Streik unterbrochen (Busfahrerstreik Tag 4)

So schnell kann es gehen: nach dem Angebot von gestern haben sich die Verhandlungsführer getroffen. Eine Einigung haben sie nicht erzielen können, aber sie waren sich wohl soweit einig, dass der Streik ab heute 15 Uhr ausgesetzt wurde. Es handelt sich aber ausdrücklich um eine Unterbrechung – gesetzt dem Falle, am Montag wird keine Einigung erzielt, kann es kurz danach schon wieder losgehen. Das glaube ich aber ehrlich gesagt nicht, denn das Hochfahren des ganzen Verkehrs wird rund 24 Stunden dauern.

Ich selbst hätte beispielsweise planmäßig bis 16:30 Uhr gearbeitet, aber erst um 17:30 Uhr von der Striekunterbrechung gelesen. Vielen anderen wird es ähnlich gehen, so dass sie ihren heutigen Dienst verspätet oder gar nicht antreten werden.

Da ich morgen ja die Welthundeschau mit meinen Fahrdiensten beglücken darf, geht es für mich ohnehin erst am Sonntag regulär weiter.

Auf den morgigen Dienst wurde ich heute mit einer Kurzausbildung vorbereitet. Ich fahre morgen rund 5 Stunden lang immer wieder die gleiche Runde, damit die Aussteller und Ausstellungsbesucher von den Campingplätzen zur Messe kommen und wieder zurück. Zum Schluss folgt dann eine Fahrt zu einem Hotel, und schon geht es nach Hause bzw. zu einer Geburtstagsfeier von Freunden.

Irgendwie ist damit die ganze Woche komplett aus der Reihe. Montag der Countdown zum Streik, Dienstag und Mittwoch die Streikwache, Donnerstag frei, Freitag die Ausbildung, Samstag Hundeschau und am Sonntag dann den ganzen Tag die Linie 47E nach Skansen und zurück. Normalerweise wäre das eintönig, aber so war es meine ungewöhnlichste Woche als Busfahrer – insofern kann man nicht meckern, sofern ich mein Geld von der Gewerkschaft bald kriege.

Freier Tag (Busfahrerstreik Tag 3)

Streikwache in Hornsberg

Mittlerweile ist der dritte Tag des Streikes vorbei. Gestern (d.h. am Mittwoch, Tag 2 des Streiks) bin ich tatsächlich nicht dazu gekommen, etwas zu schreiben, was aber weniger an den Anstrengungen des Streikes lag. Ich nutze die Zeit einfach anderweitig für Dinge, die andernfalls noch länger liegengeblieben wären.

Streikmäßig ging gestern auch wirklich nicht viel. Die Leute hatten sich auf den Streik eingestellt, und so nahm die Zahl der Autos, Fußgänger und Fahrradfahrer etwas zu. Aber das war es auch schon. In den öffentlichen Diskussionsforen der Zeitungen war das Echo zwar gemischt, aber die meisten regten sich nur darüber auf, dass ausgerechnet sie von dem Streik betroffen waren. Bei aktuelleren Beiträgen findet sich vorwiegend Unterstützung.
Für viel Aufregung sowohl unter den Busfahrern sorgte ein Blogeintrag von Göran Demnert. Dieser ist Chef der kleinen Busfirma Stockholmsbuss AB, die mit ihren sieben Bussen ausschließlich Auftragsfahrten ausführt, und gab darin zum Besten:

Ich habe es schon zuvor gesagt und ich sage es wieder: so wahnsinnig besonders ist es nicht, einen Bus zu fahren. Natürlich muss jemand, der 50 Menschen hinter sich hat, die von A nach B gebracht werden sollen, seinen Mann stehen. Oder seine Frau.

[…] Wenn man sich in einen Nahverkehsbuss in Stockholm setzt, muss man manchmal um sein Leben beten. So schlecht sieht es manchmal an der Busfahrerfront aus.

Nichts kann mich davon überzeugen, dass es besser wäre, dass derselbe Idiot von Fahrer 800 Kronen mehr brutto erhalten sollte.

