Mitten im Auswandererguide bekam ich Lust, die Seite einmal wieder mit einem neuen Design zu versehen. Das vorige Design bot einfach schlechte Lesbarkeit und die Markierungsmöglichkeiten waren eingeschränkt. Obwohl der Sommer noch nicht vorbei ist, habe ich mich schon einmal für ein Herbstthema entschieden, das man nachher hoffentlich auch noch schön zu einem Winterthema umwandeln kann. Weiterhin gibt es rechts die anscheinend bei WordPress sehr beliebte „Category Cloud“. Der Countdown ist rausgeflogen, weil er eigentlich nicht wirklich einen Sinn hatte. Ich werde noch ein paar weitere interessante Erweiterungen testen.
Autor: Fabian
Auswandererguide Teil V – Der Wohnungssuche vierter Teil: Andra Hand
Zum Thema Wohnungssuche habe ich mittlerweile das englischsprachige Stockholm Accommodation Wiki gestartet. Dieses soll Informationen besser sammeln und strukturieren, als es der Auswandererguide kann. Die Adresse: http://stockholmaccommodation.wikia.com
Lieber Leser, sie haben die rechtlich abgesicherte Zone von Bostadsrätt und Hyresrätt verlassen und befinden sich nun im Niemandsland. Hier weiß man nie genau, woran man ist, und es regiert der Kapitalismus. Es hat auch einen Namen: es heißt Andra Hand.
„Andra Hand“ bedeutet nichts anderes als „zweite Hand“. Gemeint sind Untervermietungen – konkret also die Anmietung einer Wohnung bei jemandem, der selbst nur Mieter oder Inhaber des Bostadsrätts ist. Man steht also nicht direkt mit dem Hauseigentümer – üblicherweise eine gemeinnützige Wohnungsgesellschaft – in Kontakt.
Wie es zu einer Untervermietung kommt, hat unterschiedliche Gründe. Denkbare Szenarien sind:
- Der Mieter oder Bostadsrättsinhaber geht für eine Zeit lang ins Ausland oder andere Teile Schwedens.
- Der Mieter oder Bostadsrättsinhaber steht vor einem größeren Umbruch im Leben (Zusammenzug mit dem Partner, Erwerb eines Hauses) und will sich nicht ohne „Sicherheitsnetz“ in die neue Situation begeben. Es gibt dafür sogar ein Wort: „provsambo„, was übersetzt ungefähr „Probezusammenwohnen“ heißt.
- Wegen schwerer Krankheit eines Familienmitglieds will der Bewohner vorübergehend ausziehen, um den Verwandten pflegen zu können. Auch wenn man selbst krank wird oder aus Altersgründen umziehen muss, ist eine Untervermietung möglich.
- Der Mieter, der oft jahrelange Wartezeiten aufbringen musste, um einen Mietvertrag zu ergattern, will die Wohnung nicht aufgeben, da sonst die Wartezeit unwiederbringlich verloren wäre. Stattdessen vermietet er die Wohnung unter, auch um sie später für eine eventuelle Eigennutzung zur Verfügung zu haben. Da es sich durchaus um jahrzehntelange Zustände handeln kann, ist sogar eine spätere Nutzung für die eigenen Kinder denkbar.
- Ähnliche Motive dürften auch zahlreiche Inhaber eines Bostadsrätts antreiben. Da die Preise für Wohnungen permanent steigen, kann es sehr lohnend sein, einfach die weitere Preisentwicklung abzuwarten und dann zu verkaufen, wenn es sich lohnt. Die Mieter können derweil die anfallenden monatlichen Kosten tragen. Eventuell benötigt man ja auch die Wohnung vielleicht irgendwann selbst noch einmal.
Wer sich die beiden vorangegangenen Teile durchgelesen hat, weiß, dass nur die ersten drei Szenarien zulässig sind. Eine Untervermietung ist nämlich nur dann vertragskonform, wenn die Wohnungsgesellschaft zustimmt. Diese Zustimmung wird aber in der Regel nur erteilt, wenn es gute Gründe hierfür gibt und diese beinhalten, dass mit einer Rückkehr zu rechnen ist. So kann es auch zu einer mehrjährigen Untervermietung kommen. Irgendwann wird die Gesellschaft dann dazu drängen, entweder wieder einzuziehen oder den Zustand zu beenden. Dies bedeutet eine Kündigung des Mietvertrags oder der Verkauf des Bostadrätts, welcher ggf. auch zwangsweise eingeleitet werden kann.
Eine solche vertragskonforme vorübergehende Untervermietung ist für den Untermieter in spe also an bestimmte Bedingungen geknüpft, an denen auch der Vermieter nichts mehr ändern kann.
- Die Mietzeit ist begrenzt, häufig auf ein Jahr oder weniger. Dieser Umstand macht vor allem junge Menschen in den Großstädten zu Nomaden, die mindestens einmal im Jahr umziehen müssen.
- Die Wohnung ist unter Umständen schon möbliert, was eine individuelle Einrichtung kaum möglich macht. Man wird sich hierbei auch kaum heimisch fühlen. Der Vermieter darf für die Möbel auch einen Aufschlag auf die Miete erheben, der allerdings auf 10 bis 15 Prozent der Grundmiete beschränkt ist.
- Diese Grundmiete darf ebenfalls nicht beliebig festgesetzt werden. Der Preis muss sich an vergleichbaren Mietwohnungen orientieren.
Unter dem Strich kommt also für den Bostadsrättinhaber ein Gewinn heraus, der sich allerdings in einem recht begrenzten Rahmen bewegt. Der Mieter auf der anderen Seite hat zumindest für einen gewissen Zeitraum eine einigermaßen gesicherte Unterkunft und bezahlt eine marktübliche Miete.
Bei einer vertragswidrigen Untervermietung, also ohne Zustimmung der Gesellschaft, kann es zur Kündigung des Mietvertrags bzw. dem Zwangsverkauf des Bostadsrätt kommen. Beides geschieht zwar mit Kündigungsfristen, macht die Situation des Untermieters nicht unbedingt leichter, da dieser dann ganz schnell etwas neues finden muss.
Wie man sich denken kann, findet diese Art der Vermietung unter etwas eigenwilligen Umständen statt:
- Offiziell sind die Bewohner nur sogenannte Inneboende (vielleicht „darin wohnende“), d.h. sie leben in einer Art Wohngemeinschaft mit dem eigentlichen Bewohner – mit der Besonderheit, dass dieser in Wirklichkeit nie zuhause ist. Daher ist man nach außen hin auch nur einer von mehreren in der Wohnung, so dass die eigene Adresse lautet „Eigener Name, c/o Vermieter“. In vielen Andrahandswohnungen steht der Name des Untermieters erst gar nicht an der Tür, um noch unverdächtiger zu wirken.
