Absolut Vodka in den Schlagzeilen

Gestern bei einem kurzen Blick auf CNN bekam ich zufällig einen Disput um Absolut Vodka mit, der in deutschen Medien gar nicht und in schwedischen Medien wenig reflektiert wird.

Absolut hatte eine Anzeige in Mexiko geschaltet, in der die Karte Mittel- und Nordamerikas etwas anders als gewohnt aussah: Dort war ganz Kalifornien und weitere Teile der westlichen USA als Teil Mexikos eingezeichnet. Geziert wurde das Ganze von dem Slogan „In an Absolut World“.

Das sollte freilich amüsant sein, und irgendwie ist es das ja auch. Die Anzeige war natürlich an Mexikaner gerichtet, aber die Zeiten, wo eine Werbung auf ein Land beschränkt war, sind schon seit der inflationären Einführung von Sendungen, die lustige Werbespots aus aller Welt zeigen, vorbei. Amerikaner verstehen offenkundig wenig Spaß, wenn es um ihre Grenzen geht.

US-amerikanische Medien griffen das Thema schnell auf, und nach einigen Protesten wurde die Kampagne eingestellt. Damit aber nicht genug – eine Organisation namens „National Illegal Immigration Boycott Coalition“ bzw. „Americans for Legal Immigration PAC“, die angibt, 100 andere Organisationen zu vertreten, hat mittlerweile sogar eine Boykott-Webseite erstellt. Die Botschaft ist aber etwas verwirrend: Absolut Vodka solle boykottiert werden, weil man jegliche separatistischen Bestrebungen in den USA bekämpfe. Umgekehrt vertritt die Organisation aber all diejenigen, die Immigration von Mexikanern in die USA legalisieren wollen.
Es scheint ein bisschen so, als wäre jedes Mittel recht, auf einer PR-Welle mitzuschwimmen, denn ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass die Ziele dieses Boykotts unmittelbar nachvollziehbar sind oder dass er gar einen nennenswerten Effekt erzielt.

Sehr treffend ist jedoch die Satire auf die Kampagne: Dort wurde die Reklame so abgeändert, dass ein Grenzzaun die USA von Mexiko trennt.

Der Wodkahersteller hat sich mittlerweile entschuldigt. Letztendlich hat die Geschichte wohl mehr Wellen gemacht als die Meldung, dass die vorher staatliche Firma Vin&Sprit, die Absolut Vodka herstellt, nun nach Frankreich verkauft wird.

Ich frage mich, ob die Schweden genausowenig Spaß verstehen würden, wenn man in einer Werbung Skåne wieder Dänemark einverleiben würde. Bis nach Deutschland will ich das Gedankenspiel nicht weitertreiben, denn da wären in jedem Falle die Reaktionen beidseitig der Grenze äußerst heftig.

Nachrichtenglobalisierung

Ein ungewöhnlicher Export aus Schweden ist jetzt auch in Deutschland angekommen. Das schwedische Nachrichtenportal The Local hat nun einen Ableger für Deutschland gestartet.

The Local berichtet seit 2004 täglich aktuell und in englischer Sprache aus Schweden. Die Zusammenstellung ist insbesondere deswegen interessant, weil die Seite viel reflektiert und somit zwischen den ganzen Zeitungen steht, die online gerne nur ihr eigenes Material präsentieren. Das Konzept ist offensichtlich erfolgreich, auch wenn mir die Finanzierung der ganzen Sache ein Rätsel ist. Nun hat man sich auch nach Deutschland gewagt. Ich werde das weiter verfolgen.

