Disclaimer: zahlreiche der Fotos, die ich hier zeige, sind nicht von mir gemacht, aber ich gehe mal von einer impliziten Zustimmung aller Beteiligten aus, zumal viele der Fotos schon vorher veröffentlicht wurden.
Ich bin traurig, irgendwie. Gestern habe ich erfahren, dass THSRadio, das Studentenradio meiner alten Universität KTH, Ende dieser Woche wohl für immer schließen wird.
Dies bedeutet auch das Ende von Hello Everybody, einer Show von internationalen Studenten, an der ich lange Zeit mitgewirkt habe und bei der ich zuletzt im Februar hinter dem Mikrofon stand.
Hello Everybody hat ein simples Konzept: die Crew trifft sich im Studio und schlägt eine Stunde mit mehr oder weniger gehaltvollem Geschwätz tot. Regeln gab es wenige bis keine. Das hatte den unschlagbaren Vorteil großer kreativer Freiheiten, aber den Nachteil, dass man manchmal echt keine Ahnung hatte, was man nun bringen könnte. Lief es gut, hatte man einen tollen Gast, der angenehme Musik mitbrachte. Lief es schlecht, stand einer alleine im Studio, spielte Musik ohne Ende und erzählte irgendwas vom Pferd, damit nicht nur Musik lief. In solchen Phasen produzierte ich die Show sogar zuhause vor und warf sie einfach in den CD-Player.
Die schönsten Momente waren daher die, an denen man gemeinsam Spaß hatte. War die Crew in Stimmung, lief auch die Show. Die beste Crew war für mich natürlich die erste. Wir hatten alle keine Ahnung und alles war noch frisch. Bei dem Präsentationstag der Studentenvertretung im Spätsommer 2005 blieb ich am Stand des Radios hängen. Es verband mich schon eine gewisse Faszination mit dem Medium. Sinnigerweise hatte ich seit 2002 ja beim Südwestrundfunk beim Radiosender DASDING in der Internetredaktion gewirkt. Das war höchst spannend für mich, aber Mikrofonangst und orale Komplikationen ließen mich nicht im Traum darauf hoffen, einmal selbst Radio zu machen.
Einmal richtiges Radio machen
Es kam anders, zumindest ein bisschen. Am darauffolgenden Freitag stand ich im Studio bei Remi, einem französischen Austauschstudenten, der noch ein klein wenig vorher rekrutiert worden war. Ich bekam den Mund nicht auf, aber das legte sich bald. Wenige Wochen später waren wir mehr: Constantinos und Evangelos (genannt Vaggos) aus Griechenland, Francisco aus Venezuela und Mohammed aus dem Libanon stießen hinzu.
Anfangs bemühten wir uns noch, richtig gutes Radio zu machen. Immerhin waren wir auf 95,3 MHz im Süden und Zentrum Stockholms zu hören. Da wurden Themen vorbereitet, wir besorgten uns illustre Gäste, wählten Musik aus. Wir produzierten Jingles – durch Zufall fand ich Werbung aus den 1940er oder 1950er Jahren für das amerikanische Shampoo „Halo“. Die Musik hatte den Refrain „Halo Everybody, Halo“, was fast genauso klang wie „Hello Everybody“.
Der Slogan des Shampoos war „the shampoo that glorifies your hair“. Daraus wurde dann mit der Zeit immer wieder mal „the show that glorifies your hair“. Erfrischend absurd, das Ganze. Wer sich über den seltsamen Namen wundert: 2005 startete zwar Remi (und der Folge unsere erste Crew) die Sendung neu, aber es hatte wohl zumindest ein Jahr zuvor (wenn nicht schon früher) ein Team gegeben, das anscheinend jede Moderation mit „Hello Everybody!“ begann – so kam die Show zu ihrem Namen, den wir ohne nachzudenken übernahmen.
Mit der Zeit lief alles etwas aus dem Ruder. Eine Show starteten wir mit intensivem Alkoholkonsum, was damit endete, dass mehrere Teammitglieder ihre nackten Hintern in die Webcam hielten.