- Da wenn überhaupt nur ein formloser Mietvertrag besteht, ist man natürlich auf den guten Willen des Vemieters angewiesen. Will dieser seine Wohnung zurück, kann man dagegen kaum etwas tun.
- Zwar wird der Vermieter etwas vorsichtig sein mit überzogenen Mietforderungen, da er sonst den Unmut des Mieters auf sich zieht, der ihn wiederum auffliegen lassen könnte. Jedoch wird ein Aufschlag immer drin sein. Die ganze Sache soll sich ja auch irgendwo lohnen.
- Gerüchteweise kann man sich als Untermieter auch an die Wohngesellschaft wenden. Die würde einem dann einen richtigen Mietvertrag anbieten, um den Zustand der wenig erwünschten Untervermietung zu beenden. Ob da etwas dran ist und wo die Risiken sind, ist mir aber nicht bekannt.
Es ist also festzustellen, dass beide Formen der Untervermietung schon akzeptabel, aber mit Risiken behaftet sind und meist nur als mittelfristige Lösung herhalten können. Soweit ich es beurteilen kann, ist das auch genau die Nutzungsart, für die sie eingesetzt werden: um vorübergehend eine Wohnung zu haben, bis man irgendwann auf ein Hyres- oder Bostadsrätt umsteigen kann.
Bei der ganzen Sache sollte man aber auch erwähnen, dass die Wohnungsgesellschaften sich nicht sonderlich dafür einsetzen, Untervermietungen zu verhindern. Zwar gibt es schon Kontrollen, aber angesichts der Tatsache, dass in Schweden die Einwohnermeldedaten für jedermann öffentlich zugänglich sind, bleiben sie recht inaktiv. Hinzu kommt, dass die Webseiten der Kommunen sogar selbst auf bekannte Andra-Hand-Vermittlungen hinweisen, obwohl sie selbst nur zu gut wissen, dass viele Wohnungen dort gegen die Regeln der eigenen kommunalen Wohnungsbaugesellschaft vermietet werden.
Naturgemäß ist dieser Teil des Wohnungsmarkts erheblich versteckter, so dass meine Eindrücke hier täuschen können. Zum Einen werden viele Wohnungen an Bekannte und Verwandte vermietet. Wenn man eine Wohnung vermieten möchte, sucht man natürlich erst unter den Leuten, die man schon kennt. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass man einen vertrauenswürdigen Untermieter haben möchte. Ein weiterer Grund ist außerdem, dass man Mietgewinne als Einkommen angeben müsste, was viele natürlich nicht wollen.
Die Vermittlung findet heutzutage meist über das Internet statt. Hierzu gibt es einige Seiten, die mal mehr, mal weniger Erfolg versprechen. Hier eine Liste derer, die ich kenne – man möge mir bitte nachsehen, dass ich keine eigenen Erfahrungen mit solchen Portalen habe:
- Blocket: Bis heute ist mir ein Rätsel, wieso dieses graphisch und bedienungsmäßig eher bescheiden daher kommende Portal so erfolgreich ist in Schweden, während Ebay bzw. dessen schwedischer Ableger tradera.com kaum populär sind. Es handelt sich im Wesentlichen um einen Anzeigenmarkt, der online steht. Unter anderen Dingen gibt es auch Wohnungen, die man mieten kann. Man merkt allerdings schon die Marktmacht, denn dort gibt es auch Wohnungen für 10000 kr im Monat. Diese Preise werden in der Bostadskö unter normalen Umständen nicht oder nur bei sehr großen Wohnungen erreicht. Ich kenne jemanden, der hierüber eine nette Wohnung gefunden hat.
- Andrahand.se: Das offensichtlichste Portal – ich habe keinerlei Erfahrungswerte damit.
- bovision.se: ein bei einigen kommunalen Websites verlinktes Portal.
- hyralya.se
- Hyrestorget
- BoPunkten
- Hemnet.se
- BostadsPorten
- Bostaddirekt: eine Webseite mit einer kleinen Besonderheit. Der Zugang zum System kostet Geld und gilt auch nur zeitlich beschränkt. Dies hat den Vorteil, dass Suchende und Anbieter ein relativ kleiner Club sind, die es aber auch alle ernst meinen. Man bezahlt 695 kr für einen Zugang für Stockholm bzw. 295 kr für den Rest des Landes. Ich kannte einmal einen Amerikaner, der auf diesem Wege schnell fündig wurde.
- easyroommate.com: es handelt sich hierbei zwar in erster Linie um eine Zimmervermittlung, aber als ich dort angemeldet war, bekam ich relativ schnell ein paar Zimmerangebote. Man kann also schon von einer positiven Erfahrung sprechen.
- Der Anzeigenmarkt der Stockholmer Universität: vor allem für Studenten, aber auch für viele andere interessant sind die dort angebotenen Untervermietungen.
Das sind höchstwahrscheinlich längst nicht alle Portale, die es gibt, aber zumindest einmal ein Anfang für Wohnungssuchende.
Eine Wohnform ist bislang hier noch nicht angesprochen worden: Eigenheime. Auch diese kann man mieten, aber nur vereinzelt. Soweit ich das sehen kann, ist das sogar legal, da man das Haus ja auch wirklich selbst besitzt. Auf dem Markt gibt es davon aber nicht übermäßig viele, und billig dürfte es auch nicht sein. Zudem dürfte die Zahl der unbefristet zu vermietenden Häuser recht gering sein. Ich kenne allerdings eine Gruppe Isländer, die einige Zeit ein tolles Haus gemietet hatten – allerdings sind Isländer, was die allgemeinen Kosten angeht, von Haus aus erheblich toleranter.
Zurück zu den Wohnungen. Andra Hand ist also etwas für jemanden:
- der sich dem Stress aussetzen kann und will, bei jeder Annonce nach Möglichkeit der erste zu sein, der anruft und somit die besten Chancen hat.
- der bereit ist, zu akzeptieren, dass er halb-anonym in der Wohnung lebt und sie eventuell nicht anders einrichten darf.
- der bei Bedarf auch schnell die Wohnungssuche neu startet und umzieht.
Wer sich dem aussetzen möchte, kann hier fündig werden. Etwas beständiges wird man aber nur bei Bostadsrättern und Hyresrättern finden.
Ein Aspekt, der auch in vielen Andrahandsportalen abgedeckt wird, habe ich noch nicht angesprochen: bostadsbyte. Dazu gibt es mehr im nächsten Teil.