Swedish Television

Ein von vielen Ausländern geschätzter Aspekt des schwedischen Fernsehens ist es, dass es in weiten Teilen englischsprachige Programme sendet, die dann untertitelt sind. Da viele Austauschstudenten nicht wirklich darauf aus sind, schwedisch zu lernen, ist das natürlich sehr bequem.
Schweden war noch nie ein großer Markt, so dass sich Synchronisation nicht lohnt und sich stattdessen die Untertitel durchsetzten. Ich habe schon lange Debatten mit Deutschen darüber geführt, was nun besser ist, und bin immer noch voller Überzeugung, dass Deutschland die Abschaffung der Synchronisation gut täte. Sie ist nicht nur ein Verbrechen an dem Kunstwerk Film, sondern verfälscht die Übersetzung. Nebenbei können die Schweden hervorragend englisch und werden im Gegensatz zu den Deutschen auch einmal gezwungen, zu lesen, was sich in Sachen PISA positiv auswirken dürfte.

Das schwedische Fernsehen ist freilich nicht nur untertitelt, sondern ab und zu auch auf schwedisch.
Allerdings überrascht eine aktuelle Untersuchung von Svenska Dagbladet schon etwas:

  • 58 Prozent des Programms in den 16 größten schwedischen Kanälen sind auf englisch.
  • Stolze 44 Prozent der Sendungen stammen aus den USA.
  • Weniger überraschend: das werbefreie öffentlich-rechtliche Fernsehen liegt mit 85 Prozent schwedischen Sendungen an der Spitze.
  • Trotzdem ist dort auch der Anteil schwedischer Sendungen in den letzten Jahren gefallen.
  • Schlusslicht unter den Vollprogrammen ist TV3, wo gerade einmal 12 Prozent des Programms auf schwedisch ist.
  • Noch extremer treibt es „TV4 Komedi“ – dieser Kanal hat im überwachten Zeitraum kein einziges schwedisches Programm ausgestrahlt.

Die Gründe dafür sind offensichtlich. Seit Privatfernsehen Einzug gehalten hat, suchen die Kanäle nach der billigstmöglichen Art, Programm zu machen, das auch Zuschauer anzieht. Also werden massenweise amerikanische Serien eingekauft, deren Lizenz auf Schweden beschränkt ist und die damit entsprechend billig sind. Die Übersetzung von einer Folge kann dann selbst ein Praktikant an einem Arbeitstag machen, und schon ist das ganze sendefertig.
So ist es nicht verwunderlich, dass Sendungen wie COPS, Oprah Winfrey und Dr. Phil laufen – allesamt freilich ohne jeden Wert für Schweden, aber spottbillige Lückenfüller. Aus dem gleichen Grund werden wohl auch große Serien wie Grey’s Anatomy zu mehreren Tageszeiten immer wieder durchgenudelt.

Dazu passt denn auch, dass Kanal5 55 Prozent seines Produktionsbudgets für Eigenproduktionen ausgibt, aber diese letztendlich nur 14 Prozent des Programms ausmachen – der Rest ist einfach so viel billiger.

Man macht also Programm, indem man wenig selbst produziert und viel zu Festpreisen einkauft. Ob ich das gut finden soll, weiß ich nicht, aber wenn ich mir überlege, mit welchen kulturellen Perlen RTL2 die Zuschauer beglückt, kann es so schlimm nicht sein.

Ausgebloggt

Der SPIEGEL wartete heute mit einem Artikel über das Ende von „Att vara Alex Schulman“ („Alex Schulman zu sein“) auf. Es handelte sich dabei um Schwedens vermeintlich populärstes Blog. Zwar habe ich es mir nie zu Gemüte geführt, aber die Reaktionen auf die dort veröffentlichen Texte blieben auch mir nicht verborgen. Rainer kritisierte die verschiedenen Blogs der Familie Schulman vor allem wegen ihrer Ignoranz, Sexismus und Snobismus. Im SPIEGEL-Bericht werden vor allem die ganzen Stänkereien gegen alles und jeden erwähnt. Zu den „Highlights“ gehörten u.a. die pauschale Beleidigung des Dialekts im südschwedischen Schonen, was sogar auf Ministerebene diskutiert wurde. Alles ziemlich unsympathisch, was es da so zu lesen gab.

Irgendwie passt es aber auch zu den Schweden, dass in einer auf Gleichheit und Toleranz bedachten Gesellschaft die Faszination für solche asoziale Ausfälle besonders groß ist.

