Man mag vom Eurovision Song Contest halten, was man will: es ist eine der meistbeachteten Veranstaltungen der Welt.
Ich gebe gerne zu, dass ich ihn jedes Jahr schaue. Meine Europabegeisterung lässt die Albernheit der ganzen Angelegenheit zurücktreten.
Auch wenn ich gestern nicht mitwählen durfte, so wollte ich doch einmal erleben, wie das nun mit Engelke, Raab und Rakers ist. Die Anfangsgags waren ESC-gewohnt zum Fremdschämen, aber Judith Rakers letztendlich im Green Room gut platziert. Und die Einlage von Anke Engelke und Stefan Raab, die die ESC-Teilnehmer diesen Kracher singen ließen, war dann doch ganz witzig:
Die Show gerissen hat freilich Anke Engelke, die nicht nur die zwei relevanten Fremdsprachen besser spricht als es Raab es jemals auch nur mit einer könnte. Es war fast schade, dass ihre Tanz- und Playbackeinlagen zu jedem der 10 Gewinnertitel nur kurz eingeblendet wurden.
Die Musik war wie immer mit vielen Belanglosigkeiten gespickt, die es zum Glück größtenteils nicht ins Finale geschafft haben.
Obskure Dinge waren kaum dabei, aber man darf sich schon fragen, ob die Portugiesen ernsthaft damit rechneten, mit diesem Song ins Finale einzuziehen:
Kein Land ist derart notorisch erfolglos wie Portugal: 44 Teilnahmen und das höchste der Gefühle waren ein 6. Platz. Aber man wird doch wohl nicht ernsthaft erwarten, mit einem auf portugiesisch vorgetragenen Satirepolitsong weiterzukommen.
Auf der anderen Seite ziehen auch immer Lieder ins Finale ein, wo ich nur den Kopf schütteln kann. Wieso beispielsweise Griechenland und Litauen weiterkamen, ist mir ein Rätsel.
Meine vier Favoriten waren übrigens:
Finnland: Paradise Oskars liebenswürdig-ironische Weltverbesserungsliedchen hat fast schon Ohrwurmqualitäten. Er kam auch prompt weiter, ist im Finale aber auf Startplatz 1 gesetzt, was seine Chancen natürlich verringert.
Schweiz: Auch ein beschwingt süßes Lied, das es genau deswegen ganz weit bringen könnte und auch ins Finale einzog.
Aserbaidschan: eine nette Bombast-Ballade, die es ebenso ins Finale geschafft hat.
San Marino: Die Sängerin war zwar bis vor kurzem wohl noch nie in dem Land, aber das ist ihr in dem Fall wohl auch nicht vorzuwerfen. Jedenfalls haben sie keine allzu schlechte Wahl getroffen. Den Titel fand ich ganz nett, aber mehr auch nicht. Er schaffte es auch nicht ins Finale.
Sehr beunruhigend finde ich, dass sich mein Geschmack offenbar zumindest in erheblichen Teilen mit dem der Allgemeinheit deckt. Das war bislang nie so und ist hoffentlich kein Zeichen meines fortschreitenden Alters.
Etwas peinlich war der Tonausfall während der Übertragung – das schwedische Fernsehen hatte ca. ein Drittel der Show gar keine Verbindung zu den Kommentatoren und behalf sich am Ende mit Telefonen. Das dürfte vor allem nicht ganz das sein, was die Europäer von den Deutschen erwarten. Gerüchteweise sollen Züge in Deutschland pünktlich sein.
Ich freue mich jedenfalls schon auf das morgige zweite Halbfinale. Dann hoffentlich mit Ton, und vielleicht schafft es Eric Saade sogar ins Finale.
Das Schöne daran, in einer Hauptstadt zu leben, ist, dass so gut wie jeder interessante internationale Gast hier Halt macht. Man braucht eigentlich nur mit wachen Augen durch die Straßen zu gehen und wird früher oder später ein Plakat entdecken, das ein vielversprechendes Event anpreist. Ich wäre neulich z.B. gerne zu den Söhnen Mannheims gegangen. Nicht weil ich sie besonders mag, aber wann verirren sich schon einmal mittelmäßig bekannte deutsche Künstler nach Schweden?