Auswandererguide Teil IV – Der Wohnungssuche dritter Teil: Bostadsrätt
Zum Thema Wohnungssuche habe ich mittlerweile das englischsprachige Stockholm Accommodation Wiki gestartet. Dieses soll Informationen besser sammeln und strukturieren, als es der Auswandererguide kann. Die Adresse: http://stockholmaccommodation.wikia.com
Home sweet home – wäre es nicht schön, einfach die eigenen vier Wände zu besitzen? Man kann die Wände bemalen, Kinder großziehen, und wenn die Decke herunterkommt, kann einem das keiner verbieten – es ist schließlich die eigene Decke!
Den Käufer einer Eigentumswohnung werden solche romantisierten Gedankengänge selten bewegen, doch ist es in Deutschland zumindest möglich, wirklich ein solches Objekt zu erwerben. In Schweden geht das nämlich nicht.
Eine Eigentumswohnung ist in Deutschland wirklich ein Teil der Summe Immobilie plus Grundstück. Wer eine besitzt, erwirbt nicht nur die dazugehörigen Räume, sondern eben auch einen Teil aller anderen Bereiche des Hauses wie des Kellers, der Garage und des Gartens. Das ist zwar grob vereinfacht und ein Immobilienexperte könnte darüber sicher ein zweitägiges Seminar veranstalten, aber für die Zwecke hier sollte das ausreichen.
Hier in Schweden gibt es hingegen nur das „Bostadsrätt“ (Wohnrecht). Es handelt sich dabei um das exklusive Nutzungsrecht an einer Wohnung, das man dabei erwirbt. Es gehören einem dabei aber weder die Wände noch sonst irgendein Teil des Hauses. Vielmehr ist es so, dass man Mitglied einer Genossenschaft wird, die wiederum als Ganzes das Haus besitzt. Die Genossenschaft erstreckt sich dabei aber meist eben nicht auf das eine Haus, sondern auf ein ganzes Wohngebiet. Man wird also zu einer Stimme von vielen, was die effektiven Einflussmöglichkeiten auf die Instandhaltung, Sanierung oder gar Ausbau des eigenen Wohnhauses klar limitiert.
Auch hat man nicht die gleichen Freiheiten wie in einer Eigentumswohnung. Bei Renovierungen ist man eingeschränkt und v.a. kann man auch nicht über die Verwendung frei entscheiden. Kauft man sich die Wohnung wie in Deutschland nicht unüblich als eine Kapitalanlage, um dann durch Vermietung ein stetiges Einkommen zu haben, ist dies beim Bostadsrätt nur möglich, wenn der Vorstand der Genossenschaft zustimmt. Diese Zustimmung wiederum wird in der Regel nur erteilt, wenn eine Begründung gegeben werden kann, dass der Zustand vorübergehend ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn man für einige Zeit ins Ausland geht oder beschließt, mit einem Lebenspartner zusammenziehen, aber bei unerwartetem Zoff immer noch einen Rückzieher machen kann. Dieser Umstand ist auch ein Grund, wieso viele Vermietungen auf sehr fragilem Boden stattfinden (dazu mehr im Teil über Andra Hand). Bei Vertragsverstoß kann übrigens auch ein Zwangsverkauf des Bostadsrätts erfolgen.
Dies ist auch der Fall, wenn man die sogenannte „Abgabe“ („Avgift“) nicht bezahlt. Es handelt sich dabei um eine monatliche Gebühr, die nicht selten fast genauso hoch ist wie die Miete für ein vergleichbares Objekt. Als Beispiel habe ich einmal nach einer 80 m² großen 3-Zimmer-Wohnung in der Stockholmer Trabantenstadt Tensta oder einer der anderen umliegenden Stadtteile gesucht.
Heraus kam, dass man als Inhaber eines solchen Bostadsrätts eine Abgabe zwischen 3800 kr und 4100 kr monatlich bezahlen muss. Eine vergleichbare Mietwohnung dürfte bei 5900 kr bis 6900 kr liegen. Natürlich sind dies nur Momentaufnahmen ohne repräsentativen Wert. Die Dimensionen stimmen aber ungefähr: die Abgabe ist nicht viel billiger als die Miete.
Wohin diese Abgabe letztendlich fließt, bleibt für mich ein Mysterium. So wahnsinnig toll sehen die meisten Wohnhäuser von außen (und auch innen) nämlich selten aus, als dass man vermuten müsste, dass hier regelmäßig erhebliche Summen investiert würden. Das Hausmeistergehalt kann auch nicht der Grund sein, denn dann müsste ein Hausmeister, der 20 Wohnungen betreut, ein reicher Mann sein – was er eben nicht ist. Da die Wohnungsgesellschaft ja meist gemeinnützig und auf Genossenschaftsbasis funktioniert, gibt es im Hintergrund wohl auch keinen superreichen Investor, der sich mit der Ausbeutung der Bewohner eine goldene Nase verdient. Als letzte Erklärung bleibt mir nur noch, dass das Geld von der Genossenschaft in den Bau neuer Häuser investiert wird, um anderen ganz solidarisch eine günstige Wohnung anbieten zu können.
Diese Mutmaßung hinkt aber gleich doppelt, denn würden ausreichend viele Wohnungen gebaut, gäbe es keinen Wohnungsmangel in Großstädten. Außerdem sind Bostadsrätter auch alles andere als preisgünstig. Die oben erwähnte Beispielswohnung würde laut Liste 550.000 kr bis 650.000 kr kosten, was mir auf Anhieb ja noch einigermaßen akzeptabel erscheint. Im benachbarten Kista sind es schon rund 200.000 kr mehr. Diese Preise sind ohne Bezug zur Realität, denn die Vergabe des Bostadsrätts läuft eigentlich wie eine Auktion ab – wer bereit ist, am meisten zu bezahlen, kriegt den Zuschlag. Dabei entstehen gewaltige Preissteigerungen. Ich bin zwar kein Spezialist, aber ich nehme an, eine Wohnung mit Listenpreis 550.000 kr wird nicht unter 750.000 kr verkauft werden. Man sollte anmerken, dass dieser Preis wohl ein klarer Indikator für einen ziemlichen Ladenhüter ist. Auch ohne große Marktkenntnis weiß ich, dass man unter einer Million eigentlich keine vernünftige Wohnung bekommt. Richtig schockierend wird es aber erst, wenn man die Preise der Wohnungen anschaut, die von April bis Juni 2007 in Stockholm verkauft wurden. Die Statistik weist für diesen Zeitraum einen Preis von 42501 kr pro m² aus – eine 80 m²-Wohnung würde also folglich rund 3,4 Mio. kr kosten. Man bedenke, dass es sich dabei um den Durchschnitt handelt. Es gibt also Ecken, wo es deutlich billiger geht (eben Tensta usw.), aber auch Ecken, wo es deutlich teurer ist. Am Strandvägen, eine von Stockholms nobelsten Straßen am Strand Richtung Djurgården, dürfte man für eine Million bestenfalls ein Wohnklo bekommen – wenn überhaupt.