Nun ist es aber aus – Schulman hat die Einstellung des Blogs angekündigt und gibt sich als reuiger Sünder, der das ja alles gar nicht so gewollt habe. Ob das der Wahrheit anspricht, kann zumindest bezweifelt werden.
Das Satiremagazin Faktumé vermeldete jedenfalls, dass nun durch die Einstellung des Blogs soviel Arbeitszeit in Schwedens Büros frei werde, dass die Produktivität steige und somit viele Mitarbeiter nicht mehr benötigt würde. Eine steigende Arbeitslosigkeit sei die zu erwartende Folge.

Da ist wohl mehr dran, als man zunächst meinen könnte.

Gedanken zum Tage

Es ist fast halb 3 Uhr in der Nacht. Ich bin gerade von der Arbeit zurückgekommen und fühle mich gerade noch so in der Lage, ein paar Dinge über die letzten Tage loszuwerden.

  • Letztes Wochenende war OB-Wahl in Rastatt. Positiv ist aus meiner Sicht ist, dass es zu einer Stichwahl kommt und es zumindest einen aussichtsreichen Gegenkandidaten zum Amtsinhaber gibt, der das Rennen noch spannend machen könnte. Allerdings hat Walker gute Chance auf eine neue Amtszeit, da ihn aus dem Stand 46 % gewählt haben. Es ist mir echt ein Rätsel, wie so etwas zustande kommt. Viele Freunde hat Walker sich in den letzten Jahren ja nicht gemacht.
  • Beim Lesen dieses Artikels kam mir dann auch ein, wer eventuell Kanzlerkandidat der SPD im Jahr 2009 werden könnte: Klaus Wowereit. Wenn wir verlieren, hatten wir wenigstens eine gute Party. Wenn wir gewinnen, haben wir den ersten homosexuellen Regierungschef, was auch sehr innovativ wäre.
  • Nochmal Politik: hier in Schweden hatte die Regierung gerade einjähriges Jubiläum. Die meisten Kommentatoren bescheinigen der Regierung eine mittelmäßige Leistung. Eine umfassende Analyse spare ich mir hier, aber grob gesagt ist es eigentlich so, dass die Regierung genau das macht, was sie im Wahlkampf angekündigt hat – und die Schweden merken so langsam, dass ihnen das doch nicht so gefällt. Die Umfragenwerte sind im Keller und im Detail bemerkt man Dissonanzen zwischen den Regierungsparteien – deren Forderungen stehen sich teilweise diametral entgegen. Das wird die Regierung sicher nicht zerbrechen lassen, aber Zeichen des Bröckelns sind ohne Frage medienwirksam. Der Rücktritt des Verteidigungsministers Odenberg und der Verlust der bürgerlichen Mehrheit in dem an Stockholm nördlich angrenzenden Sundbyberg machten sich deutlich bemerkbar.
  • Seit letztem Wochenende hat der Umzug in eine neue Wohnung begonnen. Mittlerweile war ich schon dreimal bei einem namhaften schwedischen Möbelhaus.
  • Köttbullar und Fressalien am Ausgang sind übrigens nicht etwa ein Exportgag von IKEA – das ist in Schweden selbs nicht viel anders.
  • Ich möchte an dieser Stelle auch die schwedische Ehrlichkeit loben. Bei einem IKEA-Besuch habe ich meinen MP3-Player irgendwo verloren. Tags darauf hatte ich ihn wieder zurück. Ich bin begeistert.
  • Übrigens haben wir nicht alle Möbel von IKEA. Zur Unterstützung der deutschen Wirtschaft haben wir unsere Lampen bei Bauhaus gekauft.
  • Einen sehr mondänen Schreibtisch wollte ich bei einer Konkursauktionenwebseite ergattern. Leider wurde mir das dann doch zu teuer und ich stieg aus. Stattdessen habe ich nun ein vergleichbares Modell, das neu ist und nicht viel teurer. Einen Schreibtischstuhl konnte ich aber für rund 50 € erwerben. Ich hatte mich dabei zunächst gar nicht damit auseinandergesetzt, welche Firma denn da abgewickelt wurde. Jetzt bei der Abholung sah ich es umso deutlicher: es war die Kinokette Astoria Cinemas, deren Niedergang ich schon neulich bedauert hatte. Da ich heute der Zerfledderung der Büroräume beiwohnen durfte und an den Kinos Plakate hängen, dass jetzt gerade Sommerpause sei, ist damit das Ende von Astoria definitiv besiegelt – mit einer Rettung durch einen Investor ist da wohl nicht mehr zu rechnen.