An internationaler Bekanntheit dürfte es Cat Stevens freilich nicht mangeln. Aber diese kommt frei Haus mit dem Wissen, dass er seit 30 Jahren Yusuf Islam heißt und sich mehr der religiösen Erleuchtung als der Musik widmet. Daher zögerte ich nicht, als ich die Anzeige für sein Konzert auf einer Werbefläche eines Parkscheinautomaten sah: da muss ich hin.
Plätze waren nicht leicht zu bekommen, was aber nicht zuletzt an der grottenschlechten Platzsuchesoftware von Ticnet liegt. So wurden es sündhaft teure Tickets mit guter Sicht am linken Rand.
Stimme: immer noch so gut – Konzept: vielleicht nicht ganz so
Der Mann ist zwar gealtert – 62 ist er mittlerweile, und er wirkt mit Sicherheit keinen Tag jünger – aber seine Stimme ist so gut wie vor 35 Jahren. Das Konzept des Konzerts war allenfalls etwas durcheinander: erst begann er autobiographisch über seine Anfänge zu erzählen. Dabei erwähnte er auch zur Freude des Publikums, dass er in Gävle einmal zur Schule ging – seine Mutter war Schwedin – aber leider kaum noch schwedisch spricht. Er streute aber immer wieder kleine Fetzen schwedisch ein. Er wechselte thematisch dann zu einem Musical, das er anscheinend gerade schreibt und neue wie alte Lieder kombiniert. Die Bühne füllte sich nach und nach, beginnend mit seinem alten Weggefährten Alun Davies. Zur Pause standen 8 Musiker auf der Bühne.
Bis dahin waren von den richtig bekannten Titeln nur „Matthew & Son“ und „The First Cut is the deepest“ gekommen – er stachelte das Publikum etwas an, indem er auf die Titel „Moonshadow“ und „Father & Son“ hin leitete, sie anspielte und dann abrupt sagte, dass er das für später aufhob. Zwischendrin begannen schon einige Zuschauer nach bekannten Titeln zu rufen, worauf Yusuf sie zu vertrösten suchte.
Das Musical wurde in Teilen präsentiert, aber es blieb bei einer Art Vorschau. Es folgte eine 30-minütige Pause, nach der ich eigentlich einen Gassenhauer nach dem anderen erwartete.
Das Warten auf „Wild World“
Daraus wurde leider erstmal nichts. Für meinen Geschmack dauerte das zu lange – aber es ist auch irgendwo verständlich, denn wie jeder Altkünstler hat Stevens das Problem, dass alle nur kommen, um die bekannten Uralthits zu hören. Zwar verfügt Cat Stevens über ein beachtliches Œuvre, aber die bekannten Titel füllen eben keinen Abend. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, er hätte wie in der ersten Hälfte mehr Hits eingestreut. Indem er die Spannung bis zum Schluss aufhob, war das Publikum dann aber auch schlagartig begeistert, als er „Morning Has Broken“ spielte, gefolgt von „Wild World“ – da standen die Leute schon – und „Father & Son“. Die Zugabe enthielt dann auch noch „Moonshadow“ und „Peace Train“.
Das stark durchwachsene Fazit von Anders Dahlbom von Expressen würde ich jedenfalls nicht teilen. Man kriegte im Endeffekt das, für das man bezahlt hatte, wenn auch etwas später als erwartet. Die Rezension in DN war auch freundlicher, ist aber leider nicht online.
Eigentlich ist es müßig, sich mit solchem Unfug auseinanderzusetzen, aber wenn es schon einmal des Weges kommt, möchte ich es hier festhalten.
Konkret geht es um dieses Foto, das kürzlich um die Welt ging:
Das Weiße Haus hat das Bild folgendermaßen beschriftet:
President Barack Obama and Vice President Joe Biden, along with members of the national security team, receive an update on the mission against Osama bin Laden in the Situation Room of the White House, May 1, 2011. Seated, from left, are: Brigadier General Marshall B. “Brad” Webb […]. Please note: a classified document seen in this photograph has been obscured. (Official White House Photo by Pete Souza)
Um es nochmal zu verdeutlichen: hier werden Obama, Biden und eine ganze Reihe anderer Leite über die Entwicklung der Aktion in Pakistan gegen Osama Bin Laden informiert.
