcken stehe. Bei den anderen Tests besteht hingegen die Gefahr, dass man blind die größte Übereinstimmung nimmt, obwohl eigentlich mit keiner der Parteien etwas gemein hat – das wäre aber natürlich auch der worst case.

State of the Wahlkampf

Mein Ergebnis beim Test von Dagens Nyheter (Ausriss: dn.se)

Der Sommer geht langsam zu Ende und der Wahlkampf beginnt.

Bislang nimmt sich das alles noch recht brav aus, was auch nicht verwundert, denn das schwedische Sommerloch ist im Vergleich zum deutschen ein Krater.

Meine Hauszeitung Dagens Nyheter hatte in den letzten Wochen eine Serie über die Maßnahmen der bürgerlichen Regierung, die seit 2006 an der Macht ist. Der Eindruck daraus war, dass die meisten vorher versprochenen Maßnahmen auch durchgeführt wurden. Das wäre auch so meiner gewesen. Man kann dieser Regierung bestimmt einiges vorwerfen, aber man muss ihr lassen, dass sie ziemlich genau das gemacht hat, was vorher versprochen wurde. Und das Ganze – Frau Merkel aufgepasst! – weitgehend geräuschlos mit sage und schreibe vier Parteien in der Koalition.

Einen Skandal hatte der Wahlkampf aber auch schon. Arbeitsmarktsminister Sven Otto Littorin hat hingeworfen – zunächst hieß es, aus persönlichen Gründen, was auch nicht überraschend war, da er sich gerade in einem Sorgerechtsstreit befidnet. Dann kam aber ans Licht, dass ihm vorgeworfen werde, er habe die Dienste einer Prostituierten in Anspruch genommen. Freier machen sich in Schweden aber strafbar. Also war dies der Auslöser, der ihn zum Rückzug bewegte. Premierminister Fredrik Reinfeldt gab zunächst vor, davon nichts gewusst zu haben, musste dann aber einräumen, dass es doch so gewesen sein. Das kostete Vertrauen.

Auf den zweiten Blick war die ganze Affäre aber auch ein Skandal der Zeitung Aftonbladet. Deren Reporter hat mit der besagten Dame ihre Kontaktlisten durchgesehen, wo eine Nummer auftauchte, die zu besagtem Zeitpunkt einmal Littorin gehört haben soll. Das war es dann aber schon. Es gibt keine weiteren Beweise, keine weiteren Ermittlungen. Erst ließ Aftonbladet vermelden, man wisse etwas, aber wolle lieber nicht zuviel sagen, um es dann kurz darauf doch zu tun. Es folgten journalistisch und ethisch fragwürdige Winkelzüge. Die Prostituierte bleibt bislang anonym, und so steht Wort gegen Wort. Littorin gab dann der DN ein (schriftliches) Exklusivinterview, das Aftonbladet wohl gerne gehabt hätte, aber nicht bekam. Das alles sei ein Alptraum. Er sei zu Unrecht angeklagt und könne sich nicht wehren.
Aftonbladet hat vorgeführt, wie man mit zunächst gestreuten Gerüchten gefolgt von unbewiesenen Behauptungen einen Minister vernichten kann, ohne dass hierfür irgendein rechtsstaatliches Organ einen Finger rühren muss. Denn das vermeintliche Verbrechen soll sich vor vier Jahren zugetragen haben und ist mittlerweile verjährt. Zu einem Verfahren ist es daher nur in einer Hinsicht gekommen: die Justizkanzlerin überprüfte Anzeigen gegen Aftonbladet, die von einige Privatpersonen eingereicht worden waren, und lehnte sie ab.

So ist die Angelegenheit eingeschlafen – und das ist auch ganz gut so, denn rechtsstaatlich nicht überprüfbare, auf dünnem Beweismaterial aufgebaute Vorwürfe gegen einen Minister haben mit der Arbeit der Regierung nichts zu tun. Und genau diese soll bei einer Wahl bewertet werden.

Die ersten Umfragen nach dem Sommer zeigen daher wenig erstaunlich wieder eine Führung der Regierung.