Natürlich schlug vor allem die Bezeichnung der Fahrer als „Idioten“ Wellen, da er ja selbst Leute dieser Berufsgruppe angestellt hat. Natürlich ist die Argumentation Blödsinn, dass die Busfahrer erst einmal besser arbeiten sollten, bevor sie einen Anspruch auf mehr Lohn hätten. Hier schlägt natürlich der psychologische Effekt zu, dass man immer die negativen Erlebnisse in Erinnerung behält und selten die positiven. Selbstverständlich fühlt sich Demnert missverstanden und führt dazu ein entsprechendes Einzelerlebnis eines anderen Bloggers an. In dessen Blogeintrag geht es um das Problem, dass man an Bord keine Tickets kaufen kann – in so einem Fall darf man den Fahrgast auch nicht mitfahren lassen. Zwar ist der Busfahrer in dem Fall eine Nummer zu unerbittlich, aber die Tendenz, im Zweifelsfall immer alles auf den Busfahrer zu schieben, ist dennoch ungerechtfertigt, denn man kann niemanden dafür verurteilen, dass er sich an seine Vorschriften hält. Demnerts absurde Ansichten macht der Einzelfall jedenfalls nicht vernünftiger.

Nun am dritten Tage des Streiks ist das aber auch schon wieder vergessen. Die täglich zweistündige Anwesenheit bei der Streikwache ist zwar freiwillig, wird aber generell an den Tagen erwartet, an denen man auch gearbeitet hätte. Heute hatte ich aber frei, und so spare ich mir auch die Streikwache.

Västerbron Skyline Stockholm

Die schönen Seiten des Streiks: die Fahrradfahrt an diesem Panorama vorbei.

Offenkundig sind die Arbeitgeber mehr von dem Streik betroffen als erwartet. Die meisten Kollegen rechneten damit, dass vor Montag kein neues Angebot käme. Nun kam aber schon eines am Donnerstag. Dieses enthielt im einzelnen:

  • Eine Lohnerhöhung von 10,4 % in den nächsten drei Jahren. Die Vermittler hatten 10,2 % vorgeschlagen, weil dies auch im allgemeinen Trend liege. Die Gewerkschaft hatte 12,5 % verlangt.
  • Die Rahmenarbeitszeit wird auf 13 Stunden gesenkt, womit man der Forderung der Gewerkschaft folgt. Diese bezeichnet den Abstand zwischen erster und letzter Arbeitsstunde. Bislang sind es 13,5 Stunden – und das ist ein nicht unerhebliches Problem, denn ein solcher Dienst bedeutet, dass man eine achtstündige Arbeitszeit auf diese Spanne verteilt. Die erheblichen Lücken zwischendrin sind oft für die Busfahrer kaum zu etwas Sinnvollem zu gebrauchen.
  • Die wichtigste Forderung blieb aber unerfüllt: bislang ist die Mindestruhezeit auf 9 Stunden festgesetzt. Das heißt im Extremfall, dass man um 22 Uhr Feierabend macht um morgens um 7 Uhr wieder auf Arbeit sein muss. Dass das mit den Pendelzeiten kaum für einen anständigen Schlaf reicht, ist klar. Die Gewerkschaft will diese Spanne daher auf 11 Stunden erhöhen. Die Arbeitgeber wollten hier nicht mitziehen, denn solche Einsatzbeschränkungen sind wohl auch am schwersten zu erfüllen – zumindest nicht ohne den Einsatz von mehr Personal. Vor 9 Jahren wurde aus ähnlichem Grund gestreikt. Damals wollte man erreichen, dass man mindestens alle 2,5 Stunden eine Pinkelpause hatte. Diese 10 Minuten hebelten natürlich alle vorigen Dienstpläne aus.

Wegen des letzten Punktes nehme ich stark an, dass bei dem morgigen Treffen der Verhandlungsführer noch keine Einigung erreicht wird. Man wird sich aber wohl spätestens bis Montag irgendwo in der Mitte treffen.