Natürlich interessierte mich, was das Zentralorgan der Verschwörungstheorie, das Weblog „Alles Schall und Rauch“, zu der ganzen Sache zu sagen hat. Wenig überraschend wurde eine ziemliche Weile nach dem Bekanntwerden ein Beitrag online gestellt, der verkündete, der Autor habe ja schon 2007 „bewiesen“, dass Osama Bin Laden bereits im Dezember 2001 verstarb. Beim näheren Hinsehen handelt es sich freilich um eine Ansammlung von Zeitungsausschnitten, in denen meist nur spekuliert wird, dass Bin Laden schon tot sei.
Der Beitrag von 2007 fällt aber vor allem deswegen auf, weil er im sich im „Stil“ unterscheidet: damals geiferte der Autor, der sich selbst Freeman nennt und angeblich Manfred Petritsch heißt, noch nicht bei jedem Satz wild drauf los. Wie er in den „Spielregeln“ seiner Seite behauptet, er zitiere „viele Quellen“. Das machte er damals anscheinend noch, aber heute kaum mehr.
Mittlerweile scheinen seine Beiträge nur noch aus wilden Verwünschungen und Häme zu bestehen, die in einem einzigen Giftschwall ausgespuckt werden. Die Informationen, die er den Menschen angeblich bringen will, gehen dabei unter.
Der heutige Beitrag ist ein Paradebeispiel. Da bleibt an Fakten nicht viel übrig:
Wie der Chef der CIA, Leon Panetta, nun zugeben musste, gab es keine Live-Übertragung von TV-Bildern nach Washington während der Stürmung des angeblichen Verstecks von Osama Bin Laden. Die Kameras auf den Helmen der Navy Seals funktionierten nicht oder waren abgeschaltet. Deshalb sind die Berichte in den Medien, die amerikanische Regierung hätte den Einsatz im „Situation Room“ im Weissen Haus kurz vor Mitternacht des 1. Mai live verfolgen können, eine Lüge.
Sie sahen gar nichts und wussten nicht was vorging. Sie hörten nur das Code-Wort „Geronimo“ als Zeichen, Osama Bin Laden wurde getötet. Das folgende Foto, welches um die Welt ging, muss gestellt sein.
Ein paar klitzekleine Einwände:
Wenn Panetta etwas „zugeben muss“, dann hätte man ihn mit irgendetwas konfrontieren müssen, das die bisherige Version in Frage stellt. Immerhin ist Freeman ja noch so gnädig, zu erwähnen, dass Panetta von PBS interviewt wurde. Den Link dorthin gibt er freilich nicht an – man könnte sich ja eine eigene Meinung bilden. Dabei gibt es das gut 10-minütige Interview als Video online, und wenn man sich das anschaut, dann erzählt der CIA-Chef doch sehr freimütig, wie die Aktion ablief.
Mich würde doch mal brennend interessieren, woher die Information stammt, die Navy Seals hätten bei der Operation Kameras auf ihren Helmen gehabt. Ja, und selbst wenn es so wäre, woher will Freeman wissen, dass sie abgeschaltet oder kaputt waren?
Wer hat denn bitteschön behauptet, die Übertragung wäre live gewesen? Die Bildunterschrift spricht von einem „Update“. Gibt es ein offizielles Statement, das behauptet, Obama hätte das Ganze live sehen können?
Kurzum: die skandalöse Aufdeckung ist, dass die Einbildung, es handele sich um eine Live-Übertragung, auch wirklich nur eine Einbildung war. Das musste natürlich einmal gesagt werden.
Ein weiterer kleiner Einblick in die Gedankenwelt des Mannes:
Und Panetta fügte hinzu, die US Navy Seals fällten selber die Entscheidung, Bin Laden zu ermorden, und nicht der Präsident. Also lief die Operation im Dunklen ab und niemand weiss genau was dort passierte. Die Spezialeinheit kann alles erzählen und stand wahrscheinlich unter dem Kommando der „Schattenregierung“, genau wie am 11. September 2001.
Der Präsident machte in seiner Ansprache recht deutlich, dass er den Befehl zur Gefangennahme oder Tötung schon zu Amtsantritt gab und auch die Aktion am 1. Mai autorisierte. Dass ein Soldat in einem Feuergefecht nicht schnell in Washington anrufen kann, dürfte wohl noch nachvollziehbar sein. Nicht jedoch Freeman, wie es scheint.