Midsommar

Früher machte IKEA damit Werbung, dass blonde Menschen mit Blumenkränzen im Sommer um eine Art Maibaum herumtanzten. Konkret geht es dabei um den Brauch zu Midsommar, in ganz Skandinavien ein ziemlich bedeutender Tag. Den Grund dafür erkennt man leicht aus folgenden Werten:

Beginn der Morgendämmerung 1:58 Uhr
Sonnenaufgang 3:30 Uhr
Sonnenuntergang 22:08 Uhr
Ende der Abenddämmerung 23:40 Uhr

Das sind die Daten für heute. Das geißt, dass es praktisch keine Nacht mehr gibt. Gestern war natürlich der längste Tag des Jahres und damit noch geringfügig länger. Im Gegensatz zur manchen landläufigen Meinung war Midsommar aber nicht gestern, sondern ist immer am Samstag nach dem 21. Juni, also morgen. Heute ist hingegen auch so gut wie Feiertag, der sogenannte Midsommarafton. Er ist einer dieser inoffiziellen de-facto-Feiertage. Dieses Wochenende passiert wirklich überhaupt nichts. Keine Fahrstunde heute, und auch mein ICA schließt schon um 14 Uhr. Entgegen der IKEA-Darstellung tanzen allerdings viele Schweden nicht um die Stange herum. Hauptbeschäftigung für die meisten ist, sich hoffnungslos zu besaufen.

Mein zweites Midsommar wird aber genauso unspektakulär sein wie letztes Jahr. Zwar gießt es nicht in Strömen, aber der Himmel ist grau, und ich habe keine Ahnung, was ich machen soll, weil praktisch alle Bekannten und Freude ausgeflogen sind. Also lasse ich es mir einfach etwas gut gehen.
Ab heute ist auch zwei Monate lang gesellschaftlicher Stillstand angesagt. Öffentliche Einrichtungen haben, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt offen, und die Stadt ist merklich leerer.

Weniger schön ist Midsommar dieses Jahr für die Inhaber des Professorn – das ist das „Restaurant“ gegenüber meines Zimmers – wo eine Scheibe zu Bruch ging.

Mir persönlich verschönt gerade dieses Interview mit Egon Bahr den Tag. Schön zu wissen, dass es in der SPD noch Leute gibt, die etwas vernünftiges zu sagen haben. Weniger schön ist allerdings, dass diese Leute meist schon im Greisenalter sind.

SM-Gold

Immer wieder amüsiere ich mich ein bisschen, wenn in den Nachrichten von „SM-Guld“ die Rede ist. „Guld“ ist Gold, aber was ist SM?
Hat da jemand besonders gut gepeitscht oder die schicksten Lederklamotten getragen?
Das Kürzel „SM“ steht für die schwedische Meisterschaft – und Gold wird in olympischer Manier in Schweden für alles verwendet, wenn es sich nur um den ersten Platz handelt. Entsprechend werden für die Plätze 2 und 3 die Worte Silver und Brons verwendet.

Wie ich auf das Thema kam: die Eishockey-Damen des AIK Solna holten gestern SM-Guld – grattis!