Heute abend erhielt ich einen Anruf von TX – das steht für Trafikexpeditionen, und die dort beschäftigten Leute kümmern sich unter normalen Umständen darum, dass alle eingeteilten Fahrer einen Bus erhalten und jeder Dienst besetzt ist. Diese Abteilung muss auch während des Streiks besetzt sein, da der Verkehr ja nach Beendigung des Streiks schnell wieder hochgefahren werden soll. Daher dachte ich mir zuerst, der Anruf bedeute, ab morgen gehe es wieder los, auch wenn noch nichts von einer Vertragsunterzeichnung bekannt war.

Dem war aber nicht so. Mir wurde mitgeteilt, dass ich einer der Fahrer bin, die für „Dispens“ eingeteilt wurden. Es handelt sich dabei um bestimmte von der Gewerkschaft genehmigte Dienste, die trotz des Streiks durchgeführt werden sollen. Da ich am Wochenende eigentlich hätte arbeiten müssen, blieb mir nichts anderes übrig, als zu akzeptieren – auch wenn wir für Samstag schon etwas geplant hatten. Stattdessen streiche ich natürlich meine Streikpostenschichten für die nächsten beiden Tage.

Streikposten Fabian

Erst ab Sonntag wieder: Ich als Streikposten mit Schärpe und Gewerkschafterjacke

Konkret handelt es sich um Auftragsfahrten für den Svenska Kennelklubben, dem nationalen Verband der Hundebesitzer. In Stockholm ist nämlich die Welthundeschau mit 12000 Hunden. Ich soll anscheinend die Teilnehmer von einem Hotel zur Messe bringen und zurück. Die Strecke beträgt laut meinen Recherchen sage und schreibe 1,2 km. Wer mich kennt, wird meine Begeisterung nachvollziehen können – ich werde in der Anwesenheit von Hunden schnell nervös, und nun soll ich Massen von Hundebesitzern, die ihre Lieblinge vermutlich dabei haben, den ganzen Tag auf einer Strecke hin- und herfahren, die man durchaus auch hätte laufen können. Ich hoffe, es ist noch etwas mehr Abwechslung dabei. Da wir in der Nähe der Messe wohnen, wäre es aber lustig, dass ich vielleicht sogar Pause zuhause machen kann.

Morgen darf ich jedenfalls zuerst mal die entsprechende Ausbildung machen – und mich schon einmal testweise als vermeintlicher Streikbrecher betätigen.

On Strike (Busfahrerstreik Tag 1)

Selten habe ich auf einen Dienstschluss hingefiebert – letztendlich war es aber doch nicht so spektakulär. Ein Streik hat heutzutage nur noch wenig mit den gewalttätigen Arbeitskämpfen von vor 100 Jahren zu tun.

Das Ganze ist so wohlorganisiert, dass man glauben könnte, Arbeitnehmer und Arbeitgeber hätten es gemeinschaftlich organisiert. So darf man auf Anfrage die Toilette benutzen, und alle Busfahrer werden pauschal als streikend angesehen – man muss anrufen, wenn man doch nicht streiken will.

In Schweden sind Arbeitgeber wie Arbeitnehmer in Branchenverbänden organisiert, die die Konditionen zentral aushandeln. Das entspricht auch irgendwo der schwedischen Mentalität, denn man möchte ja im steten Streben nach allgemeiner Gleichheit keine Ungleichheiten zwischen den Arbeitgebern und Regionen schaffen.

So scheinen weder Busslink noch die lokale Sektion der Gewerkschaft den Konflikt als ihr persönliches Problem zu betrachten. Wenn gestreikt wird, dann ist das eben so. Zwar hing irgendwo eine Stellungnahme der Arbeitgeber aus, aber dabei blieb es eben auch – keine der beiden Seiten ist auf Polemik aus.

So warteten wir ab, ob es nicht doch zu einer Last-Minute-Unterzeichnung kommen würde. Den ganzen gestrigen Abend hieß es zwar immer, der Streik noch nicht sicher, aber da sich am Wochenende nichts getan hatte, war nun am Montag nicht damit zu rechnen. Den Abend über hatte man die Möglichkeiten der modernen Technik benutzt und per Funk an den Buscomputer übermittelt, eine Information zum Streik im Display anzuzeigen – bis dahin wusste ich nicht einmal, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt. Einige Fahrgäste fragten auch wegen des Streiks. Eine Frau, auf die ich extra lange gewartet habe, sagte zu mir „Danke – und ich hoffe, ihr kriegt eure Lohnerhöhung“. Ein junger Mann sagte zu mir „Kämpft nur dafür“. Wirklich negativ eingestellt schien keiner.

