Die deutsche Bedrohung

Nachtrag: anscheinend mag man Youtube bei Brainpool nicht so. Hier gibt es das Lied direkt vom Anbieter.

Der gemeine Schwede mag vieles gegenüber den Deutschen empfinden – bedroht dürfte er sich nicht fühlen. Das liegt nicht nur daran, dass das Land einigermaßen unbeschadet durch die Zeiten gekommen ist, als man vor Deutschen noch wirklich Angst hätte haben müssen.

Doch Ungemach droht aus dem Lande der Teutonen. Die DN titelt „Det tyska hotet“ („Die deutsche Bedrohung“), und gemeint ist die Gefahr aus deutschen Landen in der für Schweden wichtigsten Auslandsvergleichsdisziplin: Lena Meyer-Landrut.

Ja, nachdem in Deutschland nach langen Jahren endlich versucht hat, einen Teilnehmer für den ESC zu finden, bei dem die Blamage nicht schon vorprogrammiert ist, horcht sogar das erfolgsverwöhnte Skandinavien auf. Denn die Ergebnisse der schwedischen Beiträge der letzten Jahre haben zwar etwas am Selbstvertrauen genagt, aber nüchtern betrachtet ist Schweden immer noch eines der wenigen Länder, das seit über 30 Jahren keinen letzten Platz mehr belegt hat und, wenn schon nicht mehr unter den Spitzenplätzen, letzten Endes nie den Finaleinzug verpasst hat.

Schweden selbst hält es jedoch mit Adenauer und wagt keine Experimente: man schickt eine blonde Frau, anfangs mit Gitarre, später ohne.

Der Schwede, das unbekannte Wesen

Interkulturelle Verhaltensratgeber sind mir zumindest in Bezug auf Schweden immer etwas suspekt, denn die Unterschiede werden gerne größer gemacht als sie sind. Das mag aber auch daher rühren, dass ich nach fast 5 Jahren hier solche Dinge nur noch bedingt wahrnehme.

Interessant fand ich dieses Fundstück doch. Da schreibt das Handelsblatt für deutsche Geschäftsleute, wie man sich in Schweden geschäftlich verhält. Superkurzfassung: Zurückhaltend und seriös agieren – und immer brav „Tack för senast“ (Danke für das letzte Mal) sagen. Außer beim ersten Mal natürlich.

Viele Dinge, die da drinstehen, decken sich auch mit meinen Erfahrungen. Dass hier nicht nur der Schwede allgemein beschrieben wird, sondern eine ganz besondere Zielgruppe, sieht man jedoch erst am Ende. Dort heißt es allen Ernstes

Es kann durchaus vorkommen, dass Geschäftspartner mit gleichgerichteten Freizeitinteressen (stark verbreitet sind in Schweden die Hobbys Golf, Tennis, Segeln, Elchjagd und Sportfischen) zum persönlichen Kennenlernen in privater Umgebung zu diesen Aktivitäten eingeladen werden.

Der normale Schwede jagt also Elche und spielt Tennis. Aha. Vielleicht trifft das nur auf geschäftspartnernde Schweden zu. Das kann sein. Meine Vermutung geht aber eher dahin, dass hier tendenziell Schweden porträtiert werden, die äußerst erfolgreich bei der Geschäftspartnerei sind und sich deswegen einen bescheidenen Familienwagen (z.B. Porsche Cayenne) und ein kleines Häuschen in Saltsjöbaden leisten können. Mit Meerblick, versteht sich.

Ich finde dieses Bild etwas bedauerlich, denn die Elchjagd greift mal wieder voll in die Klischeekiste und bildet einen Teil der Gesellschaft ab, der eben nicht so egalitär ist, wie das in dem Artikel eingangs erwähnt wird.

Wieviel Wahres daran ist, vermag ich aber auch nicht zu beurteilen. Ich kenne keine Schweden, der eines der genannten Hobbies hat. Doch repräsentativ ist das keineswegs. Dass neben unserem alten Wohngebiet ein kleiner Golfplatz war, kann Zufall sein – oder eben ein Zeichen für die Golfbegeistertheit der Schweden, die mir bislang nicht so gegenwärtig war.

