Streik vorbei

  • Gestern abend um 22 Uhr hatte es sich ausgestreikt: ein neuer Tarifvertrag ist unterzeichnet. Der Inhalt: es blieb bei den 10,4 % Lohnerhöhung in den nächsten drei Jahren, aber dafür wurden die anderen Forderungen weitgehend erfüllt. So ist die Rahmenzeit nun nur noch bei 13 Stunden, sofern die darin gefahrenen Linien kürzer als 50 km sind. Die Forderungen nach mindestens 11 Stunden Ruhezeit wurde jedoch ohne Einschränkungen umgesetzt.
  • So rollt der Verkehr ab heute wieder, und ich darf ab 14:41 Uhr die Linien 77, 62 und 4 fahren. Seltsamerweise habe ich heute und morgen zum ersten Mal den außergewöhnlichen Fall, zwei identische Dienste in Folge zu haben – d.h., morgen geht es ebenfalls um 14:41 Uhr los und ich darf dasselbe Programm abspulen.
  • Mein gestriger Eintrag über das Unglück in Kista muss es wohl in die automatische Verlinkung bei Dagens Nyheter oder Svenska Dagbladet geschafft haben. Jedenfalls hatte ich gestern 6mal so viele Zugriffe wie sonst und auch zwei recht verwirrende Kommentare auf Schwedisch.

Schlimme Geschichte

Es ist manchmal schon seltsam, wie gewohnte Umgebungen plötzlich der Schauplatz von Unglücken werden.

In Kista, wo ich meine Masterarbeit schrieb, ist vor knapp zwei Stunden eine Brücke eingestürzt – ein Vorkommnis, das man in einer Industrienation wie Schweden nicht erwartet. Ein Toter und zwei Verletzte sind schon bestätigt, und da noch u.a. ein Auto unter der Brücke eingeklemmt sein sollen, können sich diese Zahlen noch erhöhen.

Erst hieß es, es handele sich um eine Fußgängerbrücke zwischen dem Einkaufszentrum Kista Centrum und der U-Bahn-Station. Diese habe ich schon unzählige Male überquert, und natürlich macht man sich Gedanken, wie viele normalerweise auf dieser Brücke jede Minute entlang laufen und dass so etwas auch einen selbst treffen kann, auch wenn dies in der Industrienation Schweden natürlich sehr selten ist.

Obwohl ich die Ecke doch ganz gut kenne, bin ich aber immer noch unsicher, welche Brücke nun denn genau eingestürzt ist. Mittlerweile ist von einem Einsturz bei einer Baustelle die Rede, und so muss es wohl eine andere Brücke sein. Es muss also wohl eine der beiden Brücken über den Hanstavägen sein – eine von denen lag auch auf dem Weg zu meiner damaligen Wirkungsstätte und wird tatäglich von den Unzähligen frequentiert, die in einem der vielen Technologieunternehmen in Kista arbeiten oder an der IT-University studieren.

Das ist schon alles sehr tragisch. Zwar fühle ich mich natürlich nicht direkt betroffen, aber irgendwie möchte ich natürlich schon so schnell wie möglich mehr erfahren. Das wird wohl aber noch etwas warten müssen.

Malstunde am Auto (Busfahrerstreik Tag 14)

Aus aktuellem Anlass: ich habe derzeit unseren alten Staubsauger bei Tradera zur Versteigerung angeboten. Leider ist der schwedische Ebay-Ableger nicht einmal ansatzweise so erfolgreich wie das deutsche Ebay. So sieht es im Moment wohl danach aus, dass der Staubsauger für den Schnäppchenpreis von 40 kr (4,22 €) weggehen wird – wenn vielleicht nicht einer von euch noch darüber bietet.

So ein Streik hat natürlich seine angenehmenen Seiten. Heute morgen habe ich das lange verschobene Projekt in Angriff genommen, die Roststellen an meinem Auto auszubessern. Es stellte sich heraus, dass es weit schlimmer war als gedacht. An einer schonmal reparierten Schadstelle hatte sich der Rost schön eingefressen, und nach dem Wegklopfen des porösen Materials hatte der Kotflügel ein Loch. Alles halb so wild, wenn man bedenkt, welche Roststellen schwedische Autos haben, die offenbar jedes Jahr neuerlich durch den TÜV kommen. Trotzdem hat das Auto mittlerweile mehr als ein Dutzend ausgebesserte Lackschäden – eine ganze Menge, auch wenn man bedenkt, dass es schon 14 Jahre auf dem Buckel hat.

Wenn wir noch eine Weile weiter streiken, kann ich sogar ganz leicht noch die Winterreifen gegen Sommerreifen austauschen und mal ordentlich saubermachen.

Danach sieht es aber nicht aus – die Verhandlungen wurden wieder aufgenommen, denn heute Nacht soll der Streik in Skåne beginnen. Allerdings ist noch nichts von neuen Angeboten zu hören, und so wäre es auch möglich, dass die Verhandlungen weitergehen, ohne dass der Streik komplett abgebrochen wird. Meine Erwartung ist aber, dass ich spätestens am Mittwoch wieder arbeite und somit nicht mehr auf meine für dann geplante Streikwache muss. Das wäre mir auch nicht unrecht, denn gestern habe ich mich in den zwei Stunden wirklich enorm gelangweilt.

Streikgeld (Busfahrerstreik Tag 12)

Mein Zettel, der zusammenstellt, welchen Lohnausfall ich bis einschließlich morgen habe.

Es ist bestes Streikwetter – die Sonne scheint, es ist herrlich warm, und so kann ich mit dem Fahrrad zur Streikwache fahren. Dort ist wenig los – vielleicht ein Zeichen der allgemeinen Stimmung.

In der Tat hört man nicht mehr viel von dem Streik, und wenn, dann kaum etwas positives. Am Rande der Almedalsveckan, einer Woche mit Reden von Spitzenpolitikern, die jedes Jahr auf Gotland stattfindet, vernahm zumindest DN schwache Unterstützung für die Streikenden.
Dort sagte sogar Per Bardh, ein Vertreter von LO, dem schwedischen Äquivalent zum DGB, dass man notfalls als Mittler einsteigen müsste, falls sich der Konflikt zu lange ziehe. Wenn das eine übergeordnete Gerwekschaft sagt, dann könnte man das auch so interpretieren, dass die eigene Seite sich etwas unvernünftig verhält und man ggf. auf die eigenen Leute einwirken müsste, um die Verhandlungen wieder in Gang zu setzen.
Eine weitere interessante Aussage machte Jan-Peter Duker, ein Vertreter der schwedischen Wirtschaft. Er argumentierte so, dass die ganze Problematik eher daher rühre, dass die kommunalen Busgesellschaften schon einen Tarifvertrag abgeschlossen hätten. Das sei die falsche Reihenfolg, so dass nun die kommunalen Busgesellschaften Ziel des Unmuts seien. Unterschiede in den Tarifabschlüssen seien daher zu meiden.

Ansonsten war nicht viel zu hören – die ganzen Spitzenpolitiker in Almedalen hielten sich bei dem Thema zurück.

Der Wohnwagen mit einem Banner „Der Kampf: Runde 2“ und Blumen von den Syndikalisten

Die Busfahrer vor Ort erhalten dafür Unterstützung von Organisationen, bei denen man sich fragt, ob man von ihnen überhaupt unterstützt werden will. So hinterließen die Syndikalisten als auch die stark links angesiedelte „Gerechtigkeitspartei die Sozialisten“ (Rättvisepartiert Socialisterna) Blumen und Solidaritätsbekundungen.

Ich beschäftige mcih derweil mit praktischeren Dingen und habe meinen Zettel ausgefüllt, der auflisten soll, welche Lohnverluste mir entstanden sind. Wie genau meine Aufstellung ist, weiß ich nicht, weil es allerlei spezielle Regelungen gibt. Angeblich sollen wir das Streikgeld pünktlich zum üblichen Zahltag, dem 25.7. erhalten.

Strike reloaded (Busfahrerstreik Tag 11)

Auf dem Weg zum Gewerkschaftstreffen: Die Brücke zwischen Liljeholmen und Hornstull geht hoch, um einem Segelboot Platz zu machen.

Der zweite Streik ist freilich bei weitem nicht mehr so spannend wie der erste. Im Gegenteil – man merkt, dass die Stimmung zu kippen droht. In den Zeitungen liest man nur noch negatives, und selbst die Gewerkschaft hat gemerkt, dass man einen weiteren vollständigen Streik in Stockholm nicht riskieren kann. So werden dieses Mal nur die Innenstadtbusse bestreikt, während die äußeren, zu großen Teilen nicht durch Schienenverkehr angebundenen Orte verschont bleiben.

Beim gestrigen Informationstreffen teilte man uns zwar mit, dass man die Maßnahmen unternehme, um die Arbeitgeber finanziell am meisten zu schädigen, aber auch, um die Allgemeinheit für sich zu haben – letzteres dürfte dabei den Ausschlag geben. Man hat stattdessen den Streik auf andere Landesteile ausgeweitet. Nun wird auch Västerbotten bestreikt, und ab Dienstag wird Skåne folgen. Ab nächste Woche Freitag werden dann die Flygbussarna bestreikt, also die Busse zu den schwedischen Flughäfen, wobei aber gecharterte Busse und die Busse nach Skavsta ausgenommen sind.

In der Versammlung kam auch das schöne Argument auf, die Arbeitgeber würden nur Theater machen wegen der 13 Stunden Rahmenzeit. In Hornsberg, wo ich arbeite, gäbe es ohnehin kaum Dienste, die in die Nähe dieses Limits kommen. Das ist natürlich schon sehr hanebüchen, denn wir sind ja nicht die einzige Busgarage im Land, und gerade im ländlichen Raum, wo die Busse dünner gesät sind und man nicht so flexibel ist wie in der Innenstadt, spielen diese 13 Stunden sehr wohl eine Rolle. Recht haben sie meiner Ansicht aber damit, dass das Angebot der Arbeitgeber, die 13 Stunden Rahmenzeit „im reinen Stadtverkehr“ zu gewähren, nicht wirklich etwas taugt, weil man dann erst einmal feststellen muss, was denn überhaupt „reiner Stadtverkehr“ sein soll.

Ich glaube mittlerweile, dass ich diesen Monatslohn vorerst abschreiben kann, denn bis ich das Streikgeld von der Gewerkschaft erhalte, wird noch einige Zeit vergehen. Zwar bin ich gerne solidarisch, aber ich werde auch nicht mehr jeden Tag Streikwache machen, denn ich habe festgestellt, dass die wenigsten Teilzeitbusfahrer überhaupt in diesem Bereich aktiv sind. Wegen meiner oben beschriebenen kritischen Haltung der ganzen Veranstaltung gegenüber und angesichts dessen, dass ich den Job ohnehin nur als Nebenjob mache, muss ich bestimmt nicht derjenige sein, der als erster mit der roten Fahne voranmarschiert.

Eine Sache noch zum Schluss: die folgende Plakatwerbung erinnerte mich sehr stark an eine Geschichte, die 9Live in letzter Zeit schon mehrfach gebracht hat.

Das für seine ungeheure Seriösität bekannte Fernsehprogramm versprach Zuschauern nämlich wiederholt, dass sie einen Extrapreis erhielten, wenn sie denn an einem bestimmten Tag Geburtstag haben.
Dieser Tag wiederum war der 31. Juni – ein Tag, den man im seit 1582 gültigen gregorianischen Kalender sowie auch in seinem zuvor schon gut 1600 Jahre lang gültigen julianischen Vorgänger vergeblich sucht.
Bei 9Live versprach man Besserung. Der 31. Juni wird nun in Rente geschickt. Vielleicht kommt ja ab sofort der 30. Februar, der 31. April, der 31. September oder der 31. November zum Einsatz. Vielleicht aber auch der 32. Juli, wie oben zu sehen.

Im obigen Plakat geht es aber um etwas seriöseres: Spenden für eine Krebsstiftung – und ich finde, bei solchen altruistischen Dingen sind sogar nichtexistente Kalendertage zulässig.

Peinlich, Dagens Nyheter

Die Zeitung Dagens Nyheter ist ja eigentlich schon eine Institution, aber heute morgen haben sie einen ordentlichen Bock geschossen. Schon lange vor Redaktionsschluss am gestrigen Abend wurde international bekannt, dass das Foto, welches heute auf Seite 2 der DN erschien, eine Fälschung ist. Bei genauem Hinsehen wäre es sogar aufgefallen.

Unterbrechung wird unterbrochen (Busfahrerstreik Tag 8)

Soeben ging es durch die Medien: die Verhandlungen sind gescheitert, und dieses Mal ist die Kacke wohl richtig am Dampfen. Die Meldungen enthalten zwar noch nicht allzuviele Details, aber es scheint so, dass die Arbeitgeber gehofft hatten, die Gewerkschaft würde von einigen Forderungen abrücken, was die Arbeits- und Ruhezeiten angeht. Da es darum aber im Grunde geht, war es nicht verwunderlich, dass sie da nicht nachgaben. Allerdings werden erst die Hintergrundberichte zeigen, wo die Linien in dem Konflikt nun wirklich verlaufen. Ich fürchte, der Streik wird sich diesmal auch länger ziehen als nur 4 Tage.

Ab Donnerstag 0 Uhr wird jedenfalls wieder gestreikt, und zwar nicht nur in Stockholm, sondern auch in Västerbotten. Morgen habe ich ohnehin frei, und so ist ab Donnerstag wieder Streikwache angesagt.

Welthundeschau im Doppelpack (Busfahrerstreik Tag 6)

Der Streik ist unterbrochen, der Streikposten verschwunden

Mittlerweile rollt der Verkehr in vollen Zügen. Sollte am Montag keine Einigung erzielt werden, würde man aber ab Mittwoch wieder streiken. Dass das passieren wird, halte ich aber für unwahrscheinlich, denn keine der beiden Seiten wird das riskieren wollen.

Streik hin, Streik her – gestern durfte ich ja für die Welthundeschau fahren. Mein Job war dabei die Anbindung eines Hotels und zweier Parkplätze an das Messegelände. Aus mir nicht ganz ersichtlichen Gründen waren aber die Parkplätze wenig gefragt. Ich fuhr einige Male komplett leer, denn zu einem Parkplatz, auf dem niemandem parkt, kann man schlecht jemanden bringen, der dort sein Auto abholen will.

So war der Tag lustig, weil ungewohnt, aber weitgehend ereignislos. Sinnigerweise wurde ich gestern gefragt, ob ich dieselbe Linie heute nochmals fahren möchte. Zwar gab ich damit einen nicht ganz unattraktiven Dienst ab, aber ich willigte ein. So darf ich heute nochmal meine Runden drehen. Irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass heute deutlich mehr los sein wird.