Gegen 23 Uhr ging dann die allgemeine Botschaft herum, dass der Streik ab Mitternacht in Kraft tritt.
Das hieß konkret, dass man die letzte Tour, die vor 0 Uhr begann, noch zu Ende fahren und dann ins Depot zurückkehren sollte. In meinem Fall traf sich das ganz gut, denn meine Tour endete um 0:03 Uhr am Radiohuset. So blieb die letzte Fahrt (Abfahrtszeit 0:05 Uhr) nach Gullmarsplan aus. Ich versuchte, das wie vorgesehen der Zentrale zu melden, aber ich erhielt keine Antwort – ich vermute, die litten dort nicht an Unterbeschäftigung.

Auf der Fahrt zum Depot waren wir schon drei Busse, und als ich meinen Bus abstellt, kamen weitere im Minutentakt herein. Mittlerweile war auch ein Wohnwagen für die Streikwache aufgestellt worden. Die Ausfahrt der Garage war durch eine Sitzgruppe blockiert. Hier kommt wohl doch noch etwas die Revolution durch. Zwar sollen Streikbrecher nicht gestört werden, aber diese müssen dann erst einmal an dieser Sitzgruppe vorbei.

Schlecht zu sehen, aber trotzdem da: Wohnwagen der Gewerkschaft.

Ich blieb noch ein bisschen bei den Kollegen stehen. Einer erzählte, der letzte Streik vor 9 Jahren hätte 10 Tage gedauert. Dann beschloss ich, meinen Streik von zuhause aus fortzusetzen.

Die Meldungen heute morgen waren gemischt. Zwar war es in den U-Bahnen wohl deutlich enger als sonst, aber ansonsten blieb es wohl recht ruhig. Die Straßen scheinen auch recht ruhig zu sein.

Alle Räder stehen still… (Busfahrerstreik Tag 0)

…wenn dein starker Arm es will.

Eigentlich hatte ich keinen sonderlichen Wert darauf gelegt und im Kern ist es mir egal, was in den aktuellen Lohnverhandlungen zwischen der Gewerkschaft und den Busgesellschaften abläuft. Dennoch kann man sich einem Streik wohl kaum entziehen, denn die Logistik basiert darauf, dass ein Fahrer spätestens nach 2,5 Stunden abgelöst werden muss. Steht diese Ablösung nicht bereit, bleibt der Bus bis zur nächsten Ablösung an der Haltestelle. Selbst wenn man umdisponiert, bleibt das Chaos nicht aus. Wenige bis gar keine Busse werden fahren. All diejenigen, die trotz Streiks arbeiten möchten, werden also in einige Probleme kommen.

Die Verhandlungen sind nun gescheitert. Hauptknackpunkt ist neben der üblichen Lohnerhöhung auch eine Angleichung der bei Privatfirmen angestellten Busfahrer mit denen im öffentlichen Dienst. Das klingt alles vernünftig, aber wie vernünftig es nun wirklich ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Trotz sozialdemokratischer Prägung habe ich eine sehr gesunde Skepsis gegenüber Gewerkschaftern – ich bin immer etwas reserviert gegenüber solchen überengagierten Leuten, die häufig selbst noch nie in der Branche gearbeitet haben, die sie vermeintlich so gut vertreten.

Etwas nervig finde ich auch, dass es keine Urabstimmung gab. Mich hat niemand gefragt, ob ich streiken möchte, und nun soll ich es einfach so tun.
So wird ab heute nacht 0 Uhr der Streik beginnen. Ich werde mitstreiken, zum Einen aus Solidarität, zum Anderen, weil ich in der Gewerkschaft bin und somit Entschädigung für Lohnausfälle erhalte. Allerdings werde ich mir das in einigen Tagen nochmal überlegen. Ich hatte nämlich auf das Geld gesetzt, um im August in Urlaub fahren zu können. Sollte die Entschädigung lange auf sich warten lassen, muss ich meine Entscheidung eventuell nochmals überdenken. Auch befürchte ich, dass mir obligatorische Zuschläge für Wochenende und Nachtdienste verloren gehen.
Ehrlich gesagt hoffe ich auch, dass in die Verhandlungen schnellstens Bewegung kommt – ich habe keine Lust, nach dem Streik wochenlang schlecht gelaunte Passagiere zu haben.