Tunnelbana ausbauen

Der ehemalige Chef des Stockholmer Nahverkehrsverbundes SL, Lennart Jangälv, hat im Svenska Dagbladet diesen Debattenartikel geschrieben: Bygg ut Stockholms tunnelbana („Baut die Stockholmer U-Bahn aus“)

Wer nicht des Schwedischen mächtig ist, dem seien die Kernpunkte genannt:

  • In Nordschweden rollen die Züge, weil man dort Respekt vor der Natur hat und sich dementsprechend darauf eingerichtet hat.
  • Es fehlt an weitsichtiger Projektplanung in Stockholm. Früher baute man den Essingeleden und die zentralen Teile der U-Bahn, obwohl noch gar nicht absehbar war, dass die Kapazitäten gebraucht würden. Heute begnügt man sich mit einer kleinen Innenstadtstraßenbahn, wenn man einmal von der Förbifart absieht. Die U-Bahn betrachtet man als abgeschlossen. Er fragt rhetorisch, auf was die Bewohner von Außenbezirken sich freuen könnten. Die Antwort gibt er gleich als neue Frage: 100.000 neue Einwohner und Reisende?
  • Er fordert von der Regierung einen Ausbau des Netzes.

Ich fand den Artikel höchst interessant und kann eigentlich nur auf ganzer Linie zustimmen. Es wird zu spät geplant und dann auch nur für den aktuellen Bedarf, ohne Vorausschau auf eine langfristige Weiterentwicklung.

Neues im Auswandererguide: Mietwohnungsinformationen überarbeitet

In den letzten Tagen habe ich den Artikel über die Mietwohnungen überarbeitet. Nun wird der Unterschied zwischen Stockholm und anderen Teilen Schwedens hoffentlich deutlicher. Außerdem sind einige Links zu weiteren Vermietern hinzugekommen und einige andere praktische Details. Verbesserungen und Vorschläge sind wie immer herzlich willkommen.

Vintern är långt ifrån över

Ausriss: Google Desktop

Ich habe heute morgen gleich ein Foto von unserem Thermometer gemacht, das aber zuhause geblieben ist. -22°C zeigte es. Das ist der bislang kälteste Tag in 4,5 Jahren Schweden.

Es gilt heute die Empfehlung, zuhause zu bleiben, wenn man kann. Ich kann nicht, und so habe ich mich herausgewagt. Die südliche Querspange Södra Länken war gesperrt. In Gegenrichtung war eine Schilderbrücke heruntergekommen, weswegen eine Totalsperrung bestand. Der Bus war trotzdem einigermaßen pünktlich, bis er sich zwei Haltestellen vor dem Ziel festfuhr. Irgendwie kam es mir so vor, als würde die Fahrerin gegen die Handbremse anfahren, aber das wäre so dämlich, dass es unwahrscheinlich ist, und düpieren wollte ich sie schon zweimal nicht. Also durften wir in einen folgenden Bus umsteigen. Die U-Bahn war voll, aber es ging.

Dennoch ist die Situation extrem. Nahezu alle oberirdischen Teile der U-Bahn sind komplett wegen Vereisung eingestellt. Die Innenstadtbusse wurden für den Schienenersatzverkehr abgezogen. Ähnliches gilt für einige andere Bahnen.

Da mutet es schon fast wie Realsatire an, dass ich gestern Verstärkungsverkehr für die Linie 47 fahren durfte, auf der naturgemäß wenig Bedarf bestand, denn an einem solchen Wochenende verirren sich nicht viele Leute nach Djurgården. So fuhr ich oft fast leer. Meine wahre Freude hatte ich mit den Bussen. Der erste, ein nagelneuer Bus mit weniger als 40.000 km (= gar nichts) hatte ein fast schon bizarres Türenproblem, das ich neulich schon einmal in einem solchen Gefährt hatte – offenkundig verträgt die Elektronik die Kälte nicht. Ich konnte die Türen nur öffnen, nachdem ich den Motor abgestellt hatte. Erst nach zweimaligem Neustart des Motors konnte ich wieder losfahren. Dafür bekam ich einen Ersatzbus, dessen Traktionskontrolle mich in den Wahnsinn trieb.

Immerhin bin ich bei der ganzen Sache unfallfrei geblieben – und das ist eine Menge wert in diesen Tagen.