Fabian Seitz Radiostar

Vor einer Viertelstunde war besagtes Radioninterview, das, obwohl live, erstaunlich gut lief. Letztendlich hat es mir doch ein bisschen noch den gestrigen Tag versüßt, denn im Gegensatz zu den anderen 82 Millionen Deutschen wollte bei mir gestern keine so richtige Feierlaune aufkommen.

Um wirklich authentische Eindrücke zu erhalten, wagte ich mich in die Höhle des Löwen und schritt mit deutlich sichtbarem Germany-T-Shirt sowie deutlich weniger sichtbaren Deutschland-Socken durch Södermalm, um mir irgendwo einen guten Platz zu sichern. Die Stadt war schon merklich leerer als am Dienstag – Midsommar zeigt seine Wirkung und alle sind in Urlaub. Außer ein paar beiläufigen Blicken habe ich auf dem Hinweg nichts kassiert, keine Pöbeleien oder Zurufe – erstaunlich. Im Snaps, einer Kneipe mit Biergarten, saßen dann sogar einige Deutsche mit bemalten Backen. Noch mehr erstaunt hat mich allerdings eine vollbusige Verkäuferin, die in einem Klamottengeschäft arbeitete und ein Germany-Top trug. Insbesondere deswegen, weil sie ja eigentlich was verkaufen will. Ich war also zumindest nicht komplett alleine. Nachdem im Snaps alle interessanten Plätze belegt waren und im Big Ben Pub, wo ich am Dienstag Schwedens Spiel anschaute, das obere Stockwerk schon voll und das untere noch nicht belegt war, ging ich in die Bar daneben.

Das Spiel fand ich furchtbar – nicht weil Deutschland schlecht gespielt hätte (im Gegenteil), nein, sondern weil die Schweden derart schlecht gespielt hatten. Zusätzlich vermiest wurde mir die Sache, dass ich mir erlaubte, bei den beiden Toren ein bisschen zu klatschen, worauf ein Barmann mir sagte, ich solle ruhig sein, weil das sonst hier Ärger verursachen könnte. Nach Randalemachern sah mir das Publikum (zu guten Teilen Frauen mittleren Alters, Schwangere und junge Mütter mit Kinderwagen) zwar nicht aus, aber der Kommentar reichte mir in jedem Fall, um zu zahlen und weiterzuziehen. Im Big Ben hatte es sich mittlerweile etwas gefüllt, die Stimmung war aber ungefähr auf Beerdigungsniveau, was angesichts dieser demütigen Vorstellung der schwedischen Kicker auf dem Platz kein Wunder war. Bei denen klappte auch wirklich gar nichts: erst hatte man sich von den Deutschen eiskalt überrumpeln lassen und schaffte es seither nicht mehr, auch nur eine gescheite Torchance herauszuspielen. Dass Lehmann einmal den Ball ins Aus befördern musste war auch schon alles. Besonders bitter wurde es, als ich vom Klo zurückkam und gerade Lucic gelb-rot für ein bisschen Trikotzupfen kassierte. Ich war zwar bei dieser Entscheidung sehr irritiert, aber mir wurde später erzählt, ZDF-Experte Urs Meier hätte das für korrekt befunden. Und einem schweizer Weltklasseschiedsrichter kann man keine Inkompetenz oder gar mangelnde Neutralität vorwerfen – letzteres würde in der Schweiz vermutlich den Tatbestand der Verleumdung erfüllen. Der Elfmeter war natürlich dann die endgültige Katastrophe – der Ball dürfte meinen Schätzungen zufolge am Dienstag auf dem Mond aufschlagen. Direkt neben dem von Beckham.

Der Rückweg war seltsam – einer zeigte mir Daumen hoch, was mich zum Grinsen verleitete. Ein prollig wirkender Schwede schaute mich etwas komisch an, worauf ich ihm prophylaktisch ein „I’m sorry“ entgegenwarf, was er wohl aus seiner jahrelangen Hooliganerfahrung politisch recht unkorrekt mit „eins, zwei, drei, Nazipolizei!“ beantwortete. Zwei Mädels und ein Betrunkener saßen an einem Tisch vor einem Imbissstand. Ein Mädchen sagte einfach nur „Springa!“ („lauft!“), der Betrunkene kam her und umarmte mich. Naja, heute wollen wir mal nicht so sein. In der U-Bahn begegnete mir noch ein Karlsruher Student, der aber strategisch klug Undercover im KTH-Pullover unterwegs war.