Zwar drucken allerlei Zeitungen immer wieder irgendwelche Statistiken und bunte Karten ab, die zeigen sollen, wo die Preise am meisten sinken bzw. steigen. Dennoch ist in den Langzeittrends klar festzustellen, dass die Preise trotz vorübergehender Schwankungen eigentlich nur eine Richtung kennen: nach oben, und zwar steil.
Diese Zehnjahresübersicht für Großstockholm benutzt zwar Maßeinheiten, die ich nur bedingt nachvollziehen kann – vermutlich handelt es sich um den Kaufpreis in Relation zu dem fixierten Mietpreis. Der Aussage ist aber eindeutig: die Preise haben sich in den letzten zehn Jahren vervielfacht.
Die Vermittlung von Bostadsrättern findet übrigens gemeinhin über Makler statt, die natürlich ihr Geld damit verdienen wollen. Und nicht alle Vertreter dieser Berufsgruppe sind grundehrlich.
Warum werden also Bostadsrätter für teures Geld gekauft, wenn Mietwohnungen kaum teurer sind und zudem keine vorherige Einlage im Millionenbereich erfordern?
Ich sehe hierfür drei Hauptgründe.
Der erste ist die Verfügbarkeit. Wie in der vorigen Folge erklärt, sind Mietwohnungen nur schwer zu bekommen. Ein Bostadsrätt hingegen kann man immer erwerben, sofern man genügend Geld in die Hand nehmen kann und will. Der Marktdruck, der sich bei den Hyresrättern wegen künstlich niedrig gehaltener Mieten nur in Form von langen Wartezeiten äußert, entlädt sich mit voller Wucht bei den Bostadsrättern. Die dadurch resultierenden Preise sind dann ein Nebeneffekt, der in Kauf genommen wird.
Der zweite Grund ist auch derjenige, warum man diese Nebeneffekte überhaupt in Kauf nehmen kann. Die Banken bieten nämlich günstige Kredite an, bei denen die Wohnung schon einmal als Sicherheit mit einbezogen wird. Auf den Wohnungswert wird dann ein geringerer Zinssatz erhoben und auf den Rest ein etwas höherer. Zwar kenne ich mich mit Krediten nicht aus, aber Zinssätze zwischen 4 und 6% erscheinen mir nicht als hoch. Beim Onlinewohnungskreditrechner der SEB kann man sich über die zu erwartenden Kosten informieren. Ich hab einmal als Beispiel eben jene Wohnung aus Tensta einngegeben und angenommen, dass diese 800.000 kr Kaufpreis gekostet hat und nun ab sofort mit 4000 kr Abgabe im Monat zu Buche schlägt. Es ergibt sich folgendes:
- optimalerweise sollte man demnach 80.000 kr aus Eigenkapital einbringen. Es bleiben also 720.000 kr, die über einen Kredit finanziert werden müssen.
- Als „Bottenlån“ (vielleicht Grundkredit oder so) erhält man von der Bank 680.000 kr zum Zinssatz von 4,19 %.
- Die restlichen 40.000 kr werden mit einem sogenannten „Topplån“ (vielleicht Zusatzkredit) dazugegeben und mit 6,19 % verzinst. Dieser Kreditteil soll in 15 Jahren zurückgezahlt werden.
Monatlich wäre dann folgendes zu bezahlen:
- 2580 kr an Zins für die beiden Kreditteile
- 222 kr für die Tilgung des Topplån
- 4000 kr für die Abgabe
- -774 kr von der Steuer, weil es hierfür wohl Steuervorteile gibt.
Alles in allem sind das 6028 kr.
Diese Zahl dürfte einem auch die Absurdität des Systems aufzeigen: ergattert man nach langer Wartezeit einen Mietvertrag, zahlt man rund 6000 kr im Monat und hat nachher nichts außer einem Monat in der Wohnung. Kauft man hingegen ohne Wartezeit das Bostadsrätt, bringt man statt Wartezeit Eigenkapital ein und zahlt dann ungefähr dasselbe wie zur Miete. Allerdings hat man dann zusätzlich noch einen großen Sachwert, den man weiterverkaufen könnte.
Wenn ich richtig aufgepasst habe, kommt auch noch etwas weiteres hinzu: den Topplån tilgt man zwar innerhalb einer angegebenen Zeit, aber den Bottenlån nicht. Man kann der Bank also immer etwas schuldig bleiben und zahlt einfach nur die Zinsen. Im übertragenen Sinne zahlt man also die Miete an die Bank. Wenn man sich reinhängt, kann man freilich auch schneller zurückzahlen und sich dann im fortgeschrittenen Zustand der Tilgung kleinerer monatlicher Belastungen erfreuen, wenn der Bottenlån auch dahinschmilzt.
Kann man von vorneherein mehr Eigenkapital mitbringen, ist die Aufnahme eines Topplån erst gar nicht nötig. Dann zahlt man die Miete in Form eines immer gleich bleibenden Bottenlåns.
Aus dem allen ergibt sich auch der dritte Grund: wenn man ständig steigende Wohnungspreise hat, kann man sein Bostadsrätt jederzeit mit Gewinn weiterverkaufen. Das für 800.000 kr eingekaufte Bostadsrätt ist also vielleicht schon bald bei der Millionengrenze angelangt. Verkauft man die Wohnung dann, kann man den Bottenlån nicht nur zurückzahlen, sondern hat auch einen satten Gewinn eingestrichen, sofern man die bislang geleisteten Tilgungs- und Zinszahlungen als Miete betrachtet und nicht einrechnet. Dieser Gewinn wiederum kann als Anzahlung für eine besser, größere und schönere Wohnung dienen. Kurz gesagt ist ein Bostadsrätt eine prima Geldanlage, selbst wenn man es nur auf Pump kauft.
Dieses System kann aber nur so lange funktionieren, so lange es genügend Interessenten gibt, die bereit sind, derart hohe Preise zu bezahlen. Daher gibt es Spekulationen darüber, dass dieser Markt irgendwann einen großen Crash erleben wird. Dass das in der nahen Zukunft geschieht, wage ich aber insofern zu bezweifeln, als dass die Einwohnerzahl Stockholms stetig steigt und es schon immer einen gewissen Wohnungsmangel gab. Die Blase kann aber nur platzen, wenn es plötzlich Wohnungen geben sollte, für die es keine potenziellen Käufer gibt. Dass die Leute aus Protest gegen die Preistreiberei wegziehen, ist unwahrscheinlich. Auch dass weniger gut situierte Einwohner nicht mehr in der Lage wären, eine Wohnung zu erwerben, ist bislang anscheinend noch nicht der Fall. Solange die Kosten aber schneller steigen als die Mieten, ist der Kollaps irgendwann nicht mehr abzuwenden und das Ziel der Sozialdemokraten, durch sozialen Wohnungsabbau allen Menschen eine erschwingliche Wohnung bieten zu können, ist endgültig gescheitert. Schon jetzt ist es ja so, dass der Kauf einer Wohnung in Innenstadtnähe oder gar in der Innenstadt für einen Normalverdiener eine Lebensaufgabe darstellt.