Auf der anderen Seite habe ich weniger zu tun, denn ich muss nur zwei Stunden pro Arbeitstag Streikwache machen.

Spannenderweise sollte ich bis heute nacht um 1 Uhr arbeiten. Gemäß der festgelegten Regeln wird die letzte Abfahrt vor 0 Uhr bis zur Endstation gefahren. In meinem Fall heißt das, dass ich um 0:05 Uhr der Zentrale mitteille, dass ich ab sofort streike und dann mit dem Bus ins Depot zurückkehre. Alles weitere dann morgen.

¡Viva España!

Tja, was soll man sagen. Die Spanier waren besser, wir schlechter – so einfach ist das. Es sei den Spaniern herzlich gegönnt, denn sie haben das klar bessere Turnier gespielt.

Wir schauten uns das Spiel im Kungsträdgården an, wo TV4 die große EM-Party veranstaltete. Dieses Video kann nur bedingt zeigen, dass auch wirklich etwas los war. In der Tat konnte man sich zum Schluss hin nur noch schlecht bewegen.

Mit den Schlangen an den Bierständen und Dixi-Klos in Berlin kann das freilich noch lange nicht mithalten, aber das ist mir auch lieber so. Bemerkenswert ist jedenfalls die rege Beteiligung. Ich hatte nicht erwartet, dass es derart viele Spanier in Stockholm gibt, insbesondere weil die Saison für Austauschstudenten schon vorbei ist. Es gab auch allerlei einheimische Unterstützung für beide Teams. So merkte man an den Gesprächen, dass viele Deutschland-Fans hier in Stockholm leben. Neben uns stand eine Gruppe von Schülern, die offenbar auf die deutsche Schule gehen.

Die Stimmung war gut – auch nach der 33. Minute. Allerdings kam auch ganz schnell die urdeutsche Haltung auf, das Glas generell halbleer zu sehen. Da war es Poldi, der keinen Pass zustande brachte, Ballack, der nur daneben schoss, usw. – die Begeisterung dafür, dass man nach einer Schwächephase wieder voll da war und einen Topfavoriten wie Portugal souverän aus dem Turnier kicken konnte, war schnell verflogen. Man hätte aber glauben können, Erich Ribbeck wäre über Nacht zurückgekehrt und der Rückfall in die schlimmsten Zeiten des Rumpelfußballs und der Arbeitssiege geschehen.
Trotz dieser Misstöne: dass Horden von Deutschen und Deutschlandsympathisanten sich voll kostümiert weit weg von der Heimat in einen Park stellen und mitfiebern, hätte es vor vier Jahren noch nicht gegeben. Da will man mal über solche Misstöne hinwegsehen.

Fortsetzung folgt in 2010…

Finale, oho, Finale, ohohoho…

Nein, es geht nicht um Fußball. Wenn man schon Analogien bemühen will: gestern bei meiner mündlichen Prüfung hatte ich eine starke Halbzeit, ging klar in Führung und brach aber dann in der zweiten Halbzeit ein und konnte mir mit Mühe einen knappen Sieg retten. Es fühlte sich also nicht wirklich gut an, aber ich habe die Prüfung bestanden und somit auch meinen Master. Ab Herbst geht es dann als Doktorand weiter.

Panoramen (19): Mälaren vom Stadshuset aus

Im Sommer 2006 hatte ich das Vergnügen, unter der damals noch im Amt befindlichen sozialdemokratischen Regierung ein Praktikum im Stadshuset, dem politischen Rathaus der Stadt Stockholm zu machen. Dieses mäßig gelungene Panorama deutet an, welche herrliche Aussicht ich von meinem Arbeitsplatz aus hatte.

Scheißtage


Die Schweizer Botschaft in Stockholm – über der schweizer Fahne (die in der Schweiz nämlich nicht Flagge heißt) weht eine Flagge mit dem Logo der Euro 2008.