Mein Presseecho:

  • Expressen (Boulevardzeitung) : „Avgå! Mats Olsson: Sparka Lagerbäck!“ („Tritt ab!“ Mats Olsson: Feuert Lagerbäck!“). Besagter Mats Olsson schreibt in seinem Bericht: „Bei dem 2:0 gegen Deutschland sagen die Zahlen kaum mehr aus, als dass die Deutschen gewonnen haben. Sie sagen aber nichts darüber, welche Erniedrigung wir erlitten haben und wie wir überrollt wurden. (…) Die ersten 15 Minuten waren das schlechteste Auftreten einer schwedischen Nationalmannschaft, das ich jemals gesehen habe. (…) Andreas Isaksson spielte als Torhüter auf Weltniveau. Aber was half das schon? (…) Der Schiedsrichter machte ein Kreuz, als er das Spielfeld verließ, und es ist möglich, dass Carlos Simon aus Brasilien ahnte, dass er sich an höchster Stelle dafür verwantworten werden müsse, dass er uns eine extrem harte Strafe gegeben hat. Dagegen hatte er nichts zu tun mit Lukas Podolskis zwei Toren. Viele von euch sind sauer, dass er grinste, als er Teddy Lucic rot zeigte. Ich persönlich bin eher sauer, dass Podolski zu ihm lief und ihm zur Beglückwünschung auf die Schulter klopfte. Oder zum Dank. Oder zu was auch immer. (…) Die Zukunft der Nationalmannschaft – und des schwedischen Fußballs – sieht düster aus. (…) Am 7. Oktober spielen wir in Råsunda gegen Spanien. Spanien! Bis dahin will ich einen anderen Nationaltrainer haben.
  • Aftonbladet (auch Boulevard) ist weniger meinungsmachend. Sie schreibt „En epok är slut“ („Eine Epoche ist zu Ende“), betreibt Lebenshilfe mit „9 råd som hjälper dig ur krisen“ („9 Ratschläge, die dir aus der Krise helfen“). Der Schiedsrichter war aber in jedem Fall ein Arsch, meinen sie mit „Hånad av Domaren – Landslagets attack efter utvisningen: ‚Man ville se tyskarna vidare'“ („Vom Schiedsrichter verhöhnt – die Nationalmannschaft nach dem Platzverweis: ‚Man wollte die Deutschen weiter sehen'“) und schreiben als Bildunterschrift zur roten Karte „De tyska spelarna skriker på domaren som sedan tar upp först det gula, sedan det röda kortet. Och han gör det med ett leende på läpparna. Lucic utvisad.“ („Die deutschen Spieler rufen zum Schiedsrichter, der dann erst die gelbe, dann die rote Karte herauszieht. Und er tut das mit ein Lächeln auf den Lippen. Lucic des Platzes verwiesen.“). Der Betroffene sagte laut dem Blatt: „…der Schiedsrichter lächelte einfach. Er glaubte wohl, der Platzverweis wäre sonnenklar. Ich glaubte nicht, dass die zweite gelbe Karte kommen würde. Das passierte im Eifer des Gefechts (sehr frei übersetzt) und wir hielten uns aneinander fest. Das kam mir zuerst wie ein Scherz vor.“ Ganz unabhängig vom Spiel fand ich diesen Artikel interessant. Das Prostitutionsgeschäft scheint von der WM nicht sonderlich profitiert zu haben – sicherlich nicht wegen des vermeintlichen schwedischen Boykotts, sondern vielmehr, weil das Problem allerorten angesprochen wurde. Insofern auch ein Erfolg der Proteste.
  • Svenska Dagbladet (seriös) titelt „Sverige helt chanslöst“ („Schweden vollkommen chancenlos“). „Die erste Halbzeit war der reinste Alptraum für die Schweden, die vollkommen ausgespielt wurden. Ohne einen inspirierten Andreas Isaksson hätte der Rückstand doppelt so hoch ausfallen können. (…) ‚Ich kritisiere üblicherweise keine Schiedsrichter, aber dieses Mal bin ich der Meinung, dass er den Spielverlauf beeinflusste. Ich finde, dass Teddys Verwarnungen zu diskutieren sind. Außerdem war Ljungberg genau der gleichen Sache ausgesetzt, als Teddy seine zweite Karte bekam‘, sagte Lagerbäck. (…) Die schwedische WM-Party ist vorbei.
  • Dagens Nyheter (seriös) schreibt „Mardrömmen i München“ („Der Alptraum von München“). Im Artikel dazu steht: „Innerhalb von zwölf Minuten hatte die Heimmannschaft den Traum von einem neuen Bronzesommer [Anm.: hier wendet man das Medaillenschema auch gerne auf Plätze im Allgemeinen an.] zerschlagen. (…) Schwedens Courage erholte sich wenigstens ein bisschen gegen Ende der ersten Halbzeit. (…) Andreas Isaksson zeigte im ganzen Spiel Weltklasse und war Schwedens zweifellos bester Spieler. (…) Einer von wenigen schwedischen Lichtblicken in München.