Die Einführung von echten Eigentumswohnungen ist übrigens eine Idee, die auch von der jetzigen bürgerlichen Regierung in den Raum geworfen wurde. Wie schon beim Hyresrätt erwähnt, ist die Regierung nicht glücklich mit dem jetzigen System. Eigentumswohnung heißt meines Wissens „Ägarrätt“ (Besitzerrecht) – woher ich das aufgeschnappt habe, weiß ich allerdings nicht mehr. Der Begriff ergibt im Moment gerade einmal 143 Treffer bei Google. Entweder habe ich also den falschen Begriff oder das Thema spielt bislang einfach keine Rolle. Wie bei den bürgerlichen Parteien typisch würde man aber wohl am liebsten einfach den Turbokapitalismus regieren lassen, was natürlich auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann.
Eine Maßnahme, die die Borgarna („die Bürger“), wie man die Parteien üblicherweise nennt, schon angestoßen haben, ist die Umwandlung von Hyresrättern in Bostadsrätter. Seit 1. April 2007 ist ein Gesetz aufgehoben, das den Gemeinden verbot, ihre gemeinnützigen Wohnungen zu verkaufen. Daher beginnt an vielen Orten im Lande nun ein Prozess, eine solche Umwandlung vorzunehmen. Die Preise sind hierbei meines Wissens nicht unattraktiv, da es ja für einen Mieter möglich sein muss, mit einem Kredit die Wohnung zu einem annähernd gleichen monatlichen Preis behalten zu können.
Dies wurde von meinen Genossen und zahlreichen anderen Beobachten mit Grauen verfolgt. Die Befürchtung ist, man würde dem Mietmarkt endgültig das Wasser abgraben und die Wohnungspreise würden weiter steigen. Die Logik von letzterem kann ich zwar bislang nicht nachvollziehen, aber das erste Argument stimmt. Allerdings ist es fraglich, ob der Effekt wirklich so groß sein wird, denn zahlreiche dieser Wohnungen waren schon seit Jahrzehnten in der Hand eines bestimmten Mieters. Wenn dieser nun die Wohnung kauft, hat sich am realen Zustand eigentlich nichts geändert.
Hier eine kleine Zusammenfassung, was man für eine Wohnung per Bostadsrätt haben sollte:
- Etwas Anzahlungskapital – ohne das wird der Kredit deutlich teurer.
- Ein stetiges Einkommen, am besten als Doppelverdiener. Bei der obigen Kreditdiskussion wurde natürlich implizit vorausgesetzt, dass man die Bank davon überzeugen kann, dass man die Belastungen des Kredits auch tragen kann. Ein Bürge kann hier auch viel helfen.
- Intensive Marktbeobachtungen, Verhandlungsgeschick und eine gewisse Abgebrühtheit.
- Einen guten Makler, der einem auch dann hilft, wenn der vorige Punkt nicht ganz erfüllt sein sollte
Diese Wohnform ist also vor allem für Einwanderer interessant, die schon mit einer festen Jobzusage hierher kommen und sich ziemlich sicher sind, lange in Schweden leben zu wollen. Für ein Schnupperjahr in Schweden einen Wohnungskredit aufzunehmen dürfte wohl kaum zu empfehlen sein.
Zum Schluss ein kleines Kuriosum: die Seite bidster.com verkaufte letzten Winter eine 27-m²-Wohnung in Stockholms teuerstem Stadtteil Östermalm für 5383 kr – der Wert des Objekts betrug ca. eine Million. Der Grund hierfür lag allerdings im Konzept der Webseite: das Abgeben eines Gebots kostet eine Gebühr (15 bis 20 kr). Wer am Schluss das niedrigste eindeutige Gebot abgegeben hat, erhält den Zuschlag. Eindeutig heißt in dem Fall, dass keine andere Person ein Gebot gleicher Höhe abgegeben haben darf. In dem Falle waren alle Gebote im Bereich von 1 kr bis 5382 kr von mehreren Personen abgegeben worden. Also erhielt der Bieter von 5383 kr den Zuschlag. Wer sich nun fragt, woher das ganze restliche Geld kam, um den Marktwert zu erreichen: die Gebotsgebühren all derjenigen, die nicht erfolgreich waren, decken das ab.
Woanders würde man das Lotterie nennen.
Auswandererguide Teil I – Die schwedische Sprache
In letzter Zeit wurde mir vermehrt von Reality-TV-Serien berichtet, wo grenzdebile Deutsche dabei gefilmt werden, wie sie mit idiotischen Ideen bestückt und logistisch schlecht vorbereitet auswandern, um dann festzustellen, dass die ganze Aktion ein totaler Griff ins Klo war und sich selbst gebastelte Sonnenhüte am Nordkap doch nicht so gut verkaufen.
Meist scheitert das ganze Vorhaben aber an der offensichtlichsten Hürde: der Sprache.
Braucht man wirklich schwedisch zu lernen, um in Schweden zu leben? Die Antwort ist ein klares Jein. Ich kenne zahlreiche ausländische Studenten, die ein Jahr (und mehr) in Schweden leben, ohne über Begrüßungs- und Dankesfloskeln herauszukommen. Gerade in Stockholm wird schon bei ersten Anzeichen des Unverstehens sofort Englisch angeboten. Dass Englisch als Option nicht offen stand, ist mir bislang auch nur wenige Male untergekommen. Laut Wikipedia sprechen 80% der Schweden Englisch und über 20% Deutsch. Wie gut die Sprachkenntnisse sind, geht daraus nicht hervor, aber im Allgemeinen ist das Niveau zumindest im Englischen sehr hoch. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Filme hierzulande nicht durch Synchronisierung verstümmelt werden, sondern mit Untertiteln versehen in Originalsprache laufen.
Sicherlich ist man in Stockholm diesbezüglich an einem privilegierten Ort des Landes, denn nirgendwo sonst dürfte Vielfalt und Umfang der Einwanderergemeinde so groß sein wie hier. Dafür sorgen nicht zuletzt internationale Institutionen und zahlreiche Botschaften.
Ob man in anderen Landesteilen auch immer so leicht mit Englisch durchkommt, kann ich nur aus meinen touristischen Erfahrungen erzählen, und die sind fast durchweg genauso wie in Stockholm: wer Englisch kann, kann sich immer verständigen.