Es ist immer das gleiche Schema: wer nicht alles, was der Fragesteller gerne hätte, vollständig veröffentlicht, hat etwas zu verbergen. Und, mehr noch, selbst wenn die Bilder vollständig publiziert worden wären, hätte es keine halbe Stunde gedauert, bis die entsprechenden Aufnahmen zerpflückt und als offenkundig gefälscht bezeichnet worden wären.
Dies ist die kranke Logik dieses Spiels: wer verlieren muss, kann nur verlieren.
Es gibt aber auch eine tragische Seite. Die Beiträge sind weder intelligent noch gut geschrieben, doch ziehen sie entsprechend interessierte Leute wie die Fliegen an. So hat sich ein kleiner fröhlicher Mob der Frustrierten, Verbitterten und Besserzuwissenglaubenden zusammengefunden, bei denen jede Hoffnung verloren scheint, sie mit einem schlüssigen Argument beeindrucken zu können.
Freeman schreibt immer wieder:
Ich lach mich schief.
Es wäre schön, wenn es so wäre. Jedoch ist die ganze Veranstaltung derart humorfrei und verbittert, dass man sich fragen muss, in welcher Verfassung der Verfasser ist. Die Humorbeiträge im Blog wirken jedenfalls sehr bemüht und können das Innenleben des Ganzen nur schwerlich verdecken.
Es ist eine Ideologie des Hasses, bei der feststeht, wer zu hassen ist, und die Realität sich diesem Diktat fügen muss, ob sie will oder nicht. Es geht nicht um Aufklärung, sondern um Desinformation.
Man kann nur hoffen, dass die Informationsgesellschaft über diese Auswüchse hinwegkommen wird. Solange aber die Zahl derer, die an die Mondlandeverschwörung und anderen Unfug glauben, steigt, mache ich mir da wenig Hoffnung.
Bislang hatte ich recht großes Vertrauen in Ubuntu. Die letzten beiden Versionswechsel funktionierten gut, und so dachte ich mir, ich wechsele gleich am ersten Tag auf die neue Version 11.04. Dass man die bisher Netbooks vorbehaltene Oberfläche „Unity“ nun als Standard einsetzen würde, war mir bekannt. Ich kannte sie schon von einem Netbook und fand sie, nun ja, gewöhnungsbedürftig, aber nicht aussichtslos. Im Gegensatz zu vielen sehr dogmatischen Zeitgenossen zählt für mich in erster Linie, dass ich damit leben kann und dass es funktioniert. Da ich schon mit der DOS-Shell unter MS-DOS 5.0 leben konnte, bin ich recht flexibel.
Das normale GNOME, bisher die Oberfläche von Ubuntu, kommt mir ein bisschen wie eine Kopie von MacOS X vor: eine Leiste oben mit Schnellstartsymbolen, Uhr usw. Eine Leiste unten mit den Programmen. Unity macht die Leiste unten weg und verwendet die obere für Menüs und derlei Dinge. Laufende Programme und Programmstarter sind in einer ausfahrbaren Leiste links untergebracht.
Das Upgrade an sich ging reibungslos. Nach dem Neustart ging es aber los:
Skype konnte sich beim automatischen Start nicht mehr im Tray rechts oben platzieren. Ich musste es aus den Startprogrammen herausnehmen und von Hand starten.
Die Programmsuche ist nur dann gut benutzbar, wenn man weiß, wie das Programm genau heißt. Die Rubrikenaufteilung vorher war weitaus praktischer. Die Programmsuche ist zum Eintippen, was den Wechsel von Maus zu Tastatur erfordert. Nicht gerade bequem.
Zudem ist die Programmsuche etwas holprig langsam.
Bisher ist das alles noch erträglich. Dann starte ich aber Picasa. Dabei handelt es sich um ein Windows-Programm, das mit ein paar Tricks über den Windows-Emulator Wine läuft. Kurz danach bleibt das System komplett hängen.
Mir fällt auf, dass mir ein ziemlich langes Bootmenü präsentiert wird, das erst nach 10 Sekunden das System startet. Ich hoffe, dass das nur am Crash liegt.
Der Picasa-Start führt erneut zum Crash.
Also starte ich nochmal neu und benutze das System einfach mal so. Es nervt etwas, dass die Dockingleiste links schon nach wenigen Sekunden wieder verschwindet, wenn man nichts auf ihr anklickt. Ansonsten geht es aber. Ich kann sogar der Tatsache etwas abgewinnen, dass man jetzt noch mehr Arbeitsplatz auf dem Bildschirm hat. Nach einer Weile bleibt das System beim Start eines Films wieder hängen.