Also war insgesamt der Schiri ein Arsch – aber das kann man ja immer sagen.

Wie dem auch sei – meine Eltern kommen heute abend, meine Deutschlandflagge hängt am Fenster und ich sage nur

54, 74, 90, 2006, ja, so stimmen wir alle ein. Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein werden wir Weltmeister sein!“

Televisionen auf Schwedisch

Ich saß gerade in der Küche und durfte das grandiose Vorabendprogramm des schwedischen Fernsehens begutachten. Ich war fasziniert.

SVT 1 (Sveriges Television – die Kanäle sind im Allgemeinen nummeriert hier) zeigte eine Kunstauktion oder etwas in der Art. Ich machte mir nicht die Mühe, den Sinn der Sache zu verfolgen. Es folgte eine kurze Werbung für „Lilla Melodifestivalen“ – das Melodifestivalen ist der nationale Vorausscheid zum Eurovision Song Contest (hier auch unter dem Namen „Schlagerfestivalen“ bekannt). „Lilla“ bedeutet klein und heißt soviel, dass sich hier also Kinder im Alter von 8 bis 15 Jahren auf der Bühne zum Affen machen und dann per SMS und Telefon abgestimmt wird. Die beiden Teilnehmerinnen der letzten derartigen Veranstaltung, die für die ganze Sache warben, wirkten wie Medienprofis und bekundeten, dass der Wettbewerb das „größte Erlebnis in ihrem ganzen Leben“ gewesen sein. Der Zyniker wird anmerken, dass vorher ja noch nicht viel passiert sein kann.

SVT 2 überzeugt mit einem amerikanischen Film (wie immer angenehmerweise nur untertitelt), bei dem allen alles leid tut und sich eigentlich alle gern haben. Das ist schön. Danach kommt… nichts – ja, vor allem im zweiten Fernsehen sind weder der nächtliche Sendeschluss noch erhebliche Pausen im Programm abgeschafft. Im ersten Kanal kommt nachts nur die Übernahme aus dem staatlichen Nachrichtenkanal. Ab und zu gibt es sogar das fast vergessene Testbild zu bewundern. Ich fühle mich an deutsches Fernsehen der frühen 90er Jahre zurück versetzt. Persönlich schätze ich es aber, wenn irgendwie immer etwas im Fernsehen kommt.

Man sollte vielleicht noch anmerken, dass SVT1 und SVT2 staatlich sind und per Gesetz werbefrei. Vielleicht sähen ARD und ZDF genauso aus, wenn es dort keine Werbung gäbe: Bildungsfernsehen, kein Schlager, Informationsmagazine – allerdings auch Gottesdienste, Sendepausen, und wenig Filme. Was besser ist, sei dahingestellt.