„Durchkommen“ ist also nicht das Problem. Man sollte sich allerdings ernsthaft fragen, ob man in einem Land leben will, ohne dessen Sprache zu sprechen. Man nutzt letzten Endes auch das Entgegenkommen der Schweden aus, wenn man sich selbst nicht bemüht, ihnen entgegen zu kommen.
Man wird auch gegen eine Wand laufen, wenn es um die essentiellen Dinge des Lebens im Ausland geht: für die Integration ist es unerlässlich, mit den Einheimischen in ihrer Sprache kommunizieren zu können, und ohne ausreichende Schwedischkenntnisse einen Job zu finden, mag vielleicht für einen hochqualifizierten Softwarespezialisten eine Option sein – für die große Mehrheit der Stellen trifft dies nicht zu.
Die Schweden sind übrigens meist erfreut, wenn man ihre Sprache spricht. Ganz anders als wir Deutschen, die in ungerechtfertigten Weltspracheallüren Deutschkenntnisse voraussetzen.
Lernen wollen und wirklich lernen sind aber immer noch zwei verschiedene Dinge. Jeder der oben erwähnten ausländischen Studenten hat nämlich einen Anfängerkurs gemacht. Eine Sprache zu lernen ist natürlich selten wirklich leicht – dennoch ist es bei Schwedisch zumindest aus deutscher Sicht ein Luxusproblem.
Die deutsche Sprache hat nämlich viele Spuren hinterlassen, so dass Ähnlichkeiten im Wortschatz haufenweise vorhanden sind. Auch Ähnlichkeiten in der Grammatik gibt es einige. Erleichternd kommt hinzu, dass die Grammatik allgemein leichter ist, da es nur zwei Genera gibt und im Allgemeinen nicht dekliniert wird. Lediglich, dass Adverbien ihre Form je nachdem verändern, ob sie zu einem Wort im Plural oder Singular gehören, und dass es statt Artikeln bestimmte Anhängsel an Wörter gibt, macht es etwas schwerer. Hinzu kommt eine ziemlich gnadenlose Rechtschreibung, die die Sache aber erheblich leichter macht als im Deutschen.
Aus meiner Sicht ist es vor allem die Aussprache, die problematisch ist: o wird oft zu u, u zu ü, k manchmal zu sch, g manchmal zu j und in Sachen Betonung geht es melodisch hoch und runter. Da ist man als Deutscher am ehesten noch im südschwedischen Skåne heimisch, wo der Dialekt so stark vom Dänischen beeinflusst ist, dass er sich zu guten Teilen nicht an die allgemeinen Regeln hält. Hat man sich jedoch irgendwann einmal ins Rikssvenska (Reichsschwedisch) hineingehört, dann tut sich mit dem Dialekt aus Skåne schwer, und Dänisch klingt nur noch nach einem seltsam betonten Kauderwelsch.
Ich für meinen Teil konnte nach Kursen in Deutschland schon nach einigen Wochen die sprachlich anspruchslosen U-Bahn-Zeitungen Stockholms einigermaßen lesen. Heute sind es freilich Bücher und allerlei Zeitungen. Aktives Sprechen fällt mir jedoch immer noch schwer, weil ich die allermeiste Zeit in einer nichtschwedischen Umgebung verbringe, so dass einfach das tägliche Training fehlt. Dies ist auch ein Grund, wieso ich diesen Sommer Bus fahre.
Sprachtalentierten mag es gelingen, schon im Vorfeld in Deutschland ein passables Schwedisch zu erlernen – für mich war das leider nicht möglich, gab mir aber einen guten Start. Uni- oder VHS-Kurse sind in jedem Fall empfehlenswert. Im Übrigen sind die Angebote hier häufig besser als man glauben mag. An der stark naturwissenschaftlich geprägten Uni Karlsruhe gab es zeitweise drei verschiedene Kurse zur Auswahl.
Wer sich wundert, wo man denn in Schweden dann weiterlernen kann:
- Sämtlichen Einwanderern steht „Svenska för invandrare“ (SFI) offen. Die Kurse sind meines Wissens kostenlos. Wie sich diese Kurse letztendlich zusammensetzen, weiß ich nicht – ich gehe aber davon aus, dass es weniger Europäer sind, sondern vor allem Menschen, die aus Krisenherden geflohen sind. Im Jahr 2006 war nämlich die größte Einwanderergruppe die der Iraker.
- Für Studenten bieten die Hochschule oft Kurse an. Bei Austauschstudenten ist es sogar zumeist so, dass Extrakurse im Sommer veranstaltet werden, damit jeder die Gelegenheit hat, an einem solchen teilzunehmen. Die KTH organisiert auch Tandems, d.h. Treffen mit Schweden, bei denen man sich die jeweils andere Sprache gegenseitig beibringt.
- Darüberhinaus gibt es kostenpflichtige Kurse, beispielsweise bei der Folkhögskola (Volkshochschule), aber auch bei anderen Organisationen.
- Eine weitere Option für die schon etwas fortgeschrittenen Lerner ist das sogenannte „komvux„. Dies ist die „kommunal vuxenutbildning“ (kommunale Erwachsenenbildung), die in Form eines Abendgymnasiums zur Verfügung steht. Dort gibt es Schwedischkurse, die letztendlich das Hochschullevel erreichen. Geht man diesen Weg und beabsichtigt, später etwas auf Schwedisch zu studieren, erspart man das Ablegen des TISUS-Tests, einem Schwedischtest, der die Befähigung zur Aufnahme eines Hochschulstudiums in Schwedisch bescheinigt.
Wie gut man die Sprache letztendlich lernt, hängt freilich von einem selbst ab.
Ein positiver Aspekt der schwedischen Sprache ist für mich auch, dass es wie oben schon erwähnt Dialekte gibt. Zwar stöhnen manche Leute auf, wenn sie einen bestimmten Dialekt hören, aber es dominiert die Toleranz. So hört man auch in Radio und Fernsehen oft die verschiedenen Dialekte, was auch vollkommen akzeptiert wird. Damit trägt man auch zur Erhaltung dieser Vielfalt bei. Dies ist für mich als Dialektsprecher sehr erfreulich, denn in Deutschland landet man als solcher automatisch in der Ecke der Provinziellen und Ungebildeten. Man stelle sich vor, die Tagesschau würde einmal auf sächsisch verlesen…
Fazit also: die Sprache zu können ist für manche Tätigkeiten kein Muss, aber in jedem Fall ein Soll. Beabsichtigt man, längere Zeit in Schweden zu bleiben, sollte man sich aber schon darum bemühen, da sonst eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft kaum denkbar ist und das Finden eines Jobs schwer wird. Die schwedische Sprache ist für deutsche Muttersprachler aber nicht so schwer, dass sie eine unüberwindbare Hürde wäre.