Also nochmal Neustart. Ich vertraue der alten Windows-Devise, dass sich grobe Probleme schon von selbst einpendeln, solange man das System nur ein paar mal regulär gestartet und beendet hat.
Ich finde heraus, dass man einen Konfigurationsmanager namens Compiz (ccml) installieren muss, wenn man etwas gegen das wegklappende Menü links tun will. Wieso ist das nicht gleich mitinstalliert? Und wieso hat es so einen kryptischen Namen? Ich aktiviere KDE-Kompatibilität. Die Leiste oben wird zu einem undefinierbaren Etwas. Funktioniert zwar noch, aber man sieht nichts mehr. Kurz darauf steht das System wieder.
Beim nächsten Neustart entscheide ich mich für das Profil „Ubuntu Classic“. Apropos Classic: schon früher hatte ich immer mal wieder das Problem, dass das Design der Menüs sich plötzlich umstellte und dann ein sehr altbacken wirkendes Layout erschien. Unter Gnome Standard war das selten, unter Unity ist es bei den paar Versuchen mehrfach gewesen.
„Ubuntu Classic“ ist zum Glück genau das, was ich vor dem Update auch hatte. Zwar besteht immer noch ein Problem mit Skype, und der Browser Chromium wird auch nicht mehr ganz so gut dargestellt. Aber ansonsten sieht es ganz gut aus. Zumindest stürzt es nicht ständig ab.
Dabei bleibt es für’s erste auch. Ich kann nur hoffen, dass Unity bald auf einen benutzbaren Stand gebracht wird. Es kann schonmal nicht sein, dass man die Einstellungen für die Oberfläche selbst nachinstallieren muss. Viel schwerer wiegt aber die Instabilität. In dem Zustand ist es zumindest auf meinem Rechner unzumutbar. Das lässt mich wenig hoffnungsvoll in den Herbst blicken, denn in der nächsten Version soll die Classic-Variante verschwinden. Bleiben also 6 Monate, um Kinderkrankheiten zu beheben.
Für Internetheinis wie mich ist es nicht gerade Breaking News: der ehemalige Shooting Star StudiVZ (alias MeinVZ alias SchülerVZ alles VZ-Netzwerke) ist auf dem absteigenden Ast.
Die allererste Version war schon ein Abklatsch von Facebook: StudiVZ war rot, Facebook war blau – ansonsten alles gleich. Das funktionierte nur, weil Facebook in deutschen Landen damals unbekannt war. Seither kam bei VZ wenig Neues, bei Facebook dafür umso mehr.
Ich meldete mich bei beidem an – zu der Zeit war ich schon in Schweden, und hier war Facebook schon viel früher in Mode. In der Zwischenzeit ist die Welle schon lange auch nach Deutschland übergeschwappt, und man fragt sich, wieso sich die ganzen VZ und so obskure Portale wie Wer-Kennt-Wen nicht gleich selbst begraben, um den Prozess zu beschleunigen.
Zwar habe ich nicht vor, bei StudiVZ meinen Account aufzulösen. Aber die entscheidende Frage war für mich, ob Facebook mittlerweile komplett deckungsgleich ist, oder konkret: wieviele meiner StudiVZ-Freunde sind mittlerweile bei Facebook?
Also habe ich das erhoben. Natürlich gibt es hier Unsicherheiten, denn so mancher StudiVZ-Freund mag vielleicht unter anderem Namen bei Facebook sein. Es mag auch einige Leute geben, die StudiVZ ganz verlassen haben und somit nur noch bei Facebook anzutreffen sind. Die ermittelte Anzahl der Umsteiger ist also anzunehmenderweise zu niedrig.
Das Ergebnis ist in jedem Fall beeindruckend: 90 von 117 StudiVZ-Freunden sind definitiv bei Facebook, was ganzen 77 % entspricht. Von den anderen 27 gibt es nicht viele, die bei StudiVZ übermäßig aktiv sind. Abzüglich irgendwelcher Karteileichen wird es vielleicht noch ein Dutzend sein, die den Umzug noch nicht getätigt haben.