SIFO-Umfrage für August 2010 (Ausriss: svd.se)

Für die Sozialdemokraten ist das eine ernste Lage. In dem obigen Diagramm sind sie mit 30,6% verzeichnet. Die Moderaterna sollen demnach 32,6% erhalten. Andere Umfragen sehen nicht viel anders aus. Wenn das Ergebnis der Wahl wirklich so ausfallen wird, dann verlieren die Sozialdemokraten nicht einfach noch eine Wahl. Der Nimbus der Staatspartei, die Schweden über Jahrzehnte so geprägt hat wie keine andere, wäre dahin. Es wäre das erste Mal seit September 1914, dass eine andere Partei mehr Stimmen erhält als die Sozialdemokraten, und das schwächste Wahlergebnis seit März 1914. Da ist schon fraglich, ob sich Mona Sahlin als Parteichefin wird halten können. Mein Eindruck ist, dass sie als Person nicht allzu großes Vertrauen genießt.

Über die Ursachen vermag ich nur zu spekulieren. Die letzten vier Jahre mit bürgerlicher Regierung taugen anscheinend nicht zur Abschreckung. Das verwundert nicht: Schweden hat die Krise ganz passabel gemeistert, soziale Kahlschläge sind ausgeblieben, und die Privatisierung verschiedener Bereiche wie z.B. dem Apothekenwesen scheint nicht an den Sympathien zu nagen. Ehemalige politische Harakiri-Themen wie die Fortführung der Kernkraft haben auch keine Sprengkraft mehr.
Der linken Seite scheint mir hier ein Konzept zu fehlen, das den Regierungsbonus überwinden kann.

Interessanterweise könnte es trotz allem nicht für eine Mehrheit der bürgerlichen Allianz reichen. Die rechtsradikalen Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten), die sich rechtskonservativ-bieder wie dereinst in Deutschland die Republikaner geben, werden mit einiger Wahrscheinlichkeit die Vier-Prozent-Hürde meistern und dann möglicherweise einen Patt auslösen. Es steht zu befürchten, dass sie dann doch in die Regierungsarbeit eingebunden werden. Eine wenig ansprechende Aussicht.

Wie Schweden vermeintlich seine Bildungskosten den Nachbarn aufbrummt

Die ZEIT gilt ja als ein sehr renommiertes Blatt. Zurecht, soweit ich das sehe. Das schließt aber keine Ausreißer nach unten aus. Ein solcher wurde mir von Jan zugetragen (Danke!).

In Zeit Campus Ausgabe 04/2010 findet sich dieser Bericht mit dem Titel „Schweden-Export“, der darlegen soll, wie dreist der schwedische Staat sich studienwilliger Einwohner entledigt, indem er sie ins Ausland schickt. Das spare nämlich Geld, weil die Zeche schließlich das jeweilige Gastland zahlt.

Nach einer nebulösen Einleitung („hatte die dortige Regierung schon vor Jahrzehnten eine Idee“) kommen dann die vermeintlichen Fakten. 300 Euro pro Monat bekämen die Studenten geschenkt, darüber hinaus „über 600 Euro“ als „zinsloses Darlehen“.

Und jetzt kommt der Skandal:

Die Staaten, in denen sie studieren, finanzieren den Studienplatz, bekommen aber keine Absolventen, die mit ihren Steuern die Investition zurückzahlen. Kaum einer der Schweden möchte später in Deutschland leben. Auch Johannes Hallquist nicht, der mit dem Stipendium sein Medizinstudium in Gießen finanzierte und heute in Schweden als Arzt arbeitet. Für ihn ist die Motivation hinter dem Förderprogramm vollkommen klar: »Der schwedische Staat spart gewaltig«, sagt er.

Das Ganze wird garniert mit folgender Rechnung: Hallquists Studienplatz habe 25.210 € pro Jahr gekostet, der schwedische Staat habe aber nur 3.600 € pro Jahr an Studienförderung bezahlt und für diesen Schnäppchenpreis einen Arzt bekommen. Deutschland sei folglich auf dem Rest der Kosten sitzen geblieben. Der Die investigativ recherchierende Autorin hat auch gleich mal bei den Bildungsministerien von drei Bundesländern angefragt, die aber nur lapidar gesagt hätten, dass in der EU eben jeder überall studieren könne.

Hätte der anonym bleibende Autor die Autorin Marie-Charlotte Maas auch jemanden gefragt, der etwas von der Materie versteht, wäre der Artikel kein Gebräu von Falschbehauptungen und Halbwahrheiten. Er ist nämlich extrem schlecht recherchiert.

Das allgemeine System gibt es seit 1965, aber die jetzige Form der Auslandsunterstützung existiert erst seit 1989. Da von Jahrzehnten zu sprechen ist weiter ausgeholt als nötig.

Das ist aber alles harmlos gegenüber den Milchmädchenrechnungen zu den Finanzen.