Der große Auswandererguide Schweden – ein Prolog
Genau vor 2 Jahren kam ich in Schweden an, aber erst in den letzten Tagen wurde mir bewusst, wieviel nützliches Wissen sich mit der Zeit angesammelt hat. So konnte ich einer deutschen Studentin, die sich anschickt, mit einem Haustier nach Stockholm zu kommen, zumindest eine Vorstellung davon geben, auf was sie sich einlässt.
Daher folgen nun in einigen Folgen die geballten Weisheiten darüber, wie man sich als Deutscher in diesem Land im Allgemeinen und in dessen Hauptstadt im Speziellen zurechtfindet.
Dieser Guide erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Er ist vielmehr eine Ansammlung nützlicher Informationen. Ich beabsichtige nicht, irgendeinen existierenden Guide zu übertreffen. Daher wird es wenige Details oder gar Tipps zur schwedischen Sprache geben. Auch werde ich nicht versuchen, die Schweden zu charakterisieren. Hingegen wird es vor allem darum gehen, eine Wohnung zu finden (oder vielmehr das schwedische System hierzu zu verstehen), der Bürokratie Herr zu werden und sich mit anderen nützlichen Dingen auszustatten.
Der Guide wird sich in erster Line natürlich an Deutsche richten, enthält aber auch einiges, was für Österreicher, Schweizer und so manchen anderen interessant sein dürfte.
Anmerkungen und Verbesserungen sind in jedem Falle ausdrücklich erwünscht.
Hier schonmal ein vorläufiger Plan:
- Die schwedische Sprache
- Der Wohnungssuche erster Teil: Studentbostad
- Der Wohnungssuche zweiter Teil: Hyresrätt
- Der Wohnungssuche dritter Teil: Bostadsrätt
- Der Wohnungssuche vierter Teil: Andra Hand
- Der Wohnungssuche fünfter Teil: ein eigenes Haus und Sonstiges auf dem Wohnungsmarkt
- Die Bürokratie: Anmelden, Ummelden oder über die Frage, ob und wie man offiziell auswandert
- Die Bürokratie: Personnummer oder die Eleganz, keinen Datenschutz zu haben und es trotzdem irgendwie gut zu finden
- Die Bürokratie: Legitimation oder die Macht des Ausweises
- Die Bürokratie: der Wohlfahrtsstaat oder wie einfach ein System mit leichten Schwächen funktioniert
- Die Bürokratie: das Auto oder die Frage, mit welchem Nummernschild man am liebsten fährt
- Wovon man lebt: Alkoholisches
- Wovon man lebt: Brot
- Wovon man lebt: Wurst
Wer also beabsichtigt, für längere Zeit nach Schweden zu gehen, wird hier hoffentlich das eine oder andere nützliche finden.
Vielleicht kann dies auch etwas dazu beitragen, mit typischen Vorstellungen über dieses Land aufzuräumen. Denn nicht alle Frauen in diesem Land sind blonde Göttinnen, und wer hier schon einmal den Sommer genossen hat, muss sich auch bewusst sein, dass dazu ein dunkler Winter mit zeitweise sehr kalten Temperaturen und oft mehreren Monaten Dauerschnee überstanden werden muss. Der Sozialstaat mag zwar mit exzellenter Kinderversorgung aufwarten, hat aber nicht unerhebliche Schwächen in der Gesundheitsversorgung. Für den bürgerlich-konservativ geprägten Deutschen mag Schweden auch befremdlich anmuten – hier ist es schon eine Niederlage für die Sozialdemokraten, wenn sie so wie in der letzten Wahl mit nur 10 Prozentpunkten Vorsprung gewinnen. Die allgemeine sozialdemokratische Grundeinstellung schlägt sich in allen Bereichen nieder: die Lohnschere ist bei weitem nicht so weit offen wie anderswo, bedeutet aber auch, dass bei hohen Steuern und Lebenshaltungskosten weniger zurückbleibt für andere Dinge. Dies ist nur eines von vielen Beispielen.
Wenn das alles nicht abschreckend wirken sollte, dem sage ich Varmt välkommen und hoffe, dass die nächsten Beitrage einigermaßen informativ sein werden.
Rette sich, wer kann
Mütter, passt auf eure Töchter auf – die Deutschen kommen!
Sie kommen in unglaublichen Massen und jagen der Bevölkerung Angstschauer über den Rücken…
So ähnlich kommt zumindest eine Geschichte in der U-Bahn-Zeitung Stockholm City vom letzten Freitag (ebenso in den Göteborger und Malmöer Schwesterblättern) daher, die Rainer entdeckt hat. Eine selbst für City-Verhältnisse extrem bescheuerte Überschrift hat man sich dann auch noch für die Zeitungsboxen ausgedacht, so dass man auch ja eine Ausgabe mitnimmt – dort wird geradezu ein Einfall der Deutschen suggeriert.
Im Text gibt man sich deutlich moderater. Der Grund für die Geschichte ist aber offensichtlich – der Redaktion ist wieder einmal überhaupt gar nichts eingefallen, und so bequatschte wohl ein Redakteur seine deutsche Bekannte, um daraus notdürftig eine Titelstory zu basteln.
Die vermeintliche Invasion der Deutschen mag im Bereich Tourismus ja noch stimmen – in der Altstadt wimmelt es in der Tat nur so. Eine allgemeine Wanderungsbewegung kann man aber nicht direkt attestieren. Laut dem statistischen Jahrbuch der Stadt Stockholm ist die Zahl der Deutschen von 1670 im Jahr 1990 auf 2153 im Jahr 2005 gestiegen. Das entspricht einem Anstieg von 13%. Damit sind gerade einmal 3,1 % der Ausländer in Stockholm Deutsche. Dieser Anteil ist zwar gestiegen, aber die Gruppe EU25 (also alle Mitgliedsländer bis einschließlich 2006) hat im gleichen Zeitraum einen Anstieg von rund 25% zu verzeichnen. Dazu sollte man auch nicht vernachlässigen, dass 405 der aktuell 2153 Teutonen schon in Schweden geboren wurden. Das werden also zumeist doppelte Staatsbürger sein.
Auch gehört Deutschland nicht zu den stärksten Herkunftsländern bei Einwanderern, die nach Schweden kommen. So stehen 1908 im Jahr 2006 eingewanderten Deutschen stolze 5922 eingewanderte Polen und 3764 eingewanderten Serben gegenüber. Von den Irakern gar nicht zu sprechen – hier sind es über 10000.
Die Story ist also einmal wieder nichts anderes als heiße Luft. Weder ist ein gewaltiger Anstieg zu erkennen, noch läuft Stockholm Gefahr, einer Germanisierung zum Opfer zu fallen.