Ein eindeutiges Bild, und das zurecht – selbst wenn man Facebook nicht sonderlich mag, so ist doch klar zu sagen, dass es technisch in jeder Hinsicht der vermeintlichen Konkurrenz haushoch überlegen sind. Letzten Endes wird das Scheitern der Konkurrenten in deren eigener Unzulänglichkeit begründet sein.
Leider ist damit auch wieder ein Trend zu beobachten, den das Internet schon lange zeigt: Zentralisierung. Es gab früher auch andere Suchmaschinen als Google, andere Buchhändler als Amazon und andere Auktionsplattformen als Ebay. Doch gingen sie unter, und warum sollte das bei den sozialen Netzwerken anders sein.
Es ist ein bisschen so, wie wenn Paul McCartney ein neues Album veröffentlicht: er braucht nicht so zu tun, als sei es sein bestes. Er weiß, dass es das nicht ist und er hat die Größe, zu wissen, dass das auch gut so ist.
Wenn also John Cleese mit seinen 71 Jahren noch einmal die Bühne besteigt, dann braucht man nicht zu erwarten, dass der Flying Circus hier fortgeführt wird. Seine Motivation für die ganze Sache ist banal: seine Ex-Frau hat bei der Scheidung ganz unbescheiden Alimente von 20 Millionen Dollar (!) herausgeschlagen, und irgendwoher muss das Geld ja kommen. Mir ist zwar schleierhaft, welche nachvollziehbare Begründung es für diese irrwitzige Summe geben könnte, aber ein gute Sache hat es: es brachte einen der größten Komiker des 20. Jahrhunderts nach Stockholm.
Ich kann nicht behaupten, das Publikum hätte sich weggeschmissen vor Lachen. Darum geht es auch nicht, denn was Cleese präsentierte, war ein humorvoller Rückblick auf seine Karriere, beginnend mit seinem Elternhaus bis zu einem „Fisch namens Wanda“. Das war streckenweise amüsant und vor allem immer kurzweilig.
Wenn er in seinen Ausführungen abfällig über seine Frau spricht – was er auch nur anfangs tat – dann hat er natürlich keine ausgewogene Sicht darauf. Aber eine Frau, die 20 Mio. Dollar kassiert, muss diesen Spott ertragen. Wenn er über Marketing und BBC-Verantwortliche spricht, dann kann ich ihm in jedem Falle nur beipflichten: der Mut, eine unausgegorene Idee wie den Flying Circus ohne Konzept gleich mit 13 Folgen ins Programm zu nehmen, wäre heute nur noch selten zu finden.
Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass nicht nur 71 Jahre Lebenserfahrung sondern auch ein klarer Verstand hier Einsichten ergeben, zu denen ein Mario Barth nie fähig sein wird. Vielleicht ist es ganz gut, dass die Halle nicht einmal halb voll war. Diese Show war eher etwas für den interessierten Fan als für den unbedarften Zuschauer, der einen Gag nach dem anderen erwartet.
Als ich in der Zeitung davon las, dass Cleese in der Stadt ist und drei Abende auftreten wird, war ich fast panisch, weil ich befürchtete, keine Tickets mehr zu kriegen. Vermutlich hat der Artikel einige Zuschauer angelockt, aber die Gefahr des Ausverkaufs bestand wohl zu keiner Zeit. Als wir ankamen, hieß es, unsere Plätze – die billigsten mit eingeschränkter Sicht – wären geschlossen und wir sollten stattdessen in eine der Logen direkt an der Bühne sitzen. Wir bekamen also einen erstklassigen Blick.
Der Rest ist Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes. Cleese sprach viel über seine Eltern und Graham Chapman, der Ende der 1980er Jahr an Krebs verstarb. Seine frühe Karriere fand viel Beachtung sowie die Serie Fawlty Towers. Dafür verwandte er wenig Zeit auf den Flying Circus – was man natürlich als Fan der Serie etwas schade findet. Auch die späteren Jahre mit Ausnahme der berühmten Black-Knight-Szene aus Monty Python and the Holy Grail (im Deutschen bekannt unter dem albernen Namen „Die Ritter der Kokosnuss“) kamen nicht vor. Aber vielleicht ist es auch sein Wunsch, eben nicht nur immer der Cleese von Monty Python zu sein, sondern auch Beachtung für anderes findet. Alles, was nach „Ein Fisch namens Wanda“ kam, handelte er in einem 3-minütigen Videoclip ab. Das noch ähnlich breit zu besprechen hätte auch noch sehr lange gedauert.