Das vermeintliche „Geschenk“ des Staates von 300 € im Monat nimmt sich beträchtlich kleiner aus, wenn man sich anschaut, dass der BAföG-Bedarfssatz für Hochschulstudenten derzeit mindestens 414 € beträgt, von dem die Hälfte, also 212 €, in jedem Fall geschenkt sind. Wer z.B. besonders gut ist oder nach Studienende besonder schnell zurückzahlt, erhält darauf auch Abschläge. Der Maximalsatz beträgt übrigens 648 € – da fällt das Geschenk schon deutlich größer ist als 300 €.

Noch weiter geht der Autor die Autorin bei dem vermeintlich zinslosen Darlehen, das zu dem „Geschenk“ hinzukommt. Der Betrag von 600 € kommt noch einigermaßen hin: derzeit sind es 1500 kr (ca. 160 €) pro Woche. Für Zusatzkosten kann man bis 1350 kr (ca. 145 €) pro Woche extra erhalten. Das alles bezieht sich auf Studien in Deutschland. Die jeweiligen Beträge sind nämlich abhängig von den Lebenshaltungskosten im Gastland. In den USA gibt es wegen der längeren Heimreise und den hohen Studiengebühre bis zu 450 € pro Woche als Darlehen. Zinsfrei ist das alles aber mitnichten. Derzeit fallen 2,4% p.a. an, und irgendwelche Abschläge für Schnellzahler gibt es auch nicht. Es wird auch verschwiegen, dass diese Zahlungen nur für Studienwochen geleistet werden. In den Semesterferien erhält man gar nichts.

Ebenso für nicht erwähnenswert wird wohl auch gehalten, dass dieses System nicht dazu gedacht ist, die Studenten ins Ausland zu jagen. Der schwedische Staat besitzt schlicht die Dreistigkeit, seine Studenten so zu unterstützen, dass sie von den Zahlungen nicht nur studieren, sondern tatsächlich auch noch davon leben können. Was nebenbei dazu führt, dass weit mehr Abiturienten ein Hochschulstudium aufnehmen als z.B. in Deutschland. Dass diese Unterstützung auch Auslandsstudien ermöglichen und so die Mobilität fördern soll, ist für den Autor Maas aber anscheinend eine verwerfliche Zielsetzung.

Der Artikel versucht zudem, durch pauschalisierende Behauptungen zu übertünchen, dass offenkundig kaum Daten eingeholt wurden.

So kann man sich schon fragen, woher die Aussage kommt, dass kaum einer der Schweden in Deutschland bleiben möchte. Gibt es dazu irgendwelche belastbaren Fakten? Das schwedische System hat nämlich erhebliche Probleme mit ehemaligen Studenten, die im Ausland bleiben und ihre Schulden nicht bezahlen.

Die genannte Zahl von 29.600 im Ausland studierenden Schweden stammt auch aus einer nicht nachvollziehbaren Quelle. Laut der zuständigen Behörde CSN betrug die Zahl der im Ausland studierenden Schweden – d.h. keine Austauschstudenten – seit 1997 nie mehr als 28.132. Derzeit sind 25.519 Studenten im Ausland. Das ist ja noch einigermaßen verzeihlich. Die Behauptung, das sei „alles auf Kosten der Nachbarländer“, hat der Autor Maas aber anscheinend ohne Kenntnis der Verteilung der Auslandsstudenten gemacht. In der Tat studieren 2.100 Schweden in Dänemark, was angesichts der engen Bindungen untereinander und der Lage Kopenhagens vor Südschwedens Haustür kein Wunder ist. Aber 4.700 studieren in Großbritannien, 4.100 in den USA, 1.800 in Australien und 1.300 in Frankreich – alles Länder, die stattliche Studiengebühren verlangen und sich wohl kaum übers Ohr hauen lassen. Zusammengerechnet sind das nebenbei bemerkt knapp die Hälfte aller Studenten. Dass der schwedische Staat hier viel spart, ist also höchst zweifelhaft. Unter den Ländern mit geringeren Studiengebühren finden sich lediglich Spanien (1.600 Studenten) und Deutschland (1.000 Studenten), die vierstellige Studentenzahlen erreichen.

Interessant ist auch, wenn man sich einmal anschaut, wieviele Ausländer in Schweden studieren. Die Hochschulbehörde Högskoleverket schreibt in ihrem Bericht zur internationalen Mobilität im Studienjahr 2008/09:

[Seit 1999/2000] hat sich die Zahl einreisender Studenten verdreifacht und erreichte 36.600 im Jahr 2008/09. Im Durchschnitt ist das eine Steigerung von 14 Prozent pro Jahr. Dies beinhaltet, dass die Anzahl der einreisenden Studenten nunmehr größer ist als die der ausreisenden Studenten.