Mal schauen, was das Privatfernsehen so zu bieten hat:

Kanal 3 überrascht mit einer grotesken Mischung aus DSDS und Hundedressur. Das heißt konkret, dass Hundebesitzer ihre Hunde Kunststücke vorführen lassen und dann eine Nanny-artige Hundeexpertin ihren Senf dazu abgibt. Ich bin begeistert, dass Volksverblödungsfernsehen auch hier Einzug gehalten hat.

Kanal 4 spielt die sportliche Karte und zeigt Pferdegespannrennen. Überhaupt scheint das recht beliebt hier zu sein. Der vierte Kanal ist auch das einzige Privatfernsehen, das über Antenne ausgestrahlt wird. Abends erinnert das Programm etwas an RTL – allerdings bei deutlich niedrigerer Beliebtheit, schätze ich.

Kanal 5 zeigte irgendetwas, das mich nicht interessiert und das ich deswegen auch sofort vergessen habe. Ah, jetzt fällt es mir wieder ein: irgendein Eishockeyspiel. Der Kanal ist sonst aber typisches Privatfernsehen. Ein Kanal (vielleicht dieser) erdreistet sich sogar, die US-amerikanische Serie COPS („Bad Boys, Bad Boys, what you’re gonna do when they come for you“) zu zeigen, die ein verzerrtes Bild amerikanischer Realität zeigt, indem man eine Woche bei der Polizei mitfährt und dann die schlimmsten Sachen zusammenschneidet, um den Leuten zu suggerieren, dass man mächtig Schiss haben sollte, wenn man auch nur den Fuß vor die Tür setzt. Vielleicht soll das als pädagogisches Format dienen, um Schweden auf das Zusammentreffen mit der amerikanischen Polizei vorzubereiten. Man muss zur Verteidung von 3 und 5 allerdings sagen, dass hier auch die ganzen guten Serien wie „The Simpsons“ usw. laufen, und zwar im Originalton.

Kanal 6 zeigte einen Film, wo alle über ihre Gefühle und Träume reden, permanent hart an der international einheitlich festgelegten Heulgrenze. Dass nicht die ganze Filmbesetzung schluchzt, ist auch schon alles. Beverly Hills 90210 lässt grüßen – dieses Früh-90er-Machwerk habe ich im Übrigen neulich schon auf einem der Kanäle erspäht. Shannen Doherty und Tori Spelling alias Brenda und Donna liefen durch ein so offensichtlich unechtes Filmkulisse-Paris, dass man sich fragen muss, wie wir auf diesen Käse früher hereinfallen konnten.

Kanal 7 gibt es nicht und wäre eigentlich Z TV, aber das ist vorne nicht einprogrammiert. Stattdessen geht es mit MTV Nordic weiter, wo gerade All Access läuft. Zwei oberflächliche amerikanische Gerade-nicht-mehr-Teenager gehen auf ein Britney-Spears-Konzert und treffen die Hupfdohle persönlich. Diese fragt „Did you enjoy my show?“, worauf diese natürlich bejahen. „Show“ ist eigentlich auch das richtige Wort, denn Konzert kann man das Gehüpfe eigentlich nicht nennen – singen ist dabei unmöglich. Letztes Jahr an Silvester habe ich mir bei der Konzertserie „Pop around the Clock“ auf 3sat alle Konzerte und damit auch ihres aufgenommen. Sie sang genau ein Lied selbst, und das auch nur unter sichtlicher Anstrengung.

Eurosport zeigte den üblichen Käse.

SVT24, der Nachrichtenkanal des staatlichen Fernsehens, brachte wie früher, als morgens noch Videotext im Fernsehen lief, die Nachrichten des Tages in Textform. Freilich graphisch besser aufbereitet.

Fazit: es gib Tage, an dem am Sinn der Erfindung Fernsehen zweifelt.