Fast schon possierlich ist der Text der Geschichte. So erfährt man, dass die präsentierte Beispieldeutsche – Nicole Gläser ist ihr Name – frische Bratwurst vermisst und ihre Freunde damit erfreut hat, dass sie schon lebende Elche gesehen hat. Nächste Abfahrt Klischeestadt.
Die Sache mit der Bratwurst ist insofern seltsam, als dass Bratwurst gerade eines der wenigen deutschen Produkte ist, das man in jedem größeren Supermarkt erwerben kann. Über Qualität lässt sich natürlich streiten, aber immerhin ist es verfügbar. Zudem ist Bratwurst meiner Einschätzung auch nicht gerade ein Bestandteil der täglichen Ernährung, sondern eher im Bereich Imbiss und (Grill-)Fest anzusiedeln. Brot wäre da ein besseres Beispiel gewesen.
Bei meinen Recherchen habe ich übrigens eine interessante Entdeckung gemacht. In der Statistik wird auch gezeigt, welche Gemeinden in Stockholm und Umland am schnellsten wachsen. Zu meinem Erstaunen ist dies ausgerechnet Vaxholm, das Ferien- und Sommerdomizil für neureiche Städter. Am langsamsten wachsen hingegen Norrtälje und Upplands-Väsby. Das wiederum kann ich verstehen.
Erster Arbeitstag
Aus gegebenem Anlass verweise ich auf das Rückenwind Blog, wo ich außerhalb meiner normalen Rolle als Webmaster bei DASDING über meine Busfahrererlebnisse schreiben werde. Es wird in den nächsten Wochen also etwas parallel gebloggt.
Arbeiter- und Künstlerviertel
Der SPIEGEL hat heute offenbar einen Bericht über den „Kultautor“ Klas Östergren, der laut DN der beste Autor Schwedens sein soll. Mag sein.
Interessant fand ich jedenfall, dass Södermalm das „Arbeiter- und Künstlerviertel“ Stockholms sein soll. Ich würde sagen: Künstler vielleicht, aber Arbeiter wahrscheinlich nicht mehr. Zum Fertiglesen habe ich aber leider keine Zeit mehr – ich muss schon um 6 los.
Karlsruh‘
Ein kleiner Diskurs zum Thema Heimat von einem Landsmann:
Peter Antoine
Unbedarfterweise habe ich ja bislang angenommen, dass der von Media Markt seit längerem eingesetzte Werbeträger „Peter Antoine“ eine Kunstfigur ist, die einen Deutschen darstellen soll.
Nach einem Hinweis in den Kommentaren zu meinem letzten Beitrag habe ich doch noch einmal genauer nachgeschaut. Ich lag ziemlich daneben.
Durch quasi nichtexistenten Fernsehkonsum war mir beispielsweise nicht bewusst, dass Peter Antoine eine kleine Berühmtheit ist in Schweden. Eine Kunstfigur ist er auch nicht.
Der Mann ist Fußballtrainer. Nun mag man sich fragen, ob man von ihm trainiert werden will, aber eine seiner Stationen als Trainer war die „Assyriska Föreningen Södertälje„, ursprünglich ein Einwandererfußballverein, der es vor zwei Jahren sogar in die oberste Liga schaffte. Ich konnte auf die Schnelle nicht herausfinden, unter wessen Anleitung dieser Erfolg gelang, aber ich vermute einmal, dass es nicht Peter Antoine war.
Das alles hat ausgereicht, um ihn zum Fußballexperten bei TV4 und TV5 (in der Sendung „Tipsextra“) zu machen – ersteres ist sozusagen das RTL Schwedens. Dort gab er anscheinend Bewertungen und Prognosen zum europäischen Spitzenfußball zum besten. Wie es auch mit Jürgen Klopp war, war es wohl auch mit Peter Antoine: man hat ihn nicht eingeladen, weil er schon so wahnsinnig bekannt war, sondern er wurde erst durch seine Originalität richtig bekannt.
Für das sorgte wohl alleine schon sein Äußeres – Schnauzbart und getönte Brille sind in dem Fall wohl das Pendant zu Günter Netzers Haarpracht.
Viel mehr trug allerdings sein Redestil bei. Zum Einen klingt er wohl nicht richtig schwedisch, zum Anderen verwendet er inflationär viele Wörter, die man im Fernsehen eigentlich vermeiden sollte. Dies muss so ausgeprägt sein, dass seine Imitatoren jeden Satz mit „jävel“ (verdammt), „förbannad“ (sauer, erbost), „skit“ (scheiße) und „fan“ (eigentlich „Teufel“, aber im Wesentlich ein Fluchwort) ausschmücken.
Einer seiner notorischen Auftritte war in einer Debatte darum, ob man wegen der ganzen Prostitution die WM in Deutschland boykottieren solle. Er wurde gegenüber dem Gleichstellungsbeauftragten des schwedischen Reichstags ausfällig, benutzte Schimpfwörter und befürwortete stark die Legalisierung von Prostitution in Schweden. Das kam vermutlich nicht so wahnsinnig gut an.
Man kann sich grob vorstellen, wie er als Fußballexperte auftritt: selten positiv – eine weitere Parallele zu Netzer – nur dass er niemals so gut gespielt wie dieser und natürlich jenseits jeder Höflichkeit. Vielleicht sollte ich mir das doch einmal anschauen.
Das alles dürfte einigermaßen erklären, wieso man bei Mediamarkt einen solchen Werbeträger haben wollte. Er macht einfach genug Krawall, um entsprechende Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Offenbar ist die Schmerzgrenze auch dann nicht überschritten, wenn man ihm einen Professorenhut aufsetzt und ihn dümmliche IQ-Tests präsentieren lässt.
Die finale Frage bleibt aber: wieso verkörpert er Deutschenklischees?
Die Antwort ist einfach, denn er wurde (laut seines schwedischen Wikipedia-Artikels) 1944 in Essen geboren, ist mit Åsa Antoine (dem Vornamen nach zu urteilen ursprünglich von hier) verheiratet und lebt heute im südschwedischen Sölvesborg. Wie lange er oder ob er überhaupt jemals längere Zeit in Deutschland gelebt hat, geht aus dem Artikel leider nicht hervor.
Tja, liebe Landsleute, manche unserer eigenen Promis kennen wir selbst nicht. Irgendwie können wir da auch ganz froh sein.
PS: Um den Herren Klopp und Netzer kein Unrecht zu tun, möchte ich noch anmerken, dass die beiden ausschließlich bei Länderspielen zum Einsatz kommen. Peter Antoine hingegen ist anscheinend da im Privatfernsehen präsent, wo man ihn gerne haben möchte. So hat er beispielsweise auch bei der Reality-TV-Sendung „FC Z“ mitgemacht, in der es darum ging, aus 15 Nerds eine Fußballmannschaft zu zimmern.