Die zunehmend enthemmte Attitüde hatte auch einen Grund. Hello Everybody lief Freitag abends von 22 bis 23 Uhr, also ziemlich genau dann, wenn niemand Radio hört, schon gar nicht irgendeinen Bürgerradiokanal mit schwacher Sendeleistung. Einmal boten wir Geld dafür, dass jemand in der Show anruft – vergeblich. Jenseits von erwarteten Anrufen blieb die Leitung tot. Zwar muss schon rein statistisch irgendjemand in einem Einzugsraum von über 400.000 Menschen zugehört haben, aber es fühlte sich so an, als würde man für eine Wand Radio machen.
Der Kampf mit der „Obrigkeit“
Bei der Programmleitung hatte man dafür wenig Verständnis. Die Zeit sei doch der perfekte Start vor dem Ausgehen am Abend. Da Stockholm aber nicht New York ist und um vier Uhr Sperrstunde hat, war das natürlich Quatsch. Allgemein konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Programmchef Eric, ein anscheinend bei der KTH angestellter Amerikaner, unsere Show und insbesondere mich nicht mochte. Wir kamen mit unseren Vorschlägen nicht weit. Aus der Station wurde ich ohnehin nie ganz schlau. Man betrieb Rocket, eine englischsprachige Rocksendung und Erics Lieblingsprojekt, als sei es ein eigener Sender – vielleicht war es das auch, denn die Strukturen waren da nicht wirklich klar. Rocket wird auch kommende Woche aktiv bleiben. Die restlichen Sendungen wurschtelten in ihrer Sendezeit vor sich hin. Die Werbebemühungen bestanden im Wesentlichen aus der Einrichtung einer MySpace-Seite. Es fehlte schlicht an Substanz für eine adäquate Bestückung der Sendestunden – umso seltsamer, dass man uns mit dem undankbarsten Sendeplatz versah.
Im Wesentlichen zusammengehalten wurde das von Catrin, die trotz ihres vor geraumer Zeit erfolgten Abschlusses an der KTH nicht wirklich um einen Einstieg ins Arbeitsleben bemüht war und stattdessen irgendwie den Laden ohne nennenswertes Budget mit seinem veralteten Equipment am Laufen hielt. Sie verstand da auch keinen Spaß, war wenig flexibel, fast schon peinlich naiv in Sachen Erfolg des ganzen. Jede Konversation endete in langen Vorträgen – aber man muss ihr Respekt dafür zollen, denn ohne sie wäre das Studio schon seit Jahren nur noch Schrott gewesen.
Auch ich blieb dabei, auch wenn die Luft etwas raus war. Wir machten unser eigenes Ding, befolgten die Regeln, wo wir es für sinnvoll hielten – die Werbung in der Mitte der Stunde brachte schließlich ein wenig Geld für den Sender – und ignorierten sie, wo wir es nicht einsahen – insbesondere die Regel, 6 Titel aus der hauseigenen Rotation spielen zu müssen, befolgten wir nur, wenn wir es verpennt hatten, unsere eigenen CDs zu brennen.
Sommer für Sommer: Rekrutieren für das Überleben der Show
Es gelang, im Sommer 2006 einige neue Leute zu rekrutieren. Diejenigen, die blieben, bildeten weiter das Rückgrat der Sendung. Ich machte mehrere Sendungen mit Freunden aus Deutschland, die auch beim SWR arbeiteten und in Stockholm waren. Um mich selbst etwas weiter zu entwickeln, übernahm ich die „Top 20“, die internen Charts der schwedischen Studentenradios, die in der Stunde vor Hello Everybody liefen. Auch das hatte erstaunlich nachhaltige Wirkung: die Crew von Hello Everybody übernahm bis noch in dieses Jahr hinein zeitweise die Top 20.