Versprochen war ein „galen helafton med John Clesse“ („verrückter ganzer Abend mit John Cleese“). Letzten Endes waren es rund 90 Minuten, die sich gelohnt haben. Nicht weil der Abend wirklich verrückt gewesen wäre, sondern eher, weil man mit einem der ganz Großen seiner Zunft noch einmal auf das zurückblicken durfte, was schon vor 15 Jahren ein Kulturgut war.
Wie ich heute gesehen habe, bin ich nicht der einzige, der das gemacht hat. Ganz im Gegenteil: es wurde ein kleines virales Phänomen, und das Video wurde mittlerweile 1,7 Millionen mal angesehen. Wie die Geschichte weitergeht, kann man in den beiden folgenden Teilen sehen. Es lohnt sich.
Mit diesen, nun ja, ungewöhnlichen Worten wird derzeit an vielen Bushaltestelle geworben. Eine Kontaktseite für Seitensprünge, die sich so ins Licht wagt – man ist erstaunt.
Interessant ist der Aufstellungsort: mir scheint, die Plakate wurden besonders häufig in Östermalm platziert. Das wundert mich auch nicht sonderlich, denn die Affärenwahrscheinlichkeit ist proportional zur Dicke des Geldbeutels. Finanzielle Nöte sind in Östermalm selten, wenn nicht gerade der 5er für den Einkaufswagen aus dem Porsche Cayenne verschwunden ist.
Das wohl wichtigste Anliegen der potenziellen Nutzer steht gleich daneben:
100% vertraulich [und] anonym
Die Informationsseite dieses Portals erklärt auch, wie das geht. Kontaktdaten sind im Profil nicht erlaubt, und beim Bilderupload kann man sein Gesicht verfremden. Weiterer Tipps: keine erkennbaren Klamotten oder Schmuck tragen.
Nur die Abschaltung des schlechten Gewissens gehört nicht zum Angebot und wird deswegen auch nicht erwähnt.
Die Anmeldung ist kostenlos, aber etwas versteckt heißt es, dass es ein „Upgrade“ für die Mitgliedschaft gäbe. Das heißt letzten Endes wahrscheinlich nichts anderes, als dass man wie bei allen Bezahlseiten ohne Einsatz von finanziellen Mitteln so gut wie nichts darf.
Mein Forscherdrang endete aber an diesem Punkt aus hoffentlich nachvollziehbaren Gründen. Interessierte Leser dürfen aber gerne weitergehen und von ihren Erfahrungen berichten. 100% vertraulich und anonym, versteht sich.
Mit Grauen lese ich derzeit die Nachrichten. Das bezieht sich aber nicht nur auf die schrecklichen menschlichen Dimensionen, sondern auch und vor allem auf die Berichterstattung über die Vorgänge im Kernkraftwerk Fukushima.
Nicht dass ich der größte Kernkraftspezialist wäre. Aber im Gegensatz zu den allermeisten Menschen habe ich im Rahmen meines Studiums schon Kurse in Reaktorphysik absolviert. Da ist es erschreckend, wie Kernkraft in den Medien dargestellt wird.
Die Angst vor der Kernschmelze
In einem Erklärstück gestern im ZDF sah ich, wie das mit der Kernschmelze funktionieren soll: die Reaktorstäbe sind schwierig zähmbare Biester, und wenn das Wasser um sie herum weg ist, bricht die Hölle los. Die Darstellung spielt dem Verständnis von Kernkraft in der Allgemeinheit in die Hände, dass sie wie ein Löwe nur im Normalfall ungefährlich sei, aber sobald die Käfigstäbe brechen, unkontrollierbar werde.
Daran stimmt leider so einiges nicht. Das Hauptschwierigkeit mit der Kernspaltung ist nämlich nicht, sie zu stoppen, sondern sie überhaupt erst in Gang zu bringen. Wer sich schon einmal gefragt hat, woher die Neutronen herkommen, die das Uran spalten: aus dem Uran selbst, denn bei den Zerfallsprozessen entstehen Neutronen. Nur sind diese viel zu schnell, um eine Kernspaltung auszulösen. Man muss sie abbremsen, und das macht in modernen Reaktoren gewöhnliches Wasser. Kocht das Wasser ab, endet auch die Kernspaltung. Das Problem behebt sich also ab einem gewissen Punkt von selbst. Die Kernschmelze ist letztendlich nichts anderes, als dass der Reaktorkern bei diesem Vorgang äußerst heiß wird und sich verformt.