Zuletzt studierten über 4.000 Studenten aus Asien in Schweden, die nicht über ein Austauschprogramm gekommen waren.

Nebenbei bemerkt sei auch, dass Schweden auch bei den Austauschstudenten ausgesprochen großzügig ist. Schweden nahm 8.840 Erasmus-Studenten entgegen, schickte selbst aber nur 2.684 ins Ausland. Deutschland hingegen beherbergte 21.939 Studenten, schickte aber 27.894 ins Ausland.

Schweden schickt also viele Leute ins Ausland, nimmt aber noch mehr selbst auf. Bis Mitte dieses Jahres war das sogar gänzlich studiengebührenfrei. Nun werden Nicht-EU-Bürger zur Kasse gebeten.

Eine Reihe von Recherchefehlern und -nachlässigkeiten machen aus dem Zeit-Artikel ein ins Absurde verdrehtes Pamphlet, bei der eine Ausnutzung ausländischer Studiensysteme herbeigeschrieben wird, die eigentlich nicht existiert.

Man kann sogar eine gewisse Böswilligkeit unterstellen, wenn ein vorbildliches – und nebenbei bemerkt erfreulich unbürokratisches – Studienförderungssystem dafür an den Pranger gestellt, dass es seinen Empfängern zuviel Möglichkeiten bietet.

Ein journalistisches Trauerspiel.

Nachtrag: Ich hatte den Namen der Autorin übersehen. Sie heißt Marie-Charlotte Maas. Danke an Jan.

Man kann ja mal fragen

Heute morgen stellt ein Freund die Frage, ob ich denn nun auch Schwede werden wollen. Daran hatte ich schon seit einiger Zeit nicht mehr gedacht, aber im Grunde hat er recht: 5 Jahre ständiger Aufenthalt in Schweden sind die übliche Voraussetzung für den Erwerb der schwedischen Staatsbürgerschaft.

Gegen ihren Erwerb spricht wenig. Deutschland hat schließlich auch sein Staatsbürgerschaftsrecht reformiert und lässt Deutsche nun auch eine andere EU-Staatsbürgerschaft oder die schweizerische Staatsbürgerschaft erwerben, ohne dass hier für die deutsche Staatsbürgerschaft aufgegeben werden oder man eine Genehmigung einholen muss. Zudem hat Schweden vor kurzem die Wehrpflicht abgeschafft, so dass man sich nicht auch noch das an die Backe holt.

Ich rechnete trotzdem nicht damit, Schwede werden zu können. Soweit ich das nämlich mitbekommen habe, werden Studienzeiten in den 5 Jahren nicht mit angerechnet.

Aber: man kann ja mal fragen. Also rief ich an, denn das Migrationsverket hat einen ziemlichen Rückstau bei schriftlichen Anfragen. Keine 10 Minuten später hatte ich den Kundendienst an der (drahtlosen) Strippe. Ich schilderte meinen Fall: 5 Jahre in Schweden, anfangs nur Studien und später dann Arbeit. Er bat mich, zu warten, und hatte die Antwort bald parat: ich kann (noch) kein Schwede werden.

Der Grund ist aber ein anderer, als ich erwartet hatte. Als ich 2005 hierher kam, musste ich noch eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Diese galt für ein Jahr. Als es zur Verlängerung ging, war dann auch in Schweden neues europäisches Recht umgesetzt worden. Ich erhielt deshalb im Herbst 2006 die Registrierung für das Aufenthaltsrecht, das dann bis auf weiteres gilt, solange man die Anforderungen für den Aufenthalt erfüllt.

Nun wird, so wurde mir gesagt, das erste Jahr der zeitlich befristeten Aufenthaltsgenehmigung nicht zu den 5 Jahren hinzugerechnet. Also ist im Herbst 2011 Stichtag. Das ergibt auch irgendwo Sinn, denn nach 5 Jahren Aufenthaltsrecht geht dieses in das permanente Aufenthaltsrecht über, mit dem in jedem Fall bleiben darf. Dies ist aber auch eine Vorbedingung für die Erteilung der schwedischen Staatsbürgerschaft.

Folglich kann ich noch kein Schwede werden. Aber interessant zu wissen, wann ich es werde könnte.