Für die Sendung zu rekrutieren war nicht einfach, was nicht zuletzt daran lag, dass ich gnadenlos ehrlich war, was Qualität des Programms und Hörerzahlen anging. Von den vielen Interessenten, die kamen, blieben aber immer ein paar. Der Sommer 2008 war außergewöhnlich erfolgreich. Ganz unverhofft hieß es plötzlich, wir könnten die Stunde am Samstag von 20 bis 21 Uhr haben. Wir hatten so viele neue Teammitglieder, dass wir über einige Zeit zwei Sendeplätze füllen konnten. Nach einem Jahr war aber Schluss: Eric zweifelte daran, ob wir weiterhin auch den Samstagstermin haben sollten. Nachdem er die Sendung angeblich angehört hatte, zog er uns den Stecker und uns blieb nur Freitag. Mir kam es wie eine billige Ausrede vor.
Geschenk für die Show: Justin
Im Sommer 2008 stieß auch Justin, ein aus Taiwan stammender Student, zu uns. Er sollte die Show nach und nach übernehmen, als ich mich zunehmend demotiviert und durch den Busfahrerjob auch anderweitig eingespannt langsam zurückzog. Für die Show war er ein Glücksfall. Nicht weil daraus plötzlich eine durchorganisierte durchweg hörenswerte Sendung geworden wäre. Er schaffte es auf bewundernswerte Weise, die Show mit wenigen Neurekrutierungen über Jahre am Laufen zu erhalten.
Das Ende
Ich machte irgendwann im Jahr 2009 eine letzte Sendung und verfolgte deren Geschicke nur noch sporadisch. Am Herzen lag sie mir aber immer irgendwie. Als ich dieses Frühjahr an Freitagabenden einen Kraulschwimmkurs hatte, nutzte ich die Gelegenheit, wieder einmal vorbeizuschauen. Ich war einmal Gast zum Thema „Laufen“ und machte sogar noch einmal eigene Shows. Die letzte war der Versuch, ein Revival zu machen: Constantinos und Mohammed kamen ins Studio. Vaggos musste krankheitsbedingt wegbleiben, und auch bei Remi klappte es leider nicht mit der geplanten Liveschalte per Skype.
Dennoch: ein würdiger Abschluss.
Wir waren ein letztes Mal im Studio vereint, bedienten ungelenk und eingerostet die Regler. Irgendwie passend, dass nicht lange danach die Show auch ihr Ende finden würde. Ich hatte gedacht, dass einen schönen Tages auch der letzte verbliebene Student von dannen ziehen und die Show nach einem Sommer einfach nicht zurückkehren würde.
Doch letzten Endes wurde sie nicht Opfer der widrigen Umstände. Nicht der Exodus der Crew beendete die Show, nicht die unbequemen Rahmenbedingungen von oben. Die Show überlebte den Sender, nicht umgekehrt. Auf der Facebook-Seite heißt es zwar, die Zukunft des Studios sei noch unklar, aber meines Wissen will die Studentenvereinigung ihre Räume zurück, und die Alternative wäre eine Abkehr von UKW und ein noch kleineres Studio.
Die Hello Everybody Show geht nach mindestens 8 Jahren On Air in die ewigen Jagdgründe des Äthers. 33 Jahre THSRadio gehen wohl gleichzeitig zu Ende, fast die Hälfte davon unter dem jetzigen Programmchef. Für die Show ist es der denkbar würdigste Radiosendungstod.
Danke, Hello Everybody, für tolle Jahre, in denen sogar ich einmal „richtiges“ Radio machen durfte. Danke für tolle Leute, für schönen Erlebnisse und spannende Gäste. Ich möchte nichts davon missen.
Die Hello Everybody Show geht diesen Freitag um 22 Uhr zum letzten Mal auf Sendung. Wer es anhören möchte, kann dies in Stockholm auf 95.3 MHz tun. Im Internet kann man es auf thsradio.se oder narradio.se hören. Ich selbst werde voraussichtlich bestenfalls per Telefon dabei sein.