Dadurch ist auch nicht die Schwierigkeit das „Durchbrennen“ des Reaktors an sich, sondern zu verhindern, dass in so einem Fall die Hülle des Reaktors aufbricht und radioaktives Material austritt. Dafür sollte jeder vernünftig konstruierte Reaktor ausgelegt sein.
Die Angst vor Tschernobyl
Betrüblich ist aber, dass sofort der erste „Tschernobyl“ schreit und behauptet, alle Kernkraft sei per se unsicher. Das ist so, als wäre das Sinken der Titanic für sich genommen ein Grund dafür, den Schiffsverkehr dauerhaft einzustellen. Das bedeutet zwar nicht, dass es generell nicht gut wäre, den Schiffsverkehr einzustellen. Nur ist das Sinken eines Schiffes ohne Kenntnis und Analyse der genauen Fakten kein Grund dafür.
Genauso ist es auch hier. Die Katastrophe von Tschernobyl war kein Ausrutscher, wie sie in jedem modernen Kraftwerk passieren könnte. Es war keineswegs so, dass man vorher nicht wisste, dass die Kiste hochgehen könnte. Alles, was man wissen musste, um die Unsicherheit dieses Reaktors zu sehen, war schon lange bekannt gewesen. Dieser Reaktor war schon von seinen Konstruktionsprinzipien her unsicher, und ich wage zu behaupten, das wussten die Konstrukteure auch ganz genau. Die Ursachen der Katastrophe waren vielfältig, aber im Zentrum stehen letztendlich drei Dinge: In Tschernobyl fand die Moderation durch Graphitstäbe statt. Diese kochen natürlich nicht weg, wenn der Reaktor durchgeht. Zum Zweiten waren die Eigenschaften so, dass die „Bremsen“ für die Kettenreaktion durchaus auch als Gaspedal wirken konnten. Zum Dritten wurde der Reaktor von dilettantisch agierendem Personal außerhalb der zulässigen Grenzwerte betrieben. Letzteres sorgte dafür, dass die Bremsen überhaupt erst gebraucht wurden – und das Unglück nahm seinen Lauf.
Als Krönung hatte der Bautyp aber auch keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen gegen austretendes radioaktives Material. Das Dach wurde weggesprengt, und die Graphitstäbe brannten an der freien Luft.
Leider wird gerne übersehen, dass so eine Katastrophe nur weil sie in einem Reaktor passiert ist, nicht in jedem Reaktor passieren kann.
Lieber eine schnelle Information als eine korrekte Information
Insofern ist es nicht gerade ein Glanzstück des Journalismus, wenn sofort irgendwelche alten Tschernobyl-Beiträge herausgekramt werden. Zur Stunde weiß offenbar keiner, was genau passiert ist und warum es passiert ist. Eines steht jedenfalls fest: an der freien Luft brennende Reaktorstäbe wird es nicht geben. Nur sagt das keiner.
Stattdessen darf man auch in seriösen Medien Interviews mit Vertretern von Greenpeace und IPPNW sehen, die natürlich das sagen, was man von ihnen erwartet: Kernkraft ist Teufelszeug. Garniert wird das mit Spitzenpolitikern, die versichern, dass man das jetzt in keiner innenpolitischen Debatte instrumentalisieren werde, aber natürlich sogleich anhängen, dass man seine Position bestätigt sieht.
Das Ganze trägt weniger zur Information als zur Desinformation bei. Untaugliche historische Vergleiche in Unkenntnis der wissenschaftlichen Fakten und der genauen Vorgänge in Japan schaden letzten Endes mehr als sie nutzen. Zu einer rationalen Bewertung der Lage tragen sie jedenfalls wenig bei.
Nachtrag: Ich hatte in meinen Ausführungen nicht bedacht, dass das Hauptproblem hier ein anderes ist. Die Steuerstäbe konnten anscheinend eingefahren werden, so dass die Kettenreaktion schon seit längerem steht. Das Problem ist, dass die Zerfallswärme der Spaltprodukte die Kernschmelze zu verursachen droht. Einen informativen Beitrag zum Thema gibt es hier: Why I am not worried about Japan’s nuclear reactors. (auf deutsch, sofern nicht gerade überlastet: hier)