After the storm

Der Begriff „Schneesturm“ wäre vielleicht etwas hoch gegriffen, aber der gestrige Tag war soweit nicht entfernt davon. An die -15°C und ein starker eisiger Wind, überall Schneeverwehungen, Chaos im Nahverkehr. Wir waren in Sollentuna eingeladen, konnten aber die S-Bahn nicht nehmen, weil die schon zu dem Zeitpunkt massive Verspätung hat. Stattdessen haben wir die blaue U-Bahn-Linie, die als einzige fast durchgehend unterirdisch verläuft, genommen und sind in Kista mit dem Bus weiter. Der Rückweg war noch länger – trotz Taxifahrt zur Umgehung der S-Bahn dauerte sie zwei Stunden, u.a. weil die U-Bahn 100 Meter vor unserer Zielstation Slussen stehen blieb.

Der Winter ist hier noch lange nicht vorbei, aber man kann wohl hoffen, dass das zumindest das Schlimmste vorüber ist.

Ich bin gespannt auf den heuten Tag, denn ich darf die Linie 47 fahren, und irgendwie glaube ich nicht, dass auf Djurgården schon viel geräumt wurde.

Aus aktuellem Anlass

Es ist erstaunlich, wie man zunehmend gleichgültig gegenüber diesem urdeutschen Großevent wird. Mittlerweile ist mir sogar der Fettisdag wichtiger. Fast so viel, dass wir nur deswegen (wir hatten auch Besuch) gestern auf Lilla Essinge waren, um dort die laut DN-Test besten Semlor der Stadt zu kaufen, denn deren Verzehr ist schließlich Zweck des Fettisdag (und der Tage davor). Dummerweise waren sie ausverkauft, als wir noch in der Schlange standen.

Die von der Stockholmer Stadsmission waren aber auch lecker – und nebenbei nutzte es einem guten Zweck.

Auf dem Weg dorthin kamen wir auch nahe dem Ziel des Vikingarännet vorbei. Es handelt sich dabei um 80 km (!) Schlittschuhrennen von Uppsala nach Stockholm. Eine Kollegin, die daran teilgenommen hat, war aber zu dem Zeitpunkt schon längst durch. Was nicht nur am späten Nachmittag lag, sondern auch daran, dass sie ein überragendes Ergebnis eingefahren hat und unter den besten überhaupt ist. Grattis!

Ganz in weiß

Ausriss: DN

Selten lassen mich Fotos in der Zeitung kurz innehalten. Dieses jedoch schon – man kann wohl kaum anschaulicher machen, wie weiß Skandinavien derzeit ist. Dummerweise wird das in Deutschland keinen Eindruck schinden können. Man bedenke aber: so ähnlich sieht es hier jedes Jahr über zwei Monate lang aus.

Raabs Melodifestivalen

Lernfähigkeit kommt manchmal unerwartet. Nachdem man beim NDR 5 Jahre lang zugeschaut hat, wie Deutschland jedes Mal in der unteren Hälfte des Feldes beim Eurovision Song Contest gelandet ist, sind nun alle voll des Lobes angesichts des derzeitig laufenden Versuches mit Stefan Raab.

Nicht nur, dass man doch tatsächlich den Leuten eine echte Wahl geben will, wer nach Oslo geschickt werden soll. Die Daten wirken sogar im Vergleich zu Schweden beeindrucken: 3 Tage länger für die Auswahl und 2 Shows mehr.

Das Konzept ist freilich ein anderes, und die geradezu utopischen Einschaltquoten in Schweden (30% der Gesamtbevölkerung) wird „Unser Star für Oslo“ nie im Leben erreichen. In jedem Fall aber ist es ein vielversprechender Ansatz.

Man kann wohl annehmen, dass Raabs Leute einen Blick nach Schweden geworfen haben. Vielleicht nehmen sie ja noch etwas anderes aus Schweden: wie ich gerade gelesen haben, hat eine schwedische Musikfirma einige Titel eingeschickt, von denen es vielleicht einer unter die 20 Titel in die Endrunde schafft.

Übrigens: diesen Samstag beginnt das diesjährige Melodifestivalen.

Frage

Eine Kollegin ist vermutlich gerade Mutter geworden. Auf den Seiten des Danderyds Sjukhuset und des Karolinska Sjukhuset kann man neugeborene Kinder im Bild sehen – „Webbisar“ nennt sich das dort.

Was ich mich nun frage: die neuesten Kinder in Danderyd heißen „Bebban2“ [sic!], „Pjutten“, „Tilde“, „Pojke“ und „Rockis“. Kommt es nur mir so vor, oder sind diese Namen irgendwie nicht die allerglücklichsten? Mein Kind allen Ernstes „Pojke“ („Junge“) zu nennen käme mir jedenfalls nie in den Sinn.