Tja, wieso bloggt er denn nicht mehr?

In der letzten Zeit ist viel passiert, und da leidet das Bloggen schon ein bisschen.

  • Hauptgrund war freilich die Vorbereitung auf die Klausur in Quantenmechanik. Diese hatte gleich doppelte Wichtigkeit. Zum Einen war es die letzte Klausur, die mir noch zu meinem Master fehlte. Zum Anderen ist der Kurs auch notwendig für die Doktorandenstelle, die ich im Sommer antreten wollte. Leider ging das Unternehmen schief – während ich die beiden Klausuren zuvor bestanden hatte, davon eine sogar recht gut, verfehlte ich in diesem Fall das Ziel. Nun besteht meine einzige Hoffnung in einer mündlichen Prüfung, da ich natürlich sowohl Master als auch Doktorandenstelle gerne noch diesen Sommer erlangen würde.
  • Tags darauf trat ich meinen Sommerjob an, der dieses Jahr wiederum Busfahren ist. Die bisherigen Erlebnisse waren leider wenig erbaulich.
    • Ich hatte zunächst nur sogenannte geteilte Dienste. Bei diesen arbeitet man nur in der Rush Hour, also früh morgens und am späten Nachmittag. Zwischendrin sind mehrere Stunden Pause. Der Nachteil liegt auf der Hand: der Tag ist verloren, weil man von der mehrstündigen Pause wenig hat.
    • Es war für schwedische Verhältnisse extrem heiß, so an die 30 °C. Da macht das auch nicht übermäßig viel Spaß.
    • Hinzu kamen extreme Verkehrsverhältnisse in den ersten Tagen. Ich hatte mehrfach um die 20 Minuten Verspätung. Das lag auch am „Studentutskick“. Hier in Schweden mieten sich die Abiturienten nämlich LKWs, rüsten sie mit einer Musikanlage aus und ziehen Bier trinkend damit durch die Straßen. Es roch nicht nur stark nach Bier, sondern man sah auch, in welchem Zustand die Leute waren. Da ich im Schritttempo hinterhertuckerte, konnte ich live beobachten, wie eine schon schwer angeschlagene junge Dame ihren Magen vom LKW herunter entleerte.
    • Die ganze Logistik bringen solche Verkehrsereignisse auch aus dem Lot, denn so viele Busfahrer kann man nicht in Reserve haben, um das abzufangen.
    • So viele Busse auch nicht: ich kam morgens zur Arbeit und mir wurde gesagt, sie hätten keinen Bus für mich. Die Hitze hatte den Bussen ziemlich zugesetzt, und die Ausfälle übers Wochenende taten ihr übriges. Der Busparkplatz war in der Tat komplett leer. Nach zwei Stunden Warten wurde die Sache abgeblasen und ich wurde als Reserve eingesetzt. Später ging es dann normal weiter.
    • Bei einem der geteilten Dienste trat ich den zweiten Block mit einer enormen 10-sekündigen Verspätung an. Mein Vorgänger begrüßte mich schreiend mit den Worten „Danke, dass du gekommen bist.“ Das war natürlich ironisch gemeint. Dann setzte er fort mit „Der Bus kocht und muss in die Garage gefahren werden.“ Und weg war er. Kurz darauf kam er nochmal, brüllte mich an: „Der Bus kocht und muss zurückgefahren werden. Mach die Ohrstöpsel raus, dann hörst du auch was!“ Und wieder war er weg. Wirklich schlauer war ich jetzt auch nicht. Die Kollegen draußen waren auch recht irritiert. In der Tat war der Bus vollkommen überhitzt und das Kühlwasser lief heraus. Da der vorige Busfahrer mich nicht gerade umfassend informiert hatte und man in der Regel nicht einfach so irgendwohin mit einem kaputten Bus fährt, musste ich nochmal bei der Zentrale anfragen. Diese sagte mir, ich solle den Bus zur Garage fahren und einen neuen holen. Ich dürfe den Bus aber nur fahren, solange die Temperatur unter 100 °C liege. Also wartete ich, bis das der Fall war, startete und fuhr los. Nach ca. 150 Metern war die Temperatur wieder hoch und ich musste erneut warten. Letztendlich hielt ich dreimal und wartete jeweils gut 10 Minuten, bis ich weiterfahren konnte. Bei dem finalen Abschnitt zur Garage, einer abschüssigen Straße namens Kellgrensgatan, war kurioserweise auch noch Stau. Ich fragte nochmals in der Zentrale nach, ob das so eine gute Idee ist, mit überhitztem Motor bewusst in einen Stau zu fahren. Dort teilte man meine Bedenken nicht, und ich wartete einen guten Moment ab, um loszufahren. Trotzdem musste ich staubedingt wieder auf halbem Wege anhalten. Sicherheitshalber stellte ich den Motor ab. Und damit war es passiert. Beim nächsten Start ging der Motor gleich wieder aus. So stand ich also mitten auf einer stark befahrenen Straße und konnte überhaupt nicht mehr fahren. Die Zentrale versprach, mir einen Mechaniker zu schicken. Der kam 20 Minuten später, schaute kurz etwas nach, und da der Motor dann auch genügend Zeit gehabt hatte, abzukühlen, schafften wir es in einem Stück in die Garage. Nach kurzer Wartezeit stand auch ein Ersatzbus für mich bereit, so dass ich es sogar noch schaffte, ein paar Haltestellen planmäßig zu bedienen und den Bus dann an meine Ablösung zu übergeben. In dem Fall ist das auch nicht ganz so tragisch, weil es sich um die Linie 4 handelt, die tagsüber in einem bestimmten Takt wie eine U-Bahn fährt, so dass die Leute den Bus nicht auf die Minute erwarten und sich beim Ausfall eines Busses nur die Wartezeit etwas erhöht.
    • Die Krönung war aber gestern. Da stieg frühmorgens eine Frau zu, die der Ansicht war, drei Abschnitte auf der Stempelkarte reichten für eine Fahrt von Zone C in Zone A aus. Dem ist nicht so – man braucht vier. Das wollte sie mir aber nicht glauben, und da ich derjenige bin, der entscheidet, wessen Ticket gültig ist oder nicht, ließ ich es auf eine Konfrontation ankommen. Der Streit dauerte mehrere Minuten. Da wollte die andere Person, die eigentlich auch noch zusteigen wollte, auch nicht mehr mitfahren. Zwar habe ich die Geschichte alles andere als optimal gelöst, denn mit etwas ruhigerer Herangehensweise und guter Argumentation hätte ich sie auflaufen lassen können. Andererseits ist es auch lächerlich, einen Streit wegen eines Stempelabschnitts anzufangen. Allerdings nahm das schnell Züge an, die ich auch jetzt nicht akzeptieren kann und über die ich mich noch zwei Tage später aufrege. Plötzlich war es nämlich so, dass sie mir dann auch noch ihr Leid über SL klagte, und dass ich ja schlecht ausgebildet sei. Zuletzt wollte sie meinen Namen wissen. Irgendwann gab ich dummerweise nach und habe sie die drei Haltestellen gefahren, die sie wollte. Ich rief auch noch etwas hinterher, das zwar nicht beleidigend war, aber guter Stil ist freilich anders. Meine Vermutung ist, dass der Stempel, der sich schon auf ihrer Karte befand, fälschlich die Zone C trug, denn sie hatte ihre Reise angeblich in Åkersberga begonnen, das eigentlich in Zone B liegt – bei netten Fahrgästen bin ich bereit, dem Glauben zu schenke, aber bei nervigen Fahrgästen bin ich da knallharter Prinzipienreiter. Ich hasse es, mein Recht nicht zu bekommen, aber ich glaube, im Servicebereich muss man auch mit sowas leben. Mit renitenten Fahrgästen, die sich beharrlich weigern, überhaupt einen Fahrschein zu zeigen, komme ich mittlerweile ja ganz gut klar, aber den Fall, dass mir ein Fahrgast mit zwar zeitlich gültigem, aber eben in der aktuellen Zone unzureichenden Fahrschein blöd kommt, hatte ich bislang auch nicht. Auf der anderen Seite muss ich es auch so sehen: jeden Tag habe ich alles in allem wohl mehrere hundert Fahrgäste, bei denen ich teilweise sicher positiv in Erinnerung bleibe, weil ich helfe und auch noch warte, wenn ich es eigentlich gar nicht müsste. Da muss ich mit zwei oder drei unzufriedenen Fahrgästen pro Tag leben – das ergibt immer noch eine Zustimmung von gut 99 %. In dem Fall dürfte die Verärgerung über den Nahverkehr allerdings eine Weile anhalten.
    • Ich bin übrigens nicht der einzige, der es mit den Regeln auch mal genau nimmt. Heute lagen im Pausenlokal stolze 5 eingezogene Studenten- und Schülerkarten, die wie alle Frühlingshalbjahrkarten vorgestern abgelaufen sind.

    • Andere sind offenbar regelrecht auf die Jagd gegangen: eingezogene Schüler- und Studentenkarten

    Wirklich Spaß gemacht hat die bisherige Zeit also nicht – ich hoffe, das ändert sich noch.

  • Zudem bin ich von technischem Pech verfolgt:
    • Mein guter Fjällräven-Rucksack hat nach nur einem Jahr ein Riesenloch an der Seite, und ich finde zwar alle anderen Quittungen von diesem Einkaufstag, aber jene von dem Rucksack ausgerechnet nicht.
    • Am gleichen Tag fiel plötzlich mein Laptop im Akku-Betrieb aus. Anscheinend ist der Akku total im Eimer. Nur bin ich mir nicht sicher, ob es nun am Akku oder am Laptop liegt, da ich nur zwei unbrauchbare Akkus (der jetzige war eigentlich schon Ersatz) habe, mit denen ich das nicht testen kann. Nun habe ich Ersatz bestellt, aber es kann gut sein, dass ich nachher einen neuen Akku habe und der Laptop als solcher eine Macke hat, was natürlich sehr ärgerlich wäre.
    • Mit ComHem, unserem Anbieter für Kabelfernsehen, Internet und Telefon, haben wir ja schon seit langem Probleme. Wir hatten letzten Herbst sogar einen Techniker da, weil das Bild immer wieder stehenblieb. Der befand, dass das Störungen im Haus waren und gab uns ein Spezialkabel, das die Störungen weit genug zu reduzieren schien. Das Problem blieb aber einfach nur in vermindert Form bestehen. Vor kurzem war es so schlimm, dass manche Kanäle unansehbar waren. Die klassische Hotline-Krankheit, auch einem einigermaßen kompetenten Anrufer keinen Glauben zu schenken, kam hier natürlich auch wieder vor. Wir schickten den Receiver ein. Während dessen Abwesenheit fiel uns auf, dass man analog ziemlich guten Empfang hat. Als der Receiver zurückkam – natürlich ohne gefundenen Fehler – verkabelte ich daher so, dass man auch analog schauen kann, wenn digital mal wieder spinnt. Der Effekt war bemerkenswert: der digitale Empfang war plötzlich praktisch störungsfrei. Der Techniker sollte am Donnerstag kommen, aber wir wollten uns nicht der Peinlichkeit hingeben, dass der Empfang nun doch funktioniert. Also buchten wir den Techniker nach dem ganzen Theater wieder ab.
    • Mein treuer Weltempfänger, den ich mir nach der Konfirmation gekauft habe, wird in seiner Eigenschaft als Radiowecker langsam auch unzuverlässig. Zum Glück hatte ich das Handy als Ersatzwecker.
    • Meine Kopfhörer für den MP3-Player, momentan überlebenswichtig in dem Job, zeigen auch schon Zerfallserscheinungen.
  • Immerhin gab es auch ein paar positive Dinge: wir waren am letzten Wochenende auf unserer „Sommerresidenz“. Wir hatten eine Hütte auf der Insel Grinda gemietet. Das Wetter war herrlich, aber wegen der Trockenheit bestand leider Grillverbot.
  • Zu allerletzt: meine neverending Story mit der Fistel an meinem Hintern geht weiter. Heute habe ich eine neue Öffnung entdeckt. Es ist zum Kotzen.

Eigentlich kann es nur